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ES IST DAS SCHLIMMSTE , was ich jemals gesehen habe.

Und obwohl die Geschichte meines Vaters in dem Moment endet, als die Kugel ihm aus der Hand gerissen wird und ich aus seiner Perspektive geworfen werde, lande ich kopfüber in einer anderen und es dauert nicht lange, bevor sich eine neue Geschichte entfaltet.

Diesmal ist es die Geschichte desjenigen, der jetzt die kleine goldene Kugel festhält.

Diese neue Energie ist so anders, dass sie meine Sinne erschüttert. So düster, zerrüttet und kalt, dass ich nicht begreifen kann, wie ich das bisher übersehen konnte.

Wie konnte mir dieses Ausmaß an Dunkelheit entgehen?

War ich wirklich so kurzsichtig?

Oder ist er wirklich so gut darin, sein wahres Ich zu verbergen?

Ich lenke meine Aufmerksamkeit von diesen Gedanken weg und auf die glänzenden schwarzen Stiefel, die jetzt hart in die Flanke meines Vaters treten, ihn damit auf den Rücken drehen.

»Hast du wirklich gedacht, du könntest entkommen, alter Mann?«, erklingt eine vernichtende Stimme, als sich der Junge mit den blauen Augen vor ihm aufbaut, Augen, in denen es böswillig, mordlustig funkelt, während er die Lippen zu einem breiten, hämischen Grinsen verzieht.

Mit rebellierendem Magen sehe ich zu, wie der Junge den blutigen Dolch hoch über den Kopf hebt und ihn dann, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, in das Herz meines sterbenden Vaters rammt.

»Nein!«, schreie ich, unfähig, mich zurückzuhalten. Überwältigt von all dem, was ich gerade mitangesehen habe, was ich verloren habe. »Neinneinneinneinnein!« , wimmere ich, zittere unter Schluchzen, der Leere meiner Trauer, meiner absoluten Hilflosigkeit. Ich kann nichts tun.

Ich will nichts mehr, als diese Kugel fallen zu lassen, die Geschichte sofort zu beenden. Doch ich weiß, dass ich das nicht darf. Mein Vater wollte, dass ich alles sehe, also würdige ich seinen letzten Wunsch, indem ich zusehe bis zum Ende.

Während Blut aus seiner Brust pumpt, richtet mein Vater seinen Blick mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Jungen. Seinen letzten Atemzug nutzt er, um zu sagen: »Glaubst du wirklich, dass die Kugel in deinen Händen die echte ist?«

Der blauäugige Junge erstarrt. »Was hast du gesagt, verdammt?«, schreit er meinen Dad an. Doch er bekommt keine Antwort und mit wutverzerrter Miene sieht der Junge zu, wie mein Dad die Welt verlässt.

Einen Moment später tritt ein weiterer Junge aus den Schatten und stürzt zu meinem Vater. Sein Gesicht ist voller Trauer, als er auf die Knie sinkt, vergeblich versucht, den Blutfluss zu stoppen und meinen Vater wiederzubeleben. Schließlich erkennt er, dass es zu spät ist, er kämpft sich auf die Füße, stolpert zurück und übergibt sich, bis sein Magen leer ist.

Ich schlinge die Arme um meinen Körper, schwanke vor und zurück, mein Kopf explodiert unter der Wucht all dessen, was ich gesehen habe – was ich nun weiß.

Oh mein Gott – was habe ich getan?

Vor meinen Augen läuft die Szene weiter und ich kann kaum glauben, was ich sehe.

Der blauäugige Junge lacht, spottet, gibt mit all den abscheulichen Dinge an, die er mir eines Tages antun will.

Meine Sicht verschwimmt. Mein Magen zieht sich zusammen.

Endlich bricht der Bann, als die Kugel aus meinen Fingern fällt, über den Fliesenboden rollt und kurz vor den Füßen desselben goldlockigen, blauäugigen Feindes liegen bleibt, den mein Dad mir gezeigt hat.