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Als meine Zeit mit Siobhan sich ihrem Ende näherte, nahm ich die Jungs mit in einen langen Sommerurlaub bei mir in Frankreich und lud auch ihre Freunde und Cousins ein. Später besuchte ich Siobhan dann in Jamaika. Ich war auf St. Barts gewesen, aber dort hatte es mir nicht gefallen. Es war mir zu trendy und roch zu sehr nach Jet-Set. Also flog ich nach Jamaika, wo Siobhan mit den Jungs war. Die Jungs fragten natürlich: „Moment mal, warum schläfst du in diesem Zimmer und Mum in einem anderen?“

Sam kam als erster dahinter: „Weißt du was, Dad?

„Was denn?“

„Wenn du und Mum nicht zusammenbleibt, werde ich der traurigste Junge auf der ganzen Welt sein.“

Ich war am Boden zerstört und versuchte, es ihm zu erklären: „Aber doch nicht wirklich, weil du ja immer noch deine Familie hast und ich immer für dich da sein werde. Und Mum auch. Und Nida. Es wird nur alles ein wenig anders sein.“

Ich dachte, dass ich vielleicht etwas drastischere Maßnahmen ergreifen müsste, weshalb ich meine Jungs fragte: „Wer ist euer Lieblingslehrer in der Schule?“ Sie besuchten beide dieselbe Schule in Hampstead und antworteten wie aus einem Hals: „Mardette.“ Und so begab ich mich am Elternsprechtag zu Mardette, einer jungen irischen Lehrerin. Sie begann, mir über die schulischen Leistungen der Jungs zu berichten. Ich unterbrach sie sogleich und sagte: „Wie würde es Ihnen gefallen, Sam und Django ein Jahr lang bei einer Reise um die Welt zu begleiten?“

„Was?“

„Yeah, so eine Art Unterricht zu Hause – nur nicht zu Hause, sondern auf der ganzen Welt.“

„Nun, da muss ich erst mal drüber nachdenken. Ich arbeite hier an dieser Schule.“

„Wie wäre es mit zwei Jahren? Japan, Australien, Brasilien.“

Sie dachte ein paar Augenblicke darüber nach und antwortete dann: „Ok.“ Sie war alleinstehend und liebte die Idee.

Also ging es zuerst einmal ab nach Japan, wo ich mit Vegas, meinem Projekt mit Terry Hall, im Vorprogramm von Bob Dylan auftrat. Dann bereisten wir die ganze Welt. Nida war natürlich auch mit von der Partie und kümmerte sich um die Jungs. Mardette übernahm es, sie zu unterrichten.

Schule als globales Klassenzimmer! Wir fuhren den Amazonas hinunter, bereisten Australien, Japan und die USA. Die Jungs schrieben Aufsätze über all die Orte, die wir besuchten, und prägten sich jedes Erlebnis gut ein. Da ich wollte, dass sie es immer noch als echte Schule wahrnahmen, nannte ich es die Reiseschule. Ich ließ sogar Shirts und Aufnäher mit dieser Aufschrift anfertigen. Alles hatte ein einheitliches Logo. Django muss es tatsächlich für den offiziellen Schulunterricht gehalten haben.

Die Reiseschule begab sich auch nach Jamaika, als ich dort Imogen Heaps Debütalbum produzierte. Die Jungs sollten etwas über das Land lernen, wie sie das auch sonst überall taten. Es war eine sehr gute Zeit für sie, da sie danach anderen Kindern ihres Alters um Längen voraus waren: „Ach ja, da war ich schon.“ Als wir in Australien waren, übernahmen beide auch Aufgaben im Büro von Greenpeace.

Dann, als sie wieder bei Siobhan waren, ließ auch die sich nicht lumpen und nahm sie mit nach Irland, um ihnen ihre irischen Wurzeln näher zu bringen. Mardette begleitete stets entweder mich oder Siobhan. Und wenn Siobhan in Jamaika war oder mit ihrem neuen Freund Ferien in unserem französischen Haus machte, war mir das auch recht. Langsam spielte sich alles ein.

Später kaufte ich in London einen Van, der über Flugzeugsitze verfügte und hinten ein Bett hatte, damit Django und Sam jederzeit ihre Freunde zu uns aufs Land zum Spielen einladen konnten. Inzwischen hatte ich nämlich auch ein wundervolles Bauernhaus erstanden. Sie kamen dann am Freitagabend mit all ihren Freunden zu mir und spielten Fußball im Garten. Nida war natürlich auch da und kochte uns Thai-Essen und Curry.

Als wir schließlich wieder zurück in London waren, versuchte ich so viel wie möglich für die Jungs beizubehalten. Ich wollte ihnen intensive Erinnerungen vermitteln, an Brasilien oder Japan oder daran, wie sie in Jamaika etwas über Echsen lernten. Es sollten Erinnerungen sein, die vor Erlebnissen und Informationen nur so strotzten. Ich hoffte, dass sie sich gerne daran erinnerten: „Yeah, Mums und Dads Scheidung war schon ein bisschen daneben, aber die Reiseschule war der Hammer.“

* * *

Zu wissen, dass es meiner Familie gut ging, erlaubte es mir, weitere Experimente und Kollaborationen zu wagen und weiterhin zu touren. Seit Mitte der Achtzigerjahre war ich eng mit George Harrison befreundet und hatte durch ihn auch Paul und Ringo kennengelernt. George lud mich einmal ein, mir einen Vortrag von Deepak Chopra in einer Kirche anzuhören. Er war damals noch relativ unbekannt und ein sehr interessanter Redner, der von Astrophysik bis zur Beschaffenheit der Zeit über alle möglichen Themen referieren konnte.

Wir lauschten ihm fasziniert und George sagte: „Lass uns nachher mit Deepak Essen gehen.“ Wir fuhren also im Anschluss in ein chinesisches Restaurant und ich unterhielt mich blendend mit Deepak. Wir wurden beinahe sofort Freunde. Er besuchte mich daraufhin oft in meinem Apartment. Einmal hatte er Demi Moore bei sich. Sie sah die Fotos, die ich geschossen hatte, und fragte mich: „Hast du die etwa gemacht?“

Ich bejahte.

„Wir sollten mal zusammen was machen.“

Ich willigte ein und das führte dazu, dass wir Tausende Fotos schossen. Wir flogen beispielsweise nach Indien, wo ich sie zehn Tage lang in Mumbai und Goa fotografierte. Nach Goa flogen wir in Militärhubschraubern, da sie dort auch sehr bekannt ist.

Ihr Film Ghost – Nachricht von Sam war ein Riesenerfolg in Indien, weil sich die Kinogänger dort sehr für eine Geschichte über das Leben nach dem Tod erwärmten. Überall war sie auf Postern und Plakatwänden zu bewundern. Wo wir auch auftauchten, überall drehten die Leute durch, wenn sie Demi sahen. Sie konnten einfach nicht fassen, dass sie da war. Überall war sie umringt von einer Armee von Menschen, und meistens auch von Soldaten der regulären indischen Armee.

Damals fing ich an, mich so richtig für die Fotografie zu begeistern. Ursprünglich hatte ich damit begonnen, als ich von Carla Bruni mit einer billigen 35-Millimeter-Kamera ein paar Schnappschüsse machte, die wirklich gut wurden. Ich fing daraufhin an, auch andere Leute, die ich kannte, abzulichten, zum Beispiel Tom Petty. Ich fotografierte einfach ständig statt Songs zu schreiben oder Musik zu machen. Eine Zeitlang sagten alle: „Verdammt nochmal, jetzt will Dave lieber Fotograf als Musiker sein.“ Das ging ein paar Jahre so. Ich hatte Ausstellungen und genoss es, einfach nur Fotograf zu sein.

* * *

Einmal ergab sich aufgrund bizarrer Umstände eine interessante Zusammenarbeit mit Jon Bongiovi. Ich brachte Demi ein paar Kontaktunterlagen und ein paar Drucke auf einen englischen Landsitz, wo sie mit Bruce Willis und ihren drei Töchtern die Zeit verbrachte. Ich befand mich in Begleitung meiner neuen Frau Anoushka und der Jungs und sollte ihr dabei helfen, Fotos auszuwählen.

Bruce war gut drauf. Er hatte für unsere Kids einen ganzen Nachmittag voller Outdoor-Aktivitäten organisiert, während wir die Fotos durchsahen

Nach einer Weile kamen zuerst die Herzogin von York, Sarah Ferguson, sowie ihr Gatte, Prince Andrew, samt ihren Kindern vorbei – und dann noch Jon Bongiovi mit seiner Frau Dorothea und ihrem Nachwuchs. Das hört sich nach einer seltsamen Mischung an und das war es auch. Doch nach dem Abendessen und Unmengen guten Weins verstanden wir uns alle bestens.

Der Abend endete schließlich damit, dass die Kinder und die Erwachsenen im Dunkeln in einem eiskalten Pool im Freien schwammen. Anschließend quetschten wir uns alle in eine winzige Sauna neben dem Pool, um uns wieder aufzuwärmen. Es war ein wenig wie das beliebte Spielchen „Wie viele Leute passen in einen Mini Cooper?“.

Später spielten Jon und ich Gitarre und Bruce übernahm die Mundharmonika. Wir unterhielten uns darüber, wie surreal doch der Abend war, und ich fragte Jon, was er überhaupt hier draußen auf dem Land tat. Er erklärte mir, dass er allem für eine Weile entkommen wolle, um den Kopf frei zu kriegen und ein paar neue Songs zu schreiben.

Ein paar Tage später kam er in meiner Londoner Wohnung vorbei, um mit einer Idee herumzuexperimentieren, die er bei unserer Jamsession gehabt hatte. Ich fragte ihn, wo er in London wohne, und er meinte, er hätte ein Keller-Apartment in Chelsea gemietet. Als ich ihn fragte, wie er diese Erfahrung beschreiben würde, sagte er: „Nun, ich erhalte eine interessante Perspektive auf London, indem ich nach oben schaue und all diese unterschiedlichen Leute Tag und Nacht vorbeigehen sehe.“ Daraufhin sprudelten die Textzeilen nur so aus uns heraus. Das war der Ausgangspunkt für seinen Song „Midnight In Chelsea“, der 1997 veröffentlicht wurde.

Es war eine interessante Nummer, die aus der Perspektive eines Kellerbewohners geschrieben war und seine seltsame Sicht auf die Welt wiedergab. Er beschrieb all diese sonderbaren Charaktere, die vorbeiliefen, und versuchte, sich vorzustellen, wer sie waren und welche Geschichten sie hatten. Jon liebte es, dass niemand wusste, wo er sich aufhielt, und genoss seine Ruhe. Es gefiel ihm, herumzukommen, andere Dinge zu tun und nicht immer „Bon Jovi“ sein zu müssen. In London konnte er sich eine Mütze aufsetzen, seinen Blick senken und in der Menschenmenge untergehen. Er verbrachte dort eine wirklich phantastische Zeit.

Ich bin ja zugegebenermaßen ein ausgesprochener Exzentriker. Zuerst hatte ich die Idee, den Song während einer Fahrt in einem Londoner Taxi aufzunehmen. Tatsächlich entstanden so ein paar Film- und Tonaufnahmen von uns in einem dieser typischen schwarzen Taxis. Ich bin sogar im Besitz eines Clips, der Jon dabei zeigt, wie er auf der Rückbank „Superkalifragilistigexpialigetisch“ aus Mary Poppins singt. Wir beschleunigten die Aufnahme schließlich und verwendeten sie für meine Internet-TV-Show The Sly Fi Network. (Glaubt es mir oder auch nicht, aber im Prinzip erfand ich 1996 mit Sly Fi das Konzept von YouTube/MySpace, mit dem Unterschied, dass es nur circa 50 Leute verfolgen konnten, weil die meisten Leute damals in der Regel noch nicht über eine Internetverbindung verfügten, die schnell genug war, um die Sache online zu sehen.)

Jon und ich beschlossen, den Song ordentlich aufzunehmen, und durchliefen dabei unterschiedliche Stadien. Manche Teile nahmen wir im Church Studio auf und manche in New York. Im Verlauf des Prozesses klang die Musik immer weniger nach Bon Jovi und immer mehr nach einem seltsamen Hybriden aus mir, Jon und dem David Bowie der frühen Siebzigerjahre. Aber sobald Jon seinen Mund öffnete, ließ seine Stimme keine Zweifel daran, wer hier am Werk war. Der Song kam heraus und stieg in der britischen Hitparade in der ersten Woche bis auf Platz vier. Ich präsentierte „Midnight In Chelsea“ gemeinsam mit Jon bei Top of the Pops in Großbritannien und einer für MTV aufgezeichneten Live-Show in einem großen Londoner Theater.

Es war schon eine obskure Kombination: Ich kam aus dem englischen Nordosten und Jon aus New Jersey. Unsere Herkünfte konnten kaum unterschiedlicher sein – und dennoch verstanden wir uns richtig gut. Jon ist ein aufgeweckter, intelligenter Typ, mit dem es sich leicht arbeiten lässt. Es ist schon witzig: Ich komme ständig in diese Situationen und schreibe mit den unterschiedlichsten Leuten Songs. Nicht, weil ich als Songwriter engagiert werde, sondern weil ich Leute stets unter sehr sonderbaren, zufälligen Umständen kennenlerne. Daraus entsteht schließlich ein großartiger Song, scheinbar aus dem Nichts.

* * *

Wenn ich schon mal bei Dingen bin, die sich offenbar aus dem Nichts ergeben: Paul Verhoeven bereitete gerade seinen Film Showgirls vor, als ich völlig unverhofft einen Anruf von ihm erhielt. Ich wusste, dass er der Regisseur von Robocop und anderen Filmen war. Und Niederländer. Er sagte: „Ich brauche dich für die Musik meines Films Showgirls. Die Besetzung steht bereits und die Tänzerinnen proben gerade in Lake Tahoe. Prince verbietet es uns, seine Musik zu verwenden. Er hatte erst zugesagt, die Filmmusik beizusteuern, und dann haben wir die verdammte Musik nie erhalten.“

Ich fragte: „Und wovon handelt der Film?“

„Ich fliege morgen rüber zu dir und gebe dir 250.000 Dollar, wenn du es in drei Tagen hinbekommst“, lautete seine Antwort.

Ich entgegnete: „Du meine Güte, ich bin mir nicht sicher. Ich kenne ja nicht einmal das Drehbuch.“ Aber er kam tatsächlich am nächsten Tag vorbei. Er muss direkt nach unserem Telefonat zum Flughafen gefahren sein, um von Los Angeles nach London zu fliegen.

In meinem kleinen Apartment in Covent Garden fuhr er damit fort, mir den ganzen Film zu erklären und alle Tanz-Moves der 24 jungen Tänzerinnen vorzuführen. Allerdings war er ein über 50 Jahre alter Holländer, der nicht tanzen konnte, und aufgrund seines Akzents war es nicht einfach, ihn zu verstehen. Er hörte auch nie auf herumzuschreien.

Ich sagte ihm: „Nun, am besten wäre es vermutlich, wenn ich das jeweilige Tempo, zu dem getanzt wird, kennen würde. Dann könnte ich eine Tempovorgabe erstellen, mit der Sie dann arbeiten können.“

Er schnaufte durch und wirkte sehr erleichtert.

Ich erklärte ihm, dass ich verstehen müsste, was in den jeweiligen Szenen vor sich ginge, um es richtig machen zu können. Und so flog ich mit zu den Proben nach Lake Tahoe. Ich erinnere mich noch daran, wie ich einen Raum betrat und auf eine Vielzahl leicht bekleideter, wunderschöner Mädels traf, die alle tanzten. Ich dachte nur: „Wow, das ist ja mal ein interessanter Job.“ Dann glitt über mir ein Mädchen im S/M-Outfit mit dem Kopf voran ein Seil hinab. Ein bezauberndes Gesicht strahlte mich verkehrt herum an und fragte: „Wer bist denn du?“ Dabei handelte es sich um Gina Gershon und wir sind seit damals gute Freunde. Sie spielte an der Seite der anderen Hauptdarstellerin. Gina repräsentierte die dunkle Seite.

Während ich versuchte, mit meiner Arbeit am Film zurechtzukommen, wurde alles zusehends komplizierter. Paul Verhoeven war sehr jähzornig. Einmal besuchte er mich in London im Studio. Wir arbeiteten mit einem ungefähr sechzigköpfigen Orchester. Mittlerweile kannte ich mich ein bisschen mit der Orchesterarbeit aus.

Er kam herein und sagte: „Aus wie vielen Leuten besteht das Orchester?“

Wir teilten ihm mit, dass es 62 Musiker umfasste.

Er sagte darauf: „Ich arbeite aber nie mit einem Orchester, in dem weniger als 100 Leute sitzen.“

Ungläubig fragte ich: „Was?“

Ich erklärte ihm, dies würde bedeuten, dass 38 Leute mit einem leeren Blatt Papier vor sich einfach nur dasitzen würden.

Er war außer sich und sagte: „Ich werde mit meinen Produzenten in Hollywood deswegen telefonieren.“

Ich sagte nur „okay“, die einzige Antwort, die man einem Holländer geben kann, der gerade durchdreht.

Während er also am Telefon im Gespräch mit Hollywood hing, machte ich mich auf den Weg zu einem nahegelegenen Laden, um ein Kleid und eine Perücke zu kaufen. Dann stopfte ich noch mein Shirt aus, als ob ich ein Mädchen wäre, und ging zurück. Als er seine Tiraden beendet hatte, konnte ich sehen, dass er sich im Regieraum aufhielt. Ich stürmte hinein, schnappte ihn mir und begann für ihn, als Frau verkleidet, zur Musik zu tanzen. Er war zwei Minuten lang sehr verwirrt und fragte: „Was zum Teufel soll das?“ Dann dämmerte es ihm langsam, dass das ich war. Er ging auf die Knie vor Lachen und begriff, dass er sich verrückt und unvernünftig verhalten hatte. Im Zweifelsfall also einfach verkleiden und tanzen – das scheint jedes Mal zu funktionieren.

* * *

Ich begann eine Zusammenarbeit mit einem weiteren großartigen britischen Musiker – Bryan Ferry. Ich produzierte ihn in meinem südfranzösischen Haus, wo er auch untergebracht war. Für mich und die meisten Engländer ist er eine Ikone. In den frühen Siebzigerjahren schuf seine Band Roxy Music unfassbare, überwältigende Schallplatten, die nach nichts klangen, was man je zuvor gehört hatte. Songs wie „Virginia Plain“, „In Every Dream Home A Heartache“ und „Do The Strand“ schienen aus einer Parallelwelt zu stammen, dem Roxyversum.

Als ich noch bei den Tourists spielte, war einer der Höhepunkte gewesen, im Vorprogramm von Roxy Music auf deren Manifesto-Tour durch Großbritannien aufzutreten. Das war 1979 gewesen. Ich hatte mir jeden Abend Bryans Performance angesehen und war total hin und weg gewesen angesichts der Art, wie er jede einzelne Textzeile vortrug. Das war Eleganz in Zeitlupe und alle Songs waren ausgefeilt und jenseitig.

Bryans Geburtsort lag höchstens 15 Kilometer von meinem entfernt. Daher verlief unser erstes Treffen auch sehr entspannt, da wir viele Dinge gemeinsam hatten, nicht zuletzt unseren Sinn für Humor.

Wir begannen, zusammen Songs zu schreiben, und ich liebte diese Erfahrung. Wir schrieben ziemlich viele Songs zusammen, doch die meisten sind den Leuten nicht bekannt. Wir experimentierten auch recht viel, weshalb wir Unmengen von unfertigen Song-Skizzen herumliegen haben – Nummern, die wir entweder beiseite legten oder einfach nicht zum Projekt passten. Wenn wir uns nun Jahre später über einen unvollendeten Track unterhalten, kramen wir die Aufnahme hervor und hören sie uns an. Es ist dann so, als würden wir uns plötzlich wieder in jenem Augenblick befinden, in dem er entstand.

Bryan litt damals unter einer Schreibblockade, weshalb er immer wieder sagte: „Ach, lass uns einfach gar nichts machen. Fahren wir nach Monaco. Du weißt schon, erleben wir ein Abenteuer.“

Also trieben wir uns herum und hingen ab – zwei Typen aus dem Nord­osten Englands, die die Riviera unsicher machten. Ich hatte mich gerade von meiner Frau getrennt und auch Bryan durchlebte eine holprige Phase in seiner Ehe. Eines Abends sagte er: „Lass uns was essen gehen. Wir sind von der Herzogin von Sevilla zum Abendessen in Saint-Tropez eingeladen worden.“ Wer hätte da nein sagen können?

Eigentlich wollte ich aber gar nicht und sagte: „Bis nach Saint-Tropez brauchen wir sicher ewig bei dem Verkehr. Das ist ungefähr so, als würden wir zur Stoßzeit im Hochsommer von Pasadena nach Santa Monica fahren.“

Ich schlug daher vor, mein Boot zu nehmen. Dummerweise hatte aber jemand auf dem Boot ein Licht angelassen, weshalb die Batterie leer war. Worüber ich ganz glücklich war, weil wir so doch nicht dorthin fahren könnten. Aber Bryan bestand darauf und so fuhren wir beide doch mit dem Auto. Die Fahrt dauerte zwei Stunden. Bryan saß am Steuer und ich sagte: „Okay, ich werde die erste Person filmen, die uns die Tür öffnet.“ Ich hatte schließlich, wie sonst auch immer, meine Filmkamera dabei.

Wir läuteten an der Tür und eine junge Frau mit dem unwiderstehlichen Namen Anoushka öffnete uns. Ich blinzelte durch die Kamera und sagte: „Wow, du siehst ja hinreißend aus – wie Greta Garbo!“ Sie muss sich gefragt haben, was ich denn für ein schräger Vogel sei. Ich fragte sie, ob es ihr etwas ausmache, in der Nähe einer Lampe zu stehen, damit ich einen halb beleuchteten Effekt erhielte. Ich hatte keine Ahnung, dass sie selbst Fotografin war, aber sie willigte ein und das Resultat war atemberaubend. Sie ist einfach eine sehr schöne Frau. Außer der Gastgeberin kannte ich niemanden auf dem Fest, was auch auf Anoushka zutraf, die in Südfrankreich lebte und arbeitete und nur selten woanders hinkam.

Der Tisch war mit Platzkarten versehen und ich werde demjenigen, der Anoushka und mich nebeneinander positionierte, für immer dankbar sein, denn somit saß ich direkt neben meiner zukünftigen Braut. Ich wusste nicht, wer sie war, und sie hatte keine Ahnung, wer ich war. Jedoch fingen wir an, uns über Fotografie zu unterhalten. Wir fanden heraus, dass wir beide zur Zeit in unmittelbarer Nähe zueinander Fotoausstellungen hatten. Meine befand sich den Hügel rauf, unweit des Picasso-Museums, und ihre in einer berühmten Kunstgalerie in Monte Carlo. Zwischen uns beiden funkte es sofort.

Ein gewaltiges Gewitter zog auf, wie es regelmäßig in Südfrankreich vorkommt. Wir saßen draußen im Regen, bis irgendwann die Herzogin zu uns kam und fragte: „Merkt ihr denn nicht, dass ihr im Regen sitzt?“ Uns war das gar nicht aufgefallen.

Bryan und ich wurden eingeladen, die Nacht dort zu verbringen. Uns wurde ein Zimmer mit zwei Einzelbetten zugeteilt. Er war seit unserer Ankunft ein wenig angefressen, was damit zu tun hatte, dass er die ganze Strecke gefahren war. Und so beanspruchte er das Zimmer für sich alleine und sperrte sich mitsamt meinem Gepäck ein. „Nun, das ist ja echt klasse“, dachte ich, „ich fahre jetzt sicher nicht stundenlang alleine nachhause.“

Anoushka meinte jedoch: „Du kannst gerne mein Bett haben und ich schlafe dafür im Kinderzimmer.“

Vorerst begaben wir uns beide aber in ihr Zimmer und lagen voll angezogen nebeneinander und unterhielten uns weitere zwei Stunden lang. Erst dann verschwand sie ins Kinderzimmer, um dort zu schlafen.

Am nächsten Morgen erwachte ich, ging hinaus und bekam mit, wie Bryan ankündigte, dass alle nackt von einer Klippe springen würden. Ich stehe Abenteuern immer offen gegenüber, weshalb ich mich mit Bryan und der Gastgeberin auf den Weg zu der Klippe machte. Sie forderten mich auf: „Du zuerst, Dave.“ Ich entledigte mich meiner Klamotten und sprang. Die beiden beschlossen dann aber, es doch lieber bleiben zu lassen. So konnte mich jeder allein und nackt schwimmen sehen – zum Glück waren zu diesem Zeitpunkt meine verbrühten Eier wieder geheilt.

Ich kletterte aus dem Wasser, fand ein Handtuch und ging zurück ins Haus. Anoushka bereitete bereits das Frühstück vor. Wir fingen erneut an, uns zu unterhalten. Ich sagte zu ihr: „Wenn du deine Fotoausstellung hast, solltest du mich unbedingt bei mir zu Hause besuchen.“

Und das tat sie auch. Als sie eintraf, spielten Bryan Ferry und ich gerade gegen Tony Blair, der schon bald britischer Premierminister werden sollte, und den Comedian Rory Bremner, der für seine Parodien auf Tony bekannt war, eine Partie Tennis. Rory zog seine Nummer auch auf dem Tennisplatz ab und sah zudem auch ein bisschen so aus wie Tony, was Anoushka sehr verwirrte, als sie mir und Bryan Ferry bei unserem Match gegen zwei Tony Blairs zusah.

Zu dieser Zeit schrieben Bryan und ich den Song „Goddess Of Love“, was für mich damals ja ein passendes Thema war. Allerdings benötigten wir doch recht lange, um ihn fertigzustellen. Es war schon witzig: Textlich ist der Song der Inbegriff dessen, was Bryan so brillant zu verklären vermag – etwas Düsteres und Schönes, das sich allerdings außer Reichweite befindet, eine Ahnung, dass es einen Ort geben könnte, an dem alles sinnlich und perfekt ist. Wenn man dort allerdings hingelangt, sind alle bereits fort und nur ihre Geister sind noch gegenwärtig.

„Goddess Of Love“ haftet viel Glamour an und verfügt über alle für Bryan Ferry typischen Nuancen. Die erste Textzeile ist geradezu klassisch: „Marilyn says, ‚I’ve got nothing to wear tonight, only a pair of diamond earrings that catch the light.’“ Man wird unmittelbar in dieses verführerische Paradox hineingezogen, aber in der Darbietung der Melodie liegt gleichzeitig eine gewisse Tristesse. Ein anderer Song, den wir schrieben, hieß „San Simeon“ und vollbrachte dies auf wunderbare Weise. Er war aristokratisch, aber auch voller Melancholie und Traurigkeit.

Ich filmte Bryan auf der Rückbank eines Rolls-Royce. Wir wurden entlang der südfranzösischen Küste nach Monte Carlo chauffiert, hörten uns die Tracks an, die wir gerade aufgenommen hatten, und amüsierten uns. Bryan lächelte, während die Sonne unterging. Die Bilder fingen seine ihm eigene Art ein – seinen Intellekt, seine Dämonen und seine Herzlichkeit. Alles, was er tut, jedes Wort, das er schreibt, und jede Melodie, die er singt, ist total einzigartig. Es gibt wirklich niemand anderen, der so ist wie er.

Anoushka und ich verstanden uns blendend. Wir verbrachten viel Zeit zusammen, aber wir „gingen“ noch nicht wirklich miteinander. Ich sagte zu ihr: „Ich habe erst vor gerade einmal sechs Wochen meine Ehe beendet und ich kann mich einfach noch nicht auf jemanden einlassen. Und ich sage dir eins: Ich bin viel älter als du und ich rate dir, dich mit jemandem anderen zu treffen. Nimm dich in acht vor mir. Ich werde ohnehin nach Amerika aufbrechen, um zu arbeiten.“

* * *

Etwa 1998 luden Robert Altman, der legendäre Filmregisseur, und seine Frau Kathryn Anoushka und mich zum Abendessen in ein japanisches Restaurant in der Nähe ihres Hauses in Malibu ein. Nachdem wir gespeist hatten, fuhren wir zu ihnen. Wir unterhielten uns und Robert drehte einen großen Joint. Er hatte eine Akustikgitarre und ich spielte ein bisschen darauf. Ich fragte ihn, ob er einen Flaschenhals für mich hätte. Kathryn nahm mich mit in die Küche, um zu sehen, was sie da hätten, mit dem ich arbeiten könnte. Ich entschied mich für ein Whiskey-Glas mit dickem Boden. Während ich so herumimprovisierte und einen langsamen Blues spielte, schloss Robert die Augen und zog an seinem Joint.

Plötzlich sprang er hoch und sagte: „Das ist es!“ Wir waren alle ganz perplex. Dann fragte er: „Woher stammt dieses Geräusch?“ Ich zeigte ihm das Whiskey-Glas. Er nahm es mir ab und verschwand lachend. Es war schon spät, also verabschiedeten wir uns und fuhren heim nach Encino.

Am nächsten Morgen klingelte das Telefon in aller Frühe. Es war Robert Altman: „Du musst die Filmmusik für einen Film, den ich drehe, mit dem Titel Fortune’s Cookie – Aufruhr in Holly Springs machen. Und mach dir keine Sorgen, das Whiskey-Glas habe ich in einen Tresor gesperrt. Jawohl, es ist in Sicherheit!“

Er wollte eine ganz besondere Filmmusik für seinen Film, und als ich am vorherigen Abend einen Blues gespielt hatte, war ihm gedämmert, dass dies der Sound war, nach dem er gesucht hatte.

Der Film porträtiert das Leben in der Kleinstadt Holly Springs, Mississippi, tief im amerikanischen Süden, wo der Streifen auch vorrangig gedreht wurde. Ich begab mich also zu Beginn der Dreharbeiten nach Mississippi. Robert hatte dort eine großartige Szenerie errichten lassen. Er hatte mit dem Bürgermeister der Stadt Greenville arrangiert, dass er ein paar der Häuser direkt am Town Square zur Verfügung gestellt bekäme. Auf diese Weise konnten Glenn Close, Julianne Moore, Liv Tyler und all die anderen Stars sowie er selbst und seine Frau in unmittelbarer Nähe zueinander wohnen. Als wir ankamen, war es schon ziemlich schräg, das Ensemble, das außerdem noch Patricia Neal, Charles S. Dutton und Chris O’Donnell umfasste, dabei zu beobachten, wie es über den kleinen Town Square schlenderte, der in ein kleines Dorf verwandelt worden war.

Altmann stand kein richtiges Budget für die Filmmusik zur Verfügung, weshalb ich ihm sagte, dass das schon okay wäre. Ich willigte ein, es für das zu machen, was er erübrigen könnte, was in der Tat ein Hungerlohn war. Daher fuhr ich nach Memphis, wo ich ein paar Straßenmusiker traf und ihnen Kohle dafür anbot, kleine Versatzstücke zu spielen. Ich schuf eine Collage aus den großartigen Darbietungen der lokalen Musiker sowie mir an der Slide-Gitarre. Natürlich verwendete ich das Whiskey-Glas, das Robert in seinem Safe aufbewahrt hatte. Jeden Tag sah ich mir mit ihm und dem Ensemble in einer alten Scheune die ungeschnittenen Aufnahmen des Films an und spielte dazu etwas von der Musik, die ich zusammenstellte. So schufen wir im Kontext des Films unsere eigene, sonderbare Version von Mississippi.

Ich fand eine wunderbare Blues-Sängerin namens Ruby Wilson, die in einer Bar in Memphis sang. Sie steuerte ein paar gesummte Harmonien und von Gospel beeinflussten Gesang bei. Ich kombinierte dies mit einem Cello und einem Harmonium.

Die Filmmusik wurde letztlich absolut wunderbar. Es war ein großes Vergnügen, mit Robert Altman zu arbeiten. Er lehnte sich gerne zurück, streichelte seinen Goatee und rauchte einen großen, fetten Joint, während er zuhörte, was ich ihm vorspielte. Dann sagte er: „Yeah, das ist es.“ Er sagte nie: „Mann, das ist so cool“ oder „Daran muss man noch arbeiten“. Nein, er sagte nur: „Yeah, das ist es.“

Als ich wieder zurück in London war, lud ich Candy Dulfer, die schönste und begabteste aller Jazz-Saxofonistinnen aus Holland, zu mir ein, damit sie auf drei Stücken des Soundtracks spielte. So trafen wir Jahre nach unserer Zusammenarbeit an „Lily Was Here“ erneut zusammen, um wieder an einer Filmmusik zu arbeiten.

Candy und ich haben seit unserem ersten Treffen, als sie 17 Jahre alt war, viele Male miteinander gespielt. 1989 war ich gebeten worden, die Filmmusik zum niederländischen Film Lily was here beizusteuern. Ich wollte für den Titelsong ein sparsames Instrumentalstück, für das ich eine starke Saxofon-Melodie benötigte – und mit der so scheuen wie liebenswerten Candy Dulfer fand ich eine Saxofonistin, wie es sie kaum ein zweites Mal gibt. Sie überraschte uns alle, als sie höchst originell und wild improvisierte und uns die Melodien nur so um die Ohren flogen. Ich wusste, dass ich ein Ausnahmetalent vor mir hatte, und seitdem sind wir Freunde und arbeiten zusammen.

Der Song „Lily Was Here“ ist eine der erfolgreichsten Instrumental-Nummern aller Zeiten. Sie belegte acht Wochen lang den ersten Platz in den holländischen Charts und wurde schon bald in ganz Europa ein Top-Ten-Hit. Aber damit hörte es noch nicht auf. Zur allgemeinen Überraschung schaffte sie es auch in die Top Ten der USA, Australiens und Japans. „Lily Was Here“ zählt zu den fünft meistgespielten Instrumental-Songs überhaupt und befindet sich mittlerweile auf über 100 Compilation-Alben. Der Track ist einer dieser Songs, die zu jeder Minute des Tages irgendwo auf der Welt im Radio zu hören sind.

Wenig später wurde auch Prince auf Candy aufmerksam und nahm sie im Verlaufe der Jahre auf etliche Tourneen mit. Außerdem spielt sie mit so großartigen Acts wie Van Morrison oder Pink Floyd, um nur zwei zu nennen. Sie verfügt über eine außergewöhnliche Begabung und ist eine sehr innovative Musikerin. Ich bin sehr stolz darauf, sie zu meinen Freunden zu zählen.

Ein anderer sehr lieber Freund von mir war Ted Demme, ein junger Filmregisseur, der am 13. Januar 2003 mit 39 Jahren viel zu jung und lange vor seiner Zeit von uns gegangen ist. Er spielte Basketball mit seinen Freunden, einer sich nahestehenden Gruppe von Schauspielern, als er kollabierte und an einem Herzinfarkt starb. Jeder liebte Ted. Er war einer der beliebtesten Männer, die ich je getroffen habe. Bei der Golden-Globe-Preisverleihung 2002, nur zwei Wochen nach seinem Tod, trug Kevin Spacey ein Bild von Ted auf seinem Jackett. Die ganze Film-Community war am Boden zerstört.

Ich machte zwei Soundtracks für ihn. Der eine war für No Panic – Gute Geiseln sind selten mit Kevin Spacey, Judy Davis und Denis Leary, und der andere für Beautiful Girls mit Uma Thurman, Matt Dillon, Natalie Portman, Timothy Hutton und Rosie O’Donnell.

Ted kam 1994 zu mir nach London, um sich mit mir über die Musik zu No Panic zu unterhalten. Ich liebte das Drehbuch, es war einfach herrlich komisch. Allerdings hatte ich noch nicht die Gelegenheit gehabt, mit ihm etwas Zeit zu verbringen. Es war unser erstes Treffen und er war vom Flug einigermaßen geschlaucht. Ich trug eine Brille, die einen mithilfe eines in schneller Abfolge aufflackernden Lichtes in einen semi-hypnotischen, meditativen Zustand versetzte. Ted wollte sie sofort ausprobieren. Mir fiel gleich auf, dass er ein humorvoller Kerl war, da er ständig vor sich hinkicherte und Witze riss, als er die Brille aufhatte. Er sprühte förmlich vor Energie.

Ich sagte: „Wir können ein bisschen plauschen, aber ich muss in ungefähr einer Stunde zu einer Party von Anxious Records, die gleich in der Nähe stattfindet.“ Ich hatte nämlich eine Plattenfirma namens Anxious Records gegründet und Jarvis Cocker von Pulp sollte Platten auflegen. Alle Bands und Solokünstler meines Labels würden da sein. Ich nahm an, dass Ted und der Filmproduzent, der ihn begleitete, zu ausgelaugt sein würden, um mitzukommen. Doch Ted sagte, dass er sich mir anschließen wolle. Er war offen für alles – ein gutes Zeichen.

Also machten wir uns mit seinem Assistenten und einem Produzenten im Schlepptau auf den Weg zur Party. Sie hatten keinen blassen Schimmer, auf was sie sich da einließen. Die Party fand in einem Keller in Covent Garden statt und es war nur ein kurzer Spaziergang von meinem Apartment. Als wir dort aufkreuzten, waren alle Bands bereits total betrunken – dabei war es gerade mal 19 Uhr. Jeder bediente sich an der Bar und die Cocktails waren nach den Bands benannt, hießen also Freak of Desire oder The Curve, obwohl es sich bei ihnen eigentlich bloß um Long Island Ice Tea handelte. Jeder war ein richtiger Vorschlaghammer, nach dem man völlig bedient war.

Bei unserer Ankunft tanzte niemand. Alle taumelten nur durch die Gegend. Dann traf ein Junge mit MDMA ein – besser bekannt als Ecstasy. Zu jener Zeit hatte ich schon sehr lange keine Drogen mehr genommen, aber Ted und ich sagten uns: „Ach, scheiß drauf!“

Wir warfen je eine Ecstasy-Pille ein. Die Situation glich jener mit Daryl Hall. Der Produzent meinte: „Hey, nein, ich denke, ihr solltet das bleiben lassen.“ Wir spülten das Zeug mit einem starken Cocktail hinunter. Ted hatte Jetlag und wir spürten das Ecstasy zuerst gar nicht, weshalb wir noch eine Pille einwarfen. Das war ein großer Fehler.

Das nächste, an was ich mich erinnere, ist, dass wir aufwachten. Wir hatten praktisch übereinander geschlafen, und zwar auf dem Fußboden der Bar, wo die Party stattgefunden hatte. Niemand außer uns, ein paar Leuten, die uns aufhalfen, sowie dem Produzenten, der mit den Nerven am Ende war, war noch da. Als wir auf die Straße hinausgingen, herrschte eine Eiseskälte. Ich verlor das Bewusstsein und bin auf dem arschkalten Bürgersteig fast gestorben. Ted wusste nicht, was er tun sollte. Er versuchte, mich ins Krankenhaus zu schleppen, aber er musste ständig seinen Mageninhalt in irgendwelche Ladeneingänge kotzen, um selbst wieder nüchtern zu werden. Irgendwie gelangten wir schließlich ins Krankenhaus, wo wir uns auf dem Boden einer leeren Station wiederfanden. Langsam wurden wir wieder nüchtern und landeten gegen fünf Uhr morgens wieder in meinem Haus. Ich versuchte noch, ihm einen abgefahrenen Film zu zeigen, den ich über Leute gedreht hatte, die Ecstasy eingeworfen und das Bewusstsein verloren hatten.

Um circa sechs Uhr umarmten wir den Fernseher. Wir blickten einander an und brachen in schallendes, hysterisches Gelächter aus. Der Produzent und alle anderen waren sichtlich irritiert: „Was ist denn jetzt los?“

Ted sagte: „Ich kann es einfach nicht fassen – Disney hat diesen Trip bezahlt!“ Das entsprach der Wahrheit. Teds Reise war von Buena Vista, einer Tochterfirma der Walt Disney Company, finanziert worden.

Das war also der vielversprechende Anfang unserer Freundschaft. Nach No Panic war ich 1996 auch noch verantwortlich für den Soundtrack seines Films Beautiful Girls, der eine meiner liebsten Filmmusiken werden sollte. Ich baute die Musik rund um die Slide-Gitarre auf, verwendete aber ein ganzes Orchester unter der Leitung meines Freundes und Mitstreiters Teese Gohl aus der Schweiz, mit dem ich bei vielen Soundtracks zusammenarbeitete.

Als ich an der Musik zu Beautiful Girls schrieb, waren wir alle in meinem Haus in Frankreich. Ted, seine Frau Amanda und ich vergnügten uns gerne zuerst einmal am Meer, bevor wir in mein Haus zurückkehrten, um weiter am Soundtrack zu tüfteln. Meine Söhne Sam und Django waren auch bei mir und Ted jagte sie durch den Garten und schleuderte sie über seine Schulter in den Pool, während sie vor Begeisterung quiekten. Auch sie liebten Ted. Die Zusammenarbeit mit ihm war eine tolle Erfahrung und ich vermisse ihn ganz schrecklich.

2002 lag ich gerade mit Anoushka in England im Bett, als ich mitten in der Nacht einen Anruf erhielt. Am anderen Ende der Leitung war Gina Gershon. Sie weinte und schrie: „Teddy stirbt.“ Wir konnten kaum verstehen, was sie sagte, da sie gerade wie wild ins Krankenhaus raste, wo man versuchte, ihn wiederzubeleben. Etwas später meldete sich Amanda aus Teds Krankenhauszimmer. Sie stand total unter Schock und schluchzte. Wir waren völlig am Boden zerstört. Am nächsten Morgen fuhren wir nach Heathrow und flogen nach Los Angeles. Weniger als 24 Stunden nach seinem Tod waren wir dann dort. Alle seine Freunde waren in seinem Haus und weinten. Keiner konnte glauben, dass es wahr war. Dieses Sit-In dauerte eine ganze Woche lang. Alle blieben da, weil sie ihn so geliebt hatten. Er war noch so jung gewesen.

Bei der Totenfeier stand ich mit Teds Mutter an seinem halb geöffneten Sarg und blickte hinunter auf seinen leblosen Körper. Er trug einen Anzug und seine für ihn so typische Ray-Ban-Sonnenbrille. Je länger ich ihn betrachtete, desto weniger tot wirkte er auf mich. Er brachte mich sogar zum Lächeln. Sein positiver, witziger Geist war irgendwie immer noch da, als würde er über uns schweben, und ich war erfüllt von der Liebe, die ich für ihn empfand.