Der Stein krachte mit voller Wucht gegen die Schläfe des Moses. Das markerschütternde Geräusch des brechenden Schädelknochens erschreckte sogar Josua, obwohl er den Schlag selbst ausgeführt hatte. Moses fiel zu Boden und war auf der Stelle tot. Der Stein hatte seinen Schädel zertrümmert. Josua wandte sich sofort ab. Nicht, dass er seine Tat bereute. Denn er wusste, dass es um etwas ging, das wichtiger war, wichtiger als Moses, wichtiger als er selbst, wichtiger als das Volk der Israeliten. Hastig verließ er Moses’ Zelt und wusste, was er als Nächstes zu tun hatte. Moses war zu vertrauensselig gewesen. Er hatte Josua alles erzählt. Hatte ihm erzählt, dass es nicht nur die zehn Gesetze des Jahwe gab, sondern auch noch eine weitere Steintafel. Eine, die nicht durch Gebote das Handeln des Volkes einschränkte und sie wiederum versklavte. Sondern eine, die Macht gab. Macht, alles zu vervollkommnen, das verdient hatte, vollkommen zu sein und alles zu zerstören, das verdient hatte, zerstört zu werden. Als Josua dies aus dem Munde des Moses hörte, wusste er sofort, dass das seine Bestimmung war. Gott hatte Moses die Tafeln nicht grundlos überantwortet. Und Josua wusste, dass er es war, der die Steintafeln besitzen musste. Moses war nicht der Richtige dafür. Er war gotteshörig und schwach. Josua machte sich auf den Weg zum Tempelzelt. Die beiden Wachen waren ihm bekannt. Hatten sie doch unter seinem Befehl im Krieg gegen Amalek gestanden. Josua wusste, dass sie ihm gehorchen würden.
„Moses ist tot. Er wurde von Abtrünnigen verraten und ermordet.“
Die beiden Wachen sahen Josua entsetzt an. In beiden kam aber nicht der leiseste Verdacht auf.
„Vor seinem Tod hat mich Moses beauftragt, das Allerheiligste in Sicherheit zu bringen. Und ihr werdet mir dabei helfen.“
Die beiden Wachen sahen sich zuerst unschlüssig an. Josuas Blick war unerbittlich. Er fixierte beide und ließ keinerlei Zweifel aufkommen, wer der neue Führer des jüdischen Volkes sein würde. Nach ein paar Sekunden des Nachdenkens war ihre Entscheidung gefallen. Sie würden getreu zu Josua stehen.
Josua ging an den beiden vorbei und betrat das Tempelzelt in dessen Inneren die Bundeslade stand. Bis jetzt hatte es noch niemand gewagt, in das Innere zu blicken. Außer Moses wusste niemand, was die Lade beherbergte. Josua nahm abermals all seinen Mut zusammen und schob den Deckel der Bundeslade zur Seite. Er nahm die Fackel, die in der Ecke des Zeltes die Szenerie beleuchtete und hielt sie über die Öffnung. Josua erblickte eine Reihe von Steinbrocken, auf denen er verschiedene Worte und Satzteile entzifferte. Die Gebote waren ihm nur allzu bekannt. Es waren die Gebote, die Moses dem Volk offenbart hatte, nachdem er vom Berg Sinai herabgestiegen war. Die zerbrochenen Tafeln enthielten das Wort des Allmächtigen. Aber es war noch mehr in der Bundeslade. Es lag darin eine weitere Steintafel, die unversehrt schien. Es musste sich um die Tafel handeln, die Vervollkommnung und Zerstörung bringen würde. Josua erschauderte bei dem Gedanken, diese Tafel sein Eigen nennen zu können. Er zögerte, fasste sich aber dann doch ein Herz und entnahm die Tafel der Bundeslade. Er schob sie unter sein Gewand und verließ hastig das Zelt.
„Folgt mir!“, befahl er den beiden Wachen. „Wir müssen die Getreuen zusammenrotten und den Tod des Moses rächen. Ich bin euer neuer Führer.“