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Maren hätte nicht für möglich gehalten, dass sie Lackners Mordversuch so schnell verdrängen könnte. Doch was dieser widerliche Greis da eben von sich gegeben hatte, reichte aus, diese Bilder vollkommen in den Hintergrund zu drängen.

Peter stöhnte und rieb sich mit der Hand über die Stirn.

»Aber etwas ist schiefgegangen?«, vermutete er mit dünner Stimme. »Irgendwas hat nicht geklappt. Immerhin bin ich noch ich, und nicht mein Opa.«

Lackner starrte ihn einige Sekunden an, dann grinste er matt.

»Nun, es kommt darauf an«, sagte der Greis nachdenklich. »In gewisser Weise hat der Hauptmann Wilhelm und mich hereingelegt. Oder besser gesagt: Er hat uns einfach nicht vollständig informiert. Es dauert nämlich eine Weile, bis sich die transferierte Seele eines Menschen in einem jungen Körper durchsetzten kann. Manchmal zwei bis drei Jahre, meistens um die zehn Jahre, aber hin und wieder auch bis zu dreißig.«

»Und dazwischen?«, fragte Hannelore zitternd. »Peter ist doch nicht seelenlos. Er ist seit neunundzwanzig Jahren mein guter

Sohn.«

»Der Schatten seiner alten Seele gibt ihm seine Persönlichkeit. Aber dieser Schatten verblasst nun langsam. Wilhelms Seele setzt sich endlich mehr und mehr durch.«

Maren trommelte mit ihren Fingern auf den Tisch.

»Was macht dich da so sicher?«, fragte sie böse.

»Die Visionen sind die Vorboten des Seelenwechsels.«

»Woher weißt du von meinen Visionen?«, fragte Peter überrascht.

»Der Hauptmann hat es mir gesagt. Seit damals befinde ich mich im ständigen Kontakt mit ihm. Außerdem sind da all die kleinen Gesten, die Wilhelm früher gemacht hat. Das ewige Angefasse der Nase beispielsweise.« Lackner zuckte mit den Schultern und betrachtete sein leeres Glas. »Aber hätte ich vorher gewusst, dass es so lange dauert …« Er machte eine Pause und schüttelte den Kopf. »Das hat mir der Hauptmann wohlweislich erst später mitgeteilt.«

Mit einem Ruck schob der Alte das Glas von sich weg. Es kullerte über den Küchentisch und fiel auf der anderen Seite herunter. Es gab ein leises Klirren. »Aber eins ist jedenfalls klar«, bemerkte Lackner, während er sich von seinem Stuhl erhob. »Du besitzt die Seele deines Opas. Deine eigene ist schon vor langer,

langer Zeit gestorben. Du weißt es bloß noch nicht.«

In der nächsten Sekunde brach der Alte zusammen.