Natürlich konnten die vier Knickerbocker nicht so schnell einschlafen. Nachdem Ruprecht in seinem Zimmer verschwunden war, trafen sich die vier im Zimmer der Jungs, das auf der anderen Seite der Hütte lag.
Sie saßen in ihren Schlafsäcken auf den Matratzen, die auf dem Boden lagen. Der kühle Bergwind strich um das Haus und rüttelte an den hölzernen Fensterläden.
Poppi beschäftigte das Geräusch, das sie gehört hatten.
„Es hat geklungen, als würde jemand auf Töpfe schlagen.“
Dominik hatte einen anderen Verdacht. „Und das können nicht vielleicht die Lichter eines vorbeifahrenden Autos gewesen sein?“
„Die Straße ist einen halben Kilometer entfernt“, sagte Lilo.
„Vielleicht hat sich ein Auto hierher verirrt“, meinte Dominik.
„Das hättet ihr doch hören müssen, ihr wart doch ganz in der Nähe“, gab Lilo zu bedenken.
„Stimmt auch wieder.“
Axel war noch immer sauer. „Und wo ist jetzt der Rucksack mit der Verkleidung und unseren Taschenlampen?“ Er hatte aus alten Tüchern und drei Taschenlampen ein „Gespenst“ gebaut, das sie in einen Baum hängen wollten. Mit einer Fernsteuerung wollte Axel die Lampen an- und ausschalten. Er hatte daran einen ganzen Nachmittag lang herumgebastelt und war jetzt sehr enttäuscht.
„Wir werden ihn morgen bestimmt finden“, tröstete ihn Dominik. „Ich hege da eine Ahnung, dass der Rucksack an einer anderen Stelle liegt.“
„Quatsch nicht so kariert“, fauchte ihn Axel an.
„Oh, oh!“ Dominik tat, als würde er sich fürchten. „Herr Axel ist bissig.“
Zuerst wollte Axel etwas zurückfeuern. Weil ihm aber nichts einfiel, machte er nur eine wegwerfende Handbewegung und schlüpfte tiefer in seinen Schlafsack hinein. „Ich will jetzt meine Ruhe haben.“
Die anderen waren auch müde und verabredeten, gleich nach dem Frühstück mit der Suche zu beginnen.
Sie schliefen bis in den späten Vormittag hinein. Als sie endlich herunterkamen, saß Ruprecht schon an seinem Laptop und hämmerte auf die Tasten ein. Seine Haare standen wirr vom Kopf ab und er trug noch immer seine Pyjamahose und ein ausgeleiertes T-Shirt.
„Der Schreck von gestern war vielleicht gar nicht so übel“, erklärte er, ohne das Schreiben zu unterbrechen. „Ich bin seit sechs Uhr wach und mein Kopf platzt fast vor Ideen. Das Haus hier ist doch ideal für mich. Nehmt euch aus dem Kühlschrank, was immer ihr wollt.“
Die Bande vertilgte alle essbaren Reste, die sie finden konnte. Es war das erste Frühstück, bei dem es Rollmops mit Erdbeermarmelade gab.
Lilo rief ihre Mutter an und erklärte, dass sie und ihre Freunde gerne noch ein paar Tage bei Ruprecht verbringen würden. Frau Schroll hatte nichts dagegen und versprach, die anderen Eltern zu verständigen. Wenig später meldete sie sich bei ihrer Tochter. Alle Eltern hatten zugestimmt und die Knickerbocker durften bleiben.
„Wir müssen einkaufen gehen“, erinnerte Lilo ihren Cousin.
„Später, später. Dann fahren wir gemeinsam in den Ort“, sagte Ruprecht und tippte wie verrückt weiter.
Es war ein sonniger Sommertag. Der Wind hatte alle Wolken vertrieben und die Knickerbocker wurden vom strahlend blauen Himmel begrüßt.
Lilo und Poppi nahmen sich die Stelle vor, wo die Geistergestalt aufgetaucht war. Axel und Dominik suchten nach dem Rucksack.
Das dunkle Holzhaus lag auf einem kleinen Plateau am Fuße eines felsigen Gebirges. Der Wald zog sich etwa bis zur halben Höhe hinauf und wurde dann immer dünner. Der Bergkamm bestand nur aus scharfen Steinzacken.
Die Mädchen untersuchten den weichen Boden bei den Tannen gründlich, aber sie konnten nichts finden. Die abgefallenen Nadeln bildeten einen Teppich, auf dem keine Fußabdrücke zu erkennen waren. Auch die Jungs hatten nicht viel mehr Glück. Es gab einen einzigen Holzstoß unter einem einfachen Dach bei den Ställen. Von dem Rucksack, den sie dort mit ein paar Holzscheiten versteckt hatten, fehlte jede Spur.
Dafür war die feuchte Erde rundherum ziemlich aufgewühlt und sie konnten Spuren von Gummistiefeln und ein paar spitze Löcher erkennen.
„Die Fußspuren sind von Poppi und der Frau, die gestern bei den Tieren war“, meinte Axel missmutig.
Die beiden Ställe waren noch verschlossen. Die Esel und Hängebauchschweine verlangten lautstark, hinausgelassen zu werden. Das überließen die Jungs lieber Poppi. Sie hätten es nie zugegeben, aber so ganz geheuer waren ihnen die Tiere nicht.
Gleich darauf kam Poppi und öffnete die Stalltüren.
Die Esel liefen ins Freie und schüttelten die langen Ohren. Flink kamen die dunklen Schweine herausgewuselt und begannen, hungrig nach Futter zu suchen. Poppi holte die Eimer von dem Brett an der Stallwand und schüttete den Schweinen das Futter in den Trog. Genussvoll machten sie sich sofort darüber her.
Lilo lehnte sich an den Koppelzaun, wo die Jungs standen und Poppi bei der Fütterung zusahen.
„Irgendwie glaube ich schon fast an echten Spuk“, sagte Lilo.
„Das ist ein Ding der Unmöglichkeit“, antwortete Dominik überzeugt.
Axel hatte einen Einfall, behielt ihn aber zuerst für sich. Er lief zu dem geschotterten Weg, der von der Straße heraufführte. Dort stand Ruprechts klappriger Jeep. Die Pfützen, die der Regen vor zwei Tagen hinterlassen hatte, waren schon fast getrocknet und auch hier konnte er keine brauchbaren Spuren finden.
Mit finsterer Miene kehrte er zu den anderen zurück.
„Mädchen, wolltet ihr Dominik und mich reinlegen?“
Poppi war ernsthaft entrüstet. „Nein. Wie kommst du darauf?“
„Weil der Rucksack weg ist und ihn eigentlich niemand außer euch genommen haben kann. Nur ihr habt gewusst, wo er liegt, und ihr wart die ganze Zeit hier.“
Lilo zog fragend eine Augenbraue hoch. „Warum sollten wir das machen?“
„Damit Dominik und ich doof dastehen.“
Die Mädchen tippten sich beide an die Stirn. „Du hast einen Lämmergeier dort oben“, stellte Poppi fest.
Axel schnaubte, vergrub die Hände in den Hosentaschen und stapfte davon. Kopfschüttelnd sah ihm Lilo nach.
„Was hat er denn?“, sagte Poppi.
„Heute scheint der Tag der ungelösten Rätsel zu sein“, stellte Dominik fest.
Die Mädchen nickten zustimmend.
„Lilo!“ Ruprecht stand in der Haustür und winkte mit beiden Armen. „Kommt schnell! Ich habe etwas gefunden. Das müsst ihr hören!“