Als Matt in der Strandvilla ankommt, sind Liv und Baz noch unterwegs, und eine ziemlich erschöpft wirkende Meggie hütet die Zwillinge und Jenks. Sie lächelt ihm zu und übergibt ihm ihre Schützlinge.
»Meggie«, sagt Matt und umarmt sie. »Wie geht’s Ihnen? Und Phil?« Er versucht, ihren Antworten zu lauschen, doch die Zwillinge umschlingen ihn und kleben an ihm, und sie lächelt und nickt ihm zu, als sie ihn mit sich zerren, damit er ihre Schätze bewundert und das Spielzeug von Onkel Andy ansieht: den Bagger und die Boote. Jenks springt zwischen ihnen hin und her und will, dass er Steine für ihn wirft, und Matt spürt eine Unbeschwertheit, wie er sie schon sehr lange nicht mehr empfunden hat. Die Sonne beginnt, die tief hängenden Wolken aufzulösen, und eine leichte Brise ist aufgekommen. Er streift die Schuhe ab und geht barfuß über den weichen, körnigen Sand. Dann tritt er ins Wasser und spürt seine kühle Liebkosung an seinen Füßen und Knöcheln.
Bald wird er dazu abgestellt, Kieselsteine und Muscheln zu sammeln. Als er dort sitzt, sie sortiert und die Sonne auf dem Rücken spürt, schwelgt er in seiner Freiheit. Er liebt es, hier zu sein. Es löst so viele Erinnerungen aus, angefangen in seiner Kindheit, und jetzt ist er an diesem idyllischen Ort mit seinen eigenen Kindern zusammen.
Als das Auto über den Pfad gepoltert kommt, geht er Liv und Baz entgegen. Die Zwillinge und Jenks rennen vor ihm her, und dann schlingt er die Arme fest um Liv, bereut diese törichten Momente mit Catriona und fragt sich, wie er nur solch ein Idiot sein konnte.
»Was für eine Erleichterung, dass das vorbei ist!«, erklärt Baz und tritt um den Wagen herum, um seinen Sohn zu umarmen. »Lasst uns den Tee draußen trinken, ja? Die Sonne kommt heraus, und ich möchte mit euch über etwas reden.«
Matt sieht Liv mit hochgezogenen Augenbrauen an, doch sie schüttelt verwirrt den Kopf und folgt Baz ins Haus, um Tee zu kochen und die Malbücher und Stickeralben der Zwillinge zu holen. Bald sitzen sie mit einer Kanne Tee unter der Markise.
»Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden«, erklärt Baz. »Es geht um Folgendes: Liv spricht jetzt schon eine ganze Weile davon, dass sie es mit diesem Glamping probieren will, und vor ein paar Tagen hatte ich eine Idee. Angenommen, ihr seid euch beide darüber einig, dass das ein gutes Projekt ist, warum dann nicht hier? Ihr würdet natürlich in der Strandvilla wohnen, und nach allem, was ich über Glamping gelesen habe, scheint die Wiese der perfekte Platz für diese Jurten oder was auch immer zu sein. Wir können Wasser und Strom vom Haus dorthin legen. Jede Menge Parkplätze haben wir auch. Die Gäste könnten segeln, schwimmen oder auf dem Küstenpfad über die Klippen wandern. Die Wiese liegt geschützt und ist abgeschirmt vom Westwind und so hoch angelegt, dass sie nicht in Gefahr ist, überschwemmt zu werden. Zugegeben, da ist noch einige Planungsarbeit nötig, aber ich hatte mich gefragt, ob euch die Sache ernst genug ist, um einen Versuch zu starten.«
Schweigen. Matt ist vollkommen überrumpelt. Zum Teil ist er ein wenig ärgerlich, weil er so plötzlich unter Zugzwang gesetzt wird, doch dann sieht er Liv an, und als er ihre Miene wahrnimmt, die Freude, ungläubiges Staunen und Aufregung ausdrückt, da weiß er, dass die Schlacht schon geschlagen ist.
Über den Tisch hinweg schaut sie ihn an, als rechne sie mit Protest, und dann Baz, der ihr zulächelt.
»Wir wären dann Geschäftspartner«, sagt er. »Schließlich wird das alles ohnehin eines Tages euch gehören, also warum nicht gleich? Ich könnte immer noch herkommen, doch um ehrlich zu sein, wird die Herfahrt von Bristol immer schwieriger, und ich muss dafür sorgen, dass sich jemand um all das hier kümmert. Damit will ich natürlich keinerlei Druck auf euch ausüben. Also, was sagt ihr?« Baz lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und greift nach seiner Tasse. Er wirkt ziemlich beklommen.
»Das ist eine großartige Idee«, meint Liv. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Der Platz ist perfekt, und ich kann mir keinen schöneren vorstellen. Aber es ist dem armen Matt gegenüber unfair, ihn so damit zu überfallen. Er war nie ganz so begeistert von der Idee wie ich.«
Wieder sieht sie ihn an, und mit einem Mal denkt er an Catriona und daran, wie er fast alles, was er am meisten liebt, in Gefahr gebracht hat, und meldet sich schnell zu Wort.
»Ich finde das eine fantastische Idee, Baz. Liv wird mir wahrscheinlich beipflichten, dass wir beide spüren, dass wir eine Veränderung brauchen, und das wäre ein außerordentliches Projekt, an dem wir gemeinsam arbeiten könnten. Wir haben viel zu bedenken. Was wir mit dem The Place anfangen, zum Beispiel. Wir müssen die Planungen durchgehen und so weiter. Aber ich würde wirklich gern die Möglichkeiten erkunden.«
»Puh«, sagt Baz und trinkt von seinem Tee.
Liv sieht aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. »Ich kann es nicht glauben«, sagt sie. »Das ist mein absoluter Traum. Mit Matt und den Zwillingen an der Küste leben, segeln und schwimmen und einen Hund haben …«
Und plötzlich laufen ihr tatsächlich Tränen die Wangen herunter, was Liv so unähnlich sieht, dass Matt aufspringt und zu ihr geht und Jenks ihr ängstlich das Gesicht leckt, das sie in den Händen vergräbt.
»Tut mir leid«, sagt sie. »Ehrlich, nein, mir geht’s gut. Tut mir leid.«
Matt kniet neben ihr nieder und legt einen Arm um sie.
»Ich finde, das erfordert eine kleine Feier«, erklärt Baz und geht ins Haus.
»Liv«, sagt Matt. »Geht’s dir gut?« Er fühlt sich selbst ein wenig emotional. Und dann tauchen unvermittelt und lautlos Flora und Freddie auf und beginnen, kleine schimmernde pinke Herzen auf Livs bloße Arme zu kleben. Mit einer Miene voller Liebe und Staunen sieht sie ihnen zu, und Matt lässt sich auf die Fersen zurücksinken und lächelt ihr zu.
»So viel Liebe«, sagt er zu ihr, und dann tritt Baz mit Gläsern und einer Flasche Prosecco wieder nach draußen.
»Wir haben so viel zu feiern«, ruft er, »so viele glückliche Ereignisse.«
Liv lächelt zu ihm auf, und alles ist gut.
Nach dem Abendessen gehen Liv und Matt auf der Wildblumenwiese spazieren. Die langen fedrigen Gräser streifen ihre Arme, und auf der warmen, stillen Luft treiben die süßen Düfte heran. Jenks rennt voraus und kommt dann zurück, um sich davon zu überzeugen, dass sie noch bei ihm sind.
Liv schaut sich auf dem Feld um und betrachtet es so, wie sie es sich schon gelegentlich insgeheim vorgestellt hat, und sieht die Jurten vor sich und was für ein Bild das Ganze abgeben würde. In ihren kühnsten Träumen hätte sie nicht geglaubt, dass Baz seine Strandvilla für diese wunderbare Aussicht aufgeben würde.
»Ich habe ein schlechtes Gewissen«, sagt sie und fasst Matts Arm fester. »Eigentlich war das nie wirklich dein Ding, sondern meines.« Sie kann kaum glauben, dass es wahr ist, doch sie möchte, dass es auch für Matt das Richtige ist.
»Ich finde, es ist Zeit«, antwortet er. »Wir haben zuletzt zu eng aufeinandergehockt. Die Arbeitszeiten im The Place sind grauenvoll, und wir haben gar keine richtige Zeit mehr für uns. Wir brauchen ein neues Projekt, und das hier ist es. Offensichtlich müssen wir noch viel überprüfen, aber wir sollten unbedingt einen Versuch wagen. Wir würden es uns nie verzeihen, wenn wir es nicht ausprobieren.«
Dankbar umarmt sie ihn. »Ich kann es kaum erwarten, Andy davon zu erzählen. Übrigens, ich habe vorhin eine SMS von ihm bekommen. Er ist der abscheulichen Cat begegnet. Sie ist in ihrem Cottage in Rock und er in Polzeath, nur ein Stück weiter an der Straße. Anscheinend hat man ihr einen tollen Job in New York angeboten, und sie verkauft das Cottage.«
»Sie war sogar am letzten Wochenende im Bistro«, sagt Matt nach kurzem Zögern.
»Was? Im The Place?« Liv bleibt stehen und sieht zu ihm auf. »Warum hast du mir nicht davon erzählt?«
Matt wirkt unbehaglich, und sie wird nervös. Mit einem Mal erinnert sie sich an diese eigenartigen Telefongespräche und SMS. »Was ist passiert?«, verlangt sie zu wissen.
»Nichts ist passiert«, gibt Matt zurück. »Na ja, sie hat das arme Waisenkind gespielt. Wusstest du, dass ihre Mutter Anfang des Jahres gestorben ist?«
»Ja, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Cat deswegen am Boden zerstört ist.« Liv kann den gehässigen Ton nicht aus ihrer Stimme verbannen. Alles, was mit Cat zu tun hat, erweckt ihre schlimmsten Instinkte. »Und was ist passiert?«
»Nun ja.« Matt wendet den Blick ab und seufzt. »Sie hat mich gebeten, ihr dabei zu helfen, ein paar Möbelstücke in ihrem Cottage zu bewegen, und ich wusste nicht, wie ich ihr das abschlagen sollte.«
»Du warst in ihrem Cottage?«
Liv fühlt sich unglaublich verletzt, beinahe schon betrogen. Matt weiß, was sie von Cat hält, und der Gedanke, dass er dort … Wie Catriona das genossen haben muss! »Und dann?«, fragt sie kühl.
»Nichts ›und dann‹«, gibt er beinahe ungeduldig zurück. »Also, sie hat mich zum Dank noch zum Mittagessen bei Outlaw eingeladen, und, ja, es war nett, eine Weile in der Sonne zu sitzen und zu entspannen. Doch als sie mich gefragt hat, ob ich ihr noch einmal helfe, habe ich abgelehnt.«
»Aber warum hast du mir nicht davon erzählt? Ich hatte schon so eine Ahnung, dass da etwas war.«
»Am Telefon ging das nicht, weil ich wusste, wie du empfinden würdest, und ich wäre nicht da gewesen, um dich zu beruhigen. Doch es ist nichts passiert.«
Jetzt berühren sie einander nicht, sondern stehen ein Stück voneinander entfernt da, und wo vorhin nur Glück war, herrscht jetzt Zwietracht.
Und wie gut Cat das gefallen würde!, denkt Liv. Sogar aus der Ferne manipuliert sie uns noch. Als sie die Hand hebt, erhascht sie einen Blick auf die kleinen pinken Herzen, die die Zwillinge ihr auf die Arme geklebt haben, und mit einem Mal erinnert sie sich, wie sie in South Milton über dieses Gespräch mit ihrer Mutter über Angst nachgedacht hat und wie sie mit einem freundlichen Unbekannten in der Sonne gesessen, geredet und sich entspannt hat. Wie leicht hätte man diese Situation falsch deuten, sie zu etwas aufbauschen können, das das Vertrauen in ihrer Beziehung bedroht! Und doch ist kein Schaden entstanden.
Matt beobachtet sie nervös, und instinktiv streckt sie ihm eine Hand entgegen.
»Tut mir leid«, meint sie. »Ich weiß, dass ich paranoid bin, wenn es um diese Frau geht, doch ich kann nicht anders. Alle meine Instinkte sagen mir, dass sie nichts als Probleme macht.«
Dankbar nimmt er ihre Hand. »Nachdem ich sie jetzt in Aktion erlebt habe, bin ich vollkommen deiner Meinung. Aber ich schwöre dir, Liv, dass absolut nichts passiert ist.«
Doch es hätte geschehen können, denkt sie, einfach nur dadurch, dass sie Zwietracht gesät und Vertrauen zerstört hat. »Vergessen wir Cat«, sagt Liv. »Hier ist kein Platz für sie. Ich hoffe, sie wird in New York glücklich.«
Sie spürt Matts Erleichterung und legt einen Arm um seine Taille. Er zieht sie an sich und küsst sie, und gemeinsam gehen sie weiter.
Die Zwillinge lehnen an ihrem Zimmerfenster und betrachten den Sonnenuntergang. Sie staunen über das Schauspiel und schauen schweigend zu, wie sich das Meer rot färbt und der Himmel in Flammen zu stehen scheint.
Sie können Mummy und Daddy sehen, die auf der Wildblumenwiese spazieren gehen. Sie haben die Arme umeinandergelegt und bleiben ab und zu stehen, um sich zu küssen, und Jenks rennt vor ihnen her durch das hohe Gras. Es schenkt ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Glück, sie so zu sehen. Die Zwillinge sind so gern hier. Am liebsten möchten sie für immer bleiben.
Die Sonne sinkt jetzt schnell, und es hat den Anschein, als würde sie im Meer untergehen und für alle Zeit ausgelöscht werden, und doch wird sie morgen früh wieder am Himmel stehen. Das ist rätselhaft und bedeutungsvoll. Das Meer scheint zu brennen wie flüssiges Feuer, und dann ist die Sonne verschwunden, und alle Farben verblassen.
»Du meine Güte, Charlie Brown!«, sagt Flora leise.
»Toll«, pflichtet Freddie ihr bei.
Sie beginnen zu lachen und balgen sich auf ihren Betten. Ihr Quietschen wird lauter.
Baz steht vor ihrer Zimmertür, hört ihnen zu und lächelt über ihre Possen. »Du meine Güte, Charlie Brown!«, ruft er plötzlich. »Gebt ihr beiden denn niemals Ruhe?«
Tiefes Schweigen antwortet ihm. Baz stößt die Tür auf und geht hinein. Freddie und Flora liegen in ihren Betten und sehen ihn aus großen unschuldigen Augen an. Er tritt zu ihnen, streicht ihre Bettdecken glatt, sieht nach, ob Douggie Dog und Pengy bei den Zwillingen liegen, und lächelt auf alle hinunter.
»Kein Wort mehr«, sagt er. »Das ist nicht verhandelbar. Morgen lassen wir den Drachen steigen, wenn … wenn ich jetzt keinen Pieps mehr von euch höre.« Er bückt sich, um sie beide zu küssen, und bleibt dann an der Tür stehen, weil er weiß, worauf sie warten. »Gott behüte euch! Schlaft gut und träumt schön.« Und sie sagen ihren Teil auf, wenn auch ganz leise. »Und nicht von den Schlafläusen beißen lassen.«
Baz geht nach unten. Er kann sein Glück kaum fassen. Tief im Herzen spürt er, dass dieses neue Projekt genau das ist, was Matt und Liv brauchen, um frischen Wind in ihr Leben zu bringen. Wie wunderbar, dass die Zwillinge hier leben und die kleine Grundschule im Dorf besuchen werden! Ein schöner Gedanke, dass die Strandvilla bewohnt sein und zu einem richtigen Zuhause werden wird und sie die Bucht mit anderen Menschen teilen werden, die das Bedürfnis nach Spaß und Entspannung haben.
Vielleicht wird er, wenn er in Zukunft zu seinem zweiwöchigen Urlaub herkommt, auf seiner alljährlichen Party ja auch Besucher und Touristen aus den Jurten begrüßen, neue Freunde. Er braucht sich keine Sorgen mehr zu machen, in der Strandvilla könnte es einen Wasserschaden gegeben haben. Er muss keine schnellen Stippvisiten mehr unternehmen, um nach dem Rechten zu sehen, oder Freunde auffordern, sie während seiner Abwesenheit zu nutzen. Meggie ist wundervoll, und jetzt kann er Phil und sie vielleicht in ein ganz neues Projekt einbeziehen. Sie wird immer noch gebraucht.
Und was Sofia angeht … Baz setzt sich an einen Tisch im Freien und denkt über ihre gemeinsame Zukunft in Bristol nach – eine Zukunft, zu der auch Miles und El und sogar Annabel gehören werden. Gerade, als er den Eindruck hatte, sein Leben würde jetzt langsamer verlaufen, scheint er stattdessen an der Schwelle zu einem ganz neuen Abenteuer zu stehen.
Baz schenkt sich ein Glas Prosecco ein, sitzt einen Moment da und hebt dann sein Glas. Lautlos bringt er einen Toast auf Lucy und ihr Baby Benedict aus. Aus der Ferne hört er leise die Stimmen von Matt und Liv, die von der Wildblumenwiese zurückkehren. Das Meer schimmert im letzten Tageslicht, die Flut kommt herein, und Baz sieht zu, wie die Sterne funkelnd und glitzernd am Nachthimmel auftauchen.