Flughafen Wyld Things

Laylay, 3. April 2064

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal die Worte sage: »Weißt du was, anne, dann machen wir jetzt so eine Duell-Sache um mein Recht, über meinen eigenen Uterus zu bestimmen«, aber hier sind wir nun, und es ist raus.

»So eine Duell-Sache?« Sie schmunzelte.

»Ja.« Ich war so viel mit Azmi unterwegs gewesen, und eine Sache war immer gleich: Toxxers können Herausforderungen nicht widerstehen. Sie lieben es, sich zu messen. Das ist wichtig, weil sie sonst keine Rangordnung festlegen können.

Clara mochte hier ihre Dynastie der Älteren über Jüngere errichtet haben, auf der Basis dessen, dass es hier keine Ferales-Konkurrenz gab, nur Doppel-Sapiens, bei denen sie rezessive Gene geweckt hatte oder so was. Das war steuerbar und beherrschbar, wenn ich es richtig verstanden hatte.

Ich allerdings, ich war eine Art Wildcard, jünger, stärker, für sie unberechenbarer, für ihre Hierarchie gefährlich. Klar wollte sie mich jetzt zum Kinderkriegen abstellen (und irgendwie spielte ich ihr in die Karten, indem ich behauptete, dass mein Uterus schon besetzt war, aber ich agierte gerade vor allem impulsiv und wenig geplant) – aber Tatsache war doch: Ich war ihre Tochter, ich war jung, ich entsprach ihrem Bild von Stärke. Sie musste Angst haben, dass ich sie absägen würde. Sie würde es sich nicht entgehen lassen, mich physisch in die Schranken zu weisen.

Sie hatte mich nun schon zwei Nächte in einer winzigen Schlafkammer einsperren lassen in einer seltsamen Taktik aus »Du bist meine Gefangene« in der Nacht und »Du bist die verlorene Tochter, die ich beeindrucken will« am Tage. Sie zeigte mir nach und nach alle Abteilungen ihres Flughafens, und gerade standen wir in einem Verwaltungsraum, der – wie fast alle Räume, die für die Ferales und nicht für die zwangsarbeitenden Kinder gedacht waren – über ein beeindruckend instand gehaltenes Fenster verfügte. Mir bot sich eine spektakuläre Sicht über die Steppe und ein weit entferntes zerstörtes Stadtpanorama.

Hier hatte sie mir beiläufig mitgeteilt, dass ich ein nichtvorhandenes Kind abtreiben lassen sollte, weil Zeeto ihr nicht in ihren Genom-Masterplan passte. Aber nicht mit mir! Ich würde auch für das Recht auf vorgetäuschte Schwangerschaft streiten.

Nein, wirklich, das ergab auf mehreren Ebenen Sinn: Clara wollte, dass ich die Schwangerschaft beendete (ob sie existierte, ist dafür irrelevant), damit sie mich in ihr Ferales-Nachkommenprogramm eingliedern konnte. Wenn ich erst einmal von einem ihrer Goons schwanger war, würde ich auch leichter zu beherrschen sein, und sie würde mich in den nächsten zwei Jahrzehnten mit Schwangerschaften und Stillzeiten beschäftigen, bis ich vergessen hatte, dass ich einmal hatte aufmucken wollen. Bis ich voll auf Linie war, fest verankert in irgendwelchen biologischen Familienbanden.

Uns beiden war es also wirklich eine Herzensangelegenheit, der anderen zu zeigen, was Sache war.

Und wie zeigt man das unter Toxxers? Mit Gewalt.

Dabei taten mir die Rippen noch vom letzten Mal weh. Und ich war mir ziemlich sicher, dass ich nicht gegen sie gewinnen konnte. Sie würde mich also aufmischen und mich danach zu dieser Kasia schleifen, und die würde dann in meinen Uterus gucken und feststellen, dass da gar nix drin war, und dann würde ich sie auslachen.

Win-win, wie die Brokes sagen würden.

»Das ist es, was du willst?«, fragte sie, und es glitzerte bereits in ihren Augen.

»Ja«, sagte ich fest. »Das ist es, was ich will.«

»Ein Duell, aber nicht um meinen Posten, sondern um …«

»Meinen Uterus-Posten, genau.«

Sie verzog den Mund, als ich das so beiläufig sagte, starrte in meine Augen und jenseits davon. In diesem Moment fragte ich mich zum ersten Mal, ob meine Annahme überhaupt stimmte, dass wir die beiden einzigen Ferales waren. Hatte sie noch andere Kinder bekommen, nachdem Azmi mit mir abgehauen war und sie beschlossen hatte, sich ein, zwei, drei mittlere Dorfpopulationen zu unterwerfen?

Wie wurde man zu einer Frau wie sie? Ich fragte es mich wirklich.

Zwanzig Jahre lagen zwischen Azmis Flucht und diesem Moment hier. Als sie sich getrennt hatten, war sie nicht die, die sie heute war. Als sie einander gefunden hatten, war sie allein gewesen, vielleicht gerade aus dem Labor und einer kollabierenden Welt geflohen. War sie ahnungslos gewesen, überfordert mit sich und den Veränderungen ihres Körpers, so wie ich es noch sehr neulich gewesen war?

Wäre ich an ihrer Stelle auch dorthin abgebogen, wo sie heute war?

Egal, was sie wirklich dachte: Das alles glaubte ich, in ihrem Blick zu sehen, und ich fragte mich, ob ich wirklich gegen sie kämpfen wollte. Gegen meine Mutter, die doch, wie wir alle, vermutlich zuallererst nur einen Platz für sich gesucht hatte? Ein Zuhause?

Da wurde der Spiegel ihrer Augen stumpf, und sie riss sich zurück, wo auch immer sie gewesen war. Sie nickte. »In Ordnung. Aber nicht bis zum Tod.«

Eine ihrer Ladys saß in der Nähe und trug irgendetwas in Listen ein. Sie schnaufte demonstrativ.

»Versprich es mir, Laylay. Dass du aufgibst und nicht bis zum Tod gegen mich kämpfen willst.«

Ich verschränkte die Arme. »Ich will nicht sterben.«

»Dann bin ich bereit«, sagte meine anne. Kurz hatte ich das Bedürfnis, meine Zusage zurückzuziehen. Was für ein Unsinn. Ein Toxxer-Win-Win. Ich verlor mich selbst, alles, woran ich glaubte, wenn ich mich zu so etwas hinreißen ließ! Aber ich musste mir diesen Freiraum erkämpfen, sonst würde ich ihr gehören, noch bevor diese Kackwoche zu Ende war. Und ich hatte auch eine Wut im Bauch, ja, verdammt, ich kannte diese Frau nicht, und sie hatte mir die Rettung der Welt versaut. Ich würde ihr aufs Maul geben und dann die Welt retten!

»Kennst du die üblichen Duellregeln?«, fragte die alte Frau von ihrem Arbeitsplatz.

Ich dachte nach und zückte für jeden Punkt einen Finger: »Wer auf dem Boden liegt und runtergezählt wird, hat verloren. Wer bewusstlos ist, hat verloren. Wer aufgibt, hat verloren. So was in der Art? Irgendwas mit dem ersten Blut?«

»Bei euch beiden?«, kicherte die Alte. »Was bedeutet bei euch schon Blut?«

Damit hatte sie natürlich recht.