Dienstag
Sofia fährt vorsichtig über die schmalen Wege, die inzwischen von Urlaubern und Traktoren bevölkert sind, und denkt über ihren Nachmittag mit Baz, Liv und den Zwillingen nach. Es hat ihr so gutgetan, mit normalen glücklichen Menschen zusammen zu sein, sich zu entspannen und Spaß zu haben. Das Spielen mit den Zwillingen hat Erinnerungen an Seb und ihre vier gemeinsamen Jahre aufsteigen lassen, doch irgendwie hatte das Zusammensein mit Flora und Freddie auch eine heilende Wirkung und hat einen kleinen Teil der Leere in ihrem Herzen ausgefüllt. Und was Baz angeht, nun, da fällt es ihr schwer, ihre Gefühle für ihn zu deuten. Ihr ist, als wäre sie nach einer besonders stürmischen Seereise in einen ruhigen Hafen eingelaufen. Beide Männer, mit denen sie bisher als Erwachsene ihr Leben geteilt hat, waren dominant, selbstbewusst und hart. Der Teil von Sofia, der unsicher und unentschlossen ist, fühlt sich von solchen starken Charakteren angezogen, obwohl genau diese Eigenschaften sie schlussendlich verletzen.
Sofia fährt langsam und erhascht durch offene Gatter einen Blick auf die fernen Felsformationen von Dartmoor. Hinter den Hecken ziehen gewaltige Mähdrescher ihre Bahnen. Sie fragt sich, wie es kommt, dass Baz so ganz anders ist, und warum sie dieses ganz eigenartige Gefühl hat, nach Hause gekommen zu sein. Zum ersten Mal seit Jahren hat sie den Eindruck, ihr eigenes Leben wieder unter Kontrolle zu haben und gleichberechtigt mit einem sehr attraktiven Mann zusammenzutreffen, der nicht den Wunsch hegt, sie zu beherrschen. Ihre Emotionen verwirren und überrumpeln sie, und doch spürt sie tief im Inneren ein neues, wunderbares Gefühl von Frieden und Zuversicht.
Im Auto ist es warm, und sie ist froh, endlich die Hauptstraße nach Kingsbridge zu erreichen und einen Parkplatz an der Hafenmauer zu finden. Sie zieht sich einen Parkschein und steht dann noch einen Moment lang da und betrachtet die Segelboote an ihren Anlegestellen, die sich in der einlaufenden Flut sanft wiegen. Über die Stadt hinaus kann sie den Meeresarm nicht einsehen, denn er wird von wogenden Feldern und Wäldern abgeschirmt, die grün und üppig im Sonnenschein liegen.
Heute Morgen sind Dave und Janet zum Kaffeetrinken zu Freunden gefahren, und obwohl Sofia eingeladen war, hat sie abgelehnt und gesagt, sie wolle gern in der Stadt einkaufen. Alle sind so nett zu ihr, und dafür ist sie dankbar. Aber sie braucht Freiraum, um sie selbst zu sein und nicht Janets Patenkind, das gerade eine schwierige Beziehung hinter sich hat. Sofia vermutet, dass Janet ihre Freunde vorgewarnt hat, damit sie nicht taktlos sind. Das ist sehr rücksichtsvoll von ihr, hat jedoch eine leicht negative Auswirkung, denn einige von ihnen gehen dann in Gesprächen dermaßen behutsam vor, dass es Sofia nervös macht.
Sie schließt das Auto ab, hängt sich die Tasche an ihrem langen Riemen über die Schulter und schlendert über den Parkplatz. Sie war schon mit Janet in Kingsbridge, aber jetzt muss sie sich erst einmal orientieren und versuchen, sich daran zu erinnern, wo sie Kaffee getrunken haben. Als sie zögernd am Ende der Mill Street steht und sich umblickt, kommt Baz die Treppe vor dem Harbour-Buchladen herunter. Bei seinem Anblick macht ihr Herz einen kleinen Sprung. Er packt seine Einkäufe in eine Leinentasche und nimmt sie erst wahr, als er beinahe neben ihr steht.
»Hallo, Baz«, sagt Sofia und freut sich über die tiefe Freude, die sein Gesicht aufleuchten lässt. Offensichtlich ist er überrascht und seine Reaktion echt, obwohl er sich schnell beherrscht.
»Sofia. Wie außerordentlich schön, Sie zu sehen. Sind Sie mit Janet hier?«
»Nein.« Sie schüttelt den Kopf. »Ich bin allein gekommen. Janet und Dave sind Freunde besuchen, und ich dachte, dann habe ich etwas Zeit für mich selbst. Sie verstehen?«
»Es muss schwierig sein«, gibt er zurück, »wenn man weiß, dass alle freundlich und taktvoll sind. Lästig sogar.«
Angesichts seiner Offenheit platzt sie vor Lachen heraus. »Genau das dachte ich auch. Ich verüble es Dave und Janet absolut nicht – sie sind so lieb und nett –, doch ich weiß, dass sich herumgesprochen hat, ich sei in einem anfälligen Zustand.«
»Na ja, nur ein wenig«, räumt er ein. »Aber nur, weil Janet nicht wollte, dass jemand gedankenlose Bemerkungen abgibt. Bin ich jetzt ins Fettnäpfchen getreten?«
»Absolut nicht. Es ist eine Erleichterung … nun ja, sich natürlich zu verhalten, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Er lächelt ihr zu. »Und was halten Sie von einer Tasse Kaffee? Oder würden Sie lieber allein Ihrer Wege gehen? Ich könnte das gut verstehen.«
»Sehr gern.« Sie kann gar nicht begreifen, warum sie sich in seiner Gegenwart so glücklich fühlt, wie er sie mit Zufriedenheit und Wohlbehagen erfüllt. Das kommt ihr so seltsam vor, nichts hat sie darauf vorbereitet. »Ich habe keine Ahnung, wo ich mit Janet war, also überlasse ich Ihnen die Wahl.«
»Harbour House«, erklärt er sofort. »Gleich auf der anderen Straßenseite.«
Sie warten am Straßenrand und gehen dann schnell zu einem wunderschönen Gebäude aus georgianischer Zeit hinüber. Gemeinsam treten sie ein, und Baz führt sie vorbei an einer hellen bunten Kunstgalerie und über eine schmale Treppe ins Café. Er bleibt stehen, um Kaffee zu bestellen, und öffnet ihr dann die Glastür, die über eine Treppe hinunter in einen hübschen, ummauerten Garten führt. Dort stehen ein Springbrunnen und ein großer Tisch unter einer hölzernen Pergola, doch Baz zieht Sofia an einem Tisch für zwei unter einem kleinen Kirschbaum einen Stuhl heran, und sie setzen sich.
»Es ist wunderschön hier«, sagt sie. »Aber hier bin ich mit Janet nicht gewesen.«
»Gut«, meint er sichtlich erfreut. »Ich bin gern originell.«
Sie lacht ihn an, lehnt sich zurück und reckt sich in der warmen Sonne. Jetzt, in diesem Moment, ist ihr, als wäre die Welt nicht mehr von Bedeutung. Sofia ist frei von ihr, abgetrennt von ihr, als wäre sie durch die sprichwörtlichen Spiegel getreten und alles wäre verändert. Sie weiß, wie Baz empfindet, obwohl er versucht, es nicht zu zeigen, und am liebsten würde sie seine Hand nehmen und ihm erklären, dass sie genauso fühlt.
Er erzählt von Livs Zwillingsbruder Andy, der für nur eine Nacht zu ihnen in die Strandvilla gekommen ist, und von dem Geschenk, das er den Zwillingen mitgebracht hat, doch Sofia hört ihm kaum zu. Sie beobachtet sein Gesicht, die Gesten, die er mit seinen langen Fingern vollführt, und das Lächeln in seinen Augen, als er schildert, wie die Zwillinge auf den Plastikbagger reagiert haben. Mit einem Mal sieht er sie mit fragendem Blick an, als wäre er sich bewusst, dass sie nur mit halbem Ohr lauscht. Doch in diesem Moment bringt ein Kellner ihnen den Kaffee, und Sofia lehnt sich zurück, um zuzusehen, wie Baz mit dem jungen Mann plaudert, sich nach der Ausstellung in der Kunstgalerie erkundigt und mit ihm scherzt. Noch nie hat sie jemanden gekannt, der so ungezwungen, so gelassen ist, und als der Kellner geht und Baz sie wieder ansieht, lächelt sie ihm zu und ist entschlossen, diesem neuen Gefühl von Freiheit zu folgen.
»Es ist wunderschön hier«, sagt sie. »Und es hat mir großen Spaß gemacht, alle in Ihrem Haus am Strand kennenzulernern – Liv und die Zwillinge. Und Sie, Baz.«
Er wirkt beinahe schüchtern und versucht offensichtlich, nicht zu viel in ihre herzliche Bemerkung hineinzudeuten. Vermutlich fragt er sich, ob sie nach ihrer unglücklichen Erfahrung überreagiert, und ihr ist klar, dass er verschiedene Reaktionen formuliert und wieder verwirft, um keinen falschen Schritt zu tun.
»Uns hat es auch Spaß gemacht«, antwortet er schließlich.
»Und sagen Sie jetzt nicht«, wirft sie schnell ein, »dass es nett für Liv ist, jemand Gleichaltrigen um sich zu haben. Das klingt ja, als wären wir zwei Teenager. Können wir nicht einfach die Sache mit dem Alter vergessen?«
Überrumpelt starrt er sie an, und eine ganze Bandbreite von Emotionen zieht über sein Gesicht, während er versucht zu erfassen, was sie meint.
»Wir können es probieren«, erklärt er schließlich. »Natürlich würde ich den Altersunterschied gern vergessen, aber …«
»Nein«, unterbricht sie ihn rasch, »Kein Aber. Können wir nicht einfach du und ich sein? Baz und Sofia?«
In seinem Blick ringen Freude und Ungläubigkeit miteinander, und er stößt ein kurzes Lachen aus. »Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.«
Erleichtert atmet sie auf. »Puh. Gott sei Dank haben wir das hinter uns. Ich kann gar nicht glauben, dass ich all das sage. Ehrlich, es liegt nicht daran, dass ich seelisch instabil wäre, bitte glaub mir, Baz.«
»Ich glaube dir«, gibt er sanft zurück. »Es ist wundervoll und erstaunlich, aber ich glaube es wirklich.«
Ganz natürlich senkt sich ein Schweigen über die beiden, eine friedliche Stille bar jeder Anspannung, und sie lehnen sich auf ihren Stühlen ein wenig zurück. Sofia hat Gelegenheit, tief durchzuatmen. Alles ist gut, das weiß sie genau, und von nun an können sie es ruhiger angehen lassen. Es war wichtig, ihm die Gewissheit zu geben, dass der Altersunterschied zwischen ihnen nicht zählt, findet sie. Er soll nicht länger in der Kategorie von »sie könnte meine Tochter sein« denken.
»Janet hat mir erzählt, dass du in Caledonia Place lebst«, sagt sie und trinkt von ihrem Kaffee. »Dann habe ich in den letzten Jahren gar nicht so weit von dir entfernt gewohnt. Gleich in der Pembroke Road.«
»Es erstaunt mich, dass wir einander nicht begegnet sind«, erwidert er.
»Mich eigentlich nicht. Da ich mich um ein kleines Kind gekümmert habe, hatte ich ziemlich unchristliche Arbeitszeiten. Aber jetzt bin ich natürlich obdachlos. Glücklicherweise haben meine Eltern mich aufgenommen, bis ich einen neuen Job finde.«
»Da hast du wohl lange keine eigene Wohnung gebraucht. Ziemlich heftig, gleichzeitig arbeitslos und wohnungslos zu sein.«
»So ist es. Doch eigentlich sollte es nicht allzu schwer sein, eine neue Stelle zu finden. Ich bin ausgebildete Erzieherin und habe vorher auch in diesem Bereich gearbeitet. Ich glaube, ich habe dir davon erzählt.« Sie zögert und trinkt von ihrem Kaffee, denn sie möchte nicht über Rob oder Sebastian reden, zumindest nicht hier, nicht jetzt. »Als Kindermädchen in einem Privathaushalt bewerbe ich mich jedenfalls bestimmt nicht wieder«, setzt sie hinzu. »Gibt es in der Umgebung von Caledonia Place keine netten kleinen Kindergärten?«
Er starrt sie an, und sie erwidert seinen Blick. Einmal mehr ist ihr klar, dass er versucht, ihre Worte zu entschlüsseln, und sich fragt, ob sie ihm einen Ansatzpunkt bieten. Doch bevor er etwas sagen kann, schaut er an ihr vorbei, und seine Miene schlägt zu beinahe komischer Bestürzung um. Instinktiv wirft Sofia einen Blick über die Schulter und erblickt Annabel, die über die Treppe auf sie zukommt.
»Hallo«, ruft sie und schenkt Baz, der aufsteht, ein strahlendes Lächeln. Für Sofia hat sie eine höfliche kleine Grimasse übrig, als stellte es sie vor ein Rätsel, warum sich Baz in ihrer Gesellschaft befindet. »Baz, Lieber.« Sie küsst ihn. »Was für ein glücklicher Zufall, dich hier anzutreffen! Darf ich mich zu dir setzen? Ich hoffe doch, ich störe nicht?«
»Nein«, sagt Sofia schnell. »Natürlich nicht. Ich muss ohnehin zurück, bevor mein Parkschein abläuft.«
Sie ist sich bewusst, dass Baz enttäuscht und sogar zornig über Annabels unpassendes Auftauchen ist, doch sie weiß auch, dass es ein Fehler wäre, wenn sie bliebe. Viel besser, jetzt zu gehen, als zu riskieren, dass dieser scharfsichtigen, kaltherzigen Frau etwas auffällt. Sie werden andere Gelegenheiten haben, und unterdessen muss sich Baz mit Annabel auseinandersetzen.
Sofia trinkt ihren Kaffee aus, lächelt Baz zu und schiebt den Stuhl zurück. »Richten Sie Liv bitte aus, dass wir uns später treffen«, sagt sie zu ihm.
Und dann eilt sie davon, und Baz kann ihr nur nachsehen.
Er erträgt es kaum. Dass diese elende Annabel ausgerechnet in einem solchen Moment aufkreuzt, erfüllt ihn mit Wut, Verzweiflung und schrecklicher Frustration. Wie in aller Welt soll er hier sitzen und mit Annabel plaudern, nachdem sein Leben gerade auf den Kopf gestellt worden ist? Beinahe sofort beginnt er, daran zu zweifeln, dass Sofia das alles wirklich gesagt hat, doch bevor er das Gespräch in seinem umnebelten Hirn noch einmal ablaufen lassen kann, redet Annabel schon und beansprucht seine Aufmerksamkeit.
»Wie komisch dieses Mädchen aussieht!«, sagt sie gerade mit einem unattraktiven spöttischen Lächeln, als könnte sie Sofia vor Baz schlechtmachen, indem sie sie herabsetzt. »Dieses ganze zottelige karottenrote Haar. Ich frage mich, ob sie es überhaupt kämmt.«
Baz fühlt sich zu verschiedenen Reaktionen gedrängt. Hauptsächlich möchte er Sofia verteidigen und Annabel den Rest seines Kaffees über den Kopf kippen. Stattdessen trinkt er ihn aus und lächelt ihr zu. »Ich fürchte, ich muss auch los«, erklärt er. »Aus dem gleichen Grund: Mein Parkticket läuft ab. Bedaure. Ist Miles auch hier?«
»Ja«, gibt sie ziemlich eingeschnappt zurück. »Wir sind zusammen gefahren. Er sollte gleich kommen. Dann musst du wirklich gehen?«
Baz zuckt lächelnd mit den Schultern. »Wenn ich mir keinen Strafzettel einhandeln will.« Er steht auf und nimmt seine Tasche. »Wir sehen uns, Annabel. Am Freitag, nicht wahr, bei deinem Mittagessen?«
Sie nickt, und als er sich bückt, um sie auf die Wange zu küssen, umfasst sie seine Schulter, als wollte sie ihn festhalten. Doch er tritt zurück und eilt über die Treppe ins Café. Er gönnt der Galerie keinen Blick, sondern läuft die Stufen hinunter und schaut sich in der Hoffnung um, Sofia noch irgendwo zu sehen, aber er entdeckt keine Spur von ihr.
Halblaut fluchend geht er zum Parkplatz zurück, denkt an ihre Worte und fragt sich, ob man sich einen solchen Moment zurückholen kann. Doch wo? Wie? Er erinnert sich an ihre letzten Worte und ihr Versprechen, Liv zu besuchen. Vielleicht wollte sie ihm damit mittteilen, dass sie zur Strandvilla fährt. Möglich, dass sie gleich aufgebrochen ist. Liv und Andy wollten mit den Zwillingen und Jenks auf den Klippen spazieren gehen, sodass Sofia niemanden antreffen würde.
Kurz fragt er sich, ob Annabel geahnt hat, dass etwas Besonderes vor sich ging; und dann vergisst er sie ebenso schnell wieder, blickt sich um und hofft immer noch, Sofia zu sehen.
Annabel sitzt allein da und kocht vor Enttäuschung, weil Baz so schnell davongestürmt ist. Ziemlich gereizt bestellt sie sich einen Kaffee und zieht dann ihr Handy hervor. Sie schickt Miles eine Nachricht, und ein paar Augenblicke später kommt er herein und wirkt leicht abgelenkt, als wäre er mit den Gedanken ganz woanders.
»Tut mir leid, dass ich spät dran bin.« Er setzt sich zu ihr und zeigt auf seine Tragetasche. »Aber ich habe das Elektrokabel bekommen …«
Annabel zuckt mit den Schultern. Seine Einkäufe interessieren sie nicht. »Hast du Baz noch gesehen?«, fragt sie ihn. »Er hat hier mit dem Patenkind gesessen. Dann musste er eilig weg, weil sein Parkschein abgelaufen war.«
»Nein, ich habe ihn nicht getroffen«, antwortet Miles. »Und wo ist Sofia hin?«
»Hatte die gleiche Ausrede.« Annabel ist unzufrieden und ärgerlich, weil sie kein neues Treffen mit Baz vereinbart hat, doch dann hellt sich ihre Laune ein wenig auf. Er hat ihr Essen am Freitag erwähnt, ihre Gegeneinladung. Wenigstens dann wird sie ihn sehen. »Ich habe Meggie erklärt«, sagt sie, »dass ich ihr das Putzen am Freitagmorgen erlasse, wenn sie mir bei den Vorbereitungen hilft und dann über Mittag auf diese Zwillinge aufpasst. Sie will deshalb mit Liv reden. Ich weigere mich, ein Mittagessen auszurichten, bei dem zwei Vierjährige herumspringen.« Nachdenklich trinkt sie den Kaffee. Baz hat etwas Eigenartiges ausgestrahlt, das sie nicht ganz definieren kann. Er war abgelenkt und nicht weltmännisch und charmant wie sonst. Wahrscheinlich hat Janets leidige Patentochter ihn mit ihren Problemen zugeredet. Es würde dem lieben alten Baz ähnlich sehen, sich ihrer Sorgen anzunehmen. Sie muss Janet darauf ansprechen, dass es nicht fair von ihr ist, wenn sie erwartet, dass alle ihr die Verantwortung abnehmen.
Sie wirft Miles einen Blick zu; auch er wirkt zerstreut. Was ist bloß heute Morgen mit allen los?, fragt sie sich gereizt. Das ist einfach ungerecht. Jetzt erstreckt sich der Vormittag langweilig vor ihr, obwohl er von Baz hätte ausgefüllt sein können. Vielleicht hätte sie ihn sogar überreden können, zum Mittagessen mit zu ihnen zu kommen. Schließlich ist er bestimmt froh über jede Gelegenheit, ein paar Stunden vor diesen Kindern zu flüchten. Doch stattdessen sitzt ihr bloß Miles gegenüber, und jetzt hat sie nichts mehr, was sie unterhalten könnte.
Miles nippt an seinem Kaffee. Er ist sich Annabels Laune deutlich bewusst und überlegt, wie er sie wieder aufmuntern kann. Er fragt sich, wie viel von seinem Leben er damit verbringt, einen Eiertanz um die Launenhaftigkeit seiner Frau aufzuführen, und ist dankbar dafür, dass er einen so großen Teil seines Lebens auf See verbracht hat. Das Problem ist, dass er die Kameradschaft der Offiziersmesse vermisst, die Scherze; und er fühlt sich auf merkwürdige Weise einsam, obwohl Annabel und er selten getrennt sind. Ihm war nicht klar gewesen, wie schrecklich es ist, in der Gesellschaft eines anderen Menschen allein zu sein. Er betrachtet den enttäuscht verzogenen Mund seiner Frau und stößt innerlich einen tief empfundenen Seufzer aus.
Er hat beobachtet, wie Baz aus dem Harbour House gestürzt kam, stehen blieb, um sich umzuschauen, und verzweifelt die Passanten musterte. Jetzt ist ihm klar, dass er Sofia gesucht hat. Miles erinnert sich an Baz’ Gesichtsausdruck – diesen kurzen Moment, als er Sofia am Samstag zum ersten Mal gesehen hat und fassungslos war. Jetzt fragt sich Miles, wobei Annabel die beiden wohl unterbrochen hat. Baz hat die Straße überquert und nicht gehört, wie Miles nach ihm rief, so beschäftigt war er mit dem, was ihn umtrieb.
Nun ja, denkt Miles. Viel Glück dabei.
»Würdest du gern zum Mittagessen in der Stadt bleiben?«, fragt er fröhlich und aufmunternd. »Oder wir könnten nach Torcross in den Pub fahren und Fish and Chips essen.«
Annabel zieht einen kleinen Schmollmund und rümpft die Nase, und ihm wird das Herz schwer. Er versucht, sich etwas einfallen zu lassen, um sie aus dieser Stimmung herauszuholen. Sonst wird der Nachmittag unerträglich werden. Miles wünscht, Annabel könnte über diese dumme Schwärmerei für Baz hinwegkommen. Bei den wenigen Gelegenheiten im Jahr, bei denen er die Strandvilla besucht, ist es immer schlimmer, und nachdem ihn inzwischen Liv und die Zwillinge und auch Matt während seiner zweiwöchigen Sommerferien begleiten, ist es noch schwieriger geworden.
Miles ist sich nicht schlüssig darüber, ob Baz’ Gewohnheit, bei Annabels Kokettieren mitzuspielen, wirklich eine gute Idee ist. Offensichtlich ist Baz zu Beginn aus Höflichkeit darauf eingegangen, und weil er es witzig fand. Doch in letzter Zeit wird das Ganze beinahe peinlich. Bald, so vermutet Miles, werden seine kleinen Ausflüge nach Bristol, bei denen er bei Baz unterkommt und mit ihm ins Konzert geht, bedroht sein. Annabel hat schon davon geredet, ihn zu begleiten und shoppen zu gehen, obwohl er sie bis jetzt davon abhalten konnte.
»Es ist viel zu heiß, um Fish and Chips zu essen«, sagt sie gerade. »Und ich habe keine besondere Lust darauf, bis zur Mittagszeit in der Stadt herumzulungern. Wahrscheinlich können wir ebenso gut nach Hause fahren.«
»Schön«, sagt er munter, und ihm wird bange zumute. »Ich sollte sowieso etwas im Garten arbeiten.« Dem Himmel sei Dank für den Garten! Er steht auf, um die Rechnung zu begleichen, denkt an die leeren Stunden, die sich vor ihm erstrecken, und fragt sich, was El wohl gerade macht.
El steht auf dem Parkplatz und spricht mit Baz. Er ist eilig zu seinem Wagen gelaufen, hat sich dabei ständig umgesehen und hätte sie beinahe umgerannt.
»Herrje, Baz«, sagt sie und lacht ihn aus. »Wo brennt es denn?«
»El«, sagt er. Ein paar Sekunden steht er reglos da, und dann entspannt er sich plötzlich und schnaubt, als wäre er ärgerlich auf sich selbst. »Ich bin ein alter Narr. Heißt es nicht, dass Alter nicht vor Torheit schützt?«
»Schon möglich«, räumt sie ein, »aber ich glaube, in deinem Fall hätte ich gern noch ein paar Fakten, bevor ich ein Urteil fälle. Du siehst vollkommen überhitzt und durcheinander aus. Ich war gerade auf dem Weg nach Hause. Warum kommst du nicht mit zu mir und isst ein Sandwich? Oder wartet Liv auf dich?«
El hat eine ziemlich zutreffende Vorstellung davon, was Baz umtreibt. Noch ein alter Spruch kommt ihr in den Sinn: »Liebe kann man ebenso wenig unterdrücken wie einen Husten.« Sie war sich auf Baz’ Party bewusst, wie er Sofia ansah, und das passt alles gut zu seinen Worten darüber, ein alter Narr zu sein, vor allem, weil sie gerade gesehen hat, wie Sofia weggefahren ist. Mitfühlend sieht El zu, wie er ihre Einladung abwägt, und empfindet große Zuneigung zu ihm.
»Hast du etwas Dringendes zu erledigen?«, fragt sie.
Betreten lächelt er und schüttelt den Kopf. »Nicht wirklich. Ich dachte, da wäre vielleicht etwas, doch eigentlich ist da nichts. Ich bin ein ziemlicher Depp. Weißt du, ich würde dich gern auf ein Sandwich begleiten. Ich habe gerade noch mit Annabel im Harbour House gesessen. Um ehrlich zu sein, bin ich geflüchtet.«
»Aha«, meint El leichthin. »Ich hatte eher den Eindruck, dass du etwas hinterherläufst. Oder jemandem.«
Er wirft ihr einen scharfen Blick zu und beginnt dann zu lachen. »Ist das so offensichtlich?«
Sie lächelt ihm zu. »Ich kenne dich eben sehr gut, alter Freund.«
»Ja, wenn das so ist«, sagt er, »wäre es eine Erleichterung, darüber zu reden. Ich nehme deine Einladung gern an.«
»Gut«, antwortet El. »Solange du dir sicher bist, dass Liv und die Zwillinge nicht auf dich warten.«
Baz zieht eine kleine Grimasse. »Liv weiß sich zu helfen. Andy und sie können sich selbst etwas zum Mittagessen zubereiten.«
»Andy?«
»Ja. Ihr Zwillingsbruder hat auf dem Weg nach Polzeath bei uns einen Zwischenstopp eingelegt. Er fährt nach dem Mittagessen wieder. Ich bin mir sogar sicher, dass die beiden ganz froh sein werden, noch etwas Zeit allein miteinander zu verbringen. Wohlan, Macduff. Mein Wagen steht weiter unten. Hör mal, ich schreibe Liz kurz eine Nachricht, und dann fahre ich dir nach.«