Der Rückweg war nicht schwierig.

Der Park, der Bunker, der Kellergang: Aziz folgte mir still, ohne Fragen zu stellen, vertrauensvoll.

Erst jetzt, als wir angekommen sind, bemerke ich, dass er völlig fertig sein muss. Er ist blass, hat rote Augen. Und diese Hustenanfälle: als wären da tiefe Höhlen in seiner Lunge und Schächte, aus denen es laut pfeift.

Wir sind aber auch klatschnass vom Regen. Ich ziehe Parka und Pulli aus. Streife die Schuhe ab, bleibe in den dicken Socken. Schüttle meine Haare, schlimmer als Argo, wenn er gebadet wird, und trockne sie mit den Socken, die ich als Reserve eingesteckt habe.

Im Rucksack sind auch noch zwei Pullover. Einen ziehe ich an, einen gebe ich Aziz.

Er verneint mit einer Kopfbewegung.

»Los, zieh ihn an«, beharre ich, knapp wie ein großer Bruder, der keine Widerrede duldet.

»Und zieh vielleicht die Schuhe aus. Darin könntest du Thunfische züchten!« Diesen Witz versteht er. Er lächelt.

Das Lächeln mündet in Husten, und der Husten biegt ihn mittendurch. Ich reiche ihm meine Wasserflasche und bedenke ihn mit einem Schlag auf die Schulter. Erste Gehversuche als großer Bruder? Nein nein nein. Gott bewahre.

Denk. Nicht. Mal. Dran.

Endlich nimmt er meinen Pullover an. Er scannt den Raum mit einem Blick, geht ein Stück an der Wand entlang und sucht sich einen dunklen Winkel am Ende des Kellers, wo wacklige

Wow, ich kann’s nicht glauben! Woher kommt denn diese Prüderie? Aus einer Wüste am Arsch der Welt? Von den Gipfeln des Himalaja?

 

Dann taucht Aziz wieder auf. Trockener. Aber immer noch in seinem zwanghaften Einheitslook, die Zottelmütze tief ins Gesicht gezogen. Ich muss mir wirklich das Lachen verbeißen. Okay, die Mütze ist fast trocken, er hatte die Kapuze der Jacke darüber. Aber das ist wirklich eine abartige Macke.

Um den Moment zu überspielen, mache ich mich zum Kasper.

Das mache ich immer, wenn eine Leere zu füllen ist. Nicht dass mir das schwerfiele, im Allgemeinen gelingt es mir mühelos.

»Willkommen in meinem Schloss«, sage ich.

Aziz sieht sich lächelnd um.

»Du lebst hier?«, fragt er.

»Nur im Winter. Im Sommer bin ich auf den Malediven.«

Er lächelt nicht. Diesen Witz hat er nicht verstanden.

»Ich werde ein paar Tage hierbleiben, denke ich. Die Zeit, um … ein Problem zu lösen.«

Er betrachtet mich. Nickt. Ich vermute, mit Problemen kennt er sich aus, schon wenn sie erwähnt werden, geht ihm ein Lichtlein auf. Und dieses Lichtlein blinkt: Willkommen. Willkommen in unserer Mitte.

Um das Thema zu wechseln, improvisiere ich eine Minibesichtigungstour, zickzack durch Ramsch und Schrott.

»Da ist die Küche«, deklamiere ich und zeige auf einen Stapel Stühle. Auf dem obersten thront eine meiner leeren Dosen.

»Hier ist das Bad«, und ich zeige auf einen gelben Plastikhelm: der perfekte Nachttopf.

»Jetzt suchen wir auch für dich ein Bett.«

Hustenanfall. Ich nehme das als Danke. Meine Augen mustern die Umgebung.

Aber Aziz hat schon seinen Rucksack geöffnet und den alten Schlafsack mit passendem Müllsack herausgezogen.

»Mein Schlafzimmer«, verkündet er, indem er mich perfekt imitiert. »Aber es ist viel besser als deines: Es reist immer mit mir.«

Ich zwinge mich zu lachen, aber ich weiß, dass es nicht lustig ist.

Seine Worte sind traurig. Vor allem die Realität ist traurig.

Ich gebe ihm noch einen Schlag auf die Schulter. Den hat er sich verdient: Er ist pfiffig, wenn er will.

 

Dann muss ich gähnen. Er hustet bloß weiter, während er seinen Schlafsack auf dem Boden ausbreitet.

Plötzlich überrollt mich die Müdigkeit wie eine einzige, gewaltige Lawine.

Nicht einmal Zeit, Gute Nacht zu sagen.

Meine Augen fallen von alleine zu. Und kein Anflug von einem Traum wagt es, mich zu nerven, während ich in die Dunkelheit hinabsinke.