Ankunft
Hilfreich wie ein blinder Anwalt und Mathematiker, dachte Tessa.
Dieser Gedanke galt Vincent Koenig. Der Junge war schon nach zehn Metern wie ein nasser Sack zusammengebrochen.
Wenn die Dinge anders lägen, hätte sie ihn zurückgelassen, aber er war Sebastian in den Straßenbahnwagen gefolgt und ihr zu Hilfe gekommen. Sehr wahrscheinlich widerwillig, und sie war sich sicher, gesehen zu haben, wie Sebastian ihn in das Fensterloch gestoßen hatte. Aber er war ihr zu Hilfe gekommen.
Deswegen half Tessa ihm, die restlichen Meter zum Kaiserdom zu bewältigen, während Sebastian vor ihnen den Weg freimachte. Gerade warf er wieder einen Schlurfer zu Boden und trat ihm mit den schweren Stiefeln den Schädel ein, nur um gleich darauf mit einem Satz auf eine andere Kreatur einzudringen und ihr den Kopf mit dem Brecheisen zu zertrümmern. Ihrem Brecheisen, das sie Sebastian schweren Herzens überlassen hatte. Dafür trug sie nun das Messer. Und Vincent.
Sie konnte kaum glauben, was für eine Energie der Pfarrer entwickelte. Selbst nach all den Sachen, die sie bis jetzt gemeinsam erlebt hatten, konnte sie es kaum glauben.
Noch seltsamer schien es ihr, dass Sebastian nicht einen einzigen Biss abbekommen hatte, als ihn die Schlurfer in dem Straßenbahnwaggon unter sich begraben hatten. Ihr Verstand holte die Bilder wieder hervor, trotz ihres Protestes.
Während Vincent mit der Öffnung der Lüftungsklappe in der Decke beschäftigt war, hatte Tessa sich auf den Pulk der Untoten gestürzt. Dabei trieb sie die Monster weniger mit Schlägen und Tritten weg, was sowieso nicht funktionierte, sondern sie warf sich einfach mit ihrem gesamten Körpergewicht, was auch nicht sonderlich viel war, gegen sie.
Aber es reichte aus, um sie von Sebastian herunterzudrängen. Die ganze Szenerie wirkte auf Tessa wie aus einem schlechten Traum. Das ohrenbetäubende Heulen, das schummrige Dunkel, nur von einzelnen Lichtstrahlen durchbrochen, überall Glassplitter und Haare und Schleim, der muffige Gestank, den sie aus Fahrten mit der Straßenbahn kannte, jetzt noch verstärkt durch den Moder der Untoten. Und sie mittendrin, in einem Gewirr aus Klauenhänden und geifernden Mäulern.
Es kam ihr schon unwirklich vor, dass sie es überhaupt schaffte, Sebastian zu der Lüftungsklappe zu zerren. Da kamen die ersten Untoten schon wieder an. Tessa musste sich ihnen stellen. Sie wusste genau, dass sie all diese Kreaturen nicht töten konnte. Es ging nur darum, Sebastian zu beschützen. Von draußen rief Vincent, sie solle ihn liegen lassen und endlich rauskommen. Sie schrie zurück, dass er Sebastian ins Freie holen solle.
Wenig später hörte sie ihn wieder schreien. Sie drehte sich um. Sebastian war nicht mehr in dem Straßenbahnwaggon. Dafür hing Vincent halb in der Öffnung der Lüftungsklappe. Ein Schlurfer hatte sich in seine Schulter verbissen.
Tessa wollte ihm gerade zu Hilfe eilen, da wurde sie von hinten an den Armen gepackt. Schon verbissen sich zwei weitere Untote in ihren rechten Arm.
Die Schmerzen machten sie erst richtig wütend. Sie riss sich los, sprang den Schlurfer an, der sich in Vincent verbissen hatte, und stieß ihn von dem Jungen weg. Dann schob sie Vincent grob aus dem Waggon und zwängte sich selbst durch die Öffnung. Während sie Sebastian von dem Wrack wegzogen, drängten sich die Schlurfer an der Öffnung.
Dann wachte Sebastian auf und verwandelte sich in einen … Berserker .
Er sagte, ihm ginge es gut. Ob das stimmte?
»Er hat seinen Bogen gespannt wie ein Feind; seine rechte Hand hat er geführt wie ein Widersacher und hat alles getötet, was lieblich anzusehen war; im Zelt der Tochter Zion hat er seinen Grimm wie Feuer ausgeschüttet!«, hörte sie ihn sagen, nein, lauthals deklamieren, als er einen weiteren Untoten erledigte. Die sonore Stimme des Pfarrers bildete einen wohligen Gegenklang zu dem schrillen Geheul der Schlurfer, das zwischen Gebäuden tausendfach widerzuhallen schien.
War wirklich alles in Ordnung mit ihm?
Die Schlurfer hatten ihn regelrecht unter sich begraben, als Tessa ihm zu Hilfe geeilt war. Hatte er da überhaupt atmen können? Tessa glaubte, in irgendeinem Buch gelesen zu haben, dass das menschliche Gehirn nach sechs Minuten ohne Sauerstoff irreparable Schäden erlitt. Deswegen sei die Beatmung mit Herz-Lungen-Massage bei Bewusstlosen ohne Atmung und Puls durch Ersthelfer auch so wichtig. Sie hielt den Blutkreislauf in Gang und erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass die Rettungskräfte sie wieder ins Leben zurückholen konnten, um den Faktor tausend.
War Sebastian dies zugestoßen? Ein Hirnschaden? Verhielt er sich deswegen so?
»Denn der HERR ist zornig über alle Völker und ergrimmt über all ihre Heere. Er hat sie mit dem Bann belegt und zur Schlachtung dahingegeben. Und ihre Erschlagenen werden hingeworfen werden, dass der Gestank von ihren Leichnamen aufsteigen wird und die Berge von ihrem Blut fließen.«
Sie wollte gar nicht darüber nachdenken.
Tessa schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Sie war mit ihrer Last auf Höhe einer Baustelle, als Vincent ein gurgelndes Geräusch machte, stolperte und sie dabei fast zu Boden riss. Vincents klammer Arm rutschte ihr von der Schulter und fast wäre sein Kopf auf das Pflaster geknallt, bevor sie ihn auffangen konnte. Tessa knurrte gereizt, während sie den Jungen wieder in eine halbwegs aufrechte Position zog. In ihrer Nähe knackte es laut und trocken.
Da soll mich doch die Waldfee knutschen, war ich auch echt so nutzlos, nachdem ich das erste Mal gebissen wurde?, dachte sie. Kein Wunder, dass mein Vater mich erst in der Kirche zurückließ und dann auf dem Wanderparkplatz. Und auch wenig verwunderlich, dass er mir jetzt Hausarrest erteilt hat.
Röcheln und Blubbern kamen aus Vincents Mund, als sie sich wieder seinen Arm über die Schultern legte. »Wenn du mich vollkotzt, dann lass ich dich hier liegen!«, raunzte sie ihn an. »Also warn mich vor!«
Er brummelte irgendwas, das Tessa als Zustimmung wertete. Sie wollte ihn weiterziehen, doch da stieß sie auf einen Widerstand. Vincent schien festzuhängen.
Was hat er denn jetzt wieder angestellt?, dachte sie irritiert und drehte sich um.
Ein Untoter in verdreckten Bauarbeiterklamotten und mit seltsam verdrehten Beinen lag auf dem Boden, hatte Vincents Bein gepackt und zog nun mit all seiner unmenschlichen Kraft daran.
Vincent rutschte ihr fast von den Schultern. Tessa handelte völlig instinktiv. Sie ließ das Messer fallen, das auf den Asphalt klirrte, packte Vincents Arm mit beiden Händen und stemmte sich gegen den Zug.
Der Schlurfer heulte. Hab ich dich etwa sauer gemacht, weil ich dir dein Fressen nicht gönne? Vincent jaulte schmerzerfüllt auf. Dennoch ließ Tessa ihn nicht los. Der Untote verfügte über eine unglaubliche Kraft. Es handelte sich um die Art von Fleischberg, der aussah, als hätte er einen Medizinball im Bauch. Aber gerade diese Leute konnten ohne Probleme zentnerschwere Zementsäcke schleppen.
Lange konnte Tessa dieses Tauziehen nicht durchhalten. Aus dem rechten Augenwinkel bemerkte sie Bewegung. Sie riskierte einen kurzen Blick.
Ihr Herz setzte aus.
Die Untoten aus der umgekippten Straßenbahn hatten aufgeholt. Wenn sie hier noch weiter herumstanden, würden die Monster sie bald eingeholt haben.
Der Bauarbeiter zog stärker, der Ruck riss Tessa fast von den Füßen. Vincent schrie. Sein Bein war nur noch Zentimeter von dem geifernden Maul entfernt, das von einem mit Sabber getränkten Bart umrahmt war.
Tessa wollte nach Sebastian rufen, aber sie bekam keinen Ton heraus. Sie konnte den Pfarrer auch nirgendwo entdecken, als sie sich verzweifelt nach ihm umsah.
Sie befanden sich in der Domstraße, die nun einen Knick nach Osten in den Domplatz machte. An jedem anderen Tag war das ein malerischer, von Bäumen gesäumter Platz wie viele andere Orte in der Frankfurter Innenstadt. An sonnigen Tagen konnte man hier im Freien sitzen und im Schatten der Bäume Kaffee trinken, während man die architektonische Schönheit des Kaiserdoms genoss.
So hatte ihre Mutter es letztes Jahr formuliert. Tessa empfand das Gebäude des Kaiserdoms als einen gen Himmel gerichteten Mittelfinger, der mit allerlei wüst aussehenden Piercings verziert war.
Jetzt war von dem Platz nicht viel zu sehen. Allenthalben fanden sich Autowracks und Müllcontainer, als wäre der Domplatz zum Schrottplatz in der Innenstadt erklärt worden. Im ersten Moment wirkte es wie eine solide Barriere, dann erkannte sie zwischen dem ganzen Metall vereinzelte Schluchten, die wie Durchgänge aussahen.
Diese Eindrücke nahm Tessa in Sekundenbruchteilen auf. Sie musste schnell handeln, denn sonst würde Vincent sein Bein verlieren. Selbst mit ihrer unerklärlichen Immunität waren sie nicht unverwundbar und konnten altmodisch in Stücke gerissen werden. Die ersten Schlurfer aus der Straßenbahn waren nur noch drei Meter entfernt.
Die Sohlen ihrer Stiefel kratzten über den Asphalt, dabei klirrte es wieder.
Das Messer.
Tessa holte tief Luft. Jetzt musste alles schnell gehen. Sie ließ Vincent los und ging in die Knie.
Das plötzliche Verschwinden ihres Widerstandes sorgte dafür, dass Vincents Fuß dem Untoten ins Gesicht knallte. Tessa packte das Messer am Griff. Der Tritt löste ein unwilliges Kopfschütteln bei dem Schlurfer aus. Noch zwei Meter.
Aus der Hocke schnellte Tessa nach vorn. Sie zielte auf das Gesicht des Untoten, erwischte ihn an der Nase, rutschte ab – und die Klinge glitt passgenau in sein rechtes Auge. Bis zum Anschlag stieß Tessa das Messer hinein. Als sie es wieder herauszog, war der Untote nicht mehr als eine Leiche.
Jetzt war es nur noch ein Meter. Tessa steckte sich das Messer mit dem Griff voran in die Gesäßtasche. Mit letzter Kraft packte sie Vincent wieder am Arm und zerrte ihn ohne Rücksicht auf Verluste über das Kopfsteinpflaster des Domplatzes außer Reichweite der Schlurfer, mitten in eine der Schluchten zwischen zwei übel riechenden Containern.
»Sebastian!«, wollte sie rufen, aber sie brachte nur ein heiseres Krächzen heraus. Schnell um die nächste Ecke, nur weg von den Untoten. Die drängten sich wahrscheinlich auch schon zwischen den Autowracks und Containern. Egal. Sie musste Abstand gewinnen. Weiter ging es. Sie sah sich gehetzt um.
»Sebastian!« Jetzt hatte Tessa ihre Stimme wiedererlangt. »Sebastian!«
Im nächsten Moment wurde sie an der Schulter gepackt und nach hinten gezerrt. Eine Hand legte sich über ihren Mund. Reflexartig wollte sie sich losreißen.
»Ganz ruhig«, flüsterte Sebastian.
Tessa entspannte sich ein wenig.
Gemeinsam zogen sie Vincent durch einen schmalen Spalt zwischen zwei abgewrackten SUV und kauerten sich hin. Auf der anderen Seite wurde laut geheult.
Langsam zog Tessa das Messer wieder aus der Gesäßtasche. Sie umklammerte es im Eispickelgriff mit beiden Händen, bereit, jederzeit zuzustoßen.
Ihre Augen fanden Sebastians Gesicht. Der Pfarrer blickte konzentriert auf den Spalt, in einer Hand das Brecheisen, die andere auf Vincents Mund gelegt, um dessen Stöhnen zu dämpfen.
Qualvoll langsam verging die Zeit. Tessa spürte ihr Herz wild hämmern. Jedes Aufheulen schien es noch zu beschleunigen. Irgendwann musste ihr Glück doch aufgebraucht sein, irgendwann musste einer der Schlurfer auf den Spalt stoßen und die ganze Meute auf ihre Spur bringen.
Aber das geschah nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte sich das Geheul so weit entfernt, dass es von der anderen Seite des Domgebäudes zu kommen schien.
Langsam nahm Sebastian die Hand von Vincents Gesicht. Der Junge atmete flach und wimmerte.
»Wo warst du?«, zischte Tessa.
»Hab das Gelände erkundet«, erwiderte Sebastian ungerührt. »Vor dem Eingang – also dem Haupteingang – liegt wieder so ein Scheiterhaufen wie an der Kirche von Bad Wildbad.«
»Wieder?«, fragte Tessa verwirrt.
Sebastian blickte verdutzt, dann lächelte er. »Stimmt, du warst da ja nicht ganz bei dir. Die Verkünder verbrennen dort offenbar die Untoten und deren Überreste.« Er runzelte die Stirn. »Zumindest hoffe ich, dass es sich wirklich nur um ehemalige Untote handelt.«
Das war also dieses komische Gebilde gewesen, das wie ein Misthaufen ausgesehen hatte, dachte sie. Tessa legte den Kopf schief. »Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?«
Er lächelte wieder. »So sicher wie das Amen in der Kirche.«
Ihre Mundwinkel zuckten. »Also gar nicht.«
»Hey!«, machte Sebastian in gespielter Entrüstung.
Vincent gurgelte und blubberte.
Tessa griff den Jungen an seiner Jacke und zog ihn in eine aufrechte Haltung. »Was ist los? Wo bin ich? Ist schon Schule?«, lallte er.
»Dann los! Wie weit ist es bis zum Haupteingang?«
Sebastian schüttelte den Kopf. »Keine gute Idee. Dort sind keine Wracks und es könnten sich weitere Untote herumtreiben. Wir sind schon angeschlagen genug.«
»Und wie kommen wir jetzt da rein?«, fragte sie entgeistert.
»Durch die Sakristei.« Sebastian deutete auf eine Stelle im Spalt zwischen den SUV. Sie blinzelte. Auf dem verdellten Metall prangte ein seltsames Zeichen in Neongrün. »In Bad Wildbad habe ich das gleiche Zeichen beim Eingang zur Sakristei entdeckt«, erklärte Sebastian. »Ich schätze mal, die Verkünder hier in Frankfurt haben dieses Labyrinth errichtet, um Uneingeweihten den Zugang zu erschweren. Das Zeichen ist so angebracht, dass man es leicht übersieht, wenn man nicht weiß, nach was man suchen muss.«
»Aha.«
»Zeig mir mal deinen Arm.«
Tessa wusste erst nicht, was er meinte, dann fielen ihr die frischen Bisswunden ein. Sie rollte den Ärmel hoch.
Mit Papiertaschentüchern, wo auch immer er die herhatte, säuberte Sebastian die Wunden, dann riss er von seiner Kleidung große Stofffetzen ab und verband ihre Verletzungen damit. »Das muss reichen.«
Tessa bemühte sich um ein grimmiges Gesicht. »Wird schon gehen.«
Gemeinsam hoben sie Vincent hoch und stützten den Jungen zwischen sich, wie zwei Freunde, die ihren Kumpel von der Kneipentour nach Hause brachten – auch wenn Tessa das nur aus Filmen kannte; sie hatte sich noch nie betrunken.
Der Eingang zur Sakristei erwies sich als eine massive Tür. Auf Kopfhöhe befand sich ein blumenförmiges Guckloch.
»Sollen wir einfach anklopfen?«, fragte Tessa.
»Ich schätze mal, dass es nicht so einfach wird.« Sebastian ergriff Vincent an den Schultern und schüttelte ihn leicht. »Mein Junge, reiß dich bitte zusammen. Wir sind am Kaiserdom. Wie kommen wir da rein?«
Vincents Antwort war unverständliches Gebrabbel.
Tessa rollte mit den Augen. »Lass mich mal.«
Sebastian hielt Vincent weiter an den Schultern fest. »Er gehört ganz dir.«
Tessa lächelte dünn. Dann ohrfeigte sie den Jungen dreimal. Das Klatschen hallte über den Domplatz.
Vincent riss die Augen auf, blinzelte.
»Wir sind am Kaiserdom«, schnappte Tessa. »Wie kommen wir da rein? Rede, sonst pinsele ich dich mit Honig an und werfe dich den Schlurfern zum Fraß vor.«
Vincent öffnete den Mund, schloss ihn, öffnete ihn wieder. Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn. Er war sehr blass.
»Rasieren und Haarschnitt«, brachte er schließlich hervor. »Das Passwort lautet … lautet … Ehre sei Gott in der Höh.« Sein Kopf sackte wieder nach vorn.
Tessa war wie vor den Kopf geschlagen. »Was? Was heißt das? Rede, du elendes Miststück!«
Sie wollte ihn am Kragen packen, doch Sebastian hielt sie davon ab. »Ich glaube, ich weiß, was er meint.«
Da bin ich aber gespannt, dachte Tessa.
Sanft drückte Sebastian ihr den halb bewusstlosen Jungen in die Arme. Dann ging er zur Tür und klopfte dagegen.
Tessa riss die Augen auf.
Dah da da dah da, da dat.
Das kannte sie doch. Diese Melodie kam in fast jedem Zeichentrickfilm der fünfziger Jahre vor.
»Rasieren und Haarschnitt«, erklärte Sebastian. »Auf Englisch ›Shave and a Haircut‹, ein sehr bekanntes Call-and-Response-Musikstück, was auch gerne als Klopfzeichen verwendet wird.«
»Ich dachte, du bist Pfarrer und kein Musiker.«
»Ein mexikanischer Austauschstudent hat immer so angeklopft. Nur nannte er das anders: Chinga tu madre, cabron.«
Bevor Tessa nach der Übersetzung fragen konnte, kam hinter dem Guckloch ein strenges Augenpaar zum Vorschein.
»Ehre sei Gott in der Höh«, sagte Sebastian.
Das Augenpaar verengte sich. »Du kennst das Passwort und das Klopfzeichen. Aber du gehörst nicht zu uns«, hallte es dumpf hinter der Tür hervor.
Der Pfarrer winkte Tessa heran und mit ihr hob er Vincent auf Höhe des Gucklochs. »Ich gehöre nicht zu euch, das ist richtig, aber wir haben gemeinsame Interessen.«
Das Augenpaar verschwand, kurz darauf wurde die Tür von innen entriegelt. Sie schwang nach außen auf.
Eine Frau Mitte vierzig mit dunklen Haaren, gewandet in einen dunklen Talar, kam zum Vorschein. »Bitte tretet ein. Und seid willkommen.«