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EIN PAAR SEKUNDEN LANG FÜHLT ES SICH unglaublich stark an, so aufzutreten, so zu sprechen.

Leider bedeutet das jedoch nicht, dass ich bekomme, was ich will.

Denn der blauäugige Mann wirft nur einen Blick auf den Dolch und einen weiteren auf mich, bevor er in hemmungsloses Lachen ausbricht.

Ehrlich, er steht direkt vor mir und lacht mir uns Gesicht.

Also tue ich das Erste, was mir in den Sinn kommt – ich stürze mich auf ihn.

Hier vor den Reihen der mürrisch dreinblickenden Porträts in goldenen Ramen, vor den hohen Bücherregalen voller Captain Cooks, Jane Austens und Sir Walter Scotts ziele ich mit der tödlichen Spitze meines Dolchs direkt auf das Herz meines Gegners.

Nur um einen Augenblick später mit der glänzenden Klinge seines viel größeren Schwerts konfrontiert zu werden – eines Breitschwerts, wie sich herausstellt –, das ich bis jetzt gar nicht wahrgenommen habe.

»Es macht den Anschein, als wärst du weder so gut trainiert noch so gut vorbereitet, wie du denkst«, sagt er. Sein Tonfall macht klar, dass er überzeugt ist, alle Beweise zu haben, die er braucht.

Ich habe den Arm bereits so weit gestreckt, wie es geht, dennoch bleibt eine unübersehbare Lücke zwischen meiner Klinge und der Brust des Mannes.

Er hingegen hat den Arm bequem angewinkelt, die Hand sicher im Säbelkorb platziert, während die Spitze seines zweischneidigen Schwerts meiner Kehle gefährlich nahekommt.

Ich habe einen schrecklichen Fehler begangen. Die ganze Zeit habe ich mir nur Sorgen um Mason gemacht, dabei bin ganz eindeutig ich diejenige, die gerettet werden muss.

Mit zitternden Knien stehe ich vor meinem namenlosen Widersacher, kämpfe gegen den Schrei an, der aus mir hervorbrechen will, weiß, dass ich ruhig bleiben, einen kühlen Kopf bewahren muss. Ich kann es mir nicht erlauben, ihm zu zeigen, wie panisch ich wirklich bin.

Wenn du deinen Dolch ziehst, musst du auch bereit sein, ihn einzusetzen , hat Braxton mal zu mir gesagt.

Tja, ich war bereit, ihn einzusetzen. Bin es immer noch, mehr denn je. Doch da ich mein Ziel nicht mal erreichen kann, ist mir inzwischen schmerzlich bewusst, dass das keine Option mehr ist.

Also versuche ich es mit einer anderen Methode.

Ich lasse alle Masken fallen und frage: »Das ist es also? Sie schlitzen mir den Hals auf und lassen mich einfach hier zum Sterben zurück?«

Ein breites Grinsen zieht über sein Gesicht. Doch seine Schwertspitze bleibt an meinen Hals gedrückt. »Da ist es ja«, sagt er. »Dein wahres Gesicht. Verrat mir, kleine Zeitspringerin. Aus welchem Jahr kommst du?«

»Ich komme aus dem Jahr 1813 «, antworte ich. »Genau wie Sie.«

»Lügen«, knurrt er, stößt seine Klinge vor, bohrt damit ein kleines Loch in meine Haut.

»Wie kommen Sie darauf?« Ich presse die Worte hervor, obwohl mir klar ist, wie riskant diese Taktik ist, doch je länger ich ihn am Reden halten kann, desto mehr Zeit habe ich, meinen nächsten Schritt zu planen.

»Du passt nicht hierher, du fällst auf und du gehörst ganz eindeutig nicht in dieses Jahrhundert«, erklärt er.

Bevor ich etwas erwidern kann, sieht er mir direkt in die Augen und zieht seine Schwertspitze über meine Kehle.