Dienstag

Penelope schob die Tür ihres Cottage mit dem Fuß zu und ging in die Küche, wo sie die beiden Papiertüten auf dem Küchentisch abstellte. Ihr war danach, sich zu schütteln wie ein nasser Hund, aber stattdessen ging sie ins Bad und rubbelte sich die Haare trocken. Anschließend zog sie ihr Kostüm aus und hängte die Jacke auf einen Bügel. Penelope legte den Kopf schief, um den sie einen Handtuchturban gewickelt hatte, und betrachtete das Teil. Sie bezweifelte, dass die Folgen des Regens spurlos an dem Wollstoff vorübergehen würden.

Sie schlüpfte in eine graue Jogginghose und ein weißes Shirt. Jetzt würde sie sich erst mal eine Kanne Tee kochen und ihre Einkäufe auspacken. Sie fühlte sich ein wenig wie ein Schulschwänzer. Nachdem es den ganzen Tag junge Hunde geregnet und sich kein Mensch in ihr Büro verirrt hatte, hatte sie gegen sechzehn Uhr beschlossen, nach Hause zu gehen. Es war wohl nicht damit zu rechnen, dass kurz vor Ladenschluss noch ein steinreicher Adliger eine Partnerin suchte. Und ihre zahlreichen Versuche, Jeremy zu erreichen, waren erfolglos geblieben. Auf dem Rückweg hatte sie bei Laura einen Großeinkauf gemacht.

Zufrieden betrachtete sie die Flasche mit französischem Rotwein. Das würde ein formidabler Abend werden. Sie ganz allein mit einem Salat und einem kleinen Steak, dazu ein Glas Rotwein. Und sie würde zum ersten Mal ausprobieren, ob es in diesem Häuschen Fernsehempfang gab. Nachdem man nur auf dem Friedhof telefonieren konnte, fragte sie sich, wo man wohl fernsehen konnte.

Penelope legte gerade das Päckchen mit dem Fleisch in den Kühlschrank, als es an der Tür klopfte. Sie öffnete und zuckte erschrocken zurück, als sie den Besucher erkannte. Scheiße!

Hastig zog sie sich das Handtuch vom Kopf. »Mr Hammond.«

Der Schauspieler sah genauso blendend aus wie immer. Sein schwarzes gewelltes Haar glänzte im Schein des Flurlichts, um seine Augen hatten sich Lachfältchen gebildet. Das war eine erstaunliche Leistung in Anbetracht der Wetterverhältnisse, dachte Penelope.

Sie trat beiseite. »Bitte, kommen Sie herein.«

»Danke.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ein scheußliches Wetter. Ich hoffe, Sie entschuldigen, dass ich Sie hier zu Hause überfalle. Ich stand beim Golden Sunshine und Luxury Club vor verschlossenen Türen, und Laura hat mir gesagt, dass Sie heute früher Schluss gemacht hätten.«

Penelope bemühte sich, weiterhin freundlich dreinzublicken, auch wenn sie sich furchtbar ärgerte. Am einzigen Tag, an dem sie die Agentur früher schloss, stand ein potentieller Kunde vor der Tür.

»Das tut mir leid. Ich habe gedacht, dass bei dem Wetter niemand auf den Gedanken kommt, den Partner fürs Leben zu suchen.«

»Das ist gar kein Problem. Ich hätte natürlich auch ein anderes Mal in Ihr Büro kommen können. Genau genommen ist es unverzeihlich, dass ich Sie stattdessen zu Hause überfalle.«

»Na ja, überfallen«, wiegelte Penelope ab. »Sie sind ja nicht bewaffnet.«

Sein Lächeln bekam etwas leicht Anzügliches, weshalb Penelope fortfuhr: »Ich mache mir gerade Tee und verstaue meine Einkäufe. Bitte nehmen Sie im Wohnzimmer Platz. Ich bringe Ihnen gleich eine Tasse, wenn Sie mögen.«

»Sehr gern. Danke.« Der Schauspieler war groß und musste ein wenig den Kopf einziehen, um sich nicht am Türrahmen zu stoßen. Penelope stellte den Wasserkocher an und verstaute die zu kühlenden Sachen im Kühlschrank. Den Rest würde sie später einräumen. Wenn Nigel Hammond – der Arzt, dem die Frauen vertrauen – im Haus war, war nicht die Zeit für Hausarbeit.

Sie eilte ins Schlafzimmer, machte sich in aller Eile einen Pferdeschwanz und zog sich eine dunkelblaue Wolljacke über, damit sie sich nicht so nackt vorkam. Anschließend goss sie den Tee auf, stellte Geschirr und einen Teller mit Keksen auf ein Tablett und trug alles ins Wohnzimmer hinüber. Hammond stand vor dem Bücherregal, eine Hand in der Hosentasche seiner Anzughose, mit der anderen fuhr er über die Buchrücken. Bei ihrem Eintreten wandte er den Kopf und lächelte ihr zu.

»Kann ich Ihnen helfen?«

Penelope deutete auf das Tischchen vor dem Sofa. »Vielleicht könnten Sie die Zeitschriften ein wenig beiseiteräumen.«

»Selbstverständlich.« Hammond schob die Illustrierten zusammen und legte sie auf ein anderes Tischchen, das zwischen einem Sessel und dem Sofa stand.

Penelope stellte das Tablett ab und knipste dann die Stehlampe in der Ecke und eine kleine Lampe auf der Fensterbank an. »Ein grässliches Wetter. Jetzt am Nachmittag ist es schon beinahe dunkel.«

»Umso schöner, wenn man sich in einem gemütlichen kleinen Cottage wie dem Ihren aufhalten kann.« Er deutete auf das Sofa. »Darf ich?«

»Natürlich.« Penelope schenkte Tee ein und schob den Keksteller zu ihm hinüber. »Ich hoffe, Sie sehen mir nach, dass ich nicht die in Shaftesbury üblichen Gastgeberqualitäten aufweise. Gurkensandwiches, Makronentörtchen und Shortbread.« Sie setzte sich in einen Sessel. »Sie wissen schon.«

Der Schauspieler nahm sich einen Keks und steckte ihn sich in den Mund. »Wissen Sie, ich mache mir nicht so furchtbar viel aus diesem englischen Getue. Die Kekse sind okay.«

Penelope war ein wenig überfordert mit der Situation. Ein berühmter Schauspieler in diesem muffigen Raum. Vermutlich war es ganz gut, dass die Beleuchtung nicht jede Ecke erhellte.

»Hübsch haben Sie es hier.«

Penelope lächelte. »Sie sind sehr charmant, Mr Hammond, aber hübsch ist nicht der Begriff, den ich für diesen Raum verwende. Ich habe das Cottage gemietet, und das ist die Einrichtung der verstorbenen Eigentümerin.« Sie sah sich um. »Wenn ich mit meinem Büro fertig bin, werde ich mich dem Cottage widmen.«

Hammond schenkte ihr ein Lächeln. »Das verstehe ich. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, wirken Sie ein wenig wie eine Prinzessin in einem verstaubten Museum.«

Penelopes Beruf war es, sich mit Menschen zu beschäftigen, und Nigel Hammond interessierte sie. Nicht unbedingt als Mann. Er weckte eher ihren Ehrgeiz, einen Blick hinter die Fassade zu erhaschen. Gut aussehend, wohlerzogen, charmant und erfolgreich. Und irgendwo gab es bei so einer geballten Ladung positiver Eigenschaften immer einen Haken.

Penelope zog die Füße auf die Sitzfläche und legte ihre Hände um ihre Teetasse. »Sie drehen im Moment gar nicht?«

Hammond schüttelte den Kopf. »Wir haben Drehpause. Die Aufnahmen für die neue Staffel beginnen im Herbst.« Er streckte sich und verschränkte die Hände im Nacken. »Noch einen Monat kann ich mich dem süßen Nichtstun hingeben. Im August beginnen wir dann mit den Außenaufnahmen für die dritte Staffel.«

»Dr Hammond, der Arzt, dem die Frauen vertrauen.«

»Das ist mein Spitzname. Mein Name im Film ist Dr Clifford. Aber meine weiblichen Fans haben ein paar Probleme damit, Fiktion und Wahrheit auseinanderzuhalten. Irgendwie ist dabei eine Vermengung meines echten Namens mit dem Bonmot aus der Serie herausgekommen.«

»Dr Hammond, der Arzt, dem die Frauen vertrauen«, wiederholte Penelope.

»Sie haben die Serie nie gesehen, oder?« Er grinste.

Penelope schüttelte den Kopf. »Ich gestehe, romantische Arztserien sind nicht so sehr mein Geschmack. Ich sehe ohnehin nicht so viel fern.«

Hammond deutete auf das Bücherregal. »Sie lesen.«

»Das sind auch noch alles Bücher der früheren Eigentümerin. Ich habe mich damit noch nicht befasst. Nur einige Bücher über Geburtshilfe habe ich gefunden.«

»Auch nicht Ihr Thema, wie?«

»Nicht ganz, nein.«

Eine Weile schwiegen sie beide, nur die Regentropfen, die gegen die kleinen bleigefassten Scheiben prasselten, waren zu hören. Penelope versuchte, sich zu entspannen, aber Hammond wirkte wie ein Fremdkörper in dem verstaubten Wohnraum. Sie hob die Teekanne an. »Möchten Sie noch?«

»Nein danke, ich will Ihre Zeit auch nicht über Gebühr beanspruchen.«

»Das ist schon in Ordnung. Möglicherweise hätte ich doch etwas gelesen, wenn Sie nicht gekommen wären.«

»Nun, ich wollte eigentlich auch nichts Berufliches von Ihnen.«

Penelope verschluckte sich beinahe an ihrem Tee.

»Ich wollte mich eigentlich danach erkundigen, ob Sie einmal mit mir in Chesterfield zu Abend essen würden.«

Auf diesen Frontalangriff war Penelope nicht recht vorbereitet. »Ja, warum nicht?« Vermutlich gab es etwa eintausend Frauen, die sich nichts sehnlicher wünschten, als diese Worte aus Hammonds Mund zu hören. Es war zwar nicht so, dass die Einladung bei ihr nichts auslöste, aber sie fiel auch nicht in Ohnmacht. »Sagen Sie, Mr Hammond …«

»Bitte sagen Sie Nigel.«

»Nigel, spielt Ihre Serie zufällig auch mal in einem Schloss?«

Der Schauspieler lächelte irritiert. »Es gab mal eine Sequenz in der zweiten Staffel, in der eine Schlossherrin eine Rolle spielte. Sie hatte ein nichteheliches Kind, was eine ganze Menge Probleme in ihrer adligen Familie verursachte.«

»Und konnte Dr. Hammond … äh … Dr. Clifford die Probleme dieser Dame lösen?«

»Selbstverständlich. Souverän und diskret wie immer.«

Penelope erwiderte sein Grinsen. »Klingt, als könne man von Ihnen noch etwas lernen. Vielleicht sollte ich die Serie doch einmal sehen.«

»Morgen Abend um zwanzig Uhr wird die nächste Folge ausgestrahlt. Passt es Ihnen am Donnerstag?« Hammond rieb sich die Oberschenkel.

»Das tut mir leid. Ich bin bereits verabredet.« Da hatte Penelope ihr wichtiges Date mit dem Buchclub. »Vielleicht am Freitag?«

»Ich bedaure zutiefst, aber ich bin am Wochenende in London. Es geht um Gespräche über eine neue Rolle, worüber ich noch nicht sprechen kann.«

»Das ist schade. Vielleicht wenn Sie zurückkehren.«

Hammond erhob sich. »Es wäre mir eine Ehre. Ich darf Sie in der kommenden Woche aufsuchen?«

Penelope stand auf. »Ich würde mich freuen, Nigel.« Sie stellte ihre Teetasse ab und warf einen Blick nach draußen. »Ich hoffe, Sie haben einen Schirm dabei.«

»Ich habe meinen Wagen am Dorfanger geparkt.«

Penelope folgte ihm in den Flur, wo Hammond sich zu ihr umdrehte. »Vielen Dank für den Tee. Ich sehe Sie nächste Woche.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und verschwand dann in den Regen.

Was für ein merkwürdiger Auftritt. Mit seinem eigentlichen Anliegen war Hammond sehr spät herausgerückt, und genau genommen waren sie immer noch nicht verabredet.

***

Lilly war nach der Schule zu ihrer Freundin Julie gegangen, wo sie auch übernachten würde. Sam hatte sozusagen sturmfreie Bude, aber der Gedanke daran, den Abend allein in der Wohnung zu verbringen, war furchtbar. Ohne Lillys Anwesenheit fehlte ihm etwas, und außerdem lenkte ihn ihr Geplapper vom Grübeln ab. Nachdem er den letzten Patienten verabschiedet hatte, schloss er die Praxis. Er würde mit Boss einen Spaziergang machen, und es war durchaus möglich, dass sein Weg ihn am Dorfanger vorbeiführen würde. Er spannte einen Regenschirm auf und sprach beruhigend auf Boss ein, der keine großen Ambitionen zeigte, bei dem Wetter nach draußen zu gehen. Er lief immer einige Schritte vor Sam her, so als wolle er das Unangenehme schnell hinter sich bringen und so bald wie möglich wieder im warmen Wohnzimmer vor dem Kamin liegen.

Als sie von der Main Road in die Straße zum Dorfanger einbogen, sah Sam einen gut aussehenden Mann aus Penelopes Cottage kommen. Er lief durch den Regen zu einem BMW Cabrio, das am Dorfanger parkte, stieg ein und fuhr davon. Boss blieb stehen und wandte sich zu ihm um. Sam war irritiert. Wer zum Teufel war das? Mit wenigen Schritten war er bei der Tür des Cottage angelangt und klopfte.

Penelope öffnete ihm in Jogginghose und Strickjacke, die Frisur nicht so ordentlich, wie er sie kannte.

»Hi, ich hoffe, ich störe nicht.«

Ihr Blick wanderte von seinem Gesicht zu Boss, der wie ein begossener Pudel neben ihm auf der Fußmatte saß.

»Aber vielleicht ist es jetzt gerade schlecht«, fuhr Sam fort.

Sie schüttelte den Kopf. »Ach was, kommt rein.« Sie trat beiseite und griff nach einem Handtuch, das auf einer Kommode lag. »Wir können ihn damit trocken rubbeln.«

»Sie hatten Besuch«, sagte Sam, während er Boss’ Fell trocken rieb. Es hatte wie eine Feststellung klingen sollen, hörte sich aber in seinen eigenen Ohren wie der jämmerliche Versuch an, eine Antwort zu erhalten, die ihn nicht zum Weinen brachte. Als Penelope nicht antwortete, sah er auf. Sie stand immer noch an der Tür und sah durch das kleine Fenster nach draußen in den Regen.

»Einen ausgesprochen merkwürdigen Besuch«, stellte sie schließlich fest. »Kennen Sie diese Arztserie ›Dr. Hammond, der Arzt, dem die Frauen vertrauen‹?«

»Dr. Clifford«, korrigierte er automatisch. »›Dr. Clifford, der Arzt, dem die Frauen vertrauen.‹«

Langsam wandte sie sich zu ihm um. Und grinste. »Sie kennen die Serie? Und Sie gucken sie regelmäßig. Stimmt’s?«

Das Hundefell war längst trocken. Es half nichts, er musste sich der peinlichen Situation stellen. Sam richtete sich auf. »Hin und wieder sehe ich sie. Also, Lilly und ich gucken sie. Manchmal. Nicht immer.«

»Ich glaube, am Freitag gibt’s die nächste Folge«, sagte sie.

»Morgen. Mittwochs. Die Serie läuft immer mittwochabends«, stammelte er. Er hätte zu Hause bleiben sollen. Sich in irgendein Loch verkriechen, wo er sich jetzt hinwünschte. Penelope machte einen Schritt auf ihn zu und blieb so nah vor ihm stehen, dass er ihren Atem spürte. »Ist auf Ihrem Sofa noch Platz für eine dritte Person?«

Sam schluckte.

»Ich habe keine Ahnung, ob mein Fernseher funktioniert, und allmählich bin ich ziemlich neugierig auf diese Sendung. Alle Welt guckt sie, und der Hauptdarsteller will mich zum Essen einladen.«

»Der Besucher war Hammond?«, krächzte Sam. Gegen Nigel Hammond, den Nummer-eins-Schauspieler aus London, brauchte ein lausiger Landtierarzt wie er gar nicht erst anzutreten.

Penelope nickte und ging dann ins Wohnzimmer, wo er sie mit Geschirr klappern hörte. »Und ich frage mich, was er wirklich wollte.«

Boss lief schwanzwedelnd ins Wohnzimmer für den Fall, dass dort Essenreste übrig waren. Er folgte dem Hund und sah zu, wie Penelope Teegeschirr auf ein Tablett stellte.

»Was meinen Sie damit, was er ›wirklich wollte‹?«, fragte Sam.

»Er hat behauptet, dass er mich in der Agentur aufsuchen wollte, sein Besuch habe aber einen privaten Grund, weil er mich zum Essen einladen will.«

Sam nahm eine kleine steinerne Elefantenskulptur aus dem Bücherregal in die Hand und spielte damit herum. »Kann doch sein«, sagte er und bemühte sich um einen beiläufigen Tonfall.

»Natürlich kann das sein. Aber er hat nicht mal an dem Tee genippt, dann einen Keks verputzt, und er ist mit der Einladung herausgerückt, obwohl er gar keine Zeit hat.«

Irgendwie ließen ihre Worte Sams Herz ein wenig schneller klopfen. Möglicherweise stand hier nicht der nächste Fan von Nigel Hammond vor ihm. Er stellte den kleinen Elefanten wieder zurück, und als er aufsah, war Penelope verschwunden, ebenso wie sein Hund. Im nächsten Moment hörte er sie in der Küche mit jemandem sprechen.

Als er den beiden folgte, saß Boss neben ihr, klopfte mit der Rute auf den Boden und sah erwartungsvoll zu ihr auf. Penelope wusch das Teegeschirr ab und plauderte tatsächlich mit dem Hund.

»Wir müssen mal gucken, ob wir nicht doch etwas für dich finden«, erklärte sie. »Ich war nicht darauf eingerichtet, Besuch von einem Hund zu kriegen.«

Boss hechelte, seine Zunge hing seitlich aus dem Maul. Offenbar fuhr er ebenso auf ihre sanfte Stimmlage ab wie Sam.

»Kommen Sie ruhig rein«, forderte Penelope ihn auf und warf ihm über die Schulter einen Blick zu. »Sie haben mich schon so weit gebracht, dass ich mit einem Hund spreche.«

»Also, wenn es Sie beruhigt, das ist sehr gesund. Es senkt den Blutdruck.«

»Tatsächlich?«, fragte sie skeptisch. »Dann sollte ich mir wirklich einen Hund anschaffen, denn seit ich hier in Shaftesbury lebe, leide ich unter Bluthochdruck.«

»Boss!« Der Hund erhob sich auf Sams Befehl hin und legte sich zu seinen Füßen. »Wenn wir stören, gehen wir natürlich wieder«, sagte Sam.

»Sie können gern bleiben, wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass ich nur ein mickriges Steak dahabe, das wir uns teilen müssten.« Penelopes Blick fiel auf den Hund. »Für uns drei ist es allerdings wohl zu klein.«

Als sie eine Dreiviertelstunde später am Küchentisch saßen, hatten sie den Salat mit Schafskäse aufgepeppt und das Steak in Streifen geschnitten und über dem Salat verteilt. Boss war leer ausgegangen und lag, die Schnauze flach am Boden, auf Sams Füßen. Zu Sams Erleichterung waren sie von dem Thema Nigel Hammond abgekommen, und er hörte Penelope zu, die von ihren Plänen für das Herrenhaus von Earl Blackmore berichtete.

»Ich wusste gar nicht, dass der Earl eine Frau sucht.«

»Sucht er auch gar nicht«, stellte Penelope klar. »Aber nachdem er sich versehentlich in die Agentur verirrt hat, ist in ihm irgendwie der Gedanke gereift, eine Lebensgefährtin zu finden, mit der er sein Interesse für Rosen teilen kann.«

»Klingt sehr romantisch. Sie sind ziemlich geschäftstüchtig.«

»Na ja, ich habe immer mehr das Gefühl, dass ich von meinem ursprünglichen Plan abrücke. Ich wollte eine exquisite Partnervermittlungsagentur eröffnen, und nun sehen Sie mich an, was aus mir geworden ist. Mein bestes Kostüm vom Regen ruiniert, kommunikationstechnisch von der Außenwelt abgeschnitten und zur Schnüfflerin in Sachen Ackerwinde degradiert.«

»Ich finde diese Ackerwindengeschichte ziemlich wichtig. Den Menschen hier im Ort bedeuten ihre Gärten eine Menge, und wenn jemand herumläuft und sie zerstört, stört er auch den Frieden im Ort.«

Penelope sah ihn an.

»Stimmt was nicht?«, fragte Sam.

»Ich weiß nicht.« Penelope runzelte die Stirn, was sie noch attraktiver aussehen ließ. »So habe ich das noch gar nicht betrachtet. Mir ist schon klar, dass ich mich in so einen Ort wie Shaftesbury einbringen muss, um keine Außenseiterin zu werden. Aber die Bedeutung dieser Sache mit der Ackerwinde hatte sich mir bisher nicht ganz erschlossen.«

»Das hat Dorian auch so gesehen«, sagte Sam.

»Wir haben uns schon wieder vertragen.« Penelope steckte sich ungerührt eine Gabel voll Salat in den Mund, ohne zu ahnen, dass Sam bei dieser Bemerkung erneut das Herz stehen blieb. Dorian Grey war der Casanova von Shaftesbury, und die Auswahl von Frauen, die in sein Beuteschema passten und halbwegs in der Nähe wohnten, war zahlenmäßig sehr begrenzt. Penelope war eine gut aussehende Frau und keine leicht einzunehmende Festung, also genau die richtige Herausforderung für den aufgeblasenen Briefträger.

»Er hatte ein wenig Angst davor, dass ich etwas von ihm wollen könnte«, fuhr Penelope fort. »Aber nachdem wir das Missverständnis aufgeklärt haben, können wir jetzt unseren Plan durchführen.«

Sams Hormone fuhren inzwischen Achterbahn. Die Nachricht, dass Dorian nicht an Penelope interessiert war und umgekehrt, beruhigte ihn, aber jetzt machte ihm der gemeinsame Plan zu schaffen.

»Aha«, sagte er, um nicht wie der allergrößte Blödmann dazustehen. Ganz genau verstand er nicht, was Penelope ihm dann erzählte. Es ging um eine Menge blutrünstiger Morde, die im Blackmore Manor geschehen würden, und um einen Typen namens Tom, der das Ganze zu verantworten hatte. Aber all das interessierte ihn gar nicht mehr so richtig, weil er einfach nur froh war, dass kein anderer Mann Interesse an Penelope zeigte. Es sei denn, dass dieser Tom so ein Kandidat sein könnte.

»Sie hören mir gar nicht richtig zu, oder?«

»Entschuldigung. Zugegebenermaßen bin ich mit meinen Gedanken abgeschweift.«

»Macht nichts.« Penelope hob die Weinflasche an und schenkte ihm nach. »Ist auch noch ein ungeordneter Haufen ungelegter Eier. Erst mal sehen, was daraus wird.«

Sam sah auf die Uhr. »Ich muss leider zurück und nach Foxy sehen, also nach Holmes.«

»Schade, aber macht nichts.« Penelope griff nach seinem Glas und trank einen Schluck daraus. »Ist es denn in Ordnung, wenn ich morgen Abend zum Fernsehen zu Ihnen komme?«

»Das wäre toll. Ich werde uns eine Kleinigkeit zu essen machen und dann machen wir es uns auf der Couch gemütlich.«

»Klingt gut.«

Sie standen vom Tisch auf, und Sam ging zur Haustür, wo er seinen Schirm aus der Ecke des Flurs nahm. »Vielen Dank für das Abendessen.«

»Gern geschehen.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Vielen Dank für Ihren Besuch.« Flüchtig strich sie Boss über den Kopf. »Bis morgen, Hund.«

Sam hatte das Gefühl, dass sein Hund Penelope ebenso selig ansah wie er selbst. Sie hatte ihn geküsst. Auf die Wange. Wow.

»Gute Nacht.«

Er trat in den kühlen Abend hinaus und wandte sich auf dem schmalen Weg noch einmal um. Penelope stand in der geöffneten Tür, die Strickjacke vor der Brust zusammengezogen, beleuchtet von dem Flurlicht. Er winkte ihr kurz zu, dann schloss sie die Tür.