Sonntag

Als Penelope am Sonntag nach der Kirche den Pub betrat, entdeckte sie Laura hinter dem Tresen. Sie zapfte Bier und wechselte verliebte Blicke mit Luke.

»Hätte ich nicht gedacht, dass sie eine Undercoveragentin des MI5 schicken, um diesen Schmierenkomödianten hopszunehmen«, stellte John fest. »Laura, schenk mir noch ein Bier ein. Bei dir schmeckt es viel besser als bei Luke.«

Laura grinste ihn an und stellte ein Glas unter den Zapfhahn.

»Und was bekommen Sie?«, fragte sie Penelope.

»Haben Sie was gegen Kopfschmerzen?«

»Dagegen habe ich sehr viel. Aber ich würde ein Gläschen Schlehenlikör empfehlen.« Laura deutete mit dem Kinn zu einem Tisch. »Das bringe ich gleich dorthin.«

Penelope sah zu dem Tisch hinüber. Dort saßen Sam und Lilly, flankiert von ihren beiden Hunden. Sam winkte sie heran.

»Wie geht es Ihnen?«

Penelope ließ sich erschöpft auf einen Stuhl fallen. »Ich habe ein schlechtes Gewissen.«

»Musst du auch«, bestätigte Lilly. »Kirche ausfallen lassen ist schlecht für das christliche Karma.«

»Was ist das denn?«, fragte Penelope.

»Lilly meint das nicht so«, sagte Sam.

»Doch, meine ich. Gemmas Daddy meint, …«

»Ist gut jetzt, Lilly. Du weißt doch, was gestern los war. Davon muss Penelope sich erst mal erholen.«

»Ist schon in Ordnung.« Penelope rückte die Teetasse und das Glas Schlehenlikör zurecht, die Laura ihr hinstellte.

»Das war voll krass.«

»Das stimmt«, bestätigte Penelope. »Diese Lesung ist eingeschlagen wie eine Bombe. Blomberg hat heute Morgen angerufen. Die Verkaufszahlen für Tom Stannecks Krimi gehen durch die Decke. Und aus den Lesungen in Blackmore Manor wird eine regelmäßige Veranstaltung. Allerdings müssen wir noch an den Details arbeiten. Ich fand, dass ein bisschen zu viel Schweineblut im Spiel war.«

»Aber an diesem Dr. Clifford sah es doch ganz gut aus«, erklärte Lilly. »Passt ja auch zu seiner Rolle als Arzt.«

»Die dürfte er wohl los sein«, stellte Sam fest.

»Kann er ja einen Gefängnisinsassen spielen.«

Penelope nahm einen Schluck Tee, um ihr Grinsen zu vertuschen. Die Sonntagszeitung hatte ausführlich über das Karriereende von Nigel Hammond berichtet, und als sie am Morgen aus ihrem Haus getreten war, hatten auf dem Dorfanger Übertragungswagen der Fernsehsender Stellung bezogen. Möglicherweise würde Shaftesbury mehr Berühmtheit erlangen, als dem kleinen Ort lieb war. Der Earl jedenfalls hatte verkündet, dass diese Veranstaltung die erste und letzte gewesen sei, aber Samantha Smith hatte Penelope mit einem Augenzwinkern zu verstehen gegeben, dass sie das Problem schon lösen würde. »Ich sage nur: Victor Parmentier«, hatte sie gewispert.

»Und seine Drehbücher kann er im Gefängnis schreiben«, stellte Sam zufrieden fest.

»Das war doch voll fies«, stellte Lilly fest. »Der wollte einfach so tun, als wenn der arme Lord sein Vater ist. Gemmas Daddy sagt, dass er raffig ist.«

»Raffgierig«, korrigierte Sam.

»Und dafür hat er einen Mord begangen und einen Mordversuch unternommen.«

»Wie geht es Priscilla?«, fragte Sam.

»Besser. Allerdings wird sie sich mit der Polizei auseinandersetzen müssen, wenn sie wieder gesund ist. Es war keine gute Idee von ihr, zu versuchen, Hammond zu erpressen. Das hätte sie beinahe mit dem Leben bezahlt.«

»Die Polizei hat das schwarze Heft bei ihm gefunden, das Mathilda unter der Bodendiele in ihrem Schlafzimmer versteckt hat. Darin hat sie alle Fälle notiert, in denen sie sicher war, dass die Vaterschaftsangaben der Mütter ihrer Meinung nach nicht stimmten.« Penelope beugte sich vor. »Beispielsweise steht darin, dass John Martins Vater ist«, flüsterte sie. Sie sah Lilly an. »Aber das bleibt ein Geheimnis.«

»Das bleibt ein Geheimnis«, erklärte Lilly ernsthaft und wandte sich dann zu John um. »Der ist aber viel dünner als Martin.«

»Ja, und wir werden dieses Geheimnis niemandem verraten.« Sam drehte den Kopf seiner Tochter wieder zum Tisch. »Auch nicht Gemmas Daddy.«

»Menno.«

»Das ist das Wesen von Geheimnissen.«

»Dass man sie verraten kann«, sagte Lilly.

»Dass man sie nicht verrät. Sonst sind sie keine Geheimnisse mehr.«

»Warum wollte Mr Hammond denn gern der Sohn vom Lord sein?«

»Weil der Lord reich ist und in einem Schloss wohnt und Nigel Hammond nicht reich ist und in keinem Schloss wohnt«, erklärte Penelope.

Lilly nickte. »Das ist ein Grund.« Sie deutete auf Penelopes Teetasse. »Kannst du mal austrinken?«

»Warum?«

»Na, weil wir doch jetzt unser Picknick machen.« Sie lächelte Penelope an. »Das hast du Daddy versprochen.«

Penelope sah Sam an. Der wöchentliche Fernsehabend am Mittwoch würde künftig wohl ausfallen, aber an ihrer Verabredung zum sonntäglichen Picknick würde sie gern festhalten. Trotz der Insekten und der Grasflecken auf ihrer Kleidung.