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In der »Küstenbäckerei Backbord« herrscht Hochbetrieb. Der Bäckereibetrieb brummt. Die Schlangen stehen schon wieder bis in die Fußgängerzone hinein. Selbst die Beschwerden über Rhabarberkuchen-Durchfall sind vergessen. Timo Grosche hat der betroffenen Kundin zur Versöhnung ein halbes Blech seines berühmten Bienenstichs spendiert, und der ist auch bei der anderen Kundschaft eingeschlagen. Grosche schiebt von Tag zu Tag mehr »Küstenkracher« und »Kliffkanten« in den Ofen, während Samira die Kundschaft umgarnt. Der reißende Absatz der Backwaren ist zu einem guten Teil auch ihrem Verkaufstalent zu verdanken. Timo Grosche und Scholle finden, dass sie sich fast ein bisschen zu wichtig nimmt.

Die Tunnelgrabung macht währenddessen beachtliche Fortschritte. Bubu Buschke ist in Höchstform. Er muss von den anderen zu den Stoßzeiten in der Bäckerei regelrecht aus dem Tunnel herausgezogen werden. Die Stimmung in Scholles Crew ist trotzdem nicht die beste.

Samira flirtet abwechselnd mit Scholle, Charly und Rusty, die das eifersüchtig gegenseitig beobachten. Auch ihre Rolle bei dem Bank-Coup ist nicht so ganz klar. Der Major will sie in ihrem alten Wohnwagen vom »Zirkus Zamproni« mit einer anderen Person gesehen haben. Wer das war, hat er allerdings nicht sehen können. Kocht Samira hier ihr eigenes Süppchen?

»Die Schlangenfrau ist selbst ’ne Schlange«, behauptet Rusty Ralf.

»’ne Schlange? Ist doch Quatsch.« Bubu ist da gänzlich anderer Meinung.

»Ihn hat sie schon um den Finger gewickelt.« Rusty deutet mit zittrigen Fingern, zwischen denen er eine brennende Zigarette hält, auf den Zweizentner-Mann. Charly Kegel nickt.

»Ach, hört doch auf.« Buschke winkt ab. Sieh du erst mal zu, dass du deine Dynamitkiste endlich aus der Backstube wegräumst. Das ist leeebensgefährlich! Wir fliegen hier noch alle in die Luft!« Der Mann fürs Grobe klingt auf einmal zartbesaitet.

Aber auch Scholle kräuselt die Stirn zwischen seinem Haarkranz. »Ja, Rusty hier mit seiner Zigarette … und ganz ruhig ist die Hand ja auch noch nicht.«

»Komm, Scholle, ich kenn mich aus mit D-D-Dynamit.«

Die Stimmung in der Gruppe ist derzeit tatsächlich angespannt. Und die Kiste mit dem Sprengstoff ist nicht das einzige Teil, das mal weggeräumt werden müsste. In einer Ecke der Backstube steht seit Tagen ein großer Mehlsack.

»Wir müssen uns langsam mal überlegen, wo wir mit ihm hinwollen.« Charly hatte den Mehlsack fast vergessen.

»Ach, du Scheiße, das Skelett ist ja auch noch da.« Scholle tut auch so, als falle er aus allen Wolken.

»Wo wollen wir damit hin?« Der Kern der Truppe steht in der Backstube um den großen Sack herum. Nur der Major ist mal wieder mit höheren Aufgaben beschäftigt. Und Samira hat Kundschaft oben im Laden.

»Einfach in’ Müllcontainer?«, fragt Bubu. »Restmüll oder Biotonne?« Der Spezialist für Entsorgungen und Entrümpelungen aller Art kommt ins Grübeln.

Bloß nicht wieder in den Sperrmüll, denkt Scholle, aber das sagt er nicht laut.

»Durch die Mühle drehen und dann dat Knochenmehl in die ›Küstenk-kracher‹.« Kegel verzieht keine Miene.

»Seid ihr verrückt geworden?« Bubu nimmt den Vorschlag für bare Münze. »Ich hab doch gleich gesagt, wieder einmauern, wo wir ihn gefunden haben.«

Davon wiederum hält Bäckermeister Timo gar nichts. Er möchte das rätselhafte Skelett aus der Backstubenwand unbedingt aus seiner Bäckerei heraushaben.

Alle sehen Scholle fragend an. »Das Hirn« läuft nervös zwischen Knetmaschine und Gärschrank hin und her.

»Das ist eine Scheiße!« Der kleine Bandenchef überlegt nicht nur, er wird jetzt auch sauer.

»Komm, Scholle, ganz ruhig. Mit den paar Knochen werden wir doch noch fertig«, will sein alter Kumpel Charly ihn beruhigen.

»Verdammt noch mal, das ist nicht nur das Skelett, wir haben noch ein ganz anderes Problem.« Scholle wird immer giftiger, die Blicke der anderen immer fragender.

»Habt ihr die Schilder hier auf der Straße nicht gesehen?« Er bleibt kurz stehen, sieht sie herausfordernd an, dann läuft er weiter hektisch hin und her.

»Das große Plakat Highsp-speed für zuhause ? Das steht da doch schon die ganze Zeit.« Charly hat sich bereits daran gewöhnt.

»Seid ihr blind? Die anderen Schilder!«

»Ja, Bauarbeiten? Wieso?« Für Bubu ist das nichts Außergewöhnliches.

»Habt ihr mal aufs Datum geguckt?« Jetzt wird Scholle richtig wütend. »Dat is kurz vor Pfingsten.«

Bei den anderen fallen die ersten Groschen. »Die baggern hier ’n Graben für ihr Scheißglasfaserkabel … und kommen unserem Tunnel in die Quere.«

»Wir haben den Heinzel mit seinem Bagger doch gerade gesehen in diesem Imbiss«, fällt Ralf ein. »Der hatte das mächtig eilig, hat sich seinen Kaffee nach draußen an den Bagger bringen lassen.«

»Er will Pfingsten unbedingt hier bei uns vor der Tür sein, das müssen wir verhindern.« In Scholz brodelt es.

»Irgendwie müssen wir ihn aufhalten«, meint Ralf.

»Aus dem Weg räumen?« Ganz überzeugt klingt Charly nicht.

Und dann bleibt Rustys Blick noch einmal an dem Mehlsack mit dem Skelett hängen. »Ich glaub, ich hab’s.« Der Tresorspezialist zündet sich eine neue Zigarette an. »Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe.«