2.

Als Iskat die Trainingshalle betrat, hatte sie das Gefühl, einen ziemlich beeindruckenden Auftritt hinzulegen. Trotzdem blickte keiner der Anwesenden auf. Die anderen waren viel zu sehr damit beschäftigt, sich in Trainingskämpfen zu beweisen oder die Duelle zu verfolgen und den Kämpfern hilfreiche Ratschläge zuzurufen. Vom Alter her waren die Versammelten zwischen dreizehn und zwanzig, allesamt Padawane, die noch nicht zu Jedi-Rittern berufen worden waren. Iskat kannte jeden mit Namen und war nicht sonderlich überrascht, mehrere Mitglieder ihrer eigenen Jünglingsgruppe zu sehen. Diese Leute waren mit ihr aufgewachsen und hatten am selben Jedi-Schülerturnier teilgenommen wie sie, und es war sonderbar zu sehen, dass viele von ihnen in der Zeit, die sie von Coruscant fort gewesen waren, praktisch erwachsen geworden waren.

Sogleich suchte ihr Blick den Padawan, der ihr von allen am nächsten stand, einen schwarzhäutigen Twi’lek namens Tualon, dessen Gesicht von zwei langen Kopftentakeln eingerahmt wurde. Genau wie Iskat war er seit dem Turnier unterwegs gewesen, auf Missionen mit seinem jungen, dynamischen Meister, einem Nautolaner namens Bavoc Ansho. Seitdem war Tualon ein gutes Stück gewachsen. Seine ehemals rundlichen Wangen waren jetzt viel kantiger als früher, doch sein Lächeln war immer noch genauso freundlich und verschmitzt wie früher. Im Gegensatz zu einigen der anderen Padawane hatte er Iskat gegenüber nie Angst oder Besorgnis gezeigt und sogar an so manchem Morgen am Ufer ihres fischgefüllten Lieblingsteichs zusammen mit ihr meditiert. Iskat ging zu der Stelle hinüber, wo er hockte und – die Ellbogen auf die Knie gestützt – aufmerksam verfolgte, wie Charlin, das Twi’lek-Mädchen mit der rosa Haut, gegen Fvorn kämpfte, einen wortkargen Duros, der fast um das Doppelte gewachsen war, seit Iskat ihn das letzte Mal gesehen hatte.

»Charlin hat nicht die geringste Chance«, sagte Iskat.

Tualon blickte zu ihr auf; seine orangefarbenen Augen glommen wie glühende Kohlen. Er grinste, und ihre zwei Herzen flatterten. »Vielleicht nicht unbedingt, was die reine Körpermasse angeht, aber sie war schon immer sehr flink. Bist du gerade erst zurückgekommen?«

»Vorhin, ja. Wir waren zuletzt auf Ringo Vinda. Weißt du, warum alle zurückbeordert wurden?«

Der Rest der Halle stieß ein kollektives Zischen aus, als Fvorn einen soliden Treffer landete, aber Tualon sah trotzdem weiter Iskat an und runzelte die Stirn. »Meister Ansho meinte, es geht um etwas, das es zu unseren Lebzeiten noch nicht gab, weshalb wir alle Jedi brauchen, die wir kriegen können. Offenbar gibt es irgendeine Bedrohung durch die Separatisten. Ich bin sicher, wir erfahren bald mehr.«

Sie verfolgten noch eine Weile den Kampf, doch dann machte Charlin einen Salto über Fvorn hinweg und landete einen Schlag, der den Duros umgebracht hätte, hätten sie echte statt Trainingslichtschwerter benutzt. Fvorn ächzte und verneigte sich flüchtig vor seiner Gegnerin, bevor er sich wieder unter die Menge mischte, wo ihm sein rodianischer Freund Zeeth auf die Schulter klopfte und murmelte: »Nächstes Mal kriegst du sie.«

Was Charlin betraf, so wirkte sie ein bisschen stolzer, als es sich eigentlich für eine Jedi geziemte. In einer Geste des Triumphes warf sie ihren rosa gestreiften Lekku über die Schulter und grinste.

In Iskats Brust regte sich etwas, Verärgerung und vielleicht auch ein Anflug von Neid.

»Sie hat sich wirklich verbessert«, sagte Tualon beeindruckt. »Ich hab gehört, auf ihrer letzten Mission hatte sie Gelegenheit, bei einigen der besten Kämpfer von Jedha die Zama-Shiwo-Kampfkunst zu trainieren.«

Bevor sie selbst so recht realisierte, was sie da tat, trat Iskat vor. »Steht die letzte Runde schon fest?«

Charlin blickte auf, und Iskat war seltsam erfreut darüber, zu sehen, wie sich ihre grünen Augen argwöhnisch weiteten. Allerdings schwand dieser flüchtige Moment der Aufrichtigkeit schnell wieder, als Charlin ihr ein Lächeln schenkte, als wären sie die besten Freundinnen. »Nein, aber hier in der Trainingshalle ist jeder willkommen.«

Iskat hakte ihr Lichtschwert von ihrem Gürtel. Der Griff des Schwerts war kurz und ein gutes Stück breiter als die meisten, um ihren langen Fingern ausreichend Platz zu bieten, aus poliertem burgunderrotem Holz gefertigt und mit dem Zahn eines Firaxan-Hais am Ende. Verglichen mit Charlins elegantem, chromglänzendem Schwertgriff wirkte ihrer grobschlächtig und sonderbar, aber Iskat war stolz darauf. Natürlich wurde den Padawanen davon abgeraten, mit echten Lichtschwertern zu trainieren. Darum streckte sie die Hand aus, und Fvorn warf ihr das Trainingsschwert zu, das er verwendet hatte. Zwar kämpfte sie mit ihrer eigenen Waffe am besten, doch sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, auch mit den kleineren Schwertgriffen zurechtzukommen, die die meisten anderen Jedi bevorzugten.

Charlin aktivierte ihr Trainingsschwert, und Iskat tat es ihr gleich. Stille senkte sich über die Halle. Die anderen Duelle wurden unterbrochen. Plötzlich drängten sich die versammelten Padawane allesamt um den Kampfring, schweigend und wachsam. Iskats Herzen schlugen unwillkürlich schneller, als ihr bewusst wurde, dass sie plötzlich im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit stand, fast so, als würden die anderen ein echtes Schauspiel erwarten. Doch sie schaffte es, ihren Gefühlsausbruch unter Kontrolle zu bekommen, und besann sich auf die Gelassenheit, die sie sich so mühsam erarbeitet hatte. Ihre Sinne waren angespannt bis zum Äußersten, während sie ihre Umgebung mit messerscharfer Klarheit wahrnahm. Sie registrierte jede Unebenheit des Bodens, jede Klettersprosse an der Wand, jede Waffe, die sie als Alternative einsetzen konnte, falls sie im Kampf entwaffnet wurde. Wenn jemand anders starke Emotionen hatte, insbesondere Anspannung, konnte sie das in der Macht spüren – nicht, dass sie dies jemals jemandem verraten hätte, nicht einmal ihrer Meisterin, die sie ohnehin schon auf Abstand hielt. Keiner hier gab sich Mühe, seine Aufregung zu verbergen. Nachdem sie so viel Zeit mit ihren oft ernsten, grübelnden Meistern verbracht hatten, hofften die anderen auf ein Spektakel – ein Gefühl, das durch ihre jugendliche Unbekümmertheit noch verstärkt wurde. Charlin war hochmütig und selbstbewusst, aber auch ein bisschen furchtsam.

Das konnte Iskat zu ihrem Vorteil nutzen.

Von ihren früheren Trainingseinheiten wusste Iskat, dass Charlin nie aggressiv in die Offensive ging. Für gewöhnlich wartete sie geduldig, bis ihr Gegner den ersten Schritt machte. Iskat hatte sich dieses Wissen stets zunutze gemacht, indem sie unvermittelt losgestürmt und die andere Schülerin damit regelmäßig überrumpelt hatte. Dieses Mal jedoch zwang sie sich, sich in Geduld zu üben, während sie Charlin vorsichtig umkreiste und ihre Bewegungen nachahmte, als wäre sie das Spiegelbild der Twi’lek. Als sie sah, wie Charlin zögerte, konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen – offenbar war sie sicher gewesen, dass Iskat dieselbe alte Taktik anwenden würde. Meisterin Vey hatte schon seit Monaten kein Sparring mit Iskat gemacht, und jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr sie das Gefühl vermisst hatte, sich mit einem echten Widersacher zu messen, um ihr Können dabei zu schärfen wie eine Klinge an einem Wetzstein. Und je länger sie davon absah, anzugreifen, desto unsicherer wurde Charlin.

»Was ist?«, fragte Charlin frustriert. »Willst du nicht irgendwas machen?«

»Ich mache doch was«, entgegnete sie. »Und was hast du jetzt vor?«

»Ich weiß noch nicht genau …«

Doch dann konnte Charlin nicht mehr länger an sich halten und sprang vor, ein klassischer Sturmangriff, den Iskat ohne Mühe parierte. Man sah Charlin viel zu deutlich an, was sie tun würde, und obwohl sie zweifellos trainiert und sich verbessert hatte, war sie einfach keine geborene Kämpferin. All ihre Attacken und Schwertangriffe folgten den starren Manövern, die sie wieder und wieder einstudiert hatte, und ihr Einfallsreichtum im Umgang mit der Lichtklinge beschränkte sich auf das, was ihr über die Jahre eingebläut worden war. Iskat konterte gelassen jeden ihrer Schläge und Stöße und investierte so wenig Energie in den Kampf wie möglich.

Es war offensichtlich, dass Charlin der Kampfverlauf zunehmend ärgerte. Sie war genervt, was sich darin zeigte, dass ihre Angriffe noch weiter nachließen. Hinzu kam, dass die Twi’lek langsam erschöpft war. Iskat spielte mit ihr – und Charlin wusste das. Das ließ sie nachlässig werden. Als Charlin das nächste Mal versuchte, unter ihrer Deckung durchzukommen, sprang Iskat mit einem hohen Salto über ihre Lichtklinge hinweg und versetzte Charlin mitten im Sprung mit ihrem Trainingsschwert einen Hieb auf den Kopf, wobei sie die empfindlichen Lekku ihrer Gegnerin absichtlich um Haaresbreite verfehlte.

»Du bist raus!«, sagte Iskat, nachdem sie leichtfüßig wieder gelandet war.

»Das war kaum der Rede wert«, widersprach Charlin, doch die schmerzhafte Prellung, die sie abbekommen hatte, ließ sie die Zähne zusammenbeißen. Die hellrosa Beule auf Charlins Kopf war für Iskat ebenso wenig zu übersehen wie für alle anderen.

»Hätten wir richtige Lichtschwerter verwendet, wärst du jetzt entweder schwer verletzt oder tot.«

Charlin starrte sie grimmig an. Ihre Wangen waren tiefviolett. Sie war es nicht gewohnt zu verlieren. »Ich bin noch nicht fertig.«

»Nach den Regeln schon.«

Onielle trat neben ihre beste Freundin und aktivierte ihr Trainingsschwert. Das Menschenmädchen hatte orangefarbenes Haar und Sommersprossen, und Iskat konnte spüren, wie sie versuchte, ihre eigene Ungeduld zu zügeln, doch ihre Wangen glühten genauso wie Charlins. »Dann übernehme ich die nächste Runde!«

Iskat neigte den Kopf, um ihre Zustimmung zu signalisieren, und hob ihre Waffe. »Wie Charlin schon sagte: Hier sind alle willkommen, mitzumachen.«

Onielle bewegte sich zwar nicht ganz so anmutig wie Charlin, aber ihr Meister hatte sie gut trainiert, und seit Iskat sie das letzte Mal gesehen hatte, waren ihre Angriffe merklich besser geworden. Außerdem waren ihre Arme länger, was ihr eine überlegene Reichweite verschaffte. Onielle griff sofort an, und Iskat war gezwungen, wild zu parieren, ehe sie sich wieder gefangen hatte und ihren eigenen Kampffluss fand.

Oh, wie sehr hatte sie diesen Teil des Trainings vermisst! Wenn sie eine Waffe in der Hand und einen Gegner vor sich hatte, fühlte sie sich wahrhaft lebendig, fokussiert und schlagartig auf eine so tiefgreifende Weise mit der Macht verbunden, dass sie normalerweise stundenlang dafür meditieren müsste. Fast war es, als könnte sie vorhersehen, was als Nächstes passieren würde; als wüsste sie, dass Onielle eine bestimmte Kombo einsetzen würde, die sie bei Meister Yoda gelernt hatten, und ihr Lichtschwert parierte jeden Schlag rein instinktiv mit genau dem richtigen Maß an Wucht.

»Sie ist gut«, hörte sie jemanden raunen.

Die anderen hielten ihre Stimmen gedämpft, aber natürlich hatte niemand in dieser Halle eine Ahnung, wie messerscharf Iskats Sinne waren. Sember hingegen wusste es, was einer der vielen Gründe dafür war, warum sie ihre Padawan-Schülerin stets dabeihatte, wenn es ans Feilschen ging, sodass Iskat ihren scharfen Blick, ihre feine Nase und ihre sensiblen Ohren nutzen konnte, um die angebotenen Artefakte möglichst realistisch zu bewerten. Die anderen Padawane hingegen hatten von Iskats besonderen Fähigkeiten keinen blassen Schimmer.

»Sie war schon immer gut mit dem Lichtschwert. Ich hoffe nur, sie verliert nicht wieder die Beherrschung …«

»Eigentlich sollen Jedi sich doch jederzeit vollkommen unter Kontrolle haben. Ist das der Grund, warum Meisterin Vey sie ständig auf langfristige Missionen mitnimmt?«

»Das würde zumindest Sinn ergeben. Warst du dabei, als die Säule …«

»Ja. Als es passierte, stand ich direkt daneben. Ich konnte gerade noch ausweichen …«

»Wenn man bedenkt, dass die beiden mal Freundinnen waren. Die arme Tika.«

Als sie diesen Namen hörte, war es um Iskats Gelassenheit schlagartig geschehen. Es war, als wäre sie gemächlich im Fluss der Macht geschwommen, der sich unversehens in einen reißenden Strom verwandelte, sich zu einer Flutwelle auftürmte und sie mit sich fortriss, als die Erinnerungen zurückkamen. Unwillkürlich umklammerte sie ihr Amulett, kämpfte einhändig weiter und suchte verzweifelt nach dieser kühlen, blauen Verbundenheit, die ihr Ruhe und Frieden versprach. Doch nicht einmal diese Rettungsleine war stark genug, um die alten Gefühle zu unterdrücken, die sie so mühsam überwunden oder zumindest verdrängt hatte.

Offenbar waren sie trotz all ihrer harten Arbeit so intensiv wie eh und je.

In völliger Unkenntnis des Tumults, der in Iskats Geist und Körper tobte, versuchte Onielle, einen Zweihandhieb anzubringen, doch Iskat wehrte den Angriff mit ihrer Lichtklinge ab und versetzte Onielle einen Stiefeltritt in den Bauch, der ihre Gegnerin nach hinten warf. Darauf ließ sie einen gezielten Abwärtshieb folgen, der das andere Mädchen überrascht aufschreien ließ und sie quer vor der Brust traf, während sie mit hochgereckten Händen am Boden lag. Ihr Trainingsschwert hatte sie fallen lassen.

Iskat stand über ihr, die Trainingsklinge so dicht an Onielles Kehle, dass sie keuchte.

Dann packten kräftige Hände Iskat bei den Schultern und zogen sie weg.

»Iskat«, sagte Tualon. »Das genügt.«

Als sie seine Stimme so nah bei sich hörte, erstarrte sie und ließ das Trainingsschwert sinken, als ihr klar wurde, was sie getan hatte. Es war nicht so, dass es unter den Jedi verpönt war, ein Duell zu gewinnen, doch ihr letzter Angriff war unnötig brutal gewesen, was gegen ihren Kodex verstieß, den Kodex, nach dem Iskat ihr ganzes Leben lang gelebt hatte und an den sie glaubte. Scham überkam sie, dass so viele Zeugen geworden waren, wie sie schon wieder einen gravierenden Fehler gemacht hatte.

Seit der Sache mit Tika und der Säule war es ihr einziges Ziel gewesen, zu lernen, ihre Emotionen zu beherrschen und ihre Verbindung zur Macht zu kontrollieren. Sie musste ein ruhiger, steter Fluss sein, kein reißender Strom, und trotzdem wäre es bei ihrem allerersten Besuch in der Trainingshalle seit Jahren fast wieder passiert. Fast hätte sie wieder die Beherrschung verloren.

»Tut mir leid«, murmelte sie. »Danke, Tualon.«

Wenigstens gelang es ihr, sich so weit zusammenzureißen, dass sie nicht einfach wegrannte. Stattdessen ließ sie Tualon stehen und verließ mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte, die Halle, auch wenn sie alle Mühe hatte, ihre Tränen zurückzuhalten.

Eigentlich sollten Jedi keinen Zorn empfinden. Sie sollten nichts tun, was Schamgefühle hervorrief. Sie sollten nicht aus Verlegenheit weinen. Iskat wollte nichts weiter als eine gute Jedi sein, und sie hatte ihr Dasein ganz der Suche nach der Kontrolle und Gelassenheit gewidmet, die hierfür nötig waren. Sie befolgte ohne Widerworte die Anweisungen ihrer Meisterin, meditierte oft, hatte eine positive Einstellung und tat ihr Bestes, um ihre weniger vorteilhaften Züge durch gute Arbeit und intensives Lernen wettzumachen.

Und jetzt, kaum dass sie wieder zu Hause war, unter ihresgleichen, hatte sie spektakulär versagt.

Sie begab sich unverzüglich zum Privatquartier ihrer Meisterin und klopfte an die Tür. Von drinnen vernahm sie verstohlene Geräusche, ehe Sember einen langen Moment später ein wenig atemlos sagte: »Herein.«

Iskat betrat die kleine, aufgeräumte Kammer. Sember stand vor ihrem geschlossenen Kleiderschrank.

»Meisterin. In der Trainingshalle ist etwas vorgefallen. Ich … ich habe es wieder gespürt.« Iskat ließ den Kopf hängen.

Sember atmete tief durch und stieß dann einen langen Seufzer aus. Iskat schaute auf und sah den Kummer in ihren Augen, die Enttäuschung. »Was ist passiert?«

Das, was Iskat ihrer Meisterin daraufhin berichtete, entsprach zwar den Tatsachen, doch sie verzichtete darauf, viele der Emotionen zu erwähnen, die sie übermannt hatten – Emotionen, von denen sie wusste, dass sie sie eigentlich nicht haben sollte, und die sie so mühsam im Zaum zu halten versuchte. Stattdessen schilderte sie Sember vor allem den Kampf. Doch auch hier ließ sie den Teil weg, dass sie sich bewusst für das Duell gegen Onielle entschieden und ihre Gegnerin außerdem vorsätzlich provoziert hatte.

»Alles lief gut – bis jemand Tika erwähnte …« Sie brach ab und sah der älteren Frau erneut in die dunklen Augen.

Sember war nie eine sonderlich gütige, freundliche oder gar liebevolle Meisterin gewesen. Sie war reserviert, distanziert und so kühl, dass sie fast gefühlskalt wirkte, als würde sie in einer anderen, viel ruhigeren Sphäre weilen und ihr Padawan sei allenfalls eine Ablenkung. Iskat spürte häufig kleine Wellen, die von ihr ausgingen, Emotionen, die Sember vor ihr zu verbergen versuchte – Verärgerung über Unterbrechungen, gewiss, aber auch Bedauern und eine Art trauriger Sehnsucht. Natürlich wusste sie, dass Sember sie weder trösten noch ermutigen oder gar mit ihr scherzen würde, doch sie wusste auch, dass ihre Meisterin ehrlich und aufrichtig war und wollte, dass ihre Schülerin Erfolg hatte.

»Duelle bringen häufig Gefühle in uns zum Vorschein, die wir sonst in Schach halten können«, sagte Sember schließlich. »Ein Kampf, und wenn auch nur im Training, ist trotz allem ein Kampf. Es ist ein Tanz zwischen Leben und Tod. Wir alle haben einzigartige Gaben und müssen mit unseren ureigenen Herausforderungen kämpfen, und zufälligerweise ist bei dir beides dasselbe. Deine Verbindung zur Macht ist gleichzeitig stark und schwer zu kontrollieren. Doch diese Schwierigkeit ist keinesfalls unüberwindlich. Zu lernen, sich selbst zu kontrollieren, ist eine Lebensaufgabe. Und sosehr du in den letzten Jahren auch herangewachsen bist, in vielerlei Hinsicht bist du trotzdem nach wie vor ein Kind.«

»Meisterin, ich versuche so sehr …«

»Wie Meister Yoda mir einst sagte, als ich noch sehr viel jünger war: Tu es oder tu es nicht. Es gibt kein Versuchen.« Bei diesen Worten ließ Sember ein kleines, fast liebevolles Lächeln sehen.

»Aber was soll ich tun? Mehr meditieren? Noch ein Amulett? Ich will unbedingt besser werden, aber es ist, als wäre irgendwas in mir kaputt

Meisterin Sember legte ihr eine Hand auf die Schulter, eine seltene Geste der Güte. »Mit dir ist alles in bester Ordnung. Wir alle sind unvollkommene Wesen, die nach Erleuchtung streben. Du musst dich bloß ein bisschen mehr anstrengen als die meisten.«

Iskat nickte. »Ich versuche es. Ich meine, das werde ich. Ich werde mich mehr anstrengen!«

»Dessen bin ich mir gewiss.« Ein weiteres Seufzen. Dann drückte Sember ihre Wirbelsäule durch und richtete sich zu voller Größe auf. »Doch jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt zum Meditieren. Im Tempel herrscht große Unruhe. Kein Wunder, dass die Stimmung in der Trainingshalle ein wenig … aufgeladen ist – ihr jungen Leute spürt den Strom der Veränderung.« Sembers Hand kam kurz auf dem Griff ihres Lichtschwerts zu liegen. »Iskat, wir wurden hierher zurückbeordert, weil man uns braucht. Man wird uns nach Geonosis schicken, um Obi-Wan Kenobi zu retten. Er wurde angegriffen …«

»Von den Separatisten«, sagte Iskat, die sich daran erinnerte, was Tualon vorhin gesagt hatte.

Sember nickte. »Die Separatisten haben sich mit der Handelsföderation und Count Dooku zusammengetan. Sie haben eine Droidenarmee aufgestellt. Wir brechen in Kürze auf. Denkst du, du schaffst es, dich bei dieser Rettungsmission, bei der vermutlich konkrete Gefahren auf uns warten, hinreichend zu beherrschen?«

»Natürlich, Meisterin.«

Iskat spürte, wie ihre Herzen ein bisschen schneller schlugen. Gewiss, sie hatte in den letzten Jahren Dutzende Missionen mit Sember unternommen, aber die waren alle friedlich verlaufen, im Grunde bloß verklärte Einkaufsausflüge. Und obwohl diese Aufgabe für die Jedi einem wichtigen Zweck diente, hatte Iskat dem Ganzen ehrlicherweise noch nie sonderlich großes Interesse entgegengebracht. Das hier dagegen klang aufregend. Und sicherlich war es auch nicht verkehrt, beim Gedanken daran, in der Galaxis etwas Gutes zu tun, eine gewisse Aufregung zu verspüren, oder?

Zumal diese Mission offensichtlich von extremer Bedeutung war: Der Orden hatte alle verfügbaren Jedi herbeigerufen, bloß um einen Mann zu retten. Obi-Wan war immer freundlich zu ihr gewesen, wenn er die Jünglinge unterwiesen hatte, aber er war freundlich zu jedem. Er war genau die Art von Jedi-Meister, die sie sich ausgesucht hätte, wenn dies in ihrer Hand gelegen hätte – kenntnisreich und erfahren, aber mit einem gütigen Wesen und voller bestärkender Worte, wenn man sie verdiente. Es erfüllte sie mit Stolz, ihren Teil zu der Mission beizutragen, die ihn in Sicherheit bringen sollte.

»Nun geh, mein Padawan. Triff alle nötigen Vorkehrungen für die bevorstehende Reise. Wir brechen auf, sobald der Abend dämmert.«

Iskat senkte den Kopf und tat, was Sember ihr aufgetragen hatte. Unterwegs begegnete sie keinem der anderen Padawane. Vermutlich waren sie noch immer in der Trainingshalle, wo sie sich über sie das Maul zerrissen. Sie konnte nur hoffen, dass diese Mission kurz und erfolgreich sein würde und die geballte Stärke der Jedi die Separatisten-Armee, die die Republik bedrohte, rasch unschädlich machen würde. In ein paar Stunden würden sie und Sember auf ihr Schiff zurückkehren, wo Iskat sich von Neuem darauf konzentrieren konnte, ihren Frieden mit der Macht zu schließen, so schwierig das auch scheinen mochte.