Iskat erwachte einmal mehr in einem Bakta-Tank. Ihr erster bewusster Gedanke war, dass sie Tualon umbringen würde, und wenn es das Letzte wäre, was sie tat. Was die Siebte Schwester ihr angetan hatte, war mehr ein Spiel gewesen, Vaders Bestrafung hatte sie eine wichtige Lektion gelehrt, aber das hier … diese Wunde fühlte sich persönlich an. Er hatte versucht, ihr Herz zu durchbohren.
Offenbar hatte er nicht gewusst, dass sie zwei davon hatte.
Darum hatte er danebengestochen.
Iskat wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war, aber das Loch in ihrer Brust war bereits zu einer burgunderroten Narbe verheilt, und nach ein paar weiteren Tagen ließen die Medidroiden sie schließlich aus dem Tank. Sie wusch sich im Duschraum und kehrte in ihre Kammer zurück, wo sie sich zunächst vergewisserte, dass nichts gestohlen worden war. Ihr Bakta-Bad hatte sie nicht nur von einer fast tödlichen Wunde geheilt; ihr gesamter Körper fühlte sich erholt und erneuert an.
Aber innerlich schäumte sie vor Wut. Sie hatte zugelassen, dass ihre alten Gefühle für ihn ihre Gedanken trübten, hatte ihn nahe genug an sich herangelassen, um sie zu durchbohren.
Dieser elende …
Nun ja.
Sie hatte ihn zuerst zum Sterben zurückgelassen.
Vielleicht hatte er recht – vielleicht waren sie jetzt wirklich quitt.
Sie hatte geglaubt, es noch immer mit dem alten Tualon zu tun zu haben – dem Tualon, der sich strikt an die Regeln hielt. Aber offensichtlich hatte die Inquisition keine Mühen gescheut, um eine viel diabolischere und unberechenbarere Version von ihm zu erschaffen.
Immerhin hatte er ihr eine Chance gegeben, zu überleben. Das war mehr, als sie Heezo zugestanden hatte. Ein Loch ließ sich flicken, aber was sie dem verräterischen Selonianer angetan hatte, konnte kein Medidroide der Galaxis wieder in Ordnung bringen.
Iskat tauschte gerade ihren schwarzen Krankenkittel gegen ihre Uniform, als das Komm summte.
»Iskat Akaris, melden Sie sich unverzüglich im Gemach des Großinquisitors«, sagte 6-RA-7s kühle Stimme.
Ihr Körper vibrierte förmlich vor Aufregung, als sie sich fertig umzog und auf ihre Audienz vorbereitete. Endlich! Nach all der Zeit in diesen höhlenartigen Korridoren und Räumen, nach all dem Warten auf eine Gelegenheit, war der große Moment endlich gekommen. Der Verschluss ihres Umhangs klickte, und sie marschierte zum Gemach des Großinquisitors. Er saß steif auf seinem Thron, so als wäre seine bloße Existenz eine Bürde.
»Hast du dich vollständig von deiner Verletzung erholt?«, fragte er. »Die Grube sollte eigentlich kein Schlachthaus werden, aber dank Lord Vader und euren diversen Rivalitäten gibt es wohl keinen großen Unterschied mehr.«
Iskat wollte schon nach der knotigen Narbe zwischen ihren Herzen tasten, aber sie zwang sich, reglos stehen zu bleiben. Es wäre keine gute Idee, den Großinquisitor an ein Zeichen ihrer Schwäche zu erinnern.
Oder generell irgendeinen Inquisitor.
»Ich bin voll einsatzfähig.« Eine eingehendere Antwort hätte ihr nur eine harsche Rüge eingebracht; der Großinquisitor hasste lange Ansprachen beinahe ebenso sehr, wie er Respektlosigkeit hasste.
Je weniger sie sagte, desto besser.
»Gut. Dann bist du hoffentlich bereit für deine erste Mission.«
»Ja, Großinquisitor.«
»Wir haben von zwei untergetauchten Jedi erfahren, die sich auf Firrhana verstecken. Du wirst ins Outer Rim reisen, sie ausfindig machen und vernichten. Hast du das verstanden?«
Sie senkte den Kopf, um ihre Aufregung zu verbergen. »Ja, Großinquisitor.«
»Sieh mich an, Kind.«
Iskat gehorchte, aber da war etwas Beunruhigendes im Blick seiner gelben Augen.
Er lehnte sich vor und grub die Finger in die Armlehnen seines Throns. »Dies ist deine erste richtige Mission. Es ist eine Sache, zu erkennen, dass die Jedi der Feind sind, aber sich aktiv an ihrer – offensichtlich notwendigen – Auslöschung zu beteiligen, ist etwas völlig anderes. Sie werden versuchen, dich mit kraftlosen Argumenten oder erbärmlichem Flehen zu manipulieren. Gib ihnen keine Gelegenheit, dich mit ihrer Rhetorik zu vergiften. Du bist nicht länger eine Jedi.«
»Nein, Großinquisitor. Aber …«
Er fletschte die Zähne.
»Könnt Ihr mir die Namen dieser Jedi nennen?«
Der Großinquisitor lehnte sich wieder zurück und machte eine wegwerfende Bewegung mit seinen langen Fingern. »Namen haben keine Bedeutung – sie sind alle Verräter. Jetzt geh. Und enttäusch mich nicht.«
»Das würde ich niemals wagen.«
Sie zog sich mit gesenktem Kopf zurück und atmete erleichtert auf, als sie wieder auf der anderen Seite der Tür war. Im Gemach des Großinquisitors hatte sie stets das Gefühl, als wäre sie auf einen gefrorenen, leblosen Planeten transportiert worden. Während sie zu ihrer eigenen, weit weniger imposanten Unterkunft zurückging, begann sie im Geiste bereits mit den Vorbereitungen. Sie hatte so lange darauf gewartet, ihre Inquisitoren-Ausbildung endlich bei einer Mission zum Einsatz zu bringen. Aber immer wieder war sie dieser Gelegenheit beraubt worden: erst wegen der nächtlichen Schocktherapie, dann wegen ihrer zerquetschten Hand, zuletzt wegen Tualons treuloser Klinge … und, ja, ihr Abstecher nach Pkori hatte diesen Tag ebenfalls hinausgezögert. Jetzt, da es endlich so weit war, stieg aus ihrem Innersten plötzlich die Sorge empor, dass sie ihr Jedi-Training vielleicht nicht vollends abgestreift hatte – dass sich ein Echo davon immer noch an ihr festklammerte wie eine Muschel am Rumpf eines Bootes. Aber sie hasste die Jedi. Sie hatten sie wie Abfall behandelt – erst als Paria und dann als willensschwache, entbehrliche Soldatin.
Diese Mission war Iskats Chance, ihren Körper und ihre Seele endgültig von diesem schleimigen Parasiten reinzuwaschen.
In ihrer Kammer angekommen, packte sie alles, was sie für die Reise brauchen könnte, einschließlich Feyras Lichtschwert. Sie wusste nicht, wie die anderen Inquisitoren ihren Missionen nachgingen, welche Ausrüstung sie wählten, welche Methoden sie anwandten. Niemand sprach über solche Dinge; wenn mehrere von ihnen in der Festung waren, beschränkte sich ihre Interaktion größtenteils auf Spott, Häme und Duelle. Die meiste Zeit waren sie ohnehin in der Galaxis verstreut, um die Überreste des Jedi-Ordens auszumerzen und Trophäen zu sammeln, mit denen sie nach ihrer Rückkehr angeben konnten.
Iskat freute sich auf die Gelegenheit, endlich etwas zu haben, womit sie selbst angeben konnte.
Diesmal gab man ihr eine volle Einheit Auslöschungstruppler mit. Die Scythe war ihr inzwischen vertraut, die Steuerkonsole wie ein alter Freund, und während sie durch den Hyperraum rasten, hatte sie genug Zeit, um auf ihrem Datenpad alle verfügbaren Informationen über Firrhana zu studieren. Der Planet war einst eine Hochburg der alten Sith gewesen und durch einen Vulkanausbruch vor mehreren Jahrhunderten praktisch unbewohnbar geworden. Sie fragte sich, ob es dort wie auf Thule sein würde: ein Ort von trostloser Schönheit, mit dem sie eine seltsame, unmittelbare Verbundenheit spürte. Warum hatten die Jedi ausgerechnet so eine Welt gewählt, obwohl ihnen doch die gesamte Galaxis offenstand?
Firrhana war nicht weit vom Kern entfernt, und schon bald wurde der Planet als schmutziger Fleck zwischen den Sternen sichtbar. Es war kein friedlicher Wirbel aus Wolken, Land und Meer, so wie Pkori, sondern ein kleiner, finsterer Ort, schwarz und grün gefleckt. Als wäre ein Klumpen Schimmel ins All hinausgeschleudert worden. Beim Eintritt in die Atmosphäre empfing sie unheimliche Stille. Es gab keinen Raumhafen und auch sonst keine Kommsignale.
Zumindest nicht, bis plötzlich die Konsole piepste … und Koordinaten auf dem Bildschirm erschienen.
Iskat gab den Auslöschungstrupplern Befehl, ihre Waffen bereit zu machen, dann flog sie die Koordinaten an, neugierig, aber vorsichtig.
Waren die Jedi vielleicht so verzweifelt, dass sie in der Hoffnung auf Hilfe jedes näher kommende Schiff anfunkten? Wussten sie überhaupt, dass die Inquisition existierte und Jagd auf sie machte? Waren sie so daran gewöhnt, die Helden der Galaxis zu sein, dass sie vergessen hatten, wie tief sie gefallen waren?
Doch als sie sich ihrem Ziel näherte, entdeckte Iskat ein vertrautes Schiff, das auf einem gräulich grünen Feld gelandet war.
Es handelte sich um einen der Sternjäger, die sie im Hangar auf Coruscant gesehen hatte.
»Wer immer versucht, mir meine Beute wegzuschnappen, hat sich gerade eine lebenslange Feindin gemacht«, knurrte sie.
Ihre Auslöschungstruppler schwiegen; das taten sie immer, es sei denn, man sprach sie direkt an.
Iskat empfing keine weiteren Signale von dem Sternjäger, während sie näher kam. Die Situation wurde immer rätselhafter. Warum war ein weiterer Inquisitor auf Firrhana? Hatte man ihn geschickt, um ihr auf die Finger zu schauen?
Sie überlegte kurz, ob sie den Jäger einfach in die Luft jagen sollte, aber das würde dem Großinquisitor vermutlich nicht gefallen. Er ermunterte seine Agenten, ehrgeizig zu sein, und er tolerierte, dass sie einander in den Rücken fielen, aber ein wertvolles Schiff zu zerstören? Das ging dann doch einen Schritt zu weit.
Die Scythe landete auf dem beunruhigend nachgiebigen Boden, und nachdem sich Iskat vergewissert hatte, dass die Luft atembar war, trat sie auf ein Feld aus klebrigem, schleimigem Pilzgeflecht hinaus.
Von dem Sternjäger kam ihr die letzte Person entgegen, die sie hier erwartet hätte.
Tualon.
Er sah gut aus in seiner Uniform und seinem Helm, aber das sagte sie natürlich nicht laut.
»Warum hast du mir diese Koordinaten geschickt?«, fragte sie stattdessen, als sie knapp außer Reichweite seines Lichtschwerts stehen blieb; er hielt den Griff in der Hand, hatte die Klinge aber nicht aktiviert.
»Um dich herzulocken und zu töten, falls du Ärger machst.«
»Ich bin nur wegen meiner Beute hier.« Sie blickte sich um und entdeckte runde graue Pilzklumpen, die an zerbröckelten Felsblöcken hafteten. »Schön hier. Erinnert es dich auch an Thule?«
Er ging nicht darauf ein. »Die Vergangenheit ist tot, Iskat. Bist du hier, um mich bei meiner Mission zu stören?«
»Nein. Bist du hier, um mir meine Beute wegzuschnappen?«, entgegnete sie.
Sein amüsiertes Grinsen entzündete ein Feuer in ihrem Innern; es schien, als könnte nicht einmal ihr Hass etwas an ihrer körperlichen Reaktion auf Tualon ändern. »Vielleicht, wenn du Ärger machst. Aber wie ich schon sagte: Wir sind jetzt quitt. Du hast mich zurückgelassen und ich dich. Für mich ist die Sache damit erledigt.«
Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Also schön. Aber warum haben sie uns dieselbe Mission gegeben? Hätten sie gewollt, dass wir zusammenarbeiten, hätte der Großinquisitor es vermutlich erwähnt.«
Tualon schüttelte den Kopf. »Ich soll eine Jedi verfolgen.« Er deutete auf eine gezackte Ansammlung von Pilzen in der Nähe, und bei genauerem Hinsehen entdeckte Iskat den Umriss eines Y-Flüglers, der bereits größtenteils unter dem Geflecht begraben war. »Das ist ihr Schiff.«
»Welche Jedi?«
»Tut mir leid, aber diese Information ist geheim. Es sei denn, du willst mir den Namen deiner Zielperson verraten?«
»Diese Information ist geheim«, äffte Iskat ihn nach, und sie stellte zufrieden fest, dass er dabei wütend die Lippen zusammenpresste. Tatsächlich kannte sie die Namen ihrer Ziele nicht; selbst wenn sie einander vertrauen würden, könnten sie also nicht sicher sein, ob sie derselben Beute nachspürten oder ob mehrere Jedi einfach dasselbe Versteck gewählt hatten. Tualon wusste zumindest, dass er eine Frau jagte, wohingegen sich Iskats Informationen darauf beschränkten, dass sie zwei Jedi finden sollte.
Er steckte das Lichtschwert wieder hinter seinen Rücken und seufzte. »Dann wünsche ich dir gute Jagd. Halt dich von mir fern, oder ich ziele diesmal besser.«
»Und du kommst mir besser auch nicht zu nahe. Diesmal würde ich nämlich bleiben und sichergehen, dass du stirbst, nachdem meine Soldaten dich niedergeschossen haben.«
Er deutete zu ihrem Schiff, wo das Pilzgeflecht bereits über den Rand der Einstiegsrampe emporzuwuchern begann. »Bleib lieber nicht zu lange hier. Es wäre doch schade, wenn Vader dich umbringt, weil du dein Schiff verloren hast.«
Iskat machte eine krude Geste, die sie von einem ihrer alten Klontruppler gelernt hatte, und marschierte dann wieder an Bord. Die Rampe löste sich mit einem Übelkeit erregenden Schmatzen vom Boden, und wenig später war sie erneut in der Luft und raste von Tualons Sternjäger fort.
Es hatte Spaß gemacht, mit ihm zu … flirten? Ja. Sie hatten ihre Drohungen beide ernst gemeint, aber es war trotzdem Flirten gewesen. Natürlich hätte sie sich denken können, dass er nicht mit ihr zusammenarbeiten würde, dennoch war sie enttäuscht. Die anderen Inquisitoren hatten alle einen gehässigen, misstrauischen Zug an sich, und sie hatte gehofft, dass sie nicht die einzige Ausnahme wäre. Aber vielleicht war es unausweichlich, dass sie so grausam und freudlos wurden, nachdem die Inquisition sie folterte und ihren Willen brach, um sie vom Einfluss der Jedi zu befreien. Iskat war die Einzige gewesen, die dieses Leben ohne die Androhung von Leid gewählt hatte.
Halt, nein, überlegte sie. Der Großinquisitor hatte sicher keinen Folterstuhl gebraucht, und auch der Fünfte Bruder schien noch ganz er selbst zu sein. Trotzdem … selbst jetzt, als Mitglied der Inquisition, fühlte sie sich noch immer wie eine Außenseiterin.
Tualon hatte seine Geheimnisse nicht preisgeben wollen, also würde sie ihre Beute allein finden müssen – und sie musste dabei schneller sein als er. Falls er eine andere Jedi jagte und ihre Zielpersonen sich zusammengedrängt hatten wie hirnlose Schafe, könnte Iskat ihre Mission erfüllen und ihm gleichzeitig eins auswischen. Aber falls er ihr zuvorkam, würde er garantiert dasselbe tun. Dann bliebe ihr nichts anderes übrig, als Tualon ebenfalls zu töten und sich seine Trophäen zu nehmen. Denn ganz gleich, wie weit sie gehen oder was sie tun musste – sie würde nicht mit leeren Händen von dieser Mission zurückkehren.
Der Himmel über Firrhana war stumpfgrau und drückend. Die Luft pfiff ungewöhnlich laut um ihr Schiff herum, während Iskat die Augen schloss und sich der Macht öffnete, um ihre Sinne über die Oberfläche streichen zu lassen, so wie Fingerspitzen über ein Schloss tasteten. Das war im Moment ihr größter Vorteil: Sie hatte ein Talent, Dinge wahrzunehmen, die anderen entgingen, wohingegen Tualon nie sonderlich scharfsichtig in der Macht gewesen war. Na schön, er hatte das Schiff gefunden, aber es war offensichtlich schon vor langer Zeit aufgeben worden. Iskat musste die Jedi nur vor ihm finden, und …
Da. Ein Wirbel aus dunkler Energie.
Sie riss das Steuer herum und hielt auf eine Reihe gezackter, dunkler Gipfel zu, die über einem Feld aus geschwärzter Lava emporragten. Als sie näher kam, entdeckte sie die Überreste eines Tempels; aus der Ferne sah er aus wie eine weitere Felsspitze, die sich ein kleines Stückchen höher erhob als die anderen ringsum. Aber der Ort hatte seine Klauen tief in das Land gegraben, und er pulsierte vor uralter, verzerrter Energie, wie eine Wunde, die nie richtig verheilt war. Gewiss war er einst von den Sith errichtet worden. Iskat fand ein Stück ebenen, nackten Felsens und landete unweit der großen Steintüren, in die früher einmal Figuren hineingemeißelt worden waren, aber der Zahn der Zeit und die aschegeschwängerten Winde hatten sie inzwischen vollständig glatt geschliffen.
Wäre sie noch eine Jedi, würde sie sich genau hier verstecken.
Ein Tempel, durchdrungen von der Dunklen Seite, die der Orden stets bekämpft hatte – dies war der letzte Ort, wo man nach ihr suchen würde.
Sie setzte ihren Helm auf und tastete ihre diversen Waffen ab, einschließlich des roten Lichtschwerts hinter ihrem Rücken und der gelben Klinge ihrer Mutter, die sie an ihrem Gürtel trug.
»Haltet euch bereit«, wies sie ihre Auslöschungstruppler an. »Aber verlasst das Schiff erst, wenn ich das Signal gebe.«
Niemand antwortete ihr oder nickte auch nur; ihre Reglosigkeit musste Iskat als Bestätigung genügen.
Sobald sie von Bord gegangen war, legte sie eine Hand auf die Oberfläche des Planeten und öffnete sich einmal mehr der Macht. Kurz spürte sie das vertraute Kribbeln der Aufregung – der Vorfreude darauf, was sie enthüllen mochte. Diesmal wurde sie durch die Berührung der Dunklen Seite belohnt: eine uralte Energie, tief aus dem Boden unter ihr, die lange darauf gewartet hatte, von jemandem mit ihrem Potenzial erweckt zu werden. Sie zeigte Iskat, dass Firrhana längst nicht so leblos war, wie es erscheinen mochte. Krabbenähnliche Gliederfüßler krabbelten zwischen den Felsen umher, und ledrige Reptilien mit rudimentären Flügeln nutzten ihre fleckige schwarze Haut als Tarnung, während sie in Spalten und Ritzen auf der Lauer lagen. Sogar das allgegenwärtige, fasrige Pilzgewebe war lebendig und hungrig, und es beherbergte eine Unzahl winziger, durchscheinender Schnecken, welche giftigen Schleim absonderten.
Der Planet mochte nicht mehr vor Pflanzen und Tieren überquellen, aber selbst in seinem verwüsteten Zustand hatte er noch Zähne.
Und irgendwo in dem Tempel vor ihr spürte Iskat noch etwas. Das Flackern von intelligentem Leben.
Ihre Jedi – oder vielleicht auch Tualons Jedi. Aber wer immer es auch war, er war hier.
Zeit, auf die Jagd zu gehen.
Sie näherte sich der großen Tür und hob die Hand, um zu klopfen.
»Wer stört den erhabenen Lord Jakadis, den größten Kopfgeldjäger des Outer Rim, die Geißel der einst mächtigen Jedi und den gefeierten Sammler von Machtrelikten aller Art?«, ertönte die männliche Stimme eines Protokolldroiden. »Ich sehe, Sie sind allein. Haben Sie keine Gefangenen, die Sie abliefern möchten? Dann vielleicht Jedi-Artefakte? Oder sind Sie hier, um Lord Jakadis’ Waren in Augenschein zu nehmen?«
Schlagartig ergab alles Sinn.
Diese Festung war nicht das Versteck ihrer untergetauchten Jedi.
Man hatte sie gegen ihren Willen hierhergebracht, als Gefangene. Ihre Gedanken rasten.
»Mein Meister hat einen Jedi an Bord unseres Schiffes«, sagte sie, wobei sie die Gesichtsplatte ihres Helms gesenkt hielt. »Ich soll sicherstellen, dass Jakadis auch für ihn bezahlen kann.«
»Lord Jakadis ist immer zu Verhandlungen bereit, vor allem, wenn es um berühmte Jedi geht. Hat Ihr Meister irgendwelche Artefakte mitgebracht? Vielleicht das Lichtschwert des Jedi? Die mag Lord Jakadis besonders.«
Iskat nahm die Waffe ihrer Mutter vom Gürtel und hielt sie in die Höhe. »Da ist dein Beweis. Mein Meister wird gleich mit dem Gefangenen zurück sein.«
»Wir können es kaum erwarten«, verkündete der Protokolldroide in förmlichem Ton.
Sie kehrte in ihr Shuttle zurück und wog ihre Optionen ab.
»Du.« Sie deutete auf einen Auslöschungstruppler.
»Ja, Ma’am«, sagte er mit der Klonstimme, die sie so gut kannte.
»Ich brauche deine Rüstung.«
Als Iskat wieder vor den Eingang des Tempels stand, blickte sie zum ersten Mal durch den Helm eines Trupplers. Es war erstaunlich leicht, zu atmen und zu sehen, und die eingeblendeten Anzeigen lieferten jede Menge zusätzlicher Informationen. Sie konnte jetzt verstehen, warum so viele Klone nur ungern ihre Helme abgenommen hatten. Der Auslöschungstruppler neben ihr – er hörte auf den Namen Sechs-Sieben – trug Kleidung, die Iskat auf die Mission mitgenommen hatte: ein loses Hemd, eine weite Hose und einen Mantel, dessen Kapuze tief nach unten gezogen war, um die rote Tätowierung auf seiner rechten Gesichtshälfte zu verbergen. Handschellen lagen um seine Handgelenke, und auch wenn es nur ein Täuschungsmanöver war, konnte sie doch spüren, wie sehr er es hasste, gefesselt zu sein.
Er schien nicht gerade viel Persönlichkeit zu haben, oder vielleicht verbarg er sie auch einfach nur. Doch er war gut darin, Befehle zu befolgen, und deswegen lag er nun neben ihr auf dem Rücken, nachdem sie ihn an einem Bein hierhergeschleift hatte. Das Terrain war felsig und uneben, aber darauf hatte sie keine Rücksicht nehmen können. Andererseits schienen Inquisitoren grundsätzlich keine Rücksicht zu nehmen, weder aufeinander noch auf ihre Untergebenen. Sie würden sich höchstens vor dem Großinquisitor oder Vader entschuldigen, und vermutlich selbst dann nur, wenn es um ihr Leben ging.
Unter ihrer geborgten Rüstung trug Iskat einen eng anliegenden schwarzen Körperanzug, der Erinnerungen an Thule in ihr wachrief. Ihr rotes Lichtschwert und die gelbe Klinge ihrer Mutter hatte sie an ihrem Ausrüstungsgürtel eingehakt, um die Hände für den Blaster des Trupplers frei zu haben. Vielleicht war es nicht unbedingt nötig gewesen, in die Rüstung zu schlüpfen, aber sie hatte keine Ahnung, was sie auf der anderen Seite dieser Tür erwartete. Falls der Kopfgeldjäger Jedi sammelte, wollte sie nicht riskieren, dass er sie als Machtbenutzerin erkannte.
»Wer ist der Jedi?«, fragte der Droide.
»Tualon Yaluna.« Der Modulator des Helms verlieh ihrer Stimme einen geschlechtsneutralen Klang. »Ein Jedi-Ritter.«
Mehrere Sekunden herrschte Stille, dann glitt die Tür auf.
»Bitte, folgen Sie den Lichtern zum Audienzsaal«, forderte der Droide sie auf. »Dort werden wir die Ware überprüfen und ihren Wert abschätzen.«
Mit einem Seufzen schleifte Iskat den verkleideten Truppler durch den Korridor, einer Linie hilfreich blinkender Lichter auf dem glatten schwarzen Boden folgend. Sie kam an mehreren Türen vorbei, die symmetrisch entlang der Wände angeordnet waren, aber der Weg zum Audienzsaal war erschöpfend lang. Offenbar wollte Jakadis Besucher tief ins Innere seines Hauptquartiers locken – keine schlechte Taktik, wie Iskat fand. Sie hätte dasselbe getan.
Die Lichter führten zu einem Durchgang auf der rechten Seite des Korridors, und kaum dass sie Sechs-Sieben hindurchgezogen hatte, glitt die Tür hinter ihr zu. Iskat war nun mehr oder weniger eingeschlossen, und zwar in einem Raum mit hoher Decke, der direkt aus dem Lavagestein der Felsnadel herausgehauen war. Auch hier fühlte sie sich an Thule erinnert, und sie spürte das wohlige Pulsieren, das sie inzwischen automatisch mit alten Relikten der Dunklen Seite assoziierte. In der Mitte des Saals stand ein großer Steinaltar, und an den Wänden zog sich ein Balkon dahin, was den Schluss nahelegte, dass hier früher einmal wichtige Rituale durchgeführt worden waren. Als Iskat ihre Sinne ausstreckte, spürte sie eine Leere unter sich – vermutlich eine Falltür. Rasch trat sie von der Stelle zurück und platzierte dann auch den Truppler so, dass er nicht in die Tiefe stürzen würde, sollte die Falle ausgelöst werden.
»Bitte, machen Sie es sich bequem. Wir werden in Kürze bei Ihnen sein, um die Ware zu begutachten und über die Bezahlung zu sprechen«, sagte der Droide höflich. Anschließend verstummten die Lautsprecher.
Iskat vergeudete keine Zeit. Sie machte eine unauffällige Handbewegung, woraufhin die drei Kameras in den Ecken mit durchtrennten Kabeln ausfielen.
»Steh auf und nimm den Blaster«, befahl sie Sechs-Sieben, der sofort gehorchte. »Wer immer durch diese Tür kommt, erschieß ihn und warte dann auf mich.«
»Ja, Ma’am.«
Sie schälte sich rasch aus ihrer Rüstung und gab sie Sechs-Sieben zurück; er würde sie dringender brauchen. Außerdem musste sie sich frei bewegen können, jetzt, da sie an dem Droiden und den äußeren Verteidigungsmaßnahmen vorbei war. Sobald der Truppler bewaffnet und bereit war, schlüpfte Iskat in den Mantel, den er gerade noch getragen hatte, und kletterte zu dem Balkon hoch. Sie schwang sich über die Brüstung und eilte zum nächstgelegenen, höhlenartigen Durchgang, der tiefer in das Bauwerk hineinführte.
Hinter der Tür erwartete sie ein weiterer Korridor, seine Wände bedeckt mit den geometrischen Reliefs von Figuren, die dreieckige Objekte und Waffen trugen. Dies war das zweite Mal, dass Iskat sich in einem Sith-Bauwerk wiederfand, und sie spürte dieselbe wohlige Vertrautheit wie schon auf Thule. Es war nicht mit dem warmen, heimeligen Gefühl der Zugehörigkeit vergleichbar, das sie auf Pkori empfunden hatte, aber doch ein angenehmer Empfang – wie bei einem Haustier, das ohne einen alt geworden war und einen nun als Freund betrachtete, nicht aber als Herr.
Iskat spürte ein Prickeln in ihrem Hinterkopf, während sie sich durch labyrinthartige Korridore und gewundene Treppenaufgänge vortastete. Hier waren keine weiteren Kameras oder Lautsprecher zu sehen, und sie hörte auch keine weitere körperlose Droidenstimme. Die meisten Besucher warteten vermutlich bereitwillig im Audienzsaal, um ihre Geschäfte mit dem Kopfgeldjäger zu machen. Und wenn nicht bereitwillig, dann zumindest, ohne sich zu beschweren – und ganz sicher, ohne über den Balkon zu klettern. Iskat folgte einem leichten Wogen in der Macht, das sich wie ein Jedi anfühlte. Je näher sie seinem Ursprung kam, desto sicherer wurde sie, dass es sich bei ihrer Beute um jemanden handelte, den sie kannte.
Schließlich führte ihr Weg unter den Audienzsaal hinab, und sie fand sich in einem Arrestbereich wieder; eigentlich kein Wunder, schließlich war sie hier direkt unter der Falltür. Die Durchgänge an den Wänden waren kleiner als oben und mit alten Schlössern versehen. Als Iskat auf die erste Tür zuging, rann ein Schauer über ihren Rücken.
Sie benutzte das Lichtschwert ihrer Mutter, um das Schloss zu durchtrennen, hängte die Waffe dann wieder an ihren Gürtel und stieß die Tür auf.
»Wer ist da?«
Die Stimme klang vertraut, eine Mischung aus Autorität und Furcht, die genauso unangenehm war wie vor all den Jahren auf Coruscant.
»Charlin Plaka?«