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Zwei Wochen bis Pfingsten

»Piet, wat is dat eigentlich mit deinem Ferienapartment unten in Spanien?« Thies hat Askan von Rissen gerade noch mal einen Besuch abgestattet, um Details seiner Kundschaft für die Bäckerei zu erfragen, und dabei war sein Blick mal wieder bei dem Exposé im Schaufenster hängengeblieben.

»Ja, dat is so ’ne Sache. Klaas und ich wollen im Herbst wohl mal runter nach Spanien und nach dem Rechten sehen.« Ganz glücklich sieht der ehemalige Landmaschinenvertreter dabei nicht aus.

»Vorausgesetzt, ich krieg ’ne Vertretung.« Auch Klaas hat gleich Sorgenfalten auf der Stirn.

»An Stehtisch Zwei könnte ich die Vertretung übernehmen«, nölt Bounty von Stehtisch Eins herüber.

»Ich hab gesehen, steht zum Verkauf. Ist der Bau denn inzwischen fertig?«, will Thies wissen.

»Ja, so recht kommen die da im Augenblick nich weiter.« Piet schiebt sich die Gleitsichtbrille auf die Nase.

»Im Augenblick?« Bounty kann sich das Grinsen nicht verkneifen. »Wie lange hast du die Hütte schon? Da waren die Beatles noch zusammen.«

»Na ja, fast. Antje, denn mach mir mal ’n kleines Pils.« Bei dem Gedanken an die sonnige Costa del Sol ist Paulsen gleich nach einem kühlen Getränk. »Ich weiß auch nich recht.«

»Strand kannst du da unten sowieso vergessen.« Antje poliert ein gespültes Pilsglas. »Gegen den Strand auf unseren Inseln.« Sie sieht die anderen provozierend an, und alle nicken.

»Na ja, in Spanien kommt noch dieses Flair dazu.« Piet nimmt einen ersten Schluck. »Angeblich.« Er leckt sich den Schaumschnurrbart von der Lippe.

»Wieso? Internationales touristisches Leben haben wir hier bei uns auch. Renate hat sogar mal wieder eins von ihren beiden Zimmern vermietet.«

»Ach so!« Bounty fällt es auch wieder ein. »Dieser Engländer in seinem karierten Jackett.« Er sieht sich im Imbiss um und nickt Antje zu.

»War auch schon mehrfach hier im Imbiss. Will immer ›Rundstück warm‹. Hab ich jetzt neu auf die Karte genommen.«

»Ja, ›Rundstück warm‹, dat is was für Hamburger und Engländer.« Klaas winkt ab. »Ich bleib lieber bei deinen Fischbrötchen.«

»De Hidde Kist« ist heute tatsächlich außergewöhnlich gut besucht. Eigentlich hat Scholz seine Crew angehalten, sich in der Öffentlichkeit rar zu machen. Aber die Aussicht auf ein Schaschlik oder Fischbrötchen in geselliger Runde ist dann doch zu verlockend. So haben sich Charly Kegel und Rusty Ralf als neue Kunden im Imbiss eingefunden. Und der Major hat in den höchsten Tönen von Antjes Kochkünsten geschwärmt.

Dennis Wiese war eben auch schon da und hat sich diesmal Kaffee und Fischbrötchen an seinen Kleinbagger bringen lassen. »Wir erreichen Reusenbüll voraussichtlich mit einer Verzögerung von zwei Tagen. Wir werden die Verspätung wieder wettmachen, sodass wir zu Pfingsten Schlütthörn erreichen«, hat Dennis Antje in alter Schaffnermanier mit Lautsprecherstimme entgegengerufen, sodass es auch im Imbiss zu hören war.

Charly Kegel war sofort zusammengezuckt, und Ralf zitterte noch mal eine Stufe schneller.

»Darauf brauch ich auch ’n P-Pils.« Charly Kegel sitzt bereits neben Bounty an Stehtisch Eins.

Rusty Ralf steht hinter dem Schimmelreiter an dem Daddelautomaten zwischen Doppelkühlschrank und Garderobenhaken. Mit nervösem Flattern der Augen verfolgt er das Rotieren der Walzen mit den Dollarzeichen, Kleeblättern und Früchten. Rusty zuckt es in den Fingern.

»Hier, schnell!« Mit zittriger Hand simuliert er das Drücken der Leuchttasten auf dem Gerät. Hauke Schröder sieht ihn fragend an. »Der ›Explosion‹ will gestreichelt werden.«

Rusty kennt sich offenbar nicht nur mit Tresoren, sondern auch mit Spielautomaten aus. Und bei dem Wort »Explosion« horcht auch sein Kumpel Charly gleich auf, dem gerade das Pils serviert wird. Ralf blickt neidisch auf den Stehtisch mit dem Bier. Er fühlt sich an selige Zeiten im »Bumerang« erinnert. Dann wendet er sich wieder dem ratternden Daddelautomaten zu.

»Was kann ich für dich denn Gutes tun?«, ruft Antje von ihrer Glastheke herüber. Rusty dreht sich kurz um, aber er sagt zunächst gar nichts. Er hat weiter die rotierenden Früchte im Blick. Dann bleiben erst eine und danach die beiden anderen Walzen mit einem durchdringenden Klingeln stehen. Er zeigt auf die Früchte, nickt und dreht sich jetzt noch mal zu Antje.

»Für mich ’n Saft. Kirsch-Banane«, ruft er gegen das Geklingel des Automaten an.

»Kiba?« Antje klingt irgendwie alarmiert. »Gibt’s das überhaupt noch? Das hab ich ja ewig nich ausgeschenkt. Muss ich mal sehen, ob ich das überhaupt noch …« Sie kommt hinter dem Tresen hervor und arbeitet sich zwischen den Stehtischen zum Glasschrank durch.

»Kiba, is ja geil!« Bounty ist hocherfreut. »Antje, da bin ich mit dabei.« Der Althippie trinkt ja ohnehin seltener Alkohol als die anderen Imbissstammgäste. Die belebenden Wirkungen bezieht er aus anderen Substanzen.