Mabel starrt auf das Buch in ihren Händen. Ihre Beine glänzen vom Sonnenöl, und auf ihrer Stirn glitzern Schweißtröpfchen. Hin und wieder bewegt sie die Hand und blättert um.
»Ich gehe schwimmen«, sage ich und stehe von meiner Luftmatratze auf.
»Hm«, brummt sie.
»Kommst du mit?«
»Gleich vielleicht«, murmelt sie.
Ich glaube ihr kein Wort. Mit großen Schritten laufe ich zum Pool und springe kopfüber hinein. Nach Luft schnappend komme ich wieder an die Oberfläche.
»Hallo Bo.« Rik sitzt am Beckenrand und schaut mich lächelnd an. »Ich hatte schon gehofft, dich hier zu finden.«
Mist, der Typ ist wirklich der letzte Mensch auf der Welt, den ich jetzt sehen will.
»Hallo Rik«, seufze ich matt. Es gelingt mir nicht, sein Lächeln zu erwidern, aber ich tue so, als wäre ich dafür zu schüchtern.
»Ich habe viel an dich gedacht«, sagt er.
»Ich auch an dich.« Aber nicht im positiven Sinne.
Rik brummt zufrieden. »Das war was ganz Besonderes am Sonntag.«
»Ja.« Lüg, lüg.
Ich versuche, Mabel zu signalisieren, dass sie mich retten soll, aber sie versteckt sich immer noch hinter ihrem Buch.
»Vielleicht sind wir ein bisschen zu schnell rangegangen.« Er wirft mir ein entschuldigendes Lächeln zu.
Hilfe, jetzt auf diese Tour? Wie werde ich diesen Typen bloß los?
»Oh, das habe ich schon wieder vergessen.« Das geht mir nur schwer von den Lippen, aber Rik nickt, als würde er mich verstehen.
Mit einer geschmeidigen Bewegung gleitet er ins Wasser. »Zach hat mir erzählt, was mit deiner Freundin passiert ist. Heavy shit, mein lieber Mann!«
»W-was?« Ein paar Sekunden lang weiß ich nicht, worüber er spricht. Er meint doch nicht Emma?
»Lilly hat es ihm am Sonntag im Club Mistral erzählt.« Rik legt seinen Kopf schief und lächelt mir zu, als könne ich ihm ruhig auch alles erzählen. »Ihr müsst sehr traurig sein.«
Lilly, du blödes Miststück!, denke ich.
»Ja«, sage ich vorsichtig.
»Erzähl doch mal, was an dem Abend passiert ist.«
Rik, der Katastrophentourist. Das ist noch schlimmer als Rik, der Schleimer.
»Nein. Erzähl du mir, was ihr heute gemacht habt.«
Zum Glück versteht er den Hinweis und redet nicht weiter über Emma. »Oh, wir haben nur ein wenig auf dem Campingplatz abgehangen. Gestern auch.« Irgendwas an seinem Ton sagt mir, dass er lügt.
»Jaja«, sage ich.
Rik macht ein paar Schritte in meine Richtung.
Ich weiche nach hinten aus, bis ich mit dem Rücken am Poolrand stehe.
»Sollen wir uns heute Abend treffen?«
Ich versuche, nicht zu schreien. »Rik, hör zu, ich finde dich wirklich unglaublich nett. Und am Sonntag war es echt fantastisch.« Oh, wie gern würde ich ihm ins Gesicht sagen, was ich wirklich von ihm halte. »Aber ich komme einfach nicht klar mit meinen Gefühlen. Das geht alles so schnell … und es ist alles so verwirrend. Ich brauche einfach ein bisschen mehr Raum, verstehst du?«
Er betrachtet mich mit gerunzelten Augenbrauen. »Ich verstehe, was du meinst«, sagt er langsam. »Es ist auch für mich ganz schön krass. Ich hatte schon mal was mit einem Mädchen aus Rotterdam, aber das lief nicht so ganz … geschmeidig. Was ich für dich empfinde, habe ich wirklich noch nie zuvor erlebt.«
Bevor mir klar ist, was da passiert, hat er mich in eine Art Haltegriff genommen und quetscht seine Zunge in meinen Mund.
»Lass es einfach über dich kommen«, keucht er mir ins Ohr.
Ich spüre seinen Steifen, den er an mich drückt. »Lass mich los«, zische ich und winde mich aus seinen Armen. »Blöder Arsch!«
Keuchend sehen wir uns an. Der Blick in Riks Augen ist plötzlich um einiges weniger freundlich.
»Das kannst du nicht machen«, sagt er kühl.
»Oh, und wie ich das kann.« Blitzschnell ziehe ich mich nach oben auf den Beckenrand. »Und morgen, übermorgen und den Tag danach kann ich mich auch nicht mit dir verabreden.«
Ohne mich noch einmal umzusehen, gehe ich zu Mabel.
»War's schön im Wasser?«, fragt sie, ohne von ihrem Buch aufzusehen.
»Wunderbar, du hast wirklich was verpasst«, erwidere ich sarkastisch.
Sie macht sich nicht einmal die Mühe, mir zu antworten.
Plötzlich habe ich große Lust, ihr etwas anzutun.