Die Minuten, bis du zurückkamst, waren furchtbar. In meinem Kopf herrschte ein Chaos unheilvoller Szenarien: Du gehst zu G. und versuchst, ihn zu schlagen, weil du nicht weißt oder vergessen hast oder es dich nicht kümmert, dass er immer ein Messer in der Tasche trägt. Seine zaccagna, wie er es nennt. Er sticht mit seiner zaccagna auf dich ein und gibt es dann als Notwehr aus. Ich weine über deiner Leiche, nachdem du dich geopfert hast, um meine Tugendhaftigkeit zu rächen. Wie in einem schlechten elisabethanischen Theaterstück.
Andere Variante:
Du gehst zu G. und verdrischst ihn – weil du jetzt groß bist, dünn, aber groß, die ehemalige halbe Portion ist größer als mein Vergewaltiger –, du verdrischst ihn so gründlich, dass sich der Kerl bei der Polizei ausweinen geht und dich anzeigt, und dann landest du im Knast und ruinierst dir das Leben und kannst weder studieren noch arbeiten und Mama und Papa hassen dich und hassen mich, weil du es meinetwegen gemacht hast, weil du mich rächen wolltest. Ein Mädchen rächen, das mit Märchen aufgewachsen ist, in denen der böse Wolf vom Jäger getötet wird, weil ein weibliches Wesen das nicht selbst tun kann. Ein Mädchen rächen, das nicht fähig war, sich zu verteidigen, und nun möglicherweise mit einem Gefühl der Schuld leben muss, weil es das Leben einer Person ruiniert hat, die sich einzig und allein hat zuschulden kommen lassen, dass sie dazu fähig war. Die Person, die ich auf der Welt am meisten liebe.
Du.
Ich beginne, dir Nachrichten zu schicken.
Bist du bei ihm?
Keine Antwort.
Komm bitte zurück. Komm zurück, falls du bei ihm bist.
Ich überlege und füge noch fuck an.
Ich weiß, dass dieser Wolf anders ist als unser Früchtewolf. Der eine hob kleinen Mädchen den Rock, der andere vergewaltigt. Für den einen war es einfach nur ein Spiel und er gebärdete sich allen gegenüber so, er war so veranlagt, mit politischer Überzeugung hatte das nichts zu tun – der andere hat viel zu viele Überzeugungen und redet davon, dass man die Zigeuner, die in den Müllcontainern wühlen, genau dorthin, in die Müllcontainer schmeißen sollte, Menschen zum Abfall, Menschen wie Abfall. Genauso hat er auch mich behandelt. Dieses Gefühl hat er mir vermittelt. Abfall.
G. ist gefährlich, und ich habe in diesem Moment Angst um dich.
Als ich beschließe, mir Schuhe anzuziehen, um dich suchen zu gehen, blicke ich noch einmal verzweifelt aus dem Fenster: In diesem Moment sehe ich dich. Du läufst auf unser Haus zu, das Gesicht immer noch ernst, hart wie vorher und so unversehrt wie vorher. Keine Spur von Verletzungen. Dafür neben dir: er.