11.

Die Dunkle Seite.

Diese Worte wurden im Tempel nur selten ausgesprochen, und wenn, dann leise und feierlich, von Jedi-Meistern, die ihre Schützlinge vor dem Gefährlichsten warnten, dem sie womöglich irgendwann die Stirn bieten mussten. Iskat selbst hatte diese Bezeichnung zuletzt gehört, als Sember sie eindringlich darum ersucht hatte, den Ruf der Sith-Schrift zu ignorieren, die sie auf ihrer letzten Mission entdeckt hatten.

»Meine Meisterin hat mir von einem dieser für die Allgemeinheit unzugänglichen Orte erzählt – von einem Ort, an dem Artefakte der Dunklen Seite sicher verwahrt werden. Wissen Sie, wo das sein könnte?«

Der Selonianer hob achselzuckend eine Schulter, während er sich wieder dem LEP-Droiden zuwandte. »Keine Ahnung. So was geht mich auch nichts an. Ich habe bloß zufällig das Reinigungspersonal darüber reden hören. Nichts weiter.«

Ein Schauer überlief Iskat und sorgte dafür, dass sich die feinen Härchen auf ihren Armen aufrichteten.

Sie blickte hinauf zur Spitze der Gelassenheit, die sich über dem Tempel erhob. »Es gibt so vieles, was sie uns nicht sagen«, murmelte sie, und unwillkürlich kamen ihr ihre Erfahrungen auf Geonosis in den Sinn und wie es sich anfühlte, wenn das Töten zum Einzigen wurde, was plötzlich noch eine Rolle spielte. »Wir verbringen so viel Zeit damit, zu studieren, zu meditieren und uns fit zu halten, aber wenn wir irgendwelche Fragen stellen, die den Meistern unangenehm sind, antworten sie statt mit Ehrlichkeit mit Plattitüden und weisen Sprüchen.«

»Das machen die, die das Sagen haben, immer so. Denn wenn ihr zu viel wüsstet, könntet ihr …« Er brach ab.

»Könnten wir was?«

Er brummte leise, während er weiter an dem Droiden herumfummelte. »Sagen wir einfach, wenn Leute nicht wollen, dass du etwas Bestimmtes weißt, dann meist deshalb, weil ihnen das mehr nützt als dir. Jedenfalls meiner Erfahrung nach.«

»Ich frage mich einfach, ob ich vielleicht … noch ungenutztes Potenzial besitze. Ob man mich vorsätzlich gelehrt hat, gewisse Aspekte meines Wesens zu ignorieren, die ich stattdessen eigentlich lieber hätte stärken sollen.«

»Es ist nie zu spät, zu lernen und zu wachsen. Die Zeit vergeht so oder so.«

Iskat lächelte. So hatte sie das noch nie betrachtet. Doch der Gedanke war tröstlich. Auf Geonosis hatte sie etwas Neues über sich selbst erfahren, und jetzt wollte sie wissen, wo das hinführte.

Vor allem, da Sember nicht mehr da war, um sie zur Ordnung zu rufen.

Nein.

So verführerisch diese Vorstellung auch sein mochte – allein, so etwas zu denken, war untersagt.

Ihre Aufgabe bestand darin, zu lernen, die Macht noch besser zu beherrschen.

Sie konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt. Sember mochte fort sein, aber Iskat spürte eine seltsame Verbundenheit zu diesem Droidentechniker. Sie hatte das Gefühl, ihm gegenüber offener sein zu können als bei jedem anderen, dem sie je begegnet war, insbesondere unter den Jedi. Er hörte ihr unvoreingenommen zu, ohne über sie zu urteilen, ohne Angst vor ihr zu haben, ohne sie an Lehren und Grundsätze zu erinnern, die man ihr von Kindesbeinen an eingebläut hatte. Außerdem sprach er ehrlich über seine Gefühle, was sie unter den Jedi noch nie erlebt hatte, da es unter ihresgleichen verpönt war, sich mit seinen eigenen Ängsten und Sehnsüchten auseinanderzusetzen.

»Lassen wir doch die Förmlichkeiten«, sagte sie. »Wie heißt du?«

Der Selonianer schaute grinsend auf. »Heezo.«

»Ich bin Iskat. Freut mich, dich kennenzulernen.«

Heezo wirbelte seinen Schraubenschlüssel herum und brummte. »Iskat. Ich glaube, ich habe sie über dich sprechen hören.«

Sie ließ den Kopf hängen, wenn auch nur ein wenig. »Ich bin sicher, sie reden ziemlich viel über mich. Mein Ruf ist nicht unbedingt der beste.«

»Oh, schlecht war es nicht, was ich über dich gehört habe. Wenn ich mich doch nur genauer daran erinnern könnte … Ich fürchte, mein Gedächtnis ist nicht mehr das, was es mal war. Ich bin nicht mehr so jung, wie ich aussehe.« Er tippte auf die grauen Strähnen unweit seiner kleinen Ohren.

»Nun …«

Der neue Kommlink an ihrem Gürtel piepte. »Iskat Akaris, findet Euch umgehend im Jellani-Garten ein!«, sagte eine forsche Stimme.

Iskat ließ ein hoffnungsvolles Grinsen sehen.

»Ist das etwas Gutes?«, fragte Heezo. »Wenn man mir sagt, ich soll mich bei irgendwem melden, dann heißt das für gewöhnlich, dass ich in Schwierigkeiten stecke. Du dagegen scheinst erfreut darüber zu sein.«

»Na ja, ich habe meinen Kommlink gerade erst bekommen, und das ist das erste Mal, dass man mich sehen will, seit ich von Geonosis zurück bin. Ich warte seit Wochen darauf, dass irgendetwas passiert, und vielleicht ist es jetzt ja endlich so weit!« Sie stand auf und strich die Ärmel ihrer Robe glatt. Wenigstens haben sie mich nicht in die Archive bestellt, dachte sie.

Heezo schaute mit zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen zu den endlosen Reihen von Schiffen empor, die am Himmel über Coruscant kreuzten. »Wahrscheinlich sollte ich dir das gar nicht erzählen, aber du bist nicht die Einzige, die heute in den Jellani-Garten gerufen wurde. Hast du die vielen Shuttles bemerkt, die momentan starten? Da braut sich irgendwas zusammen.«

Das klang vielversprechend. Natürlich waren Iskat die Shuttles aufgefallen, doch in Anbetracht des regen Verkehrs auf Coruscant hatte sie ihnen keine weitere Beachtung geschenkt.

»Wenn du die andere Tür nimmst, sparst du ein bisschen Zeit«, erklärte Heezo. »Dort geht es in einen Gang in der Nähe der Kleiderausgabe. Mir sind keine Vorschriften bekannt, dass es Jedi untersagt wäre, die Personalflure zu benutzen, und du scheinst es auf einmal sehr eilig zu haben.« Wieder dieses Grinsen.

Iskat änderte sogleich ihre Richtung, froh über die Möglichkeit, Jocastas gestrengem Blick in der Bibliothek zu entgehen. Sie blieb vor der Tür stehen, durch die Heezo gewöhnlich den Garten betrat.

»Danke«, sagte sie.

Er sah überrascht auf. »Wofür?«

»Dafür, dass du mir einfach zuhörst, ohne mich für irgendetwas zu verurteilen. Das kenne ich so nicht.«

»War denn deine Meisterin nicht für dich da? Ich dachte, so läuft das bei euch Jedi.«

Iskat griff instinktiv nach ihrem Amulett. »Sie tat ihr Bestes, um mir zu helfen, aber ich glaube, sie mochte mich nicht besonders. Verstanden hat sie mich jedenfalls nicht.«

»Jeder verdient es, verstanden zu werden«, entgegnete Heezo. »Besonders, wenn man sich anders fühlt.«

»Danke. Auch das hört man im Jedi-Tempel nicht allzu häufig.«

Mit einem letzten, respektvollen Nicken trat sie durch die Tür und fand sich in einem schmalen, schmucklosen Gang wieder. Der Gang wiederum führte zu einer Tür, die sie in die Nähe der Kleiderkammer brachte, so wie Heezo gesagt hatte. Iskat nahm den Aufzug, um aufs Dach des Tempels hinaufzufahren, wo sich unterhalb der hoch aufragenden Türme die Meditationsgärten erstreckten. Eigentlich hatte sie angenommen, eine solche Aufforderung, sich irgendwo einzufinden, käme von einem Mitglied des Jedi-Rats, aber jetzt war sie sich dessen nicht mehr so sicher, denn sie hatte nicht die geringste Ahnung, wer sie herbeigerufen hatte oder warum. Und da sich die Dinge im Tempel nur selten änderten, wuchs Iskats Neugier angesichts dieser neuen Entwicklung nur noch weiter.

Als sie den Eingang zum Jellani-Garten erreichte, verlangsamte sie ihre Schritte, strich ihr Haar nach hinten, ordnete ihre Ärmel und achtete darauf, ihre Schultern durchzudrücken. Sie wollte das Selbstbewusstsein und die Zuversicht einer Jedi-Ritterin vermitteln, ruhig, gelassen und zentriert, auch wenn sie in Wahrheit aufgeregt und auch ein bisschen besorgt war … und sich, um ehrlich zu sein, immer noch wie ein Padawan fühlte.

Im Jellani-Garten blühten Pflanzen aus der gesamten Galaxis, und der Duft der Blumen umfing Iskat, während die sanfte Brise zarte rosafarbene Blüten herabregnen ließ. Auf zwei Steinbänken saßen Yoda und die tholothianische Meisterin Adi Gallia, mit einer Kiste zwischen sich. Vor ihnen stand ein Jedi-Ritter namens Josk Nivar, der Iskat ein nichtssagendes Lächeln schenkte, als sie zu ihnen trat.

»Iskat Akaris«, sagte Yoda. »Einen mehr wir noch erwarten.«

Iskat nickte den beiden Meistern zu, ehe sie Josk mit einem knapperen Nicken bedachte. Obwohl sie seinen Ruf kannte, hatten sie nie zusammen trainiert oder gelernt. Er war ein hellhäutiger, hellhaariger Mensch, der sich unter den Jedi allgemein großer Beliebtheit erfreute und die letzten Jahre in diplomatischer Mission auf Chandrila verbracht hatte. Im ersten Moment war Iskat überrascht, ihn ohne seine energiegeladene junge Padawan-Schülerin zu sehen, eine Sullustanerin, bis ihr einfiel, dass das arme Mädchen zu denen gehörte, die auf Geonosis gefallen waren.

Als Tualon mit ausgreifenden Schritten durch den Garten eilte, flatterten Iskats Herzen vor Aufregung, und ihre Neugier, was es mit diesem Treffen auf sich haben mochte, wuchs schier ins Unermessliche.

Yoda winkte die drei Jedi-Ritter nach vorn. Als Iskat zwischen Josk und Tualon stand, fiel ihr auf, dass Tualon jetzt, als Jedi-Ritter, noch ein bisschen größer zu sein schien als zuvor. Und er war ohnehin schon groß.

»Der Krieg nun wahrhaft begonnen hat«, sagte Yoda. Selbst für jemanden, der Hunderte Jahre alt war, klang er müde und resigniert. »Aber ungeachtet ihrer sonstigen neuen Verpflichtungen die Republik schützen die Jedi müssen. Meisterin Gallia?«

Adi Gallia holte drei Datenpads aus der Kiste hervor und hielt sie ihnen hin. »Wir brauchen euch auf Thule. Der Republikanische Geheimdienst hat erfahren, dass die Separatisten-Armee kurz davor steht, dort den Bau einer Fabrik zur Fertigung weiterer Kampfdroiden abzuschließen. Es ist zwingend erforderlich, dass diese Fabrik unverzüglich unschädlich gemacht wird, bevor die Produktion anlaufen kann. Ihr werdet von einer Kompanie Klontruppler unterstützt. Eure Aufgabe besteht darin, die Verteidigungsanlagen der Fabrik zu überwinden und sicherzustellen, dass dort keine Waffen hergestellt werden können, weder jetzt noch in Zukunft.«

Die drei Jedi-Ritter nahmen jeweils eins der Datenpads entgegen, und Iskat begann sogleich, die Informationen zu sichten, die auf ihrem gespeichert waren.

Josk hob die Hand, wie ein Schüler im Unterricht, und Gallia nickte ihm zu. Wie albern, dachte Iskat.

»Warum bombardiert die Republik die Fabrik nicht einfach aus der Luft, Meisterin?«

»Dazu ist die Anlage zu schwer gepanzert. Außerdem sollten wir es uns nicht zur Gewohnheit machen, Planeten zu zerstören«, erklärte Gallia mit Nachdruck. »Hinzu kommt, dass wir diese Fabrik möglichst intakt brauchen, da wir Grund haben, anzunehmen, dass wir in den Besitz von Informationen über weitere Fertigungsanlagen dieser Art gelangen können, wenn es uns gelingt, uns in ihr System zu hacken, einschließlich deren Standorten und Produktionsplänen. Wir müssen in dieser Angelegenheit mit etwas mehr Fingerspitzengefühl vorgehen. Deshalb werdet ihr auf euch allein gestellt sein. Es dürfen keine Kommsignale nach Coruscant zurückverfolgt werden können.«

Als Nächstes hob Tualon die Hand.

»Meisterin, warum machen wir uns Gedanken über eine Fabrik auf Thule, wo die Separatisten gegenwärtig dabei sind, die natürlichen Ressourcen von Praadost II auszubeuten und die Bevölkerung zu dezimieren? Mittlerweile soll die Luft dort kaum noch atembar sein! Wie ich höre …«

Meisterin Gallia winkte ab. »Der Hohe Rat der Jedi arbeitet eng mit dem Senat und dem Obersten Kanzler zusammen, um die Strategien zu entwickeln, die uns am besten geeignet scheinen, der Bedrohung durch die Separatisten ein für alle Mal ein Ende zu machen. Unsere Pflicht als Jedi ist es, zu dienen, und wir wollen, dass ihr genau dort unserer Sache dient.«

Iskat rümpfte die Nase – eine Geste, die Meisterin Sember ihr auszutreiben versucht hatte, doch offensichtlich ohne nennenswerten Erfolg. Obgleich Iskat die Nachrichten im Holonetz nicht so intensiv verfolgte wie Tualon, musste sie zugeben, dass sein Einwand berechtigt war. Droiden daran zu hindern, Droiden zu bauen, erschien auch ihr nicht wichtiger, als zu verhindern, dass durch ausbeuterischen Tagebau das Ökosystem, die Atemluft und die Bevölkerung eines ganzen Planeten vernichtet wurden.

»Die Gedanken des Obersten Kanzlers kennen ihr tut nicht«, erinnerte ihn Yoda. »Doch eine wichtige Aufgabe euch übertragen wurde.«

»Auf diesen Datenpads findet ihr Karten, Grundrisse und verschiedene Taktiken, die unsere Strategen für am erfolgversprechendsten halten. Josk übernimmt das Kommando – Iskat und Tualon, ihr seid ihm unterstellt. Euch wurde eine Kompanie Klontruppler zugeteilt, mit denen ihr bis auf Weiteres eng zusammenarbeiten werdet. Daher wäre es eine gute Idee, sie kennenzulernen und sich mit ihren Vorgehensweisen vertraut zu machen. Captain CT-1123 war mit seinen Soldaten auf Geonosis, ohne dass sein Zug irgendwelche Verluste erlitten hätte. Ihr könnt auf ihn und seine Truppe zählen.«

»Die Zeit gegen uns ist. Sofort aufbrechen ihr müsst.« Yoda seufzte schwer, als hätte er diese Ansprache heute schon zu oft gehalten. »Möge die Macht mit euch sein.«

Iskats Blick wanderte zu Josk und Tualon. Josk wirkte entschlossen, aber Tualon sah so verloren aus, wie sie selbst sich fühlte. Dies würde seine erste Mission ohne Meister Ansho sein, und obwohl der Twi’lek für gewöhnlich ausgesprochen selbstbewusst war, fragte sich Iskat, ob dieses Selbstbewusstsein vielleicht zumindest teilweise daher rührte, dass er stets einen fähigen, motivierenden Mentor an seiner Seite gehabt hatte. Bis zur Schlacht auf Geonosis waren sie beide Padawane gewesen, die die Meister eingehender im Auge behalten hatten als andere, und heute sandte man sie zu einem fernen Planeten, um eine Armee anzuführen.

Das war der Moment, in dem ihr bewusst wurde, dass der Krieg fortan ihr Leben bestimmen würde. Erst jetzt begriff sie wirklich, wie groß der Verlust war, den der Jedi-Orden in der Arena erlitten hatte.

Wie viele Leben ausgelöscht worden waren.

Es gab nur noch wenige Meister.

Da waren Padawane ohne Meister, Jünglinge ohne Lehrer, leere Sitze in jedem Rat. Und statt sich auf die nächste Generation zu konzentrieren, war der Hohe Rat gezwungen, Kinder in den Krieg zu schicken.

Jetzt mussten die neuen Jedi-Ritter in die Bresche springen und eine Bürde schultern, die zu tragen sie überhaupt nicht vorbereitet waren.

Das Gefühl von Freiheit, das Iskat nach der Ernennung zur Ritterin empfunden hatte, wich banger Unruhe.

Sie wollte unbedingt eine Aufgabe. Jetzt hatte sie eine.

Doch sie war sich nicht sicher, ob sie in der Lage war, sie zu erfüllen.

Nur weil jemand feierlich verkündete, sie habe ab sofort einen neuen Rang, hieß das noch lange nicht, dass sie ihn auch verdiente oder imstande war, ihm gerecht zu werden.

Iskat fürchtete, dass sie ohne einen kampferprobten Meister an ihrer Seite und mit dem jungen, unerfahrenen Josk Nivar als Anführer geradewegs ins Verderben geschickt wurde.

Einen Moment lang dachte sie daran, Jocasta Nus Angebot doch anzunehmen und in den Archiven zu bleiben, aber … Nun, dann wäre sie ein Feigling gewesen, jemand, der aus Angst seine Pflicht vernachlässigte. Und das würde sie niemals tun. Abgesehen davon hatte sie genau das hier doch gewollt – sie wollte, dass man ihr eine Mission übertrug. Jetzt hatte sie eine, und sie hatte vor, diese Chance zu nutzen, um sich zu beweisen, egal, um welchen Preis. Als ihr Entschluss erst einmal feststand und sie diese neue Realität voll und ganz akzeptierte, spürte sie, wie die Macht sie mit neuer Kraft durchströmte. Jedenfalls kam es ihr so vor.

»Dann lasst uns aufbrechen«, sagte Josk und deutete auf das Gartentor, bevor er als Erster hindurchging.

Josk bemühte sich ein bisschen zu sehr, kompetent und zuversichtlich zu wirken, aber Iskat konnte die Besorgnis spüren, die von ihm ausging, was ihr Vertrauen in ihn nicht unbedingt stärkte. Seine letzte Padawan-Schülerin war gestorben, und auch wenn ihn daran keine Schuld traf, bedeutete das noch lange nicht, dass Iskat bereit war, ihr Leben in seine Hände zu legen.

Andererseits: Was blieb ihr für eine Wahl? Selbst wenn Meisterin Vey noch am Leben gewesen wäre – Iskat war jetzt eine Jedi-Ritterin. Sie stand nicht mehr unter dem Schutz eines Meisters. Ihr ganzes Dasein diente allein dazu, die Anweisungen des Hohen Rats zu befolgen und der Galaxis zu dienen. Der Hohe Rat hatte beschlossen, sie dem Kommando von Josk Nivar zu unterstellen, also würde sie seinen Befehlen gehorchen. Höflich, wie er war, überließ Tualon ihr den Vortritt, und so folgte Iskat Josk aus dem Garten und in den Korridor, der zum Aufzug führte. Er ging nervtötend langsam, mit einem übertrieben wiegenden Gang, der ihn irgendwie angeberisch wirken ließ. Iskat wurde klar, dass er sich so in die Brust warf, um seine Furcht zu verbergen.

»Wir müssen schnellstens zum Landeplatz«, sagte er ein wenig zu laut. »Ich will nicht, dass unser Team den Rat enttäuscht.«

Sie sah Tualon an. Sie hatte schon immer Schwierigkeiten gehabt, sein Verhalten zu deuten, und mittlerweile hatte er seine Emotionen derart eisern unter Kontrolle, dass seine Gefühlswelt einem Bollwerk glich. Das war eins der Dinge, die sie an ihm mochte – er war geheimnisvoll. Außerdem hatte sie noch nie gespürt, dass er ihr in irgendeiner Form mit Sorge oder Argwohn begegnet wäre. Sie fragte sich häufig, was passiert wäre, wenn die anderen Jedi imstande gewesen wären, ihre Gedanken zu lesen, insbesondere Meisterin Vey. Hätten sie dann womöglich angezweifelt, ob Iskat überhaupt das Zeug dazu hatte, eine Jedi zu sein? So viele Facetten ihres Wesens hatte sie so lange mühsam unterdrückt, so viele verbotene Gefühle, die nicht den Grundsätzen der Jedi entsprachen. Dabei wollte sie nichts mehr, als eine gute Jedi zu sein, und sehnte sich danach, dieses Leben mit mehr natürlicher Leichtigkeit führen zu können. Sember hatte ihr versichert, dass sie diese Gefühle mit der Zeit beherrschen würde oder sie zumindest nachließen. Iskat hatte ihr geglaubt und ihre Studien und ihre Meditationen doppelt so entschlossen verfolgt wie zuvor.

Doch die Emotionen waren nicht weniger geworden.

Wenn überhaupt, waren sie sogar noch stärker geworden, vor allem in letzter Zeit.

Als sie an dem Gang vorbeikam, der zu dem Innenhof führte, wo sie sich vorhin mit Heezo unterhalten hatte, grübelte Iskat über das nach, was er zu ihr gesagt hatte – darüber, dass die Gerüchte stimmten und es im Jedi-Tempel tatsächlich verborgene Bereiche gab. Waren diese Kammern auf besondere Weise abgeschirmt, sodass der Sirenenruf der Objekte, die dort lagerten, nicht nach draußen dringen konnte, wie der der Sith-Schrift, die sie beschafft hatten, bevor sie die Anweisung bekamen, unverzüglich nach Coruscant zurückzukehren? Warum wurden solche Artefakte nicht einfach vernichtet? Die Sith-Schrift ging ihr nicht aus dem Kopf, ganz gleich, wie angestrengt sie sie zu vergessen versuchte. Sie konnte sich immer noch an die seltsame Energie erinnern, die das Relikt ausstrahlte, an den schwermütigen Ruf, der davon ausging, und unwillkürlich fragte sie sich, wie nah oder fern das Artefakt in diesem Moment sein mochte.

»Bist du bereit?«, fragte Tualon sie mit leiser Stimme und unterbrach damit den Fluss ihrer Gedanken.

Wann immer sie mit ihm sprach, hatte sie stets sorgsam darauf geachtet, sich unter Kontrolle zu halten, nichts Beleidigendes oder Merkwürdiges zu sagen, das ihn vielleicht veranlasst hätte, zu ihr auf Abstand zu gehen. Doch jetzt musste sie sich sogar noch mehr anstrengen. Er gehörte nicht zu denen, die sich auf ein Gespräch über die Dunkle Seite einlassen würden, dessen war sie sich gewiss.

»Zum Jedi-Sein gehört auch, zu dienen, selbst wenn man noch nicht bereit ist«, entgegnete sie so gleichmütig wie möglich. »Man lernt durch seine Taten und vertraut auf die Macht. Der Rat braucht uns, und es ist unsere Aufgabe, uns der Situation zu stellen.«

Tualon grinste; seine weißen Zähne hoben sich schimmernd von seiner schwarzen Haut ab. »›Es ist unsere Aufgabe, uns der Situation zu stellen.‹ Gefällt mir. Als wir an Bord des Shuttles nach Geonosis waren, hatte ich nicht das Gefühl, bereit zu sein. Aber als wir dann dort waren, war es, als würde sich dank unserer Ausbildung irgendwie alles wie von selbst ergeben, findest du nicht?«

Beim Gedanken daran, wie sie gegen die Geonosianer gekämpft hatte, während ihr Lichtschwert seinen tödlichen Tanz vollführte, spürte Iskat, wie sich ein Lächeln auf ihre Lippen zu schleichen drohte. »Jedenfalls ist es beruhigend zu wissen, dass unsere Meister uns gut unterwiesen haben.«

Im nächsten Moment blieb Tualon stirnrunzelnd stehen. »Oh nein! Ich habe mich gar nicht von Meister Ansho verabschiedet!«

Iskat hatte auch keine Gelegenheit gehabt, Sember Lebewohl zu sagen. Seitdem war da ständig diese Leere in ihrer Brust, als hätte sie etwas verloren, von dem sie bis dahin nicht einmal wusste, dass sie es überhaupt hatte.

»Ich bin sicher, Meister Yoda wird ihn darüber informieren«, versicherte ihm Iskat. »Meister Ansho weiß, wie es ist, vom Rat auf eine Mission geschickt zu werden, meinst du nicht?«

»Natürlich.« Tualon lachte traurig. »Natürlich weiß er das. Trotzdem ist es ein seltsames Gefühl, sich nicht von ihm zu verabschieden.«

»Gewöhn dich lieber daran«, sagte Josk vor ihnen. »Du bist kein Padawan mehr, Tualon. Du kannst nicht jedes Mal zu deinem alten Meister rennen, wenn dir die Nase läuft.«

Iskat entging die Wut nicht, die flüchtig in Tualon aufflackerte, und sofort mochte sie ihn noch ein bisschen mehr, als sie es ohnehin schon tat. Vielleicht war sie ja doch nicht die Einzige, die Schwierigkeiten hatte, ihre Emotionen zu zügeln, jetzt, da wirklich etwas für sie auf dem Spiel stand.

Josk führte sie weiter in Richtung Landeplatz, wo zu Iskats Überraschung mehrere Kanonenboote warteten, angeordnet in ordentlichen Reihen. Ein Klontruppler mit einem geometrischen, an eine Spinne erinnernden Muster auf seinem mit keilartigen roten Rangabzeichen versehenen Helm erwartete sie bereits. Seine Haltung war steif, seine Ausstrahlung wachsam und argwöhnisch.

»Captain CT-1123?«, sagte Josk, doch es war nicht wirklich eine Frage.

»General Nivar«, entgegnete der Klon mit einem respektvollen Nicken. »Nennt mich Captain Spider. Seid Ihr bereit, aufzubrechen?«

Josk hob ein wenig das Kinn, während er seine Hände in den Ärmeln seines Gewands verschränkte.

»Bringen Sie uns nach Thule. Machen wir diese kleine Droidenfabrik dicht!«