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Vor zehn Jahren wurde ich gebeten, als Moderator einer auf Interviews und Musik basierenden Show auf HBO mit dem Titel Off the Record zu fungieren. Für die Pilotfolge wollten Jimmy Iovine und ich Stevie Nicks gewinnen. Wir riefen sie sogleich an und sie sagte bereitwillig zu. Und so kreuzten sich nach all den Jahren unsere Wege erneut – und zwar auf dem Set eines HBO-Specials, das wohl nie jemand zu Gesicht bekam.

Vor der Kamera erörterten Stevie und ich ihr Leben – von ihrer Kindheit bis zum Mega-Erfolg mit Fleetwood Mac. Sie sprach über ihre musikalischen Anfänge und ihre erste Gitarre und wie sich dadurch ihr Leben veränderte – Stevie fing mit 16 Jahren an, eigene Songs zu schreiben und zu singen. Einen kleinen Ausschnitt aus dieser Episode konnte man immerhin in der Stevie-Nicks-Doku In Your Dreams sehen.

Am Ende der Folge brachten Stevie und ich eine epische, achtminütige Version von „Rhiannon“. Ich spielte Gitarre und sie saß am Klavier. Und hinterher sagte Stevie zu mir: „Wirklich, mir hat gefallen, wie du das gespielt hast, das hatte ein tolles Feeling.“ Tatsächlich hatte ich bloß improvisiert und sie begleitet. Ein paar Jahre später rief sie mich an und sagte mir, dass sie es großartig fände, wenn ich das nächste Album von Fleetwood Mac produzieren würde.

Wir unterhielten uns darüber und ich gab zu bedenken: „Ich weiß nicht, was die restlichen Fleetwood Mac davon halten, oder was mit der Band überhaupt gerade so abgeht.“ Ich fing aber an, über Stevies Stimme nachzudenken, weshalb ich ein paar Tage später zurückrief und sagte: „Hey, ich habe einen Song für dich geschrieben. Ich habe einen Refrain, Akkorde, einen Text und eine Melodie für dich. Aber die Melodie und der Text der Strophe fehlen noch.“ Ich ließ ein Mädchen den Refrain eine Oktave über meiner Stimmlage einsingen und schickte die Nummer an Stevie, um herauszufinden, ob sie ihr gefiel. Ich gab dem Song den Titel „Everybody Loves You“ und der Refrain ging so: „Everybody loves you, but you’re so alone/Everybody knows your name, but you can’t find your way home/But no one really knows you, I’m the only one.“

Also schickte ich ihr den Song, erhielt jedoch keine Antwort. Ich dachte mir nichts dabei, da Stevie weder das Internet noch SMS oder ähnliches verwendet. Erst nach drei Tagen oder so rief sie mich an: „Oh, mein Gott, ich habe nicht mehr schlafen können. Ich musste den Song immer und immer wieder anhören. Ich glaube, dass ich etwas Passendes für die Strophe habe.“ Sie schickte mir daraufhin eine Aufnahme, bei der sie zu meinem Song sang, mitsamt ihrem unglaublichen Vorschlag für die Strophe, und wir einigten uns schließlich, dass wir es so machen würden.

Als sie ins Studio kam, hatte sie eine Tasche dabei, in der sich zwei große Notizbücher befanden, randvoll mit Gedichten. Sie meinte: „Ich habe sie dir mitgebracht, weil du darin sicher etwas findest, das dir gefällt.“

Wir nahmen den Song gemeinsam auf und das Resultat war richtig gut. Stevie sagte immer wieder: „Hey, deine Stimme sollten wir für den Refrain beibehalten, mir gefiel das beim Demo.“ Ich hatte das nicht erwartet, willigte jedoch ein. Und irgendwie ergab sich so eine ganz runde Mischung.

Ein paar Tage später rief ich sie an und sagte: „Hey, ich habe jetzt alle deine Gedichte durch.“ Und sie meinte: „Was? Niemand hat je alle meine Gedichte gelesen!“

„Nun ja, ich habe sie alle gelesen. Manche davon sind nicht einfach nur Gedichte, sondern eignen sich auch hervorragend als Songtexte.“ So hatte ich auch mit Annie über viele Jahre hinweg gearbeitet. Ich hatte vielleicht einen musikalischen Einfall und sie öffnete ihr Notizbüchlein und irgendwie kamen wir dann auf einen gemeinsamen Nenner. Deshalb war das nun ganz natürlich für mich.

Zwölf Passagen eigneten sich meiner Meinung nach ideal für Songs. Manche ihrer Gedichte erstreckten sich über fünf Seiten. Aber das war egal. Ich sagte nur: „Soll ich nicht einfach zu dir kommen und mit dir gemeinsam die Notizbücher durchgehen?“

Stevie meinte nur: „Okay.“

Sie hatte ein paar Gitarren herumliegen und außerdem eine kleine Aufnahme-Apparatur, die von Karen, ihrer fabelhaften Assistentin, bedient wurde. Sie hatte ein Mikro, das sie über das Sofa hängte und mit dem wir uns beide beim Spielen und Singen aufnehmen konnten.

Ich deutete auf eines der Gedichte und sagte: „Siehst du diesen Abschnitt hier? Er würde gut zu diesen Akkorden in diesem Rhythmus und in diesem Stil passen.“ Ich begann zu spielen und murmelte über die Ausrichtung, die mir vorschwebte. Es gefiel ihr und sie sagte: „Oh, das ist interessant.“

Ich fragte sie: „Warum nimmst du dir nicht einfach das Buch und singst, während ich spiele?“

Sie entgegnete: „Aber ich habe noch nichts vorbereitet.“

„Das ist egal. Sing einfach so, wie es aus deinem Mund kommt.“

Ich hatte nicht verstanden, dass Stevie diese Vorgehensweise fremd war. Ich hatte noch nicht einmal begriffen, dass sie noch nie mit jemandem, der sich im selben Raum befand, zusammen einen Song geschrieben hatte.

Ein paar Songs hatte sie zusammen mit Mike Campbell geschrieben, der ihr einen Track geschickt hatte, aber eine Kollaboration wie diese hier war neu für sie. Bei Fleetwood Mac produzierte Lindsey Buckingham oft ihre Songs, aber sie schrieben nie zusammen. Wenn sie von Mike Campbell ein Tape oder eine CD bekam, zog sie sich einen Monat zurück, um zu schreiben.

Aber nun saß sie genau vor mir, so wie ich es von der Zusammenarbeit mit Annie kannte. Ich versuchte, Stevie ihre Ängste zu nehmen, und erklärte ihr, so wie ich das mit jedem anderen Musiker oder Möchtegern-Musiker mache, dass es einzig um den Spaß an der Sache ginge. Und so schrieben wir drei oder vier Songs in ungefähr zwei Stunden. Als nächstes nahmen wir sie mithilfe eines einzelnen Mikrofons auf. Nur wir zwei. Anschließend war Stevie total verblüfft: „Wow. Das ist die Grundlage für ungefähr vier Songs.“

„Stimmt. Und wenn dir etwas nicht gefällt, dann verwerfen wir es einfach wieder, weil es ganz egal ist.“

Es war eine enorme Offenbarung für sie, dass man einen Song so schnell und nur zum Spaß schreiben konnte, ohne massiven Stress im Studio, wo einen viele Leute umgaben und beurteilten, ob ein Song nun ein Hit war oder nicht.

Sie war überglücklich: „Warum kommst du morgen nicht wieder, damit wir das wiederholen können?“ Genau das tat ich auch und auf diese Weise entstanden noch viele weitere Songs. Dann trat ihr Team auf den Plan, was cool war: Ihre Background-Sängerinnen und andere Freunde trudelten ein. Sie fingen an, sich Notizen zu machen, klebten Abschnitte, die wir benutzt hatten, in ein separates Heft ein, das schließlich zu einer Art Liederbuch für das Album wurde.

Ich sagte: „Hört sich gut an.“

Und sie: „Hey, machen wir denn hier kein Album?“

„Nun, das tun wir auch, irgendwie, denn eigentlich haben wir noch gar nicht damit begonnen. Allerdings haben wir nun zumindest die Songs für ein großartiges Album.“

Sie erwiderte: „Ich fühle mich wohl in meinem Haus. Ich wünschte, wir könnten hier aufnehmen.“

Dem stimmte ich zu: „Es ist schön hier und ein Album kannst du überall aufnehmen.“

Meiner Erfahrung nach ließ sich ein Album auf vielerlei Arten aufnehmen – in Pariser Vororten, in einem Château, einem Schuppen oder einem jamaikanischen Eishaus. Nichts war leichter, als ihr kleines Studio mit dem richtigen Equipment auszustatten.

Ich schlug vor, Glen Ballard hinzuzuziehen, damit er sich auf die Arrangements und das Aufnehmen konzentrieren konnte, während ich mein Augenmerk auf Stevie und die Songs legte.

Glen brachte einen ausgezeichneten Studiotechniker namens Scott Campbell mit und auch mein langjähriger Techniker und Programmierer Ned Douglas war mit von der Partie. Sieben der Songs für das Album hatten Stevie und ich gemeinsam geschrieben. Somit fungierte ich wieder einmal als Co-Autor und Co-Produzent und war darüber hinaus noch Stevies Vertrauter.

Meine Vorgehensweise bestand darin, dass ich alles mit kleinen Flip-Camcordern filmte, die mittlerweile nicht mehr hergestellt werden. Auf diese Weise konnte ich festhalten, was ich beim Improvisieren spielte. Ich hatte mehrere von diesen Kameras, die ungefähr so groß wie ein Zippo-Feuerzeug waren. Eine war auf mich gerichtet, eine auf Stevie, die sang, und eine weitere filmte den Raum als Ganzes. Ich sagte: „Wenn wir auch filmen, was hier machen, dann erhältst du zusätzlich zum Album noch eine großartige Dokumentation.“

Heutzutage ist es sehr schwierig, beim Erscheinen eines Albums die Aufmerksamkeit der Leute darauf zu lenken, weil der Markt so überfüllt ist. Aber als ihre Fans Wind davon bekamen, dass wir zusammenarbeiteten, begannen sie durchzudrehen. Sie schrieben ihr und wollten wissen, was da vor sich ging.

Stevie schickte ihnen ein paar handgeschriebene Zeilen. Dieser Brief an ihre Fans wurde eingescannt und online gestellt. Ihre Fans antworteten ihr, indem auch sie Briefe von Hand schrieben, sie scannten und posteten – die Gerüchteküche brodelte. Stevie und ich waren jedenfalls ziemlich begeistert davon, weil wir nun wussten, dass viele Leute es kaum erwarten konnten, unsere Songs zu hören. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits seit zwölf Jahren nichts Neues mehr veröffentlicht.

Also beschlossen wir, ein paar echte Kameras und noch ein paar Leute ins Studio zu holen, um einen richtigen Film zu drehen. Daraus wurde schließlich unsere Dokumentation In Your Dreams.

Wenn man sich ausschließlich fixierter Kameras bedient, sieht eine Sache rasch langweilig aus. Ich besaß bereits meine eigene Filmproduktionsfirma und ließ meine Jungs sowie meinen Produktionsleiter Paul Boyd zu uns kommen. Auch Shane McLafferty und Chris Champeau waren dabei, die beide sehr talentierte Kameraleute und Cutter sind. Außerdem verhielten sie sich sehr subtil. Stevie sagte sogar, sie hätte nach einer Weile vergessen, dass sie überhaupt da waren. Unsere Herangehensweise unterschied sich stark von dem grellen Reality-TV und wir verzichteten fast gänzlich auf Beleuchtung. Alles war sehr maßvoll gehalten und nicht so aufdringlich.

Aber dann brachte sich auch Stevie kreativ ein: „Hey, warum gehen wir bei diesem Song nicht hinaus und drehen eine Art Fantasy-Sequenz?“ Paul Allen nennt mich nicht umsonst „Mr. Permission“, weil ich gerne meinen Segen zu abgefahrenen, kreativen Projekten erteile. Also sagte ich: „Yeah, warum nicht?“

Stevie schlug vor, dass wir uns ein weißes Pferd im Garten vorstellten, und phantasierte für uns ein wunderschönes Traumbild zusammen. Als sie am nächsten Tag erwachte und aus dem Fenster blickte, traf gerade ein Wagen mit Anhänger ein, in dem ein weißes Pferd stand. Sie war ganz verzückt vor Freude.

Plötzlich schlüpfte jeder in unterschiedliche Rollen, die zweifellos von Stevies Haus und ihrer Besessenheit von Edgar Allan Poe beeinflusst waren. Wir zogen edwardianische Kostüme an, auch meine Töcher Kaya und Indya, und verkörperten unheimliche Charaktere, die Eulen hielten und durch Wände schritten.

Das Haus verwandelte sich in eine durchgeknallte Bude. Mit einem Schlag war unklar, ob es sich hier um ein Filmset oder eine Abbildung von Stevies Gedankenwelt handelte. Der Film wechselte zwischen Realität und phantastischen Sequenzen hin und her.

Stevies begeisterte sich so sehr für den Film, dass sie Shane darum bat, ihn bei ihr zu Hause ganz nach ihren Vorstellungen zu schneiden. Sie ist eine echte Künstlerin und liebte alles, was zur Filmarbeit dazugehörte. Außerdem ist sie überaus scharfsinnig und erinnert sich an jede Gitarrennote und jedes Drum-Break. Sie ist sehr wach gegenüber allem, was um sie herum geschieht. Manche Leute denken sich vermutlich: „Ach, jetzt fliegt sie mit den Elfen davon.“ In Wahrheit ist eher das Gegenteil der Fall.

Als ich mich zu den Schneidearbeiten am Film hinzugesellte, fand ich, dass ich im Film zu präsent war. Ich versuchte schließlich eine Doku über sie zu drehen. Stevie meinte hingegen: „Nein, es geht um uns beide.“ Klar, wir schrieben ja auch zusammen Songs. Allerdings kam ich nun immer öfter vor, während sie immer seltener zu sehen war.

Letzten Endes sagte ich: „Nun, so sei es. Regie: Stevie Nicks und Dave Stewart. Wir beide gemeinsam. Ich führe nicht Regie bei einem Film über dich, um dann ständig mich zu zeigen.“ Und genau so verfuhren wir schließlich auch.

Wir hatten jeden Tag und jede Nacht sehr viel Spaß. Und wenn ich aufbrach, begleiteten mich alle Mädchen tanzend und singend zur Tür. Sie leuchteten mit ihren Lampen, erzeugten eine unheimliche Atmosphäre und verhielten sich wie Vampire.

Alles war möglich. Oder wie ich immer sage: „Hier waren keine Erwachsenen am Werk.“ Denn Erwachsene sind Leute, die einem sagen: „Ach, das geht so nicht.“ Wir hielten die Kosten niedrig und benötigten keine große Filmcrew, denn wir wollten nicht übertrieben professionell sein. Wir kümmerten uns vielmehr selbst um alles. Und Stevie begriff schließlich: „Alles ist möglich. Und wenn mir etwas nicht gefallen sollte, landet es eben in der Tonne.“ Dadurch öffnete sie sich und ließ uns an Hunderten von Geschichten teilhaben.

Der fertige Film war richtig lang, immerhin eine Stunde und vierzig Minuten. Allerdings hatten wir 50 oder 100 Stunden Material, ich weiß das selbst nicht so genau. Ihr ganzes Leben sprudelte aus ihr heraus – und daraus entstand der Dokumentarfilm In Your Dreams, der mit dem gleichnamigen Album zusammenfiel.

Zurück bei der Arbeit im Aufnahmestudio widmeten wir uns ein paar Overdubs für ihr Album. Zu jener Zeit herrschte eine gewisse Spannung zwischen ihr und Lindsey Buckingham. Dennoch sagte sie irgendwann: „Der einzige, der diesen Teil spielen kann, wäre Lindsey.“

„Nun gut, dann lass uns ihn anrufen.“

Dann sagte sie noch: „Ach, und es gibt nur einen Drummer, der das spielen kann – Mick.“ Mick Fleetwood.

„Gut, dann sollten wir auch ihn anrufen.“

Stevie meinte: „Was? Fleetwood Mac zusammenrufen, damit sie auf meiner Platte spielen?“

„Aber sie sind doch deine Kumpels, oder? Ich meine, das sind deine Leute, falls du sie haben willst“, erwiderte ich. Und sie kamen alle und spielten und es war höchst liebenswürdig.

Einmal besuchte uns Reese Witherspoon im Studio. Ich hatte bereits einen Martini intus und die Musik dröhnte aus den Lautsprechern. Reese gefiel, was sie hörte. Ich sagte zu ihr, dass ich nach Nashville müsste, um dort aufzunehmen, woraufhin sie meinte: „Dann solltest du dort in meinem Doppelhaus wohnen.“

Stevie meldete sich blitzschnell zu Wort: „Hmm, das wäre günstig.“

Reese drehte sich zu ihr um und fragte: „Was ist noch günstiger als gratis?“ Cheaper than free.

Stevie und ich sahen uns an und wir wussten beide, dass sich daraus irgendwie ein Song machen ließ. Als ich dann schließlich in Nashville war, rief ich Stevie an: „Wo bleibt denn jetzt der Text zu ‚Cheapter than Free‘?“

Sie ist so daran gewöhnt, sich notfalls über Monate hinweg mit ihren Songtexten herumzuquälen, was auch zweifellos zu Unmengen an unglaublichen Songs geführt hat. Aber nun fragte ich sie nach einem ganz spontanen Text. Erstaunlicherweise traf ein Fax ein, in dem mir Stevie ein paar Textzeilen übermittelte: „What’s cheaper than free? You and me. What’s better than alone? Going home. What does money not buy? You or I.“ Sie traf damit den Nagel auf den Kopf. Eine Stunde später schickte ich ihr den vollständigen, fertiggestellten Track aus Nashville.

Sie war ganz verblüfft und ihr gefiel auch mein Gesang. Und so sang Stevie einfach dazu. Also hört man bei dem Song zwei Stimmen. Stevie sagte: „Der ist einfach so gut. Ich will den Song auch auf meinem Album haben.“ Ich sagte, dass es mir egal wäre und wir es gerne so machen könnten. Und so geschah es dann auch. Nachdem ich Reese den Song per E-Mail geschickt hatte, schrieb sie mir zurück: „Ich liebe ihn, aber wo ist mein Copyright?“

Für den letzten Song auf dem Album wünschte sich Stevie etwas richtig Gutgelauntes, etwas mit einem alten Rock’n’Roll-Beat vielleicht, das schon fast an Skiffle erinnerte. Wir nahmen gemeinsam etwas auf, nur wir zwei, und letztlich wurde daraus der Titeltrack des Albums, „In Your Dreams“. Jeder Versuch, ihn im Studio richtig hinzubekommen, scheiterte aber. Also schlug der legendäre Gitarrist Waddy Wachtel, der auch da war, vor: „Warum spielt ihr es nicht einfach so, wie ihr es getan habt, als ihr nur zu zweit im Raum ward?“

Genau das taten wir dann auch, nur wir zwei begannen zu spielen und zu singen. Und Waddy stieg mit seiner Gitarre ein. Als nächstes ließ Mick Fleetwood sein Schlagzeug stehen, kam ins Zimmer und fing an, nur mit Jazz-Besen zart auf dem Tisch zu spielen. Er ist ja eigentlich ein monumentaler Drummer mit einem Mords-Sound, der so viele klassische Alben antreibt. Doch nun spielte er ganz sachte auf der Tischplatte. Und wir spürten: Yeah, so hat es sich ganz am Anfang angehört. Das ist großartig. Genau so wollen wir das haben. Und so nahmen wir es schließlich auch auf.

In unserem Film gibt es eine hinreißende Szene, die beweist, dass Stevie eben nicht die etherische Elfe ist, für die man sie hält, sondern eine sehr smarte Musikerin. Ich spielte ein Solo zu einem Song dazu, nur um herauszufinden, was ich dann tatsächlich auf der offiziellen Aufnahme spielen sollte. Allerdings nehme ich immer alles auf, nur für den Fall der Fälle, denn das erste Gefühl ist üblicherweise schon das richtige. Also hatte Scott, der Studiotechniker, alles mitgeschnitten.

Stevie hörte das Solo, das ich auf dem Track spielte, behauptete aber: „Das ist nicht das, was er gespielt hat.“ Sie war sich sicher. Alle dachten, dass sie falsch läge und es kein anderes Solo gäbe. Die Diskussion zog sich eine halbe Stunde lang hin. Stevie war sich aber so sicher, dass sie schließlich sagte: „Ich wette mit euch um mein Haus.“

Scott grub sich durch alle Dateien und fragte schließlich: „War es etwa das hier?“ Er spielte es vor und Stevie sagte: „Ja, das ist es. Ich kann mich an jede einzelne Note erinnern.“ Es war das allererste, was ich gespielt hatte. Sie lag komplett richtig, obwohl wir alle das Gegenteil angenommen hatten. Das Solo, das sie ausgesucht hatte, passte perfekt.

Sie liebte diesen schmerzlosen, freudvollen Aufnahmeprozess so sehr, dass sie gleich noch ein weiteres Album aufnehmen wollte. Es sollte auf verschollenen Demos basieren, die sie im Internet gefunden hatte, nachdem sie davon ausgegangen war, dass sie für immer verloren waren.

Also sagte ich: „Nun, das lässt sich wohl nur in Nashville bewerkstelligen. Wir werden alles ganz simpel und schnell aufnehmen, weil die Songs ja schon alle fertig sind.“ Sie stimmte zu. Und so entstand schließlich ihr Album 24 Karat Gold.

Stevie zeigte mir eine Box mit wunderschönen Polaroids, die sie selbst geschossen und jahrelang unter ihrem Bett gelagert hatte: „Ich habe sie ganz ohne Licht gemacht.“

Es waren ganz erstaunliche Selbstporträts. Ich schlug ihr daher vor, dass sie sie im Rahmen einer Ausstellung zeigen sollte. Natürlich half ich ihr dabei und ließ die Fotos an Graham Nashs Firma Nash Editions schicken, die darauf spezialisiert ist, Drucke von Fotos für Museen und Galerien anzufertigen. So organisierten wir mithilfe meiner Freunde von der Morrison Hotel Gallery in New York eine gediegene Ausstellung, bei der wir gigantische Abdrucke der Polaroids zur Schau stellten. Eines dieser Bilder verwendeten wir auch für das Cover von 24 Karat Gold.

Für die Schrift auf dem Cover ließ ich einen Schrifttyp entwerfen, der auf Stevies opulenter Schönschrift basierte, damit wir alles in ihrer Handschrift gestalten konnten. Alle ihre Songs, das Albumcover und die Foto-Ausstellung ergaben sich also sehr schnell. Und dann ging Stevie auf Tour mit Fleetwood Mac, auf der sie sich, während ich das hier schreibe, noch immer befindet.

In unserer kurzen gemeinsamen Zeit schrieben wir ungefähr 40 neue Songs. Wir nahmen sie auch alle auf, drehten zusammen einen Film und veranstalteten eine Foto-Schau. Was zeigt, dass alles möglich ist, wenn man seine Ängste mithilfe von Freunden zu überwinden vermag.