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S. Boblest et al.Spezielle und allgemeine Relativitätstheoriehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-63352-6_28

28. SN Ia als Standardkerzen für das junge Universum

Sebastian Boblest1  , Thomas Müller2   und Günter Wunner3  
(1)
Dürnau, Deutschland
(2)
Max-Planck-Institut für Astronomie, Haus der Astronomie, Heidelberg, Deutschland
(3)
Universität Stuttgart, 1. Institut für Theoretische Physik, Stuttgart, Deutschland
 
 
Sebastian Boblest (Korrespondenzautor)
 
Thomas Müller (Korrespondenzautor)
 
Günter Wunner (Korrespondenzautor)

Mit Hilfe der Helligkeits-Rotverschiebungs-Beziehung aus dem letzten Kapitel haben in den 1990er-Jahren zwei Gruppen weit entfernte Supernovae untersucht. Zum einen das Supernova Cosmology Project [3] und zum anderen das High-z Supernova Search Team [2]. Ihre Ergebnisse sind ein starker Hinweis darauf, dass das Universum beschleunigt expandiert. Die Leiter der beiden Gruppen, Perlmutter1 sowie Schmitt2 und Riess3 erhielten für diese Entdeckungen 2011 den Nobelpreis für Physik.

In diesem Kapitel wollen wir diese faszinierende Entdeckung und die Methode dahinter verstehen. Dazu müssen wir zum einen diskutieren, wie aus der Helligkeits-Rotverschiebungs-Beziehung auf die Dynamik des Universums geschlossen werden kann. Zum anderen haben wir bereits gesagt, dass wir für ihre Anwendung Objekte mit bekannter absoluter Helligkeit, also Standardkerzen brauchen. Da wir weit entfernte Objekte beobachten wollen, müssen sie zusätzlich noch eine sehr große absolute Helligkeit besitzen. Die beiden Gruppen benutzten dazu Supernovae vom Typ Ia.

28.1 Aufklärung der Dynamik des Universums

Es ist klar und wurde bereits mehrfach gesagt, dass die Helligkeit eines Objekts ein Maß für seine Entfernung von uns ist. Bei einer gegebenen absoluten Helligkeit M wird uns ein Objekt umso dunkler erscheinen, je weiter es von uns entfernt ist. Tragen wir für Objekte mit bekannter absoluter Helligkeit die beobachteten scheinbaren Helligkeiten über log10(z) auf, so erhalten wir nach (27.​51), bzw. (27.​52) für kleine Rotverschiebungen eine Gerade und können aus ihrem y-Achsenabschnitt den Wert von H0 bestimmen. Um dies zu tun, wurden vom CalanTololo Supernova Survey SN Ia mit $$ z\lesssim 0,1 $$ beobachtet [4]. Für größere Werte von z werden sich Abweichungen von der Geradenform zeigen, aus denen wir den Bremsparameter bestimmen können und damit entscheiden, ob das Universum abgebremst oder beschleunigt expandiert.

Wir können uns sehr schön anschaulich klar machen, was hier passiert. Wir nehmen an, wir hätten ein kosmisches Objekt beobachtet und festgestellt, dass sein Spektrum eine Rotverschiebung von z. B. z = 1 aufweist. Aus (27.​22) sehen wir dann, dass das Verhältnis des Skalenfaktors heute zum Skalenfaktor als das Licht vom Objekt ausgesandt wurde gleich 0,5 ist, unabhängig von der zeitlichen Entwicklung des Skalenfaktors in der Zwischenzeit.

Die Lichtlaufzeit und damit die Entfernung des Objekts von uns wird allerdings von der zeitlichen Entwicklung abhängen. Das wird mit Hilfe von Abb. 28.1 klar. In einem beschleunigt expandierenden Universum ist das Licht zu einem früheren Zeitpunkt tb emittiert worden als in einem konstant beschleunigten Universum (tk) oder einem abgebremst expandierenden Universum (tg). Das beobachtete Objekt wird also in einem beschleunigt expandierenden Universum dunkler erscheinen als in einem konstant beschleunigten Universum, in einem abgebremst expandierenden Universum dagegen heller.
Abb. 28.1

Zusammenhang zwischen Helligkeit und Rotverschiebung eines kosmischen Objekts. Die Rotverschiebung des empfangenen Spektrums hängt nur vom Skalenfaktor a(te) bei Emission des beobachteten Lichts ab. Die Helligkeit des beobachteten Objekts hängt aber von der Lichtlaufzeit ab, die in den verschiedenen Modellen unterschiedlich ist

28.2 Ergebnisse der Messungen an SN Ia

Abb. 28.2 zeigt Ergebnisse von Messungen der Helligkeits-Rotverschiebungs-Beziehungen von SN Ia des Supernova Cosmology Project. Die Messergebnisse sind verglichen mit theoretischen Kurven für verschiedene Universumsmodelle. Die Abkürzung CDM steht wieder für ,,Cold Dark Matter“, also ein Universum, in dem die dunkle Materie von noch nicht entdeckten Elementarteilchen herrührt. Die einzelnen Modelle sind das flache SCDM-Modell mit Ωm0 = 1 und ΩΛ0 = 0, also das klassische materiedominierte Universums aus (26.​97). Das Modell ΛCDM entspricht unserem (Ωm0-ΩΛ0)-Modell, das wir in Abschn. 26.​7.​8 ausführlich behandelt haben, mit den konkreten Werten Ωm0 = 1∕3 und ΩΛ0 = 2∕3, die sich etwas von unseren heutigen Werten unterscheiden, damals aber noch nicht so genau zu bestimmen waren. OCDM ist das materiedominierte Modell mit negativer Krümmung in (26.​98), speziell mit der Wahl Ωm0 = 1∕3. Die Resultate stimmen am besten mit dem ΛCDM-Modell überein, auch wenn die Unsicherheiten groß sind.
Abb. 28.2

Ergebnisse der Messung von Helligkeits-Rotverschiebungs-Beziehungen für Supernovae Ia. Die Ergebnisse lassen auf eine beschleunigte Expansion des Universums schließen. (Aus Bahcall et al. [1], Ⓒ AAAS. Reproduced with permission)

Die beobachteten SN Ia haben so große Rotverschiebungen, dass unsere Näherungen bei der Herleitung der Helligkeits-Rotverschiebungs-Beziehung nicht mehr gelten. Die beiden Gruppen mussten daher für verschiedene Modelluniversen die m-z-Relation numerisch berechnen, d. h. letztlich ohne Näherungen in (27.​36) und (27.​37).