KAPITEL 12

Die nächsten zwei Wochen vergingen wie im Flug. Immer wieder kicherten die Coolen Kicker, wenn sie an Daniels Bauchlandung mitten in den stinkenden Misthaufen dachten. Aber ansonsten hatten sie alle Hände voll zu tun, um sich auf den Sichtungslehrgang in Bergkirchheim vorzubereiten.

Nebenbei fanden Eberhard und Thomy zu ihrer alten Stänkerlaune zurück Das war kein Wunder. Denn sowohl die Coolen Kicker als auch das Eberhard-Thomy-Team galten als heiße Favoriten um die begehrten Plätze in der Auswahlmannschaft des Landkreises – und damit waren sie automatisch erbitterte Konkurrenten.

Immerhin hatten die Coolen Kicker an den letzten Trainingstagen wieder ihre gewohnten Schuhe an den Füßen und auch ihre Räder hatten sie mithilfe von Franks Vater so weit hingekriegt, dass sie mit ihnen zur Fußballwiese hochfahren konnten. Erstaunlicherweise ließ auch Daniel sie in Ruhe.

Doch Frank ahnte, dass Müllers Sohn alles daran setzen würde, um die Entscheidung auf dem Fußballplatz zu suchen. Fast zweihundert Jugendfußballer würden bei der Show zusammenkommen, um sich den versammelten Trainern und Talentsuchern zu präsentieren. Da waren Ellbogenkämpfe und Eifersüchteleien vorprogrammiert.

Dann war der große Tag da. Das recht begrenzte Sportgelände in Bergkirchheim platzte aus allen Nähten. »Statt an unserem Trainer Anstetter zu kleben, warten wir lieber gemütlich bei unseren Freunden am Rand des ersten Spielfelds«, meinte Guido.

»Solange es hier nicht nach Mist stinkt, weil Daniel gerade auftaucht«, sagte Karin vergnügt.

Jacki lachte laut auf. »Das war ein Bild für Götter, wie sich der eingebildete Tölpel mühsam aus dem Misthaufen aufrappelte und dann auch noch von seinem Vater wegen der gestohlenen Klamotten eins drüber kriegte!«

»So kleinlaut hab ich den noch nie gesehen«, lachte Luki. »Ich glaub, der legt sich so schnell nicht mehr mit uns an.«

»Freut euch nicht zu früh«, warnte Guido. »Denn ich hab den wandernden Misthaufen vorhin schon hier rumschleichen sehen. Und wie ich den kenne, rattern jede Menge Bösartigkeiten durch seinen Kopf.«

»Aber wenn er uns nochmal anschwärzen will, wird er sich die Finger verbrennen«, sagte Frank »Dem glaubt doch jetzt keiner mehr ein Wort.«

»Dafür wird er sich andere Gemeinheiten einfallen lassen«, meinte Karin. »Verlass dich drauf!«

»Ich verlass mich eher darauf, dass heute jede Menge Talentsucher herumschwirren«, sagte Guido mit leuchtenden Augen.

»Aber für die Auswahlmannschaft sind doch die Trainer zuständig, oder?«, fragte Karin.

Frank nickte nachdenklich. »Deshalb sind sie für mich auch wichtiger als die Talentsucher. Denn ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob ich dieses Jahr wirklich schon zu einem Profiverein will.«

»Das ist ja komisch«, staunte Guido. »Der gleiche Gedanke schoss mir vor ein paar Tagen auch durch den Kopf.«

»Na ja.« Frank zuckte mit den Schultern. »Wenn wir zu verschiedenen Profivereinen kommen, werden wir doch auseinander gerissen. Schaffen wir dagegen alle den Sprung in die Auswahlmannschaft ...«

»... bleiben wir Coolen Kicker zusammen«, beendete Jan seinen Satz. »Und genug Zusatztraining kriegen wir trotzdem. Viele bekannte Spieler haben es so gemacht.«

Guido runzelte die Stirn. »Da hatten drei Dumme den gleichen Gedanken. Aber wie wär's, wenn wir noch einen draufsetzen – und uns gleich alle drei für Bayern München qualifizieren?«

»Träum weiter«, sagte Karin. »Das ist doch wohl eine Nummer zu groß für euch, oder?«

»Wer weiß ...?« Guido lächelte versonnen. Aber dann gab er sich einen Ruck und wandte sich zu den anderen um. »Stellt euch das mit der Auswahlmannschaft nur nicht zu leicht vor. Die Konkurrenz ist hammerhart«

»Aber wir sind hammerhärter!«, prahlte Jan.

»Dass müssen wir erst noch beweisen«, meinte Guido, »Und vergesst nicht: Als Erstes kommt es auf die Schusstechnik an. Einer flankt und der andere hält aufs Tor.«

»Echt?«, fragte Jan. »Erzähl mal, Professor. Ich lern immer wieder gerne was dazu.«

»Blödmann. Ich habe euch doch oft genug erzählt, wie die Sichtung abgeht, oder?«

»Irgendwie schon«, murrte Jan. »Deswegen wäre es jetzt ganz nett, du würdest die Stummtaste drücken.«

»Bitteschön. Wenn ich euch nerve ...« Guido lächelte hochmütig. »Dann verrate ich euch eben nicht, dass gerade Trainer Mayerhofer auf uns zukommt, um uns für die erste Übung einzuteilen.«

Frank und Jan fuhren herum und starrten auf den Mittdreißiger, der eiligen Schrittes auf sie zuhielt.

»Hallo Leute.« Mayerhofer holte ein Notizbuch hervor, »Ihr hättet euch längst bei mir melden müssen. Die Einteilung zur ersten Aufgabe ist schon fast gelaufen.«

Jacki kicherte und Guido bekam einen knallroten Kopf. »Das ist doch ... ich meine ...«

»Oh, Mann, das gibt's doch nicht«, polterte Jan. »Zuerst tust du so, als ob du den Ablauf in- und auswendig kennst und dann versiebst du gleich den Anfang ...«

Der Trainer blätterte in seiner Liste herum. »Wer von euch ist Jan?«

Der Angesprochene zuckte zusammen. »Ich. Wieso?«

»Weil du mit Thomy zusammenspielst.«

»Ich und Thomy?«, kreischte Jan auf. »Ich bin doch nicht bescheuert! Der Typ ist das Allerletzte ...«

»Guido spielt mit Eberhard«, fuhr der Trainer ungerührt fort, »und Frank mit Daniel.«

»Nein ... nicht ... ätzend ...«

Frank verstand nicht ganz, was Guido da vor sich hinmurmelte, aber es war ihm auch herzlich egal. Er war vollkommen von den Socken, dass er mit Daniel zusammenspielen sollte. »Hat jemand zum Trost ein gelbes Quietschentchen für mich?«, stammelte er.

»Ne«, sagte Jacki. »Aber wir drücken dir die Daumen, dass du diese Herausforderung überlebst.«

»Oder Daniel«, murmelte Frank.

»Beeilt euch«, fuhr Mayerhofer fort. »Die anderen Jungs warten schon auf euch.«

»Können wir nicht tauschen ...?«, begann Guido.

»Ihr könnt die Beine in die Hand nehmen und dann Abmarsch!«, kommandierte der Trainer ärgerlich.

»Aber nicht ohne uns!«, rief Karin und Luki fügte hinzu: »Lasst euch bloß nicht von den Deppen fertig machen!«

Daniel begrüßte sie auf boshafte Art »Eh, ihr Trödelheinis! Beeilt euch, sonst können wir's gleich vergessen.«

Frank knirschte mit den Zähnen. »Ich flank dem Angeber den Ball mitten in seine vorlaute Klappe, bis er 'ne Maulsperre kriegt«, zischte er.

Karin kicherte. »Starke Idee. Aber spar sie dir besser für ein anderes Mal auf – sonst fliegst du noch raus.«

»Stellt euch paarweise in einer Reihe auf«, kommandierte Mayerhofer.

»Paarweise?« Jan warf einen verzweifelten Blick auf Thomy. »Etwa mit dem da?«

»Du musst mich ja nicht gleich heiraten, Mann«, sagte Thomy sauer. »Und nun komm her, bevor wir deshalb schon in der ersten Runde ausscheiden!«

»Das gilt auch für dich«, fuhr Daniel Frank an. »Und benimm dich anständig: Sonst müsste ich leider mal wieder Meldung über dich machen.«

»Ich werd dich ...«, begann Frank gereizt. Aber als der Trainer alarmiert zu ihm herumfuhr, riss er die Mundwinkel zu einem Breitmaulfroschgrinsen auseinander. »Ich werd dich ganz toll unterstützen. Zur Not kann ich Karin zu dir nach Hause schicken und sie bitten, dir aus deinem Zimmer die Sachen zu holen, die du immer vergisst.«

»Genau.« Karin war sofort Feuer und Flamme. »Falls dir ein paar Ringelsöckchen fehlen? Oder Unterhöschen im Tigerentenmuster?«

Daniel ballte wütend die Faust. »Vorsicht, ihr Wichtigtuer. Vergesst nicht, wo wir sind.«

»Ringelsöckchen?«, fragte Karin zuckersüß. »Oder Tigerentenmuster?«

Daniel wandte sich mit einem Knurren ab. Aber Frank blieb nichts anderes übrig, als sich neben ihn zu stellen. Das allein war schon schlimmer als eine Woche Stubenarrest.

Zuerst waren ein paar Vereinskameraden dran, dann kamen Jan und Thomy an die Reihe. Jan lief zur markierten Stelle rechts vom Tor und flankte den Ball auf ein Zeichen Mayerhofers hin zu seinem Teamkollegen. Thomy nahm den Ball geschickt an und drosch ihn sofort aufs Tor.

Der Torwart parierte den Ball dennoch mühelos. Das war kein Wunder, denn es war niemand Geringeres als Michael, der mit Abstand beste Jungendtorwart des 1. FC Wilnshagen. Kaum hatte es sich Frank versehen, waren auch schon Eberhard und Guido durch.

Daniel grinste schief. »Jetzt sind wir beiden Hübschen dran. Aber denk dran: Falls du nicht gescheit flankst, machst du dich zur Lachnummer – und nicht ich.«

Frank fing den von Michael geworfenen Ball und begab sich zur markierten Stelle. Ihm war ganz flau. Nicht nur Mayerhofer behielt ihn scharf im Auge – nein, jetzt schlenderte auch noch ein Talentsucher von einem der großen Profivereine heran!

»Nun mach schon«, sagte Mayerhofer ungeduldig.

Frank nickte, nahm Anlauf und schoss. Der geflankte Ball kam etwas hoch, doch Daniel machte das Beste aus der Situation und knallte ihn ins linke Kreuzeck

»1: 0 für Daniel!«, rief Luki erschrocken.

»Danke, danke.« Daniel drehte sich beifallsheischend zu den anderen um. »Ich freu mich über jedes Lob – auch wenn es von Fußballtrampeln kommt!«

»Ich zeig dir gleich was von wegen Trampel!« Luki wollte losspurten, aber Karin hielt ihn am Kragen zurück.

Mayerhofer drehte sich wütend zu ihnen um. »Seht zu, dass ihr Land gewinnt, statt hier rumzustänkern!«

Daniel drehte Karin hinter dem Rücken des Trainers eine lange Nase, aber das Mädchen ließ sich nicht provozieren. »Schon gut.« Sie ließ Luki probehalber los. »Wir machen keinen Ärger.«

»Genau«, sagte der Kleine. »Selbst ich sag jetzt echt kein Wort mehr!«

Karins aufmunternder Blick tat Frank wirklich gut. Trotzdem war ihm überhaupt nicht nach Lachen zumute. Mit hängenden Schultern trabte er an seinen Freunden vorbei, um seinen Platz in der Reihe wieder einzunehmen.

»Kopf hoch!«, zischte ihm Karin zu, als er auf ihrer Höhe war. »Beim nächsten Durchgang flankt Daniel. Dann kannst du zeigen, was du drauf hast!«