Wir schrieben das Jahr 1989 und die Eurythmics zerbröckelten langsam. Annie – oder auch die Leute, die sie umgaben – hatten beschlossen, dass wir für das nächste Album einen anderen Produzenten ausprobieren oder zumindest einen Co-Produzenten hinzuziehen sollten. Die Begründung dafür war mir unklar, vor allem, nachdem wir so viele erfolgreiche Platten gemacht hatten. Ich denke, Annie wünschte sich einfach eine weitere – neutrale – Meinung im Studio. Mich erwischte dies jedoch anfangs auf dem falschen Fuß. Ich fragte mich, wie wir nun verfahren sollten, da wir bei den Eurythmics noch nie mit einem angeheuerten Produzenten zusammengearbeitet hatten. Und als wir das bei den Tourists getan hatten, waren wir weder über den Prozess noch über die Ergebnisse besonders erfreut gewesen.
Über meinem Kopf ging schließlich eine Glühbirne an und ich schlug vor, dass wir mit meinem alten Kumpel Jimmy Iovine zusammenarbeiten sollten, der mittlerweile als Produzent eine Legende war. Annie war sich diesbezüglich zuerst unsicher, da sie wusste, wie gut Jimmy und ich miteinander befreundet waren. Doch seine Leistungen ließen sich nicht von der Hand weisen, nicht nur als Produzent, sondern auch als jemand, der vor allem vielen komplizierten Acts zu großartigen Alben verholfen hatte: von U2 bis Bruce Springsteen, von Tom Petty über Stevie Nicks, John Lennon und Patti Smith bis zu den Pretenders. Die Liste ließe sich natürlich noch fortsetzen.
So einigten wir uns auf ihn und luden Jimmy nach Paris ein, da Annie und ich uns im Studio de la Grande Armée wie zu Hause fühlten und außerdem beide Häuser in Paris besaßen und französisch sprachen. Jimmy hingegen war anfänglich überfordert von der ungewohnten Umgebung. Doch nach ein paar Tagen fing auch er an, sie zu lieben. Und so taumelten wir kopfüber in einen für uns neuen, andersartigen Aufnahmeprozess.
Charlie Wilson von der Gap Band hatte ich als Keyboarder und Background-Sänger eingeladen – sozusagen, um etwas Würze beizutragen. Charlie war ein wahres Energiebündel. Der Kerl arbeitete schon mal drei Tage durch und schlief dann vielleicht mal eine.
Der Titelsong des Albums, „We Too Are One“, entstand aus einem Riff, das ich so vor mich hin spielte. Annie bot eine gesangliche Hammerleistung und für unsere nächste Tour hatten wir somit bereits einen neuen Klassiker im Köcher. Der Song handelte nicht wirklich von uns, doch verwandelten sich Annies Texte schließlich in eine Art Mantra, das für alles stand, was wir zusammen erlebt hatten. Wenn wir den Track bei unseren Konzerten spielten, verstand das Publikum ihn als Nummer über zwei Überlebende, in die es sich einfühlen konnte.
„When The Day Goes Down“, auf dem nur Annies Gesang und meine Akustikgitarre zu hören war, wurde mit der Zeit einer meiner Lieblingssongs. Wir stellten ihn in der britischen TV-Show Wogan zur Primetime vor, wo wir vom Autor und Comedian Ben Elton interviewt wurden. Gegen Ende der Sendung fingen Annie und ich einfach an, ihn vorzutragen, während wir bei ihm auf der Couch saßen. Ben war sichtlich den Tränen nahe und das gesamte Publikum war so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
Im Regieraum bekamen die Produzenten der Show mit, dass wir die Sendezeit überzogen, und wurden aufgefordert, zum Abspann zu schalten – es war ja eine Live-Sendung. Doch der Regisseur und der Kameramann fanden unsere Performance so gut, dass sie uns bis zum Ende des Songs weitermachen ließen. Anschließend spielten wir noch zwei oder drei Songs nur für das Studio-Publikum, das nach unserer Vorstellung förmlich durchdrehte. Wenn wir beide zusammen spielen, geschieht etwas höchst Magisches. Eine zusätzliche Energie wird frei – der Gänsehautfaktor. Da ist etwas sehr Emotionelles und die Leute spüren das.
Die Single „Don’t Ask Me Why“ ist ebenfalls sehr schwermütig. Auch für diesen Song drehte Sophie Muller ein exzellentes Musikvideo und griff dabei auf Blitzschläge, Primärfarbenkontraste und brillante Schnittkunst zurück.
Das Albumcover fotografierte der legendäre französische Fotograf und Video-Regisseur Jean-Baptiste Mondino. Er zeichnete über die Jahre für viele Fotografien mit hohem Wiedererkennungswert verantwortlich und drehte darüber hinaus Videos für Leute wie Madonna, David Bowie und Björk. Die Fotosession mit Jean-Baptiste faszinierte mich, da er dafür einen sehr heiklen 35-Millimeter-Polaroid-Film verwendete, um die Resultate sofort begutachten zu können. Die Arbeit damit war deshalb so heikel, da er sich auflöste, wenn man falsch damit umging. Mondino trug weiße Handschuhe und hielt den Film gegen das Licht, während Annie und ich die Bilder bestaunten.
Auf der Vorderseite der Plattenhülle sah man Annies Gesicht, das weißer als weiß war, dazu weiße Haare und stechend blaue Augen. Ich hingegen füllte die Rückseite, ganz in Schwarz mit tiefschwarz gefärbtem Bart und Haupthaar. Es waren zwei Gegensätze, die ein Ganzes ergaben, was auch der Titel andeutete: We Too Are One.
Wir gingen auf unsere letzte Tour und nannten sie nach einem unserer Songs Revival Tour. Außerdem beschlossen wir, zerfetzte Klamotten auf der Bühne zu tragen und jede Location in Stücke zu reißen.
Zehn Jahre später bestritten Annie und ich noch einmal einen ähnlichen Gig – unangekündigt, zu zweit und unplugged – im brechend vollen Kit Kat Club in Manhattan. Das illustre Publikum umfasste die gesamte Besetzung von Die Sopranos, Kevin Spacey, Wyclef Jean und Prince. Der Präsident von Arista Records, Clive Davis, hielt vor unserem Auftritt eine Rede. Annie und ich warteten bereits hinter dem Vorhang, da wir nicht wussten, dass seine Ansprachen sich oft sehr lange hinziehen.
Die Revival-Tour endete schließlich 1990 mit unserem Auftritt bei Rock in Rio. Ich hing mit Bob Dylan ab, der auch auf dem Festival spielen sollte. Wir verdrückten uns und endeten schließlich in einem Aufnahmestudio in einem Privathaus in der Mitte von Nirgendwo. In diesem Haus standen kleine Volkskunst-Figürchen. Ihr englischer Name lautete „Spiritual Cowboys“ und sie ähnelten den Figuren, die anlässlich des mexikanischen Tags der Toten angefertigt werden. Jede von ihnen repräsentierte einen anderen Aspekt des menschlichen Geistes. Mir gefiel, wie diese beiden Worte zusammen klangen: „spiritual“ und „Cowboys“. Zwei vollkommene, in Widerspruch zueinander stehende Wörter. Spiritual Cowboys? Hmm, nicht uninteressant!
Ich musste dabei an eine Band denken, die ständig auf Reisen war. Eine Band, die von einem Einzelgänger angeführt wurde, der bedeutungsvolle Songs sang. Ich fing an, es für einen guten Bandnamen zu halten, und wollte mich damit so weit wie möglich vom Eurythmics-Sound entfernen. Ich hätte irgendwelche elektronische Musik machen können, aber dann hätte es geheißen, dass Dave Stewart, „der Musikproduzent“, eben eine Elektro-Scheibe solo aufgenommen hätte. Allerdings wollte ich wirklich nur wieder einmal Blues-Sachen spielen und neue Songs schreiben. Ich wollte im Kontext einer Band Spaß haben und beabsichtigte nicht, einen neuen globalen Act in Eurythmics-Manier aus dem Hut zu zaubern. Es ging mir mehr darum, den größtmöglichen Spaß auf die einfachste Art und Weise zu haben.
Das Konzert in Rio war enorm. Annie und ich wussten, dass wir irgendwann das Ende erreicht haben würden – und nun war es da. Wir hatten mit einer Samba-Band geprobt und wunderschöne Karnevalstänzerinnen im vollen Kostüm engagiert. Die Show war einfach unglaublich und das Publikum drehte völlig durch. Annies und meine Blicke trafen sich inmitten all der anderen Protagonisten auf der Bühne, während 100.000 Menschen unsere Songs mitsangen. Wir hatten so viele Hindernisse überwunden und so viele Gefühlsturbulenzen überstanden, dass es sich fast so anfühlte, als würden wir nun in Zeitlupe sterben. Sophie Muller gelang es, diese Augenblicke perfekt auf Film zu bannen. Man konnte die Emotionalität sehen, diese Mischung aus Erschöpfung und Vergnügen, als wir die Bühne verließen. Es sollte für ein Jahrzehnt unser letzter Auftritt bleiben.