Iskat wirbelte zu dem Geonosianer herum, der den Blaster abgefeuert hatte, und knurrte wütend, während der insektoide Krieger mit der Waffe im Anschlag in der Luft herumschwang, um sein nächstes Opfer ins Visier zu nehmen. Als hätte ihr Lichtschwert seinen eigenen Willen, schleuderte Iskat die Waffe nach der Wache, um den Geonosianer zu enthaupten, ehe das Schwert elegant in ihren Griff zurückschnellte. Sie verfolgte nicht, wie die Wache fiel, achtete nicht auf das letzte Aufflackern eines weiteren Lebens, das sich in der Macht verlor. Stattdessen sprang sie mit einem Satz über die Mauer des Säulenvorbaus, um auf den unteren Ebenen der Tribüne zu landen, wo sie neben ihrer Meisterin niederkniete. Vielleicht war Sember ja gar nicht tot. Sie war eine zähe, widerstandsfähige Jedi – zäh und widerstandsfähig genug, um selbst einen so direkten Treffer zu überleben.
»Meisterin?«, sagte Iskat und rollte Sember auf den Rücken.
Sember streckte ihre Hand nach Iskats Gesicht aus, aber ihr Blick ging an ihrer Padawan-Schülerin vorbei, feucht und flehentlich. »Verzeih mir, Feyra«, flüsterte sie. »Ich habe es versucht.« Dann hustete sie unter Krämpfen, und aus ihrem Mund spritzte Blut auf Iskat.
Iskat ergriff die Hand ihrer Meisterin und hielt sie an ihre Brust. »Meisterin, ich bin es, Iskat. Ich bin hier! Könnt Ihr mich sehen?«
Sembers Kopf wippte schwerfällig vor und zurück, als hätte sie Iskat gar nicht gehört. »Ich konnte es nicht verhindern, Feyra. Sie ist dir einfach zu ähnlich. Ich musste dir versprechen, ihr zu helfen, und das habe ich nach besten Kräften getan. Aber viel konnte ich nicht tun …«
Sember langte nach Iskats Gewand und umklammerte mit ihrer blutverschmierten Faust den schlichten braunen Stoff. »Ich habe mein Versprechen gehalten. Sie ist ein guter Padawan. Du wärst stolz auf sie. Sie gibt sich so viel Mühe, Feyra, aber vielleicht war ich nie gut genug, um sie zu unterweisen …«
In der Nähe peitschten Blasterbolzen durch die Luft, doch Iskat hatte nur Augen für ihre Meisterin. »Sember, Meisterin, ich verstehe das nicht. Wer ist Feyra? Welches Versprechen?«
In diesem Moment weiteten sich Sembers Augen ruckartig, und sie keuchte leise, ehe sie nach hinten sackte.
Iskat spürte es in der Macht – den Moment, in dem ihre Meisterin diese Welt verließ.
»Meisterin Sember! Bitte! Ich brauche Euch!«
Kräftige Hände packten sie an den Schultern und zogen sie grob in die Höhe. »Iskat!«, bellte Meister Klefan. »Schnell!«
»Ich muss Meisterin Sember von hier fortschaffen …«
»Dafür ist keine Zeit. Lass sie hier! Es ist zu spät! Das Schiff wartet.«
»Aber …«
Der ältere Mann zog sie mit sich in Richtung der Treppe, die zu dem Säulengang hinaufführte. Am oberen Ende der Stufen sah Iskat Tualon und Ansho stehen.
Ein Meister und sein Schüler, Seite an Seite, so wie es sein sollte.
»Ich kann sie tragen«, sagte Iskat zu Meister Klefan, und zum ersten Mal in ihrem Leben machte sie sich nicht kleiner, als sie war, versuchte nicht, ihre Stimme sanfter klingen zu lassen.
»Das können wir nicht riskieren«, entgegnete er. »Genau wie Fvorn würde sie es nicht wollen, dass für sie noch mehr von uns sterben. Viele Jedi haben heute ihr Leben verloren, und nichts würde sie mehr hassen, als wenn du einer von ihnen wärst. Wir werden angemessen um sie trauern, wenn wir zurück im Tempel sind. Und nun geh!«
Iskat warf einen letzten Blick auf Meisterin Vey, die jetzt bloß noch ein regloser brauner Haufen auf der leeren Tribüne war. Und jetzt, da sie nicht mehr da war, überkam sie plötzlich eine innige Zuneigung zu ihrer Mentorin. Hatte Sember in ihren letzten Augenblicken über sie gesprochen, als sie sagte, sie sei gut und dass jemand stolz auf sie wäre? Das war das größte Lob, das Iskat je von ihrer Meisterin gehört hatte. Vielleicht hatte Sember sie ungeachtet der distanzierten Ernsthaftigkeit, die stets zwischen ihnen geherrscht hatte, doch irgendwie gemocht, tief drinnen. Iskat hatte keine Ahnung, was die Zukunft ohne Sember bringen würde. Sie wusste nur, dass sie nicht bereit war, die zähe Aufgabe des Artefakterwerbs künftig allein zu übernehmen, da sie noch längst nicht die dafür nötigen Vertrauensbeziehungen zu den Händlern oder das Geschick im Feilschen entwickelt hatte, das Sembers Missionen erforderten. Keiner der Verkäufer nahm sie ernst.
Vielleicht würde sie jetzt ein anderer Jedi zur Padawan-Schülerin nehmen. Doch andererseits schienen die übrigen Meister nach dem Turnier nicht gewillt gewesen zu sein, sich ihrer anzunehmen.
Padawane brauchten Meister. Wie sollten sie sonst ihren Weg finden?
Iskat schloss ihre Finger um ihr Amulett und streckte ihre Sinne nach der Macht aus, in der Hoffnung, Sember würde bei ihr sein, da Zeeth gesagt hatte, er könne Fvorns Gegenwart spüren.
Aber sie fühlte nichts.
Nichts als Leere, Kälte und Verzweiflung.
Sie gewahrte, dass Meister Klefan sie von Neuem an der Schulter berühren wollte, so wie er es auch bei Zeeth getan hatte, um sein Mitgefühl auszudrücken, doch sie wusste, dass sie das jetzt nicht ertragen konnte, darum ließ sie ihr Amulett los und eilte weiter, um sich den anderen anzuschließen.
Zusammen mit Tualon und Ansho liefen Iskat und Klefan durch die Schatten im sonnenlosen Innenbereich der Arena, zurück dorthin, wo ihr Schiff wartete. Unterwegs mussten sie immer wieder Droiden und Geonosianern ausweichen. Schließlich verließen sie den Turm. Iskat schirmte ihre Augen gegen die Spiegelung der Mittagssonne auf dem heißen Sand ab. Die Ankunft Hunderter Shuttles, die jeweils inmitten einer Sandwolke aufsetzten und Dutzende Klontruppler ausspien, verdunkelte den klaren, rötlich orangefarbenen Himmel. Was zuvor eine Landezone gewesen war, hatte sich in ein Kriegsgebiet verwandelt, erfüllt von Blasterbolzen und Geschrei. Iskat und Klefan gingen als Letzte an Bord, und Iskat bemerkte, dass einige Sitze leer blieben, doch sie war nicht in der Verfassung, die Namen der Jedi zu nennen, die fehlten.
Im Shuttle herrschte eine sonderbare Stille, aber ihre Sinne waren weiter in höchster Alarmbereitschaft. Sie roch erschöpfte Leiber, Schweiß und Blut, Sand und Metall und den seltsamen, grasartigen Geruch der geonosianischen Toten. Sie hörte Seufzer, Schniefen und Schluchzen, scharrende Stiefel und tröstendes Gemurmel. Sie fand es sonderbar, dass sie während des Kampfes innerlich so ruhig gewesen war, ihre Herzen jetzt jedoch wie wild schlugen. Ihr Atem ging keuchend, und ihre Gedanken rasten viel zu schnell, als dass irgendetwas von dem, was ihr durch den Kopf schoss, einen Sinn ergeben hätte.
Sie war sich des leeren Platzes neben sich nur allzu bewusst … bis Meister Klefan sich dort hinsetzte.
»Deine erste Schlacht«, sagte er nachdenklich und blickte nach vorn, als wäre es einfacher, mit ihr zu reden, wenn er sie nicht direkt ansah.
»Ja, Meister«, entgegnete sie, auch wenn das eigentlich keine Frage gewesen war.
»Du hast dich gut geschlagen. Sembers Ausbildung hat dich zu einer bemerkenswerten jungen Jedi gemacht. Ich weiß, sie wird dir fehlen, aber wir müssen immer daran denken, dass der Tod ein Teil des Lebens ist und sie in unseren Herzen weiterleben wird. Frohlocke, denn sie ist jetzt eins mit der Macht.«
Ein ungutes Gefühl machte sich in Iskats Magen breit.
Was brachte es ihnen, so zu tun, als sei der Tod etwas, das gefeiert werden musste?
Sollte das den Lebenden die Angst vor dem Tod nehmen? Ihnen helfen, den Verlust derjenigen, die nicht mehr unter ihnen weilten, leichter hinzunehmen?
»Wie?«, sagte sie mit belegter Stimme.
»Wie was?«, fragte Meister Klefan mit aufrichtiger Neugierde.
»Wie soll ich frohlocken, wenn meine Meisterin tot ist?«
Klefan stieß einen leisen Seufzer aus. »Es gibt keinen Tod – nur die Macht. Die Macht umfasst Leben und Tod gleichermaßen, und alles, was lebt, muss sterben. Wenn ein Jedi fällt, haben wir die Wahl, zu trauern oder zu feiern. Und wer würde die Trauer der Freude vorziehen, wenn er weiß, dass seine verehrte Meisterin nun eins mit der Macht ist, der sie ihr Leben gewidmet hat? Zu trauern ergibt keinen Sinn. Wir Jedi müssen allen dienen, nicht bloß einigen wenigen. Deshalb gehen wir auch keine persönlichen Bindungen ein. Zu trauern widerspricht unseren Glaubensgrundsätzen.«
Wahrscheinlich versuchte Meister Klefan bloß, ihr zu helfen; sein Ton jedenfalls war freundlich und gütig. Doch alles, was Iskat hörte, waren dieselben Dogmen und Mantras, die man ihr ihr ganzes Leben lang eingetrichtert hatte, Worte vermeintlicher Weisheit. Auch wenn Meister Klefan viel, viel älter war als sie, glaubte sie nicht, dass er den Tod besser verstand als sie. Er käute bloß die immer gleichen alten Lehren wieder.
»Verstehst du, was ich meine, Padawan Iskat?«
»Ja, Meister.«
Und das tat sie. Aber was sie verstand, hatte nichts damit zu tun, dem Tod mit Freude zu begegnen.
Ihr war, als würde Meister Klefan ihr nicht die Wahrheit sagen. Sein Lächeln reichte nicht bis zu seinen Augen. Er wirkte müde, alt und resigniert. Wahrscheinlich hatte er bereits vergessen, welcher Padawan heute gestorben war. Er nannte sowohl Fvorn als auch Zeeth eigentlich immer bloß »Junge«. Sember war einst seine Padawan-Schülerin gewesen, und soweit Iskat das zu sagen vermochte, war er über ihren Verlust genauso erschüttert wie sie. Trotzdem gab er vor, vollkommen in Frieden mit sich zu sein.
Er sagte diese Dinge, um sie zu trösten, doch er machte nicht den Eindruck, als würde er sie selbst glauben. Vielleicht war es leichter, einfach ein paar Plattitüden von sich zu geben, statt sich mit dem schrecklichen Trauma auseinanderzusetzen, das sie gerade erlebt hatte – genau wie er selbst auch.
Die Jedi hatten sie so vieles gelehrt, doch sie waren außerstande, ihr dabei zu helfen, mit diesem Schmerz fertigzuwerden. So, als wüssten sie nicht, wie man das bewerkstelligen sollte.
Heute hatte Iskat einen Freund verloren. Sie hatte ihre Meisterin verloren. Sie hatte ihr erstes Leben genommen. Sie hatte viele Leben genommen, hatte sich selbst in einem Tanz des Todes verloren und einfach weitergemacht, als wäre ihre ganze Welt nicht bis in ihre Grundfesten erschüttert worden. Als die Schlacht in der Arena tobte, war sie Zeugin geworden, dass die besten Kämpfer der Galaxis, erfahren und stark in der Macht, kaum imstande gewesen waren, einen Haufen Droiden zu besiegen. Und sie hatte die Leichen ihrer Mit-Jedi zurückgelassen, die nun niemals ein anständiges Jedi-Begräbnis bekommen würden.
Ihr ganzes Training hatte sie … auf nichts von alldem vorbereitet.
Ihr Geist, ihr Herz und ihre Seele fühlten sich an, als wären sie zerbrochen. Zu viel war zu schnell passiert. Doch als sie sich an Bord des Schiffes umsah, schien es, als würde das Leben einfach so weitergehen, als wäre nichts geschehen. Zwei Meister versorgten Onielles Bein. Meister Ansho berichtete Tualon von einem neuen Angriff, den er mit ihm üben wollte, sobald sie wieder im Tempel waren. Gewiss, einige Jedi wirkten sichtlich mitgenommen, aber im Großen und Ganzen war es, als hätten Fvorn, Meisterin Sember und die anderen Jedi, die jetzt nicht mehr hier bei ihnen waren, nie existiert. Das Shuttle war voller Leute, die alle dasselbe lebensverändernde Ereignis erlebt hatten, aber niemand sonst schien mit der Trostlosigkeit kämpfen zu müssen, die Iskat erfüllte. Ihr war, als wäre sie vollkommen allein. Ihr Kopf war zu voll mit ihren eigenen Emotionen – mit Emotionen, die zu kontrollieren sie Jahre ihres Lebens gewidmet hatte. Eigentlich sollten diese Gefühle fortgespült werden, wie Wellen, die an einen Strand brandeten und sich dann wieder zurückzogen, doch stattdessen drohten sie sie zu ertränken. Sie sehnte sich danach, frei von diesem Emotionschaos zu sein.
Aber wie? Wie kann jemand nichts fühlen, obwohl es so vieles zu fühlen gab?
Es gibt keine Gefühle – nur Frieden.
Das war leicht gesagt, wenn in den eigenen Herzen kein Sturm der Emotionen tobte.
»Du bist unruhig«, bemerkte Meister Klefan.
»Heute ist … viel passiert.«
Er nickte feierlich. »Wenn wir zurück im Jedi-Tempel sind, solltest du am Teich meditieren. Das üben, was deine Meisterin dich gelehrt hat. Ihre Lehren fortführen – auf diese Weise erweist du ihr Ehre. Du bist ihr Vermächtnis. Vergiss nicht: Es gibt kein Chaos – nur Harmonie. Finde diese Harmonie in dir, Iskat Akaris, und du wirst Frieden finden.«
Iskat musste sich zusammenreißen, um ihm nicht ins Gesicht zu schreien.
Nichts an diesem Tag heute war friedvoll gewesen.
Die Jedi hatten sie ausgebildet, seit sie ein Kleinkind gewesen war, aber hierauf hatten sie sie nicht vorbereitet.
Und Meditation würde diese Gefühle nicht verschwinden lassen.
Sie spürte, wie sich die Macht in ihrer Brust regte, jedoch nicht der ruhige, stete Fluss, den sie sonst anzapfte. Nein, heute war da ein düsterer Mahlstrom, der sie in die Tiefe zu ziehen drohte. Sonst hatte Sember ihr Stabilität geschenkt. Jetzt gab es niemanden mehr, der ihr Halt gab. Das Amulett war nicht genug.
Und was hatten die letzten Worte ihrer Meisterin zu bedeuten?
Wer war diese Feyra, und warum verdiente sie eine Entschuldigung? Was genau konnte Sember nicht verhindern?
Sie überlegte, Meister Klefan danach zu fragen, aber sie hatte genug von seinen leeren Phrasen. Sie ließ ihren Blick über die anderen Meister im Shuttle schweifen, doch die meisten waren damit beschäftigt, ihre Padawane bei der Meditation anzuleiten, oder halfen dabei, Wunden zu verbinden. Neben ihr ließ Meister Klefan ein leises Schnarchen hören. Auch Tualon einige Sitze weiter hatte die Augen geschlossen, während er versuchte, in den einlullenden Mantras, die man ihnen beigebracht hatte, seinen Frieden zu finden.
Es gab hier niemanden, an den sie sich wenden, niemanden, mit dem sie in aller Offenheit reden konnte. Zwar hatte Iskat Meisterin Vey nicht viel davon preisgegeben, wie es in ihrem Innern aussah, aber sie war sich ziemlich sicher, dass ihre Meisterin sie durchschaut und genau gewusst hatte, dass Iskat ungeachtet all ihrer harten Arbeit alles andere als perfekt war.
Das Shuttle dockte an einem viel größeren Kreuzer im Orbit von Geonosis an. Iskat begab sich zu der Koje, die man ihr zugewiesen hatte, rollte sich zusammen und kehrte der Kabine den Rücken zu. Eigentlich hätte Sember auf der Pritsche unter ihr liegen sollen, eine beruhigende, vertraute Präsenz, doch jetzt war sie leer. Später versorgte Meister Klefan sie mit Essen und weiteren Plattitüden, aber sie konnte sich für keins von beidem erwärmen. Sie versuchte zu meditieren, doch sie war wie betäubt, so als wären die stillen Wasser in ihrem Innersten zugefroren.
Zeit verging, aber andererseits bedeutete Zeit nichts.
Als das Shuttle ruckelnd zur Landung im Innenhof des Jedi-Tempels auf Coruscant ansetzte und Iskat aus dem seltsamen Schwebezustand gerissen wurde, in dem sie sich praktisch den gesamten Flug über befunden hatte, sprachen die anderen Jedi gerade darüber, was als Nächstes geschehen würde. Dank des Erfolges ihrer Rettungsmission auf Geonosis schien es, als befänden sich die Separatisten und die Republik jetzt tatsächlich im Krieg. Keiner wusste, was kommen würde, aber zweifellos wurde von den Jedi erwartet, dass sie das Ihre dazu beitrugen, die Republik zu verteidigen und zu bewahren. Sie waren Friedenswächter, darum würden sie den Frieden schützen, ganz gleich, um welchen Preis.
Sie sah sich an Bord des Shuttles um, und ihr wurde klar, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte, was sie jetzt tun sollte. Im Jedi-Tempel änderte sich nur selten etwas, aber nun war ihre Meisterin tot, und die Jedi befanden sich im Krieg. Iskat hatte ihren Anker, ihren Kompass verloren. Sie fragte sich, ob es so war, erwachsen zu werden – dass man seinen Platz in der Galaxis finden musste, ohne dass jemand da war, der einen dabei anleitete. Sie hatte viele Leben genommen und ihre Mentorin verloren, alles binnen eines Tages, aber das hatte sie weder weiser noch kenntnisreicher werden lassen.
Der Klonpilot wies sie an, sich für die Landung anzuschnallen. Iskat setzte sich neben Meister Klefan. »Meister Klefan, was soll ich jetzt tun?«, fragte sie den Meister ihrer toten Meisterin.
Er schaute sie blinzelnd an und ließ dann sein sanftmütiges Lächeln sehen. »Mach einfach so weiter wie bisher. Halte dich an den Plan, den Sember dir vorgegeben hat, bis dir ein neuer Jedi-Meister zugewiesen wird. Setze deine Studien fort. Trainiere mit den anderen Padawanen und finde Gleichmut durch ihre Gegenwart. Je nachdem, wie sich die Situation entwickelt, werden wir neue Anweisungen erhalten, also sei bereit, jederzeit wieder aufzubrechen. Und falls dich irgendwelche Zweifel befallen, meditiere.«
Das Schiff setzte auf. Alle schnallten sich ab und erhoben sich. Sie wirken so ruhig, dachte Iskat – genau wie Meisterin Vey es immer gewesen war. Iskat hatte das Gefühl, als würde ihr ein Teil ihrer selbst fehlen. Ihr Körper wollte immer noch rennen, kämpfen, in Bewegung bleiben. Meister Klefan legte ihr die Hand auf die Schulter, bevor er von Bord ging, aber Iskat fand darin keinen Trost.
Die Unbestimmtheit seiner Worte plagte sie. Ja, sie würde so tun, als wäre Sember immer noch hier, um sie zu unterweisen, doch wie genau sie weitermachen sollte, wusste sie trotzdem nicht. Sie musste sich auf eine ungewisse Zukunft vorbereiten und hatte keine Ahnung, wie.
Es war seltsam, sich in die Jedi einzureihen, die das Shuttle verließen. Normalerweise war sie in solchen Situationen einfach Sember gefolgt und hatte ihr Bestes getan, ihrer Meisterin keine Schande zu machen. Jetzt gab es niemanden, der ihr sagte, wohin sie gehen sollte. Man erwartete einfach von ihr, dass sie das selbst herausfand.
Ohne konkretes Ziel führten Iskats Beine sie zu ihrem Lieblingsmeditationsgarten mit seinen beruhigenden Teichen voller flirrender orangefarbener Fische und großer grüner Blätter. Sie war allein hier, und die Stille war nervtötend. Ganz gleich, wie sehr sie sich bemühte, ganz gleich, wie oft sie ihr Mantra herunterbetete, ganz gleich, wie fest sie ihr Amulett umklammerte, es war ihr unmöglich, die innere Ruhe zu finden, die sie so verzweifelt suchte. Als das Knurren ihres Magens irgendwann das sanfte Plätschern des Wassers übertönte, ging sie in die Cafeteria und aß mit einem Heißhunger, als wäre sie am Verhungern gewesen, als wollte sie ein Fass ohne Boden füllen. Sie wanderte durch die Hallen des Tempels, aber ihr war nicht nach Duellen, Lesen oder Laufen zumute. Sie kam sich vor wie ein Geist in ihrem eigenen Haus, als wäre sie diejenige, die gestorben war, ein kleines Gespenst, das niemand sonst sah.
Als die Nacht hereinbrach, kehrte sie in ihre kleine Schlafkammer zurück. Der Raum war spartanisch eingerichtet, so wie alle Jedi-Gemächer. Sie wusch sich und war überrascht, rote Spritzer auf ihrem Gesicht und einen blutigen Handabdruck auf ihrem Gewand zu entdecken.
Von Sember, als sie gehustet hatte – als sie Iskat in diesen letzten Momenten ihres Lebens gepackt hatte, um sie an sich zu ziehen.
Das war das Blut ihrer Meisterin.
Warum hatte ihr niemand gesagt, dass sie die ganze Zeit so herumgelaufen war, besudelt mit Blut?
Hatte irgendjemand sie überhaupt wirklich angesehen?
Waren alle von dem, was auf Geonosis passiert war, zu überwältigt, um zu erkennen, was direkt vor ihnen war, oder wollten sie bloß Iskat nicht sehen?
Während sie beobachtete, wie das rot gefärbte Wasser wirbelnd im Ausguss verschwand, fragte sie sich, was wohl aus dem Leichnam ihrer Meisterin geworden war, aus den Leichen all der Jedi, die sie zurückgelassen hatten, denen niemals die angestammten Begräbnisriten des Ordens zuteilwerden würden. Den Toten mochte es vielleicht egal sein, was mit ihnen geschah, aber Iskat nicht. Nicht, dass das von Belang war. Nicht, dass das irgendetwas geändert hätte.
Während sie in ihrem Bett lag und in die Dunkelheit starrte, drehten sich Iskats Gedanken unermüdlich weiter. Sie konnte sie nicht zum Schweigen bringen. Während sie sich hin- und herwälzte, sah sie die Ereignisse von Geonosis so deutlich vor ihrem inneren Auge, als würde sie sich ein Holo ansehen. Fvorn, Sember, die Geonosianer, das Aufblitzen der Jedi-Lichtschwerter vor dem sandigen Hintergrund. Etwas Bedeutsames war in der Petranaki-Arena geschehen – etwas, das ihre Herzen für immer verändert hatte –, und es gab kein Ritual, um damit ins Reine zu kommen, niemanden, mit dem sie darüber hätte reden können. Jetzt, da Sember fort war, würde ihr diese Art von Führung nie wieder zuteilwerden.
Und doch … vielleicht war das sogar ein Segen. Denn wer vermochte zu sagen, was aus Iskat Akaris werden könnte, jetzt, da die Bürde von Sembers Erwartungen nicht länger bleiern auf ihren Schultern lastete.