Bratwurst
Von der Sakristei aus dirigierte die Frau sie ins Innere des Doms.
Als Tessa mit ihren Eltern das erste Mal hier gewesen war, im vergangenen Jahr, hatte die schiere Höhe des Innenraums sie fast erschlagen. Dagegen war die Kirche in Bad Wildbad eher ein Hobbykeller gewesen. Der Kaiserdom bestand aus roten Steinen, wohingegen in Bad Wildbad ein durchgehender Braunton vorgeherrscht hatte.
Als sie nun das Hauptschiff betraten, bot sich Tessa ein beklemmend vertrauter Anblick. Die alten Kirchenbänke aus Holz waren verschwunden, dafür fanden sich Schlafsäcke in allerlei Farben zwischen den Pfeilern, zusammen mit diversen Menschengruppen. Im östlichen Arm, was wohl der Chor war, wenn sie sich richtig erinnerte, stand ein dreibeiniger Grill, unter dem ein Feuer brannte, während auf dem Gitterrost fette Würste brutzelten, was gleichermaßen einen würzigen Duft im Raum verbreitete und einem durch den Rauch die Augen tränen ließ. Das geöffnete Kirchenfenster half da nur wenig.
Aber wenigstens keine Zwiebelsuppe, dachte Tessa. Sie war sich fast sicher, da hinten an der Südwand blaue Plastikfässer zu sehen, die vermutlich Trinkwasser enthielten.
Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden richtete sich auf sie, als sie den Raum betraten, während Vincent zwischen ihren Armen hing. Die gemurmelten Gespräche, die Tessa schon in der Sakristei gehört hatte, verstummten größtenteils, nur hier und da hörte sie ein leicht melodisches Summen. Die Leute in Bad Wildbad müssen meinen Vater auch so angeblickt haben, als er mit mir in die Kirche gekommen ist. Sie nahm sich vor, sich so bald wie möglich nach bulligen Typen und älteren Kreischweibern umzusehen. Noch mal wird niemand versuchen, mich gegen meinen Willen auszuziehen.
Tessa sah sich verstohlen um. Sie entdeckte ihre Mutter nicht. Aber das musste nichts heißen. Der Kaiserdom war groß. Tessa fühlte sich hin- und hergerissen zwischen Enttäuschung und Hoffnung.
Zwischen den ganzen Menschen wuselten junge Männer und Frauen in Arbeitsoveralls und Schnittschutzanzügen herum. Die Verkünder. Tessas Lippen kräuselten sich vor Abscheu. Sie brachte sich schnell wieder unter Kontrolle. Brechen wir mal keinen Streit vom Zaun. Aber wenn auch nur einer von denen mich schief anschaut … dann ist hier Achterbahn.
Die Frau im dunklen Talar klatschte kurz in die Hände. Sofort eilte eine Handvoll Verkünder zu ihr. »Sein Bein ist gebrochen, bringt ihn auf die Krankenstation«, sagte sie und deutete auf Vincent. In den Gesichtern der jungen Männer und Frauen blitzte eine Art Verständnis auf.
Was redet die da? Sein Bein ist doch gar nicht … oh! So ist das also, dachte Tessa.
Zwei kräftige Männer, die für Tessa wie Abziehbilder der drei Patricks aus Bad Wildbad wirkten, hoben Vincent kommentarlos in einem Feuerwehrtragegriff hoch und bugsierten ihn in den südlichen Teil des Kaiserdoms. Sie verschwanden dort hinter großen, grünen Plastikplanen, die wie Vorhänge zwischen den Pfeilern hingen. Kurz darauf kehrten die zwei Verkünder wieder zurück und nahmen mit verschränkten Armen vor dem Vorhang Aufstellung.
»Ihr müsst sehr erschöpft sein«, sagte die Frau im Talar nun zu Sebastian. »Ihr seid hier herzlich willkommen. Wir sind alle gleich in den Augen Gottes.«
»Wie soll es auch anders sein«, erwiderte Sebastian. »Habe ich das Vergnügen, mit der Leiterin dieser Gemeinde zu sprechen?«
»Das haben Sie in der Tat. Ich bin die Bischöfin hier.«
Wie bitte? Tessa erstarrte. Ihr ganzer Körper schien unter Spannung zu stehen.
Sebastian redete einfach weiter. »Dann sind Sie ja genau die Person, mit der ich mich mal unter vier Augen unterhalten müsste.«
»Natürlich«, erwiderte die Bischöfin. »Ihre Tochter kann sich in der Zwischenzeit etwas zu essen holen. Kommen Sie, in der Wahlkapelle sind wir ungestört.«
»Du hast die Bischöfin gehört, Liebes«, sagte Sebastian.
Tessa lächelte säuerlich. »Natürlich, Paps.« Sie musste sich stark zusammenreißen, damit sie die Worte nicht ausspuckte.
Sebastian tätschelte ihr väterlich den Kopf. Tessa schlug seine Hand weg, was ihm nur ein glucksendes Kichern entlockte, dann folgte er der Bischöfin, die dies mit einem nicht zu deutenden Gesichtsausdruck beobachtet hatte, in die Wahlkapelle.
Tessa war allein.
Langsam wich die Spannung aus ihr. Das ging einher mit dem pochenden Schmerz ihrer Bisswunden im Arm, der sich nun übermäßig in den Vordergrund drängte. Tessa verzog das Gesicht, ließ fast das Messer fallen. Miriam hatte es ihr auf dem Wanderparkplatz erklärt, nachdem sie zum zweiten Mal gebissen worden war. Das Adrenalin in ihrem Körper baute sich ab, die Organe funktionierten wieder normal und der Schmerz war das Signal, dass man es nun langsam angehen lassen sollte.
Leichter gesagt als getan, dachte Tessa. Sie wechselte das Messer von der einen Hand in die des unverletzten Arms und ballte die Hand des verletzten Arms mehrmals zur Faust, bis sie den Schmerz wieder ertragen konnte. Dabei behielt sie ihre Umgebung so gut wie möglich im Auge. Ein Glück, dass Sebastian die Dinger vorhin verbunden hat. Fehlt nur noch, dass mir die Soße am Arm runterläuft. Es gab zwar diese Krankenstation, aber bevor Tessa die Sektenmitglieder um Hilfe bitten würde, sägte sie sich lieber den Arm ab.
Nachdem die Bischöfin und Sebastian gegangen waren, nahmen die meisten Menschen, die hier im Kaiserdom Zuflucht gesucht hatten, ihre gemurmelten Gespräche wieder auf. Tessa erhaschte einige Fetzen: »… hast du gesehen … schon wieder Neue … was war mit dem Jungen los … ich will nach Hause … das ist alles zu viel … jetzt ein Märzen, das wär’s …«
Nichts Außergewöhnliches, fand Tessa. Jetzt, da der Schmerz abgeklungen war, meldete sich ihr Magen zu Wort. Sie roch den würzigen Duft der fetten Wurst, hörte das Knistern und Knacken auf dem Grillrost. Fehlt bloß noch, dass mir auch der Geifer aus dem Maul trieft, dachte sie und begab sich zu dem Grill.
Die zuständige Person für den Grillrost, eine stämmige Frau, die Tessa unangenehm an dieses Miststück Julia aus der Kirche in Bad Wildbad erinnerte, stellte glücklicherweise keine dummen Fragen. Sie reichte Tessa einen Plastikteller mit entsprechendem Besteck und klatschte eine Bratwurst darauf.
Tessa suchte sich eine ruhige Ecke und ließ sich dort nieder. Argwöhnisch betrachtete sie ihr Essen. Auf den ersten Blick wirkte es wie eine ganz normale Bratwurst, wie man sie in Fünfer- und Zehnerpacks in jedem Supermarkt hatte kaufen können. Bevor die Toten sich erhoben hatten und Menschen fraßen. Aber nach allem, was Tessa mit den Verkündern erlebt hatte, traute sie ihnen zu, dass auch sie Menschen fraßen.
Schließlich siegte der Hunger und sie langte zu. Als sie das heiße Fleisch auf ihrer Zunge brennen spürte, hörte sie die Engel singen, aber nicht die des Jüngsten Gerichts. Erst essen, dann Fragen stellen. Sie war dankbar für das Plastikbesteck, denn ihr Messer, das mehr als einmal in den Körpersäften von Schlurfern gebadet hatte, wollte sie nicht als Besteck verwenden.
Wenn Tessa Fast Food aß, dann ertränkte sie es in Ketchup und Mayonnaise. Senf mochte sie gar nicht, der war ihr zu bitter. Aber jetzt hätte sie nichts gegen einen Klecks gehabt. Doch die Bratwurst schmeckte auch so, der Saft war schön im Fleisch belassen.
Tessa war kaum fertig, da hielt die Verkünderin am Grill mit fragendem Blick eine weitere Bratwurst hoch. Tessa lehnte mit einer Handbewegung ab. Jetzt, da ihr Hunger vorerst gestillt war, machte sich ihre Abneigung gegen die Verkünder wieder bemerkbar. Es war an der Zeit, den Rest des Doms zu erkunden.
Neben Grill und Krankenstation, die sich an das Südquerhaus anschlossen, war das Langhaus den Zuflucht suchenden Menschen vorbehalten. Das Holz der Kirchenbänke fand Tessa säuberlich an einer Wand im Süden gestapelt. Auch Mobiltoiletten waren vorhanden. Und am Nordportal … ja, dieses Reusengestell kam ihr sehr bekannt vor.
»Hey, du! Mädchen! Komm ma’ her!« Eine penetrante Frauenstimme riss Tessa aus ihren Beobachtungen. Sie presste die Lippen zusammen und drehte sich zu der Sprecherin um, die neben einem Pfeiler auf einem Bierkasten saß.
Eine ältere Frau, Wuschelkopf, faltiges Gesicht, ein vorstehendes Kinn, was die neonpinken Lippen ihres schiefen Mundes deutlich hervorhob. Sie trug eine rote Regenjacke und blaue Turnschuhe zu einer grauen Hose. Sie winkte, als wäre Tessa ein Hund, der einen Ball apportieren sollte. Dabei grinste sie breit mit schiefen Zähnen. »Ja, dich mein ich, Mädchen! Komm ma’ her!«
Tessa schauderte. Die Stimme der Frau ließ sie an Fingernägel auf einer Schultafel denken.
Jetzt schauten auch andere Leute zu. Tessa fluchte still. Sie kannte diese Art von älterer Frau. Blieb sie einfach stehen, dann würde die Frau weiter und lauter kreischen, bis entweder Tessa reagierte oder jemand anderes.
Reagierte sie auf die penetrante Alte, dann war das keine Garantie, dass die Frau still blieb. Denn durch ihre Reaktion würde Tessa die Alte in ihrem Verhalten bestätigen.
Sie schnaubte gereizt und ging betont langsam zu ihr.
»Na also, geht doch, warum nicht gleich so? Bist du schwerhörig?«, empfing die Frau Tessa, immer noch breit lächelnd. Aus der Nähe schlug ihr ein bitterer, abgestandener Geruch entgegen.
Tessa verzog angewidert das Gesicht. Sie gab sich keine Mühe, ihren Gesichtsausdruck zu verbergen, doch die Frau schien nicht darauf zu reagieren. Aber das wunderte Tessa nicht. Diese älteren Frauen kümmerten sich nur unter ganz bestimmten Umständen um die Meinung ihrer Umwelt.
»Ich heiße nicht ›Mädchen‹«, sagte sie. »Was wollen Sie?«
Die Frau machte eine abfällige Geste. »Ja, ja, jetzt setz dich erst mal hin. Setz dich zur Olga. Bist ein liebes Kind, nicht wahr?«
Tessa blieb stehen. Sie wollte schon die Arme verschränken, zwang sich dann aber dazu, sie mit geballten Fäusten auf Hüfthöhe zu halten. »Ich sage das nicht gerne zweimal. Was wollen Sie?«
Olga wirkte jetzt etwas irritiert. Das Lächeln begann zu entgleisen. »Ja, setz dich doch hin, ich will doch nur mit dir reden.«
»Hm«, machte Tessa. »Sie wollen reden? Dann reden Sie!«
Nun lächelte Olga nicht mehr. Überrascht blickte sie Tessa an, dann verzerrte sich ihr Gesicht. »Wirst du dich wohl hinsetzen?«, zischte sie, während sie nach Tessas verletztem Arm griff.
Mit einem Schritt rückwärts war Tessa außer Reichweite. Olga fiel durch den eigenen Schwung fast von ihrem Bierkasten.
Tessa schürzte die Lippen, vor allem um ihr eigenes Grinsen zu verbergen. »Entweder Sie reden oder ich gehe. Ihre Entscheidung.«
Olgas Gesicht verzerrte sich noch mehr. Der Säuregrad hat jetzt den von Schwefelsäure erreicht, dachte Tessa in einem Anflug von Chemikerhumor. Dann entspannten sich die Züge der älteren Frau. Ein kleines bisschen. Sie hob die Hände. »Ist ja gut, ich rede, ich rede. Musst hier keinen Aufstand machen. Ich wollte nur wissen, was mit dem Jungen los ist, der mit dir und deinem Vater reingekommen ist, der, den die Kirchenleute wegen einem Beinbruch behandeln.«
Wenn ich noch einen Wink mit dem Zaunpfahl gebraucht hätte … »Sie haben gehört, was die … Kirchenleute gesagt haben? Es war ein Beinbruch?«, fragte Tessa.
Olga bestätigte dies mit einem heftigen Nicken. Dann schaute sie Tessa erwartungsvoll an.
»Da haben Sie die Antwort. Es war ein Beinbruch. Nichts weiter.«
Enttäuscht klappte Olgas Mund auf. »Weißt du, was ich davon halte? Das hier.« Die ältere Frau hob ein Bein und klatschte sich zweimal auf die Pobacke, dabei machte sie schmatzende Kussgeräusche.
Tessa wollte nur noch weg, aber sie hatte eine dringende Frage: »Haben Sie zufälligerweise hier im Dom eine Frau gesehen, etwa so groß, sehr wahrscheinlich in Jeans, Lederjacke und Motorradstiefeln?« Den Namen ihrer Mutter ließ sie absichtlich weg. Noch wollte Tessa sich nicht in die Karten schauen lassen.
Olga legte den Kopf schief.
»Ich sage Ihnen auch, was mit dem Jungen los ist«, fügte Tessa mit einem falschen, aber ebenso süßlichen Lächeln hinzu.
Langsam runzelte sich Olgas Stirn in höchster Konzentration. Zeit genug, dass Tessa sich ihre nächsten Schritte überlegen konnte.
»Ich glaube, so eine war tatsächlich mal hier«, sagte Olga langsam. »Aber das ist schon einige Tage her. Kann mich nicht erinnern, sie heute gesehen zu haben.«
Alles in Tessa schrie danach, die ältere Frau zu packen und die Informationen auf rabiate Weise aus ihr herauszuholen. Sie beherrschte sich mühsam. Denn es würde dem zuwiderlaufen, was sie nun vorhatte.
»Also, sach«, kam es von Olga. »Was ist mit dem Jungen?«
Tessa legte einen Finger an die Lippen und beugte sich nach vorn. Sichtlich gierig kam Olga ihr entgegen.
Tessa ergriff den Nacken der älteren Frau – und drückte ihr mit der anderen Hand die Messerklinge gegen den Hals. »Shshsh«, machte sie leise. »Nicht bewegen, sonst gibt das hier eine ganz große Sauerei. Das wollen wir doch nicht, oder? Das war eine rhetorische Frage, nicht antworten. Sie haben es offenbar vorhin nicht verstanden. Der Junge hat sich das Bein gebrochen. Das ist alles. Mehr müssen Sie nicht wissen. Was Sie aber wissen müssen, ist dies: Sie werden mich nicht mehr ansprechen und Sie werden mich nicht mal mehr anschauen. Ich bin unsichtbar für Sie. Sollten Sie mit dem Gedanken spielen, sich über mich bei den Kirchenleuten zu beschweren – davon kann ich nur abraten. Es würde Ihnen aus mehreren Gründen schlecht bekommen, und sei es nur, weil wir alle nachts im selben Raum schlafen müssen. Ich werde Sie jetzt nicht fragen, ob Sie das verstanden haben, denn die nötige Menge an Verstand gestehe ich Ihnen mal zu. Ich werde mich jetzt wieder erheben. Was dann passiert … nun, es ist immer noch Ihre Entscheidung.«
Sie nahm das Messer wieder weg und richtete sich auf. Olga griff sich als Erstes an den Hals, doch Tessa hatte darauf geachtet, die Frau nicht zu verletzen. Mit großen Augen starrte Olga sie an.
Tessa lächelte trocken und wandte sich ab. Hoffentlich ist Sebastian bald wieder da, dachte sie nach einigen Schritten. Der kann mit solchen Leuten einfach besser umgehen.
Sie überdachte, was sie gehört hatte. Es bestand leider immer die Möglichkeit, dass die Frau dies nur gesagt hatte, weil sie sich Informationen von Tessa erhofft hatte.
Aber es gab eine einfache Möglichkeit, dies nachzuprüfen.
Tessa wanderte durch den Kaiserdom, so weit wie möglich von Olga weg. Da stellte sich ihr ein Verkünder in den Weg. »Auf ein Wort, mein Kind.«
Es pochte ihr in den Ohren. »Ich bin nicht dein Kind«, stieß sie hervor.
Der Verkünder machte einen Schritt zurück, die Hände erhoben. »Verzeihung, ich hatte nur gesehen, dass du dich mit der Frau Schnell unterhalten hast.« Er deutete in Olgas Richtung.
»Und?«, fragte Tessa gereizt.
»Ich wollte nur sichergehen, dass sie dir keine Probleme bereitet hat. Wir bieten jedem Menschen hier Zuflucht«, sein falsches Lächeln erschien etwas gedehnt, »aber die gute Frau Schnell, also, sie strapaziert langsam die Nerven anderer Leute.«
»Ah!«, machte Tessa. Dann, um die nun entstehende Stille mit etwas zu füllen, sagte sie: »Ist unter diesen Leuten eine Frau, etwa so groß, sehr wahrscheinlich in Jeans, Lederjacke und Motorradstiefeln?«
Der Verkünder zuckte zusammen. Minimal, doch es entging Tessa nicht. »Hm, ich kann es nicht genau sagen, es waren so viele Gesichter in den letzten Tagen. Nicht alle sind hiergeblieben, verstehst du?«
»Ich verstehe.« Sie tat zerknirscht, ließ ihn aber nicht aus den Augen. Er zeigte ihr eine neutrale Maske, doch sie konnte die Anspannung am Körper des jungen Mannes sehen.
Er hat sie gesehen. Sie muss hier gewesen sein. Oder sie ist noch hier.
Ohne ein weiteres Wort ging Tessa an dem Verkünder vorbei. Nach ein paar Schritten sah sie sich um. Der Verkünder blickte hastig weg. Doch er hatte ihr, da war sie sich sicher, auf kalkulierende Weise hinterhergesehen. Jetzt ging er eiligen Schrittes davon.
Tessa biss sich auf die Unterlippe. Da habe ich in ein Wespennest gestochen. Hoffentlich kommt Sebastian bald zurück, sonst breche ich hier noch mit allen Anwesenden einen Streit vom Zaun.
Sie wandte sich ihrem ursprünglichen Vorhaben zu und sprach weitere Leute an, die sich weit entfernt von Olga im Kaiserdom aufhielten. Die ältere Frau schien verstanden zu haben, denn sie sah jedes Mal zu Boden, sobald Tessa in ihre Richtung blickte.
Die meisten Leute, die Tessa ansprach, wussten nichts. Bei einem Mann mit Knollennase und Schnauzbart wurde sie aber fündig. »Ja, die habe ich gesehen. Ist noch gar nicht so lange her. Fünf Tage.«
»Und was ist passiert?«
Der Knollennasige antwortete nicht gleich, sah sich erst nach allen Seiten um. »Diese komischen Glaubenstypen haben sie mitgenommen.«