Der Junge mit den roten Haaren, der gerade noch Musik hörte, taucht plötzlich hinter dem Polizisten auf und schubst ihn so heftig, dass er fast zu Boden geht.
Der Polizist verliert das Gleichgewicht und prallt gegen den Kontrolleur, während ihm das Telefon aus der Hand fällt.
Der Junge hebt es auf und rennt weg.
Zuerst ist da nur Überraschung. Dann Empörung. Schließlich nackte Wut in ihren Gesichtern. Jetzt zeigen die beiden aber eine Menge Gefühle!
Ich stehe da wie ein Schaf.
Mit offenem Mund kaue ich Verblüffung.
Der Junge mit den roten Haaren rennt zum anderen Ende des Waggons.
Er weicht Beinen, Koffern und Sitzen aus. Er lacht. Er schreit irgendetwas. Er macht ein Zeichen mit der Hand. Noch einmal.
Ich verstehe seine Worte nicht und weiß nicht, was dieses Zeichen bedeutet: ein Mittelfinger in die Höhe gereckt, vielleicht um in den Himmel zu deuten, wer weiß.
Vielleicht bittet er den Himmel um Hilfe.
Vielleicht ist es eine Geste, die man hier gebraucht, um in Momenten der Bedrohung und der Angst um Segen zu bitten.
Wenn es so ist, hat es nicht viel genützt, denn jetzt sind die beiden Männer in Uniform noch wütender und laufen ihm nach.
Der Zug wird langsamer. Wir fahren in einen Bahnhof ein.
Der Junge ist schon am Ende des Waggons und an der Tür angelangt.
Dann reißt er plötzlich die Tür auf, springt flink wie ein Steinbock mit einem Satz hinaus und den Bahnsteig entlang.
Durch das Fenster verfolge ich seine Flucht.
Hinter ihm rennt der Polizist.
Hinter dem Polizisten rennt der Kontrolleur.
Und schließlich fliegt etwas weit weg: Der Junge mit den roten Haaren hat den Arm gehoben und das Telefon zurückgeschleudert.
Es fliegt über den Kopf des Polizisten und landet direkt hinter ihm.
Und während der Polizist es aufhebt und der Kontrolleur gegen den Polizisten stolpert, hat der Junge mit den roten Haaren Zeit genug, meinen Blick zu kreuzen, mir zuzulächeln und zu zwinkern.
Dann bewegt er ganz schnell die Hand.
Und dieses Zeichen verstehe auch ich.
Es heißt Steig aus. Mach dich davon.
Es dauert nur einen Augenblick. Wenige Schritte, und ich bin draußen.
Auf dem Gleis gegenüber steht ein Zug bereit zur Abfahrt.
Die Kraft kommt aus den Füßen: Mit einem Satz überwinden sie die drei Stufen der einzigen noch offenen Tür und befördern mich hinein, in Sicherheit am Ende des letzten Waggons.
Ich schaue hinaus. Der Junge ist verschwunden.
Vielleicht in einen Zug gestiegen, vielleicht davongerannt.
Vielleicht kann ich ihm eines Tages danken, vielleicht werde ich ihn nie wiedersehen.
Ich danke dem Allmächtigen, der Lämmer und Wölfe erschaffen hat, aber auch Hirten für die Lämmer, die schlauer sind als die Wölfe.
Ich weiß nicht, wo dieser Zug hinfährt.
Ich weiß nicht, welcher Ort sein Ziel ist.
Ich weiß nur, dass ab diesem Moment sein Ziel auch mein Ziel ist.