14. Kapitel

Liv, Andy und die Zwillinge sind fast wieder zurück im Haus am Strand, als sie Baz’ SMS bekommt.

»Er hat El in Kingsbridge getroffen«, erklärt sie, »und sie hat ihn zum Mittagessen eingeladen.«

»Geht da etwas vor zwischen den beiden?«, fragt Andy und überlegt, ob El eine Verbindung zu dem noch unbekannten Maurice darstellen könnte.

»Nein, nein.« Liv lächelt. »Sie sind gute Freunde. El ist Dozentin an der Uni Bristol, und Baz und sie begeistern sich beide für das Theater und klassische Musik. Sie kommt immer für die vierzehn Tage mit herunter, die er in der Strandvilla verbringt.«

Andy nickt und überlegt immer noch, wer Maurice ist, aber er möchte nicht fragen und Liv misstrauisch machen. Unterdessen ist da noch das Problem mit Matt. Sicher, Liv wirkt fröhlicher, doch Andy hat noch einen kleinen Plan im Hinterkopf, was seinen Schwager angeht. »Hast du mit Matt gesprochen?«, fragt er beiläufig.

Erfreut sieht er, wie ihre Miene sich ein wenig aufhellt.

»Kurz, bevor er heute Morgen zur Arbeit gegangen ist. Scheint ihm gut zu gehen. Er ist natürlich sehr müde und hofft, uns nächsten Sonntag hier besuchen zu können.«

Die Zwillinge kommen zurückgerannt. Sie wollen mit dem Bagger ein Fort bauen, und es muss sofort sein.

»Zuerst essen wir zu Mittag«, gibt Liv energisch zurück. »Wir sind schon spät dran, und Onkel Andy muss gleich nach dem Essen fahren.«

Sie brechen in betrübtes Geschrei aus und rufen: »Pipi, Popo, Pups.« Dabei stürzen sie sich auf seine Knie und zerren ihn zum Strand. Er erinnert sich an seine eigene Kindheit und muss über die beiden lachen, obwohl er versucht, so etwas wie Ordnung herzustellen. Jenks springt um sie herum, und sie fallen alle übereinander in den Sand. Andy spürt ihr Gewicht, fühlt, wie sie zappeln und sich winden, und versucht, ihre kleinen warmen Körper festzuhalten. Mit einem Mal wünscht er sich, sie wären seine eigenen Kinder, und umarmt sie fest.

»Ihr habt zehn Minuten Zeit«, ruft Liv, »während ich das Mittagessen fertig mache, und dann ist Schluss.«

Andy wehrt die beiden ab, wälzt sich davon und steht auf. »Dann kommt«, sagt er. »Uns bleiben also zehn Minuten. Was wollt ihr? Schnell. Verschwendet keine Zeit. Ein Fort bauen oder planschen?«

Er sieht zu, wie sie sich lautlos verständigen, genau wie Liv und er das getan hätten, und weiß, dass sie sich für das Planschen entscheiden werden. Ein Fort können sie jederzeit bauen, aber sie dürfen nicht ohne Aufsicht ins Wasser, und sie wissen, dass sie bei Andy spritzen, sich herumwälzen und richtig nass werden dürfen.

»Planschen«, rufen sie wie aus einem Munde. »Komm schon. Lass uns planschen!« Und sie rennen zum Strand.

Er streift die Segelschuhe ab, rennt den Zwillingen über den glatten, warmen Sand nach und spürt die kühle Umarmung des Meeres, als er hineinläuft. Die beiden toben herum, üben ihre Schwimmzüge, spritzen Andy nass und versuchen, ihn zu durchweichen. Er wehrt sich, spritzt zurück, fasst sie an den Händen und zieht sie hinter sich her, bis er Liv rufen hört.

Widerstrebend lassen sie sich von ihm aus dem Wasser treiben und zu ihrer Mutter bringen, die mit Handtüchern wartet, um sie abzutrocknen. Andy folgt ihnen langsamer, dreht sich um, lässt den Blick bis zum fernen Horizont schweifen und fragt sich, warum er in London lebt.

»Ja, warum eigentlich?«, kontert Liv, als er ihr davon erzählt, während sie sich unter die Markise setzen. »Du arbeitest doch von zu Hause aus und könntest überall leben. Zieh wieder nach Cornwall, in unsere Nähe. Das wäre so schön, Andy.«

Als er jetzt zusieht, wie Liv die Nudeln serviert, und dem Plappern der Zwillinge lauscht, fühlt er sich stark versucht. Vielleicht ist die richtige Zeit gekommen.

Nachdem das Essen vorüber und das Geschirr abgeräumt ist, holt er seine Tasche und verabschiedet sich. Zu seiner Überraschung protestieren die Zwillinge nicht und machen kein Theater, sondern blicken ihn nur ernst und vorwurfsvoll an.

»Seid nett zu Mummy«, sagt er und bückt sich, um sie zu küssen.

Liv umarmt ihn. »Komm bald wieder.«

»Ja«, verspricht er. »Ich bespreche mich mit Mick und komme wieder vorbei. Grüß Baz schön von mir.«

Andy steigt ins Auto und holpert über den Weg davon. Kurz steigt er aus, um das Gatter zu öffnen, und fährt dann langsam weiter. Er muss die ganze Halbinsel von Süd nach Nord durchqueren, doch da Dartmoor genau in der Mitte liegt, ist es besser, zunächst nach Exeter hinaufzufahren und dann nach Westen auf die A30. Die Straße ist ihm vertraut; er fährt nach Hause. Wolkenschatten ziehen über die kahlen Nordhänge des Moors, und ein Krähenpaar bedrängt einen Bussard und greift ihn immer wieder im Sturzflug an, um ihn aus seinem Revier zu vertreiben. Weiter geht es vorbei an Okehampton und über die Dunheved-Brücke. Weit zu seiner Rechten liegt Launceston mit seiner gedrungenen Hügelfestung.

Hurra!, ruft Andy lautlos, als er den Fluss Tamar überquert und nach Cornwall hineinfährt, genau wie sie es als Kinder getan haben, wenn sie von Besuchen im Norden zurückkehrten. Als er durch die Hügellandschaft der Hendra Downs fährt, denkt er an die schmale, kurvenreiche Straße, die sich vor ihm dahinschlängelt und sich über das Moor nach St. Breward und zu seinem Elternhaus fortsetzt, Trescairn. Er fühlt sich seltsam emotional, vielleicht eine Nachwirkung der letzten vierundzwanzig Stunden bei Liv und den Zwillingen, oder er wird einfach älter.

Andy verzieht ein wenig das Gesicht: Dreiundvierzig ist nicht wirklich alt. Trotzdem hätte er gern eigene Kinder und eine schöne Frau, um sein Leben mit ihnen zu teilen.

»Träum weiter«, murmelt er vor sich hin. Feste Bindungen sind bisher immer sein Stolperstein gewesen. Und er denkt wieder an Liv und Matt und an das, was sie ihm dort oben auf der Klippe erzählt hat, von dem Druck und den Spannungen in ihrem Zusammenleben.

»Ich meine, wir streiten nicht«, sagte sie, »jedenfalls nicht richtig. Höchstens so dumme Zänkereien darüber, wer den Müll hinausgebracht oder die Spülmaschine ausgeräumt hat. Und natürlich können wir die großen Veranstaltungen nicht mehr gemeinsam betreuen, es sei denn, ich finde einen Babysitter. Es war so schade, dass Matt nicht mitkommen konnte. Wir brauchten beide dringend eine Atempause. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich eine bekommen habe und er nicht.«

»Vielleicht«, wandte Andy vorsichtig ein, »macht er ja auch eine Art Pause, wenn du verstehst, was ich meine?«

»Weil die Zwillinge und ich ihm nicht ständig im Nacken sitzen?«

Sie klang ein wenig bitter, und er versuchte hastig, seine Bemerkung zu entschärfen.

»Nicht ganz so, aber auf diese Weise hat er eine Sorge weniger, mehr meinte ich gar nicht. Er kann sich einfach auf seine Arbeit konzentrieren, ohne jemanden zu stören.«

Das klang auch nicht ganz richtig, aber Liv gab ihm rasch zu verstehen, dass sie ihn verstanden hatte.

»Ich weiß, was du sagen willst, und du hast ganz recht. Um ehrlich zu sein, ist alles einfach ein wenig zu viel. Ich möchte nicht aufhören zu arbeiten, doch ich will meine Kinder auch nicht jemand anders überlassen. Matt hat ein Au-pair-Mädchen vorgeschlagen, aber das habe ich rundheraus abgelehnt. Wahrscheinlich dachte ich, ich könnte alles auf einmal schaffen. Matt ist da realistischer. Ich bin bestimmt ein wenig egoistisch, wenn ich glaube, ich könnte alles haben.«

Weil Andy sich nicht auf dieses Minenfeld einlassen wollte, sagte er: »Aber die Zwillinge gehen doch nächstes Jahr in die Grundschule, oder? Das macht sicher etwas aus.«

»Nun ja, eine Hilfe ist es schon, doch die Sache ist die, dass viel von der richtigen Arbeit im The Place abends und am Wochenende anfällt, also wird das nicht alle Probleme lösen. Und das ist natürlich der Teil, den ich am liebsten mag: unsere Veranstaltungen. Ich frage mich sogar, ob wir uns neu orientieren und etwas ganz anderes anfangen sollen. Wir hatten fast zehn Jahre lang einen Mordsspaß, aber jetzt ist es vielleicht das Beste, wenn Matt und ich uns ein neues Projekt suchen.«

»Und was zum Beispiel?«

Sie grinste ihn an. »Ich würde es gern einmal mit Glamping versuchen.«

Er lachte. »Glamour-Camping?«

»Hmm.« Sie nickte. »Ein richtig schönes Grundstück finden, auf dem man leben und arbeiten kann, eine hübsche kleine Schule vor Ort für die Zwillinge, und ich könnte segeln und surfen. Ich arbeite gern im Tourismus, und für uns beide werden diese langen Arbeitszeiten zu viel. Matt spürt die Belastung.«

Andy fährt weiter, denkt wieder an die Zwillinge und erinnert sich daran, wie sie ihn begierig beobachtet und darauf gewartet haben, dass er ihnen sein Geschenk gibt, und mit einem Mal fühlt er sich in seine Kindheit in Trescairn zurückversetzt. Liv und er und der kleine Charlie warten darauf, dass Daddy nach Hause kommt, nachdem er wochenlang auf See war. Eine besondere Heimkehr steigt in seinen Gedanken auf. Damals waren Liv und er im Alter der Zwillinge, und Charlie begann gerade zu laufen. Sie malten ein großes Spruchband mit den Worten WILLKOMMEN ZU HAUSE, DADDY, das am großen Tag über der Haustür hängen sollte, und suchten ihre neuesten Bilder zusammen, um sie ihm zu zeigen. Unterdessen probten sie mit Charlie dessen großen Auftritt. In dem Moment, in dem Daddy die Haustür öffnete, sollte Charlie von der Küche aus unsicher in die Arme seines Vaters stolpern. Sie mussten es oft probieren, wobei Mum Dads Rolle an der Haustür spielte, bis Charlie richtig begriff, was von ihm erwartet wurde. Doch schließlich zog er die Verbindung zwischen dem Start seines Marathons durch die Diele und der sich öffnenden Haustür, und er tappte vorwärts. Die Augen weit aufgerissen vor Staunen angesichts seiner Klugheit, wartete er auf den Beifall der nervösen Zwillinge in der Küche. An dem großen Tag lief alles wie am Schnürchen. Andy erinnert sich noch daran, wie sein Vater Charlie hochhob und herumwirbelte, Mum küsste und sie beide umarmte. Und die ganze Zeit über behielten Liv und er argwöhnisch die abgeschabte lederne Reisetasche im Auge, die Daddy stets auf See begleitete.

»Also so etwas«, pflegte er schließlich immer zu sagen, »wo habe ich bloß diese Geschenke hingesteckt?« Dann ging er in die Hocke, zog den Reißverschluss auf und schob ein paar Kleidungsstücke beiseite, während Andy und Liv ihn genauso eifrig beobachteten, wie Freddie und Flora ihm am vergangenen Tag zugesehen hatten.

»Das hier ist für Mummy«, erklärte er bei dieser Gelegenheit und hievte eine große quadratische Schachtel heraus. »Gib ihr das, Liv, aber sei vorsichtig, es ist schwer. Das Päckchen ist für Charlie, und die hier sind für euch …« Und endlich konnten die Zwillinge sich niederlassen, um das Geschenkpapier abzureißen.

Nachdem er durch Bolventor gefahren ist, wirft Andy ganz plötzlich einen Blick in den Spiegel, blinkt nach rechts und biegt auf die Straße ab, die sich über das Moor bis nach St. Breward schlängelt. Er fährt langsam; andere Erinnerungen steigen in ihm auf, und er hat das Gefühl, nach Hause zu kommen, so wie er früher von Besuchen im Landesinneren, vom Internat oder aus London heimgekommen ist. Der Wagen holpert sanft über ein Viehgitter, und er fährt hinunter zu der schmalen Delford-Brücke – »Delfy-Brücke« nannten sie sie, als sie klein waren –, die sich über den Fluss De Lank spannt. Wie vertraut ihm das alles ist, wie lieb! Die Steinmauern, das hohe Farnkraut in den Hecken, der leuchtend gelb blühende Ginster. Von Treswallock Down aus kann Andy in der Ferne das glitzernde Meer und das alte, aus Stein und Schiefer erbaute Haus erkennen. Es ist aus einer Reihe von Zechenhäuschen entstanden, die von Arbeitern aus den Zinnbergwerken bewohnt wurden: Trescairn. Er fährt die Auffahrt hinauf, parkt vor dem Haus und steigt aus. Er hat seinen Schlüssel nicht dabei, und außerdem möchte er gar nicht hineingehen. Stattdessen umrundet er das Haus und tritt durch das kleine Tor, das direkt aufs Moor hinausführt. Andy klettert zwischen den verstreuten Granitfelsen hinauf und bleibt stehen, um zurück zu dem den Gezeiten unterworfenen Stück Moor zu sehen, wo das Meer an graue Granitgipfel schlägt und an grünschwarzen Tannengruppen leckt. Im Süden liegt die Mondlandschaft der Tongrube von St. Austell, und über den Baumkronen im Westen kann er gerade eben noch den Turm der Kirche St. Breward erkennen. Und noch weiter dahinter schlängelt sich silbriges Wasser zum fernen Meer hin.

Seine ganze Kindheit ist hier versammelt – seine und die seiner Geschwister Liv, Charlie und Zack. Schnee im Winter, heiße Sommer, und der Frühling immer kalt und feucht. Die Dorfschule und Camping im Garten. Mit einem Mal denkt er zurück an den lange vergangenen heißen Sommer mit dem Campingwagen, den Sommer, in dem Mums Freundin Tiggy sie besucht hat. Tiggy hatte keine Familie, doch ein Hündchen namens Turk, eine Figur aus Bronze, die »der kleine Merlin« hieß, und den Campingwagen. Und sie erwartete ein Baby.

Bei der Erinnerung lächelt Andy in sich hinein. Wie Liv und er diesen Campingwagen geliebt haben, die Ausflüge und die Abenteuer! Er war das beste Spielzeug der Welt. Nie wurden sie müde, die orangefarbenen Vorhänge auf- und zuzuziehen, so zu tun, als schliefen sie in dem Kajütenbett, oder beim Zubereiten von Toast auf dem kleinen Kocher zu helfen. Der Campingwagen war ein fahrbares Spielzimmer, ein kleines Haus auf Rädern, und an jedem sonnigen Morgen bettelten sie darum, darin ausgefahren zu werden. Dieser Sommer war magisch. Doch dann starb Tiggy bei der Geburt des Babys, und Mum und Dad adoptierten den kleinen Jungen und nannten ihn Zack.

Noch eine Erinnerung. Sie fahren nach einer Party nach Hause. Zack ist vier, Charlie sechs und Liv und er sind acht. Auf dem Rücksitz streiten Charlie und er miteinander, und Liv sitzt vorn, neben Mum.

»Die garstige Cat war da«, sagt Liv gerade zu Mum. »Sie sind wieder nach Cornwall gezogen.«

»Mummy«, ruft Zack da, steht auf, umklammert ihren Sitz von hinten und schreit, um trotz des Gezänks der Jungen gehört zu werden. »Da war ein Mädchen, das Catriona heißt. Sie sagt, dass ich adoptiert bin. Sagt, dass du nicht meine Mummy bist. Dass meine Mummy tot ist.«

Sogar jetzt noch hört Andy das Entsetzen in Zacks Stimme, sieht die Angst in seinem kleinen Gesicht und wie Liv sich mit schockierter Miene auf dem Beifahrersitz umdrehte. Andy und Charlie hörten auf zu zanken, und in der grauenhaften Stille, die darauf folgte, sah Andy, dass Zack Liv am Gesicht ablas, dass es die Wahrheit war, und er über alle Maßen entsetzt war.

Jetzt setzt sich Andy und umschling die Knie mit den Armen, als noch mehr Erinnerungen und Verbindungen in ihm aufsteigen. Er denkt an den kleinen Merlin. Nicht viel größer als fünfzehn Zentimeter, glatt, aus schwerer Bronze gefertigt und mit vielen feinen Details, die dem Jungen den durchdringenden Blick eines Falken verliehen. Mit wehender Tunika, gerecktem Kinn und unerschrocken war er dargestellt. Den ganzen heißen Sommer über lag er zusammen mit ihrem Lieblingsspielzeug in ihrem Zelt im Garten. Andy erinnert sich, wie Cat ihn als Kind von der Kommode in der Küche geschnappt und wie Tiggy ihn ihr weggenommen hat.

»Gib mir das«, rief Tiggy. »Gib mir das sofort wieder.«

Und Cat warf ihr einen triumphierenden, boshaften Blick zu und ließ die Figur mit voller Absicht auf den Schieferboden der Küche fallen.

Jahre später sollte Cat ihn anrufen. Sie waren einander bei einer Party in London wiederbegegnet, und er fühlte sich von ihr angezogen; sie war klug, sexy, amüsant. Bald waren sie ein Paar. Als er Liv davon erzählte, war sie außer sich vor Unglauben und Wut und rief ihm ins Gedächtnis, wie Cat sich benommen hatte, als sie Kinder waren, wie sie Zack von seiner Adoption erzählt hatte. Doch er, Andy, stand unter ihrem Bann.

»Hast du heute Morgen die Zeitungen gelesen?«, fragte Cat ihn. »Offenbar findet in Paris ein Kunstfälscher-Prozess statt. Eine mittelalterliche Bronzefigur, die an ein amerikanisches Museum verkauft wurde, scheint eine Fälschung zu sein. ›Der kindliche Merlin‹ heißt sie und sieht genauso aus wie diese Figur, die ihr als Kinder hattet, ›der kleine Merlin‹. Wo hattet ihr die her? Weißt du das noch? Sie hat dieser Tiggy gehört, nicht wahr?«

Cat wollte, dass er der Sache nachging, das überprüfte. Ohne sein Wissen fuhr sie nach Trescairn und dann zu Zacks Cottage in Tavistock und sah sich ein wenig um. Zuerst nahm er das nicht ernst, und als sie sich dann weigerte, es auf sich beruhen zulassen, ihn ständig über Tiggy ausfragte – wer sie gewesen sei und woher sie die Figur hatte –, da war es ihm zu viel geworden, und er hatte sie gefragt, ob sie tatsächlich hoffe, seine Familie auf irgendeine Art zu diskreditieren.

»Oh nein«, hatte sie zuckersüß und scharf zugleich geantwortet. »Nicht diskreditieren, Andy. Ich will sie vernichten

Einen Moment lang sah sie richtig eigenartig aus, beinahe verrückt. Ihm jagte das ziemliche Angst ein. Danach scheiterte ihre Beziehung, und er traf sie nicht mehr, obwohl sie es ihm sehr schwer machte. Später fragte er Mum nach dem Merlin, aber sie tat die Sache einfach ab. Sie meinte, er müsse beim Umzug verloren gegangen sein, als Dad nach Washington versetzt wurde, obwohl es sie zornig machte, dass Cat bei ihnen herumgeschnüffelt hatte.

Liv hingegen lachte ihn einfach aus. »Glaubst du wirklich, Tiggy hätte uns erlaubt, die Figur den ganzen Sommer über in unserem Zelt zu haben, wenn sie ein wertvolles Kunstwerk gewesen wäre?«, fragte sie ihn. »Man kann sich wirklich darauf verlassen, dass Cat dir Flausen in den Kopf setzt.«

Damals hatte sie ihm auch die Vorgeschichte über Angela und Dad erzählt und dass Angela versucht hatte, seine Ehe zu zerstören.

»Wenn Cat diesen Rachefeldzug weiterführen will, ist das ihre Sache«, sagte Liv, »doch wir brauchen dabei nicht mitzuspielen.«

Und als er an Cats Miene zurückdachte, mit der sie gesagt hatte: »Nicht diskreditieren, Andy. Ich will sie vernichten«, neigte er dazu, Liv zuzustimmen.

Mit einem Mal hört er das Trommeln kleiner harter Hufe, und eine Gruppe scheckiger Ponys taucht auf, jagt zwischen den Felsbrocken dahin und stürzt erschrocken davon, als sie ihn sehen. Andy steht auf und kehrt, halb rennend und halb springend, über den Pfad zum Auto zurück. Noch einmal sieht er sich lange um, steigt dann ein und fährt davon, zurück auf die A30.

Kurz vor Bodmin wirft er einen Blick auf die Uhr. Ein Instinkt rät ihm, nach Truro durchzufahren und Matt einen Besuch abzustatten, doch es ist schon fünf, und er hat Mick versprochen, nach Polzeath zu kommen und ihm bei seinen Partyvorbereitungen zu helfen. Andy zögert, schüttelt den Kopf – dann muss der Besuch eben bis morgen warten – und biegt auf die Straße nach Polzeath ein.