Frau Helbing kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Dass Frau Hammerschmidt-Bingen ihre Zeit nicht in der Küche verbringen würde, um einen schnöden Kuchen für ihren Kaffeebesuch zu backen, hatte sie bereits geahnt. Aber dass diese Frau in ihrem Haus auch Personal beschäftigte, überstieg die Vorstellungskraft einer Fleischereifachverkäuferin bei Weitem. Frau Helbing hatte in ihrem ganzen Leben nie Hilfe bei der Hausarbeit gehabt. Ihr Mann war schon mal gar nicht auf die Idee gekommen, sich zu Hause um irgendetwas zu kümmern. Vierzig Jahre lang hatte sie nicht nur täglich in der Metzgerei gearbeitet, sondern auch noch gekocht, gewaschen und geputzt.
Frau Hammerschmidt-Bingen dagegen musste offensichtlich nicht mal ihren Tisch selbst eindecken. Ein junges Mädchen war anwesend, schenkte fast unbemerkt Kaffee in die Tassen und kredenzte winzige Stücke eines Baumkuchens, den Frau Hammerschmidt-Bingen aus einer alteingesessenen Konditorei in Winterhude hatte liefern lassen – was sie ganz beiläufig in die Konversation eingewebt hatte.
»Was ist denn Baumkuchen?«, hätte Frau Helbing fast gefragt, aber sie erinnerte sich, dass ihr Heide vor der Haustür eingetrichtert hatte, bloß nicht unangenehm aufzufallen und am besten nur auf Fragen zu antworten.
Jetzt saß sie eingeschüchtert an der Längsseite der großzügigen Tafel ihrer Freundin gegenüber, während Frau Hammerschmidt-Bingen am Kopfende Platz genommen hatte und maskenhaft lächelte.
»Meine Liebe«, wandte sie sich an Frau Helbing, »wie reizend, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Ich habe mir solche Sorgen um Sie gemacht, denn bestimmt werden Sie noch immer von diesen abscheulichen Bildern verfolgt. Der tote Jacques, das ganze Blut …«
»Ach, wissen Sie«, sagte Frau Helbing spontan, »wenn Hermann ein Kalb mit dem Bolzenschussgerät niedergestreckt hat, musste man auch immer aufpassen, wo man in der Wurstküche noch hintreten konnte.«
Frau Hammerschmidt-Bingen entglitten kurz die Gesichtszüge, und Heide trat Frau Helbing unter dem Tisch ans Bein.
»Aber es war natürlich furchtbar«, beeilte sich Frau Helbing zu ergänzen. »Soweit ich das beurteilen kann, wurde Jacques mit einem Schürhaken erschlagen.«
»Entsetzlich«, sagte die Gastgeberin und fügte verschwörerisch hinzu: »Von einer Frau, wie ich gehört habe.«
»Das kann man nicht wissen«, stellte Frau Helbing sofort klar. »Tatsache ist, dass ich kurz vorher mit einer Frau an der Tür gesprochen habe. Aber das muss nicht zwingend die Mörderin gewesen sein.«
»Aber wer denn sonst?«, fragte Frau Hammerschmidt-Bingen. Für sie schien die Sache klar zu sein. »Da ist eine fremde Frau im Haus, und wenig später ist Jacques tot.«
»Vielleicht war die Frau nicht allein«, sagte Frau Helbing. »Es könnte auch noch ein Mann im Haus gewesen sein. Die Spuren sahen für mich eher nach Herrenschuh aus.«
»Welche Spuren denn?«, fragte Frau Hammerschmidt-Bingen interessiert. »Sie haben Spuren entdeckt? Wie aufregend.«
»Es gibt ein paar saubere Sohlenabdrücke auf dem Wohnzimmerboden«, erklärte Frau Helbing. »Der Mörder oder die Mörderin ist nämlich unbeabsichtigt in Jacques’ Blut getreten.«
»Das ist ja entsetzlich!«, stöhnte Frau Hammerschmidt-Bingen.
Sie fasste sich an die Schläfe, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen.
»Ich brauche jetzt dringend einen Eierlikör zur Beruhigung«, rief sie theatralisch.
Die junge Bedienung brachte umgehend drei Gläser und begann, großzügig einzuschenken.
»Für mich bitte nicht«, sagte Frau Helbing, »es ist ja erst vier Uhr.«
Heide schien das nicht zu stören. Sie prostete der Gastgeberin zu, trank und schleckte dann mit der Zunge die Reste aus dem kleinen Glas.
»Ein Albtraum, von einem Einbrecher erschlagen zu werden«, sagte Frau Hammerschmidt-Bingen. »Da kriege ich Gänsehaut!«
»Wie kommen Sie darauf, dass der Mörder eingebrochen ist?«, fragte Frau Helbing.
Sie mochte es nicht, wenn sich Leute voreilig festlegten, ohne vorher alle Möglichkeiten in Betracht gezogen zu haben.
»Einen eigenen Schlüssel für die Tür wird er wohl kaum gehabt haben«, sagte Frau Hammerschmidt-Bingen besserwisserisch.
Frau Helbing blieb unbeeindruckt.
»Es gibt keine Spuren, die auf einen Einbruch hinweisen. Vielleicht war es Jacques selbst, der die Tür geöffnet hat.«
»Vielleicht war es eine Kundin!«, rief Heide plötzlich aufgeregt.
Frau Helbing dachte kurz nach.
»Die Idee, dass er eine Kundin ins Haus gelassen hat, ist nicht abwegig«, sagte sie anerkennend.
»Genau!«, pflichtete Frau Hammerschmidt-Bingen bei. »So, wie mir Jacques beim letzten Mal die Haare gesträhnt hat, hätte ich ihn auch umbringen können. Sieh dir diese Katastrophe mal an.«
Sie wendete sich Heide zu und deutete mit den Fingerspitzen auf die Haare über ihrer Stirn.
»Traudel!«, sagte Heide streng. »Ich bitte dich! Wir haben es hier mit einem Mord zu tun.«
»Du ahnst nicht, aus welchen Gründen Frauen schon gemordet haben«, sagte Frau Hammerschmidt-Bingen trotzig.
Dann rief sie, ohne aufzusehen: »Maja, bringen Sie Champagner!«
Frau Helbing versuchte, die Konversation wieder auf eine Sachebene zu bringen.
»Auch wenn es eine seiner Kundinnen gewesen wäre, hätte sie ein Motiv gebraucht«, sagte sie. »Und ich glaube nicht, dass Jacques wegen ein paar Strähnchen getötet wurde. Warum, frage ich mich, musste er also sterben?«
»Wurde etwas gestohlen?«, wollte Heide wissen.
»Das Einzige, was ganz offensichtlich fehlt, ist ein Bild«, antwortete Frau Helbing.
»Na, davon gibt es ja genug im Haus eines Malers!«, sagte Frau Hammerschmidt-Bingen belustigt und beobachtete ungeduldig, wie Maja drei Sekttulpen füllte.
»Aber nur eine Kopie eines Vermeers«, sagte Frau Helbing.
»Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge?«, fragte Frau Hammerschmidt-Bingen.
»Genau!«, rief Frau Helbing überrascht. »Wissen Sie etwas darüber?«
»Das Bild steht in meinem Arbeitszimmer«, sagte Frau Hammerschmidt-Bingen.
»Es ist hier?!« Frau Helbing ließ für einen Moment staunend den Mund offen stehen.
Frau Hammerschmidt-Bingen drehte beiläufig den Kopf zur Seite und murmelte: »Maja, bringen Sie mal dieses Bild mit dem Mädchenkopf, das an meinen Schreibtisch gelehnt ist.«
Dann verteilte sie lächelnd die Champagnergläser und rief: »Zum Wohl! Fall gelöst!«
Frau Helbing vermisste eine der Situation angemessene Ernsthaftigkeit bei Frau Hammerschmidt-Bingen. Die ganze Angelegenheit schien sie zu amüsieren. Inklusive des Mordes an Jacques. Trotzdem hob Frau Helbing ihr Glas und stieß mit der Gastgeberin und Heide an. Die Aussicht, gleich das verloren geglaubte Gemälde in Augenschein nehmen zu können, hatte ihr Herz schneller schlagen lassen, und ein Schluck kühlen Schaumweins konnte in dieser Situation sicher beruhigend wirken.
Als Maja wenig später die Kopie des Vermeers auf den Tisch legte, verschlug es Frau Helbing die Sprache. Das Bild war phantastisch gelungen. Soweit sie das Foto aus dem Kunstband noch im Kopf hatte, war es sogar perfekt. Etwas kleiner, als sie vermutet hatte, aber die Maße stimmten sicherlich mit dem Original überein. Daran hatte Frau Helbing keinen Zweifel.
Jetzt sah sie dem Mädchen direkt in die Augen und dachte: »Verrate mir dein Geheimnis!«
»Du redest mit dem Bild?«, fragte Heide verwundert.
Frau Helbing hatte in der Aufregung nicht bemerkt, die Frage tatsächlich artikuliert zu haben.
»Wenn ich da mal weiterhelfen darf«, sagte Frau Hammerschmidt-Bingen und drehte das Bild kurzerhand um, »das Rätsel ist auf der Rückseite.«
Frau Helbing zog ihre Lesebrille aus der Handtasche und beugte sich näher an das Bild. Tatsächlich: Mit einem feinen Pinsel war etwas von hinten auf die Leinwand geschrieben worden.
»Geliebter Jacques!«, las Frau Helbing. »Ich vermache Dir dieses Bild. Du weißt, warum. Sieh es Dir im Detail an, und Du wirst die Antwort auf Deine Frage finden. Ich wünsche Dir viel Glück! Dein Karl.«
Frau Helbing nahm die Brille ab.
»Die Schatzkarte«, flüsterte sie.
»Die was?«, fragte Heide.
»Die Schatzkarte!« Frau Helbing war ganz aufgeregt. »Ich habe es gewusst!«
»Was für eine Schatzkarte?«, fragte Heide verwundert.
»Dieses Bild weist uns den Weg!«, rief Frau Helbing begeistert.
»Aha«, sagte Heide.
Sie klang nicht so recht überzeugt.
Frau Helbing wandte sich an Frau Hammerschmidt-Bingen.
»Wieso ist dieses Bild eigentlich hier bei Ihnen?«, fragte sie.
»Ach, Jacques hat es mir gegeben.«
»Wann?«, wollte Frau Helbing wissen.
»Vor ein paar Tagen.«
Frau Hammerschmidt-Bingen wirkte selbstzufrieden. Mit den Worten »Bringen Sie mal Käsegebäck und ein paar Oliven!« scheuchte sie Maja in die Küche. Sie stand jetzt im Mittelpunkt des Interesses und zog die Erklärung genüsslich in die Länge.
»Jacques stand abends unerwartet vor meiner Tür und bat mich, dieses Gemälde für ihn aufzubewahren. Er war ganz nervös und machte sich Sorgen, ob es bei ihm sicher sei. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was das sollte, denn da drüben hängen Dutzende von Bildern, und er schleppt ein einziges hier an, weil es gestohlen werden könnte. Na ja, mir war es egal. Ich habe das Bild genommen und ihn wieder weggeschickt. Und jetzt ist es hier. Voilà!«
Sie lächelte gönnerhaft in die Runde.
»Es war Ihnen überhaupt nicht egal«, widersprach Frau Helbing vehement. »Woher wissen Sie, dass auf der Rückseite eine Widmung steht, wenn Sie das Bild nicht interessiert hat?«
Frau Helbing hob den Zeigefinger und blickte Frau Hammerschmidt-Bingen direkt in die Augen.
»Sie waren sofort neugierig und haben sich das Gemälde genau angesehen«, sagte sie. »Sie haben gerätselt, was die Nachricht von Karl zu bedeuten hat. Aber Sie sind nicht auf die Lösung gekommen. Nicht wahr? Und nachdem Jacques tot aufgefunden worden war, haben Sie noch viel hektischer versucht, hinter das Geheimnis zu kommen. Leider ohne Erfolg. Gestern haben Sie dann Heide angerufen und zusammen mit mir zum Kaffee eingeladen, damit ich Ihnen bei der Suche behilflich bin.«
Heides Miene war versteinert. Dass jemand so mit Frau Hammerschmidt-Bingen sprach, hatte sie wahrscheinlich noch nie erlebt. Normalerweise verhielten sich die Gäste wohl eher unterwürfig und hielten sich mit Vorwürfen zurück.
Die nun folgende, ungewöhnlich lang andauernde Stille wurde nur von Maja unterbrochen, die eine Schale Oliven und einen Teller mit frischen Käseplätzchen auf den Tisch stellte.
Frau Hammerschmidt-Bingen steckte sich eine der appetitlich aussehenden Blätterteigkreationen in den Mund und kaute mit gespitzten Lippen. Dann sagte sie: »Frau Helbing, meine Hochachtung!«
Sofort entspannten sich Heides Gesichtszüge.
»Meine Freundin ist eine Detektivin«, flötete sie. »Habe ich es nicht gesagt?«
Frau Hammerschmidt-Bingen nickte wohlwollend.
»Karl hat Rätsel geliebt«, begann sie zu erzählen. »Jedes Jahr hat er Jacques zum Geburtstag etwas zum Knobeln auf den Frühstückstisch gelegt, denn einfach ein Präsent zu überreichen, das fand er nicht spannend genug. Der arme Jacques hat manchmal Wochen gebraucht, um herauszufinden, wo sein Geschenk versteckt war. Nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen, Karl war ein großzügiger Mensch, der sich nicht hat lumpen lassen, aber ohne eine knifflige Denksportaufgabe zu lösen, konnte man unmöglich an eine seiner Aufmerksamkeiten kommen. Ich erinnere mich, dass Jacques ein Geschenk jahrelang nicht gefunden hat, aber Karl hat ihm auch nicht bei der Suche geholfen. So war er halt.«
»Jetzt verstehe ich endlich den Hintergrund von diesem rätselhaften Getue«, sagte Frau Helbing. »Karl wollte Jacques nicht einfach ein Vermächtnis hinterlassen. Das wäre ihm zu banal gewesen. Nein, er schenkte seinem Freund ein Rätsel. Eine Denksportaufgabe. Und um die zu lösen, hat Jacques mich um Hilfe gebeten.«
Sie konnte nicht widerstehen, sich ein Käseplätzchen zu greifen und in den Mund zu schieben. Der Duft war einfach zu verführerisch.
»Lecker!«, sagte sie.
»Feinkost Lück«, bemerkte Frau Hammerschmidt-Bingen nebenbei.
Ob diese Frau jemals selbst backt oder kocht?, fragte sich Frau Helbing. Hier wurde offenbar alles angeliefert. Und natürlich in sehr guter Qualität. Eigentlich war ihr das aber egal. Besonders jetzt, wo es wichtige Fragen zu klären gab.
»Weiß außer uns noch jemand, dass diese Kopie hier ist?«, wollte Frau Helbing wissen.
»Nein, ich habe das Geheimnis wirklich gut gehütet. Nur wir drei wissen davon.«
Frau Hammerschmidt-Bingen blickte verschwörerisch in die Runde.
»Dann wollen wir uns das Bild doch mal ansehen!«, rief Heide aufgeregt. »Das wäre doch gelacht, wenn wir das Rätsel nicht lösen könnten.«
Sie nahm das Gemälde vom Tisch und stellte es auf eine antike Kommode, leicht gegen die Wand gelehnt. Dann trat sie einen Schritt zurück und betrachtete das Werk.
Nach einer Weile sagte sie enttäuscht: »Sieht aus wie das Original.«
Frau Helbing verdrehte die Augen.
»Heide«, sagte sie. »Wir können davon ausgehen, dass Frau Hammerschmidt-Bingen bereits mehrfach Zentimeter für Zentimeter dieser Leinwand mit Vermeers Bild abgeglichen hat. Und wenn es eine Abweichung gäbe, hätte sie uns bereits darauf hingewiesen.«
»Dieses Bild ist wirklich perfekt«, sagte Frau Hammerschmidt-Bingen. »Bis auf die Signatur natürlich.«
»Natürlich«, sagte Frau Helbing. »Da steht bestimmt Karl Schnelling. Sonst wäre es ja auch eine Fälschung.«
Frau Hammerschmidt-Bingen schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte sie und setzte ein überhebliches Grinsen auf.
Frau Helbing setzte erneut ihre Lesebrille auf und beeilte sich, die Leinwand aus der Nähe zu betrachten.
»Interessant«, murmelte sie.
Langsam, Buchstabe für Buchstabe, artikulierte sie die krakelige Signatur.
»P-i-e-r-r-e T-o-m…«
»…basse«, vervollständigte Frau Hammerschmidt-Bingen. »Ich vermute, Karl wollte damit nicht nur die besondere Bedeutung des Bildes hervorheben, sondern auch klarstellen, für wen er es gemalt hat. Schließlich war es sein Vermächtnis an Jacques.«
»Aber warum hat er dann nicht mit Jacques unterschrieben?«, gab Frau Helbing zu bedenken. »Karl hat doch nie Pierre gesagt, oder?«
»Eigentlich nicht.« Frau Hammerschmidt-Bingen überlegte. »Aber ist das wirklich wichtig? Ich meine, könnte das ein Hinweis auf etwas sein?«
»Warum nicht?«, sagte Frau Helbing. »Sieh es Dir im Detail an, hat Karl geschrieben.«
»… und Du wirst die Antwort auf Deine Frage finden«, ergänzte Heide, um gleich anzufügen: »Wäre natürlich toll, wenn man wüsste, wie die Frage lautet.«
»Wissen Sie denn, wonach wir eigentlich suchen?«
Frau Helbing sah Frau Hammerschmidt-Bingen fragend an.
»Nein, aber ich kann mir vorstellen, dass der Kleidermann das weiß. Er war gut mit Karl befreundet.«
Frau Hammerschmidt-Bingen sah auf die Uhr und wandte sich mit ihrem – wie Frau Helbing fand – unnatürlichen Lächeln an ihre Gäste: »Möchtet ihr vielleicht zum Abendessen bleiben? Ich kann uns etwas Leichtes aus dem Fruits de Mer kommen lassen. Die machen einen phantastischen Steinbeißer auf Blattspinat.«
»Oh, vielen Dank«, sagte Frau Helbing, »aber ich muss mal nachsehen, was der Kater macht.«
»Ich habe schon gehört, dass Sie diese faule Katze zu sich genommen haben«, sagte Frau Hammerschmidt-Bingen, »und wenn Sie mich fragen, schläft dieses Vieh. Es schläft fast immer.«
Frau Helbing nickte.
»Besonders lebhaft ist Chagall nicht. Das ist mir auch schon aufgefallen. Wissen Sie, wie alt der Kater ist?«
Frau Hammerschmidt-Bingen zuckte mit den Schultern.
»Fragen Sie mich nicht, Chagall war schon immer da.«
»Eine Bitte hätte ich noch«, sagte Frau Helbing, als sie gerade gehen wollte.
Sie zeigte mit dem Finger auf Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge.
»Ob Sie mir erlauben, das Gemälde mit nach Hause nehmen zu dürfen? Unstimmigkeiten entdeckt man oft erst auf den zweiten oder dritten Blick.«
Frau Hammerschmidt-Bingen zögerte kurz, bevor sie antwortete.
»Gut, meine Liebe, aber passen Sie gut darauf auf. Ich verlasse mich auf Sie!«