Der Mann hob den Blick von seiner Lektüre, schaute über den heißen Sand und das verdorrte Gras hinweg auf den Bus, gerade so, als könnte er durch die fensterlose Heckklappe in den Laderaum spähen. Die Mittagssonne brachte die rote Lackierung zum Dampfen, und selbst die Kleiber, die sonst von der Dachrinne trällerten, hatten sich auf dem Blech die Krallen versengt und waren unter das Dach der alten Werkstatt geflohen.
Als der Mann seinen Kopf wieder senkte, löste sich ein Schweißtropfen von seiner Stirn und landete auf dem Wort Sohn, das in dem Satz geschrieben stand, wer den Sohn hat, der hat das Leben, eine Zeile aus den Briefen eines anderen Mannes. Der Schweißtropfen ging über in Papier und Druckerschwärze, doch der Mann rückte nicht ab von der Treppe, auf der er seit den frühen Morgenstunden hockte. Unbeirrt und konzentriert folgte er den Worten, weil eben nur das Wort ihm Kraft und Ausdauer verleihen mochte und alles andere einer Flucht gleichkam.
Der Mann würde ausharren, auch wenn die Sonne nicht mehr verblassen, auch wenn sie für die nächsten neun Monate ihre unbarmherzige Hitze zur Erde stoßen würde, denn das Buch hatte ihm den Weg zu dieser alten Werkstatt gewiesen und auf die steinernen Stufen, wo er sich seit beinahe einem Monat in Geduld und Demut übte. Mit der Bedachtsamkeit eines fleischlosen Styliten stemmte er sich hoch und lief, das Buch noch in der Rechten, zu dem Bus und umrundete ihn auf leisen Sohlen, wobei er den eigenen Schatten über die Karosserie gleiten sah wie die gespannten Flügel eines Greifvogels. Für einen flüchtigen Moment blickte der Mann zurück auf die alte Werkstatt, und es schien ihm, als würde das Gemäuer lichterloh brennen, so rot und grell leuchtete der Backstein im Sonnenglast.
Gleichwohl wusste der Mann, dass ihn keine Vision ereilte, denn auch in früheren Zeiten war ihm nie dergleichen vergönnt gewesen. Den Mann plagten lediglich Müdigkeit und Hunger und eine unaussprechliche Trauer. Da war die dauerhafte Sorge um den Jungen, der im Innern des Busses der Hitze trotzte wie ein vergessener Hund. Dies allein war die Realität des Mannes. Und er kniete vor der Heckklappe nieder, legte dort das Buch der Bücher in den Sand, kehrte zur Werkstatt zurück und tat, was ihm sein Gewissen befahl: warten auf ein Zeichen. Auf Geburt und Vergebung.