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»ALLES OKAY?« BRAXTON SCHLINGT einen Arm um meine Taille und drückt mir einen Kuss auf die Schläfe.

»Na klar«, antworte ich. »Wieso sollte es das nicht sein?« Da ich selbst höre, wie abwehrend das klang, füge ich in sanfterem Ton hinzu: »Er hat mir nur viel Glück für unseren Sprung gewünscht.«

Braxton presst die Lippen zusammen, als könnte er das nicht glauben. Allerdings stellt sich die Frage, wem er nicht glaubt – Killian oder mir?

»Vergiss nicht, dass er dabei war, als mein letzter Sprung schiefgegangen ist«, rufe ich ihm ins Gedächtnis. »Wäre er nicht gewesen …« Ich verstumme, entscheide, den Satz nicht zu Ende zu bringen. Es hat keinen Sinn, das alles noch mal durchzuspielen.

»Aber Dr. Lucy hat dich freigegeben, oder?« Braxton mustert mein Gesicht.

Ich nicke, doch als ich seinem Blick begegne, höre ich Killians Stimme in meinem Kopf.

Killian vertraut mir mehr als der Psychologin. Braxton tut das offensichtlich nicht.

Ich will ihn gerade deswegen zur Rede stellen, als die Musik verstummt und Elodie die Bühne betritt.

»Hallo zusammen!« Sie winkt in die Runde. »Ich wollte mich nur kurz für euer Kommen bedanken und dafür, dass ihr euch echt Mühe mit euren Kostümen gegeben habt – damit meine ich vor allem dich, Keane!« Alle lachen. »Da Braxton und Natasha morgen früh rausmüssen, fasse ich mich kurz. Ihr zwei …« Sie deutet in unsere Richtung. »Buon viaggio! Und Mason …« Suchend sieht sie sich um, bis sie ihn entdeckt. »Glückwunsch, dass du zu Gelb aufgestiegen bist!« Der Saal bricht in Jubelrufe und Applaus aus. »Und nur damit du es weißt, Mason, du bist diesmal viel zu leicht davongekommen und dafür kannst du dich bei deiner Freundin Natasha bedanken. Sie hat mir verboten, dich so hart auf die Probe zu stellen, wie wir es sonst mit den Neuen machen. Also, wenn du immer noch sauer auf sie bist, solltest du vielleicht noch mal drüber nachdenken.« Von der anderen Seite des Raums wirft Mason mir einen Blick zu. Ich zucke nur mit den Schultern. »Oh, und eine Sache noch.« Elodie sieht mich direkt an. »Nicht dass ich Strichliste führe oder so, aber zähl das gern als Nummer fünf, Nat. Und damit …« Sie hebt ihr Champagnerglas und leert es in einem Zug. »… wünsche ich euch allen eine gute Nacht!«

Als Elodie mit Jago an ihrer Seite die Bühne verlässt, wendet sich Braxton zu mir. »Nummer fünf?«, fragt er.

»Die Anzahl ihrer guten Taten für mich.« Ich hebe die Schultern. »Sie ist entschlossen, sich zu beweisen, und will, dass ich es mitbekomme.«

Ich sehe zu, wie einige Leute um uns herum gehen, während andere die Tanzfläche stürmen.

»Sollen wir auch gehen?«, fragt Braxton.

Ich schüttle den Kopf. »Ich bleibe noch ein bisschen«, erwidere ich, wobei mir sein überraschter Blick nicht entgeht. Aber ist es wirklich nur Überraschung? Oder ist da auch ein Hauch Misstrauen dabei? »Ich habe etwas für Mason«, füge ich hinzu.

Braxton zögert kurz. Dann beugt er sich vor und drückt mir einen sanften Kuss auf die Wange. Mit den Lippen dicht an meinem Ohr flüstert er: »Stell dir nur vor … morgen Nacht sind wir schon in Venedig.«

Kaum hat er diese Worte ausgesprochen, fällt sämtliche Anspannung von mir ab. Als wäre es mir endlich gelungen, all die Zweifel abzuschütteln, die Killian in mir geweckt hat.

Wieso fällt es ihm so leicht, mich durcheinanderzubringen, wenn Braxton der Einzige ist, mit dem ich zusammen sein will?

In Venedig können wir Elodie, Killian und all die verborgenen Geheimnisse innerhalb dieser Mauern endlich hinter uns lassen. Zu Braxton sage ich: »Ich kann es kaum erwarten.« Und ich hoffe, dass er die Aufrichtigkeit in meinen Augen sieht, dass er weiß, wie ernst ich jedes Wort meine.

Dann schlinge ich die Arme um seinen Hals und küsse ihn, bis außer meinem nur noch sein Gesicht existiert, nur noch sein Körper, seine Stimme.

Nachdem wir uns mit dem Versprechen verabschiedet haben, uns morgen auf der Startrampe zu treffen, sehe ich ihm nach und komme, vor lauter Vorfreude auf all die großartigen Dinge, die uns erwarten, nicht gegen das Grinsen an.