39.

Was für ein seltsames Gefühl es doch war, ein Leben zu nehmen!

Zuerst hatte Iskat die Geonosianer abgeschlachtet, aber das waren gesichtslose Soldaten in einem Krieg gewesen.

Ein fairer Kampf.

Später hatte sie eine Handvoll Arbeiter unter der Fabrik auf Thule getötet, aber das war ein Unfall gewesen, und sie hatte die Leichen nicht mal gesehen. Sie hatte einfach die Thermaldetonatoren geworfen und war davongerannt.

Kollateralschäden.

Und dann war da Heezo, aber er hatte sie schließlich hintergangen.

Das war kein fairer Kampf gewesen, und es war auch nicht im Krieg geschehen.

Eine Bestrafung.

Und nun das hier.

Das war persönlich.

Sie verspürte weder Bedauern noch Scham oder Trauer, als sie auf Charlin hinabblickte.

Die Twi’lek war eine Kriminelle gewesen – Betonung auf gewesen. Die Jedi hatten die Republik verraten, und darum hatte man sie ausgerottet. Charlins Tod war also bereits vom Imperator angeordnet worden. Und dann war sie töricht genug gewesen, sich gefangen nehmen zu lassen. Selbst wenn Iskat über all das persönliche Leid hinwegsah, das sie der Twi’lek verdankte, hatte sie den Tod verdient.

Es war überraschend leicht gewesen, die Jedi zu töten. Andererseits hatte Charlin sie schon immer unterschätzt, das war ihr Fehler gewesen. Das war der Fehler des gesamten Ordens gewesen. Die Jedi hatten ihr wahres Potenzial nie erkannt, hatten ihre Gabe niemals zu schätzen gewusst. Auf gewisse Weise hatten sie versucht, sie zu zerstören.

Aber nun würde Iskat sie zerstören, einen untergetauchten Jedi nach dem anderen.

Es fühlte sich gut an, richtig gut. Sie hatte ihre wahre Bestimmung gefunden.

Iskat ging noch einmal zurück und strich mit den Händen über Charlins Leiche. Sie suchte nach einer Trophäe, aber da war nichts Nützliches; Jakadis hatte die Jedi offensichtlich durchsucht, bevor er sie in diese Zelle geworfen hatte. Sobald Iskat hier fertig war, würde sie die Reliktsammlung des Kopfgeldjägers ausfindig machen und den schlichten, auf Hochglanz polierten Schwertgriff an sich nehmen, der einmal Charlin gehört hatte. Oh, wie befriedigend es sein würde, die Waffe dem Großinquisitor zu überreichen und offiziell ihr erstes Opfer für sich zu beanspruchen!

Und falls Charlin eigentlich Tualons Ziel gewesen war?

Nun, umso besser.

Auf dem Korridor war alles still. Iskat spürte kein Anzeichen von Leben in den anderen Zellen – mit einer Ausnahme. Ein paar Türen weiter entdeckte sie eine Jedi, die sie nicht von früher kannte. Die Zeltronerin fuhr von ihrer Bank hoch, als die Tür aufschwang, und Hoffnung ließ ihre Augen leuchten.

»Oh, den Sternen sei …«

Iskat hielt noch immer ihr Lichtschwert in der Hand, und bevor die Frau den Satz beenden konnte, war sie bereits tot. Der Großinquisitor hatte ja gesagt, dass man den Jedi keine Gelegenheit geben sollte, Lügen zu spinnen oder um ihr Leben zu betteln. Da Charlin offenbar mit Klefan hier eingetroffen war, lag der Schluss nahe, dass es sich bei der Zeltronerin um Tualons Beute handelte. Iskat grinste. So oder so, sie hatte beide getötet. Jetzt musste sie nur noch das Lichtschwert der Frau finden, bevor er es in die Finger bekam.

Nachdem sie auf den Korridor zurückgekehrt war, zerstörte sie sämtliche Schlösser und spähte in die trostlosen, kargen Kammern. Wie erwartet, waren sie alle leer; Jakadis musste den Rest seiner Ware anderweitig verkauft haben. Das Schloss einer Zelle lag bereits geborsten auf dem Boden, als Iskat sie erreichte. Meister Klefans Kräfte hatten ihn wohl noch nicht ganz im Stich gelassen. Sie schloss die Augen und griff in die Macht hinaus. Als sie ein leichtes Zupfen spürte, folgte sie dem vertrauten Gefühl durch den Irrgarten aus Gängen und Treppen, tiefer unter die Oberfläche.

Man hatte die gesamte Basis ins Innere des Berges hineingegraben, und die Wände aus uraltem, pockennarbigem Lavafels waren so schwarz, dass sie jegliches Licht zu absorbieren schienen. Iskat musste ihre rote Klinge benutzen, um den Weg vor ihr zu erhellen. Sie wünschte, sie hätte mehr Zeit, um die dunklen Reliefs an den Wänden zu betrachten, denn sie erinnerten auf frappierende Weise an Thule. Tatsächlich erinnerte der gesamte Ort an Thule. Er fühlte sich behaglich, geradezu einladend an. Iskat konnte die Energie der Dunklen Seite spüren, die durch den Fels vibrierte und jeden Stein durchtränkte wie Wasser einen Schwamm.

Schließlich gelangte sie auf einen Korridor, der in einen großen Raum mündete. Die Tür stand bereits offen. Iskats Herzschlag beschleunigte sich, während sie ihre Klinge deaktivierte und die Waffe hinter ihrem Rücken unter den Mantel steckte. Sie wusste bereits, wer sie in dem Raum erwartete, und ein rotes Lichtschwert würde nur Fragen aufwerfen, mit denen sie sich noch nicht auseinandersetzen wollte. Aus demselben Grund schirmte sie sich auch in der Macht ab und benutzte die Techniken, die man ihr so sorgsam beigebracht hatte, um ihre Gefühle zu verbergen.

Fackeln erhellten den Raum, dessen Wände von leeren Regalen gesäumt wurden. Iskat konnte sich bildlich vorstellen, wie es hier ausgesehen hatte, als diese Regale noch mit Schriften und Holocrons angefüllt gewesen waren, denn ihr Echo war noch immer in der Macht präsent, wie ein Geist, der geduldig darauf wartete, die nächste Generation von Machtbenutzern in Versuchung zu führen. Vielleicht hatte Jakadis all die Texte bereits an den Meistbietenden verkauft. Vielleicht hatte er sie aber auch versteckt, so wie die Jedi oder der Großinquisitor es getan hätten, an einem geheimen Ort, wo nur er Zugang dazu hätte.

In der Mitte des Raums befand sich eine große Steintruhe, und davor stand ein Jedi-Meister, den Iskat genau kannte und der nach Kräften versuchte, die Truhe zu öffnen. Als sie Klefan Opus das letzte Mal gesehen hatte, hatte er neben dem rundlichen, weisen Meister Uumay gesessen und sie mit Lob überhäuft – Lob, welches Iskat gierig in sich aufgesogen hatte, so wie vertrocknete Erde das Regenwasser aufsaugte. Die Folgen seiner Gefangenschaft waren ihm deutlich anzusehen; Klefan wirkte erbärmlich schwach und deutlich schmaler, jetzt, da seine Hautsäcke nicht mehr prall gefüllt waren. Seine Handgelenke waren noch immer gefesselt, während er hilflos an dem reich verzierten Deckel der Truhe zerrte.

»Braucht Ihr vielleicht Hilfe, Meister?«, fragte Iskat, woraufhin er herumwirbelte und die Zähne bleckte wie ein Tier, das in der Falle saß und kurz davor war, sein eigenes Bein durchzubeißen.

Aber dann erkannte er sie, und er sank erleichtert in sich zusammen. »Iskat! Den Sternen sei Dank! Komm, hilf mir mit dieser Truhe.« Er war so froh, sie zu sehen, dass er leise lachte. »Ich fürchte, ich habe meine Kräfte erschöpft, als ich meine Zelle aufbrach.«

Als sie sich nicht rührte, neigte er den Kopf zur Seite. »Sag, wo kommst du eigentlich her? Hat Jakadis dich ebenfalls gefangen genommen? Bist du aus den Zellen entkommen?«

»Nein.«

Sie ging hinüber und benutzte die Macht, um den Deckel von der Truhe zu schieben und ihn fast geräuschlos auf den Boden hinabschweben zu lassen. Darunter kamen drei Lichtschwerter zum Vorschein, außerdem mehrere Statuen, ein Holocron und ein paar alte Schriften, die aussahen, als würde die Bindung sich bei der kleinsten Berührung in eine Staubwolke auflösen. Klefan versuchte, in die Truhe zu greifen, aber er war nicht groß genug, und ohne die Hilfe der Macht blieb sein Lichtschwert außer Reichweite.

»Würdest du deinem alten Lehrer wohl unter die Arme greifen?«, bat er.

Iskat tat ihm den Gefallen und hob sein Lichtschwert aus der Truhe. Es kam nicht oft vor, dass man die Klinge eines anderen in der Hand hielt; diese Waffen waren etwas überaus Persönliches. Alle Jedi wählten ihre Kyberkristalle selbst aus und bauten anschließend einen Griff, der ihren individuellen Vorstellungen und Ansprüchen entsprach. Deshalb war jedes Lichtschwert einzigartig. Klefans Waffe fühlte sich ungewöhnlich leicht an – andererseits war Iskat inzwischen ja auch an ihre Inquisitorenklinge mit ihrem schweren Bügelgriff gewöhnt.

Der Askajianer hielt ihr seine Handschellen hin und blickte sie vertrauensvoll an.

Was für ein Narr!

Er hielt sie noch immer für ein harmloses Kind, eine Jedi durch und durch.

Aber welchen Grund hätte er auch, es nicht zu tun?

Sie hatte alles für ein gütiges Wort aus seinem Mund getan, war vollkommen gehorsam gewesen und hatte ihre Herzen, ihre Seele und ihre Zeit den Schriften und Lektionen gewidmet, welche ihr helfen könnten, die selbstlose Jedi zu werden, die er in ihr sah.

Pah! Da war nie eine Jedi in ihr gewesen, nur die Dunkle Seite, die darauf wartete, dass sie sich nicht länger von seinesgleichen zurückhalten ließ.

Iskat überlegte, ob sie Klefan Opus gleich hier und jetzt töten sollte, aber … na ja, sie konnte der Verlockung eines guten Kampfes nicht widerstehen. Wenn sie heute einen weiteren Jedi niederstrecken sollte, wollte sie sich erst ein wenig an seiner Furcht laben. Sie wollte es genießen.

Also aktivierte sie die Klinge kurz, um Klefans Handschellen zu durchtrennen. Sie fielen zu Boden, und er rieb sich die Handgelenke. Als er anschließend nach seinem Lichtschwert griff, reichte sie es ihm bereitwillig.

»Es tut wirklich gut, dich zu sehen, Iskat Akaris. Wir dachten schon, wir hätten dich verloren, Kind.«

Der alte, vertraute Zorn brannte hinter ihren Augen.

Dieser Mann wagte es, sie noch immer Kind zu nennen.

Dieser Mann, der so lange versucht hatte, sie einzuschnüren, sie zu etwas zu formen, das nie ihre Bestimmung gewesen war.

Erkannte er seinen Todesengel denn nicht, wenn er ihn sah?

»Ihr dachtet, Ihr hättet mich verloren. Aber Ihr habt es sicher nicht für einen großen Verlust gehalten, oder?«, knurrte sie. »Frohlocke, denn sie ist jetzt eins mit der Macht. Das waren Eure Worte, als meine Meisterin starb, und sie spendeten mir kein bisschen Trost. Ich glaube, das war der erste Riss, den ich im Fundament der Jedi-Lehren entdeckte. Denn es ist eine Lüge.«

Klefan hob den Kopf, und zum ersten Mal überhaupt sah Iskat mehr als nur Ruhe und vorsätzliche Ahnungslosigkeit in ihm. Sie sah Erkenntnis. Und Gerissenheit.

Verspätet fiel ihr auf, dass er zuerst sein Lichtschwert gesucht hatte, anstatt die anderen Jedi zu befreien, nachdem er aus seiner Zelle ausgebrochen war. Dieser Feigling.

»Eine Lüge? Iskat, ich kann deine Wut spüren. Wir haben viele Jahre gemeinsam geübt, damit du diese Emotionen überwinden kannst. Aber ich …« Ein Ausdruck entsetzter Überraschung huschte über seine Züge. »Du kämpfst nicht länger dagegen an, oder? Du hast der Dunklen Seite die Tür geöffnet. Sie durchströmt dich.« Bedauernd schüttelte er den Kopf. »Oh, Iskat. Kind. Fall nicht auf ihre falschen Versprechungen herein. Alles, was dich auf diesem Pfad erwartet, ist …«

»Die Wahrheit? Eine Wahl? Freiheit? Die Chance, meine Emotionen tatsächlich zu fühlen, anstatt sie immer nur hinunterzuschlucken? Wenn Ihr mir nur zugehört hättet – wenn Ihr mich nur gesehen hättet …«

»Oh, ich habe dich gesehen.« Seine Stimme klang mit einem Mal rau. Vorwurfsvoll. »Wir alle haben dich gesehen. Wir sahen den Sturm, der nur darauf wartete, loszubrechen und alles in seinem Weg zu zerstören. Ich vermutete von Anfang an, dass die Säule nur umstürzte, weil du wütend warst und Charlin und Onielle wehtun wolltest.« Seine Augen waren hart. »Ja, ich vermutete, dass du es ganz bewusst getan hast. Aber du hast dich verschätzt, und Tika wurde ihres Schicksals beraubt. Wir glaubten, dass wir dich retten und vom Rand des Abgrunds wegziehen könnten, um dich auf einen besseren Pfad zu führen.«

»Mich retten?« Iskat hasste sich für den verzweifelten, gequälten Ton in ihrer Stimme. »Ich musste nicht gerettet werden! Ich wurde so geboren, und Ihr habt mir eingeredet, dass alles, was ich bin, falsch ist. Dass etwas mit mir nicht stimmt. Dass man mich in Ordnung bringen muss. Und ich habe Euch dafür gehasst.«

»Wir wollten dir helfen, die beste Version deiner selbst zu sein. Dir war so viel mehr vorausbestimmt.«

Iskat nahm das Lichtschwert ihrer Mutter vom Gürtel und aktivierte es. Der Schrecken auf Klefans Gesicht verriet ihr, dass er die Waffe sofort wiedererkannte.

»Was ist wirklich mit meiner Mutter geschehen?«, fragte sie grollend.

Obwohl er völlig abgemagert war und nicht einmal mehr die Kraft gehabt hatte, ein weiteres Schloss aufzubrechen, veränderte sich Meister Klefans gesamte Haltung. Seine Schultern strafften sich, seine Füße schoben sich in Verteidigungsstellung. Der geduldige alte Lehrer verwandelte sich in den Soldaten, den Iskat auf Geonosis gesehen hatte. Dies war der Klefan Opus, der lügen konnte. Noch aktivierte er sein Lichtschwert nicht, aber offensichtlich war er bereit.

»Drohst du mir, Kind?«, fragte er schneidend.

Sie knirschte mit den Zähnen und löschte die Klinge ihrer Mutter.

Noch nicht. Es war zu früh, um ihn niederzustrecken.

»Ich will die Wahrheit.«

Klefan musterte sie einen langen Augenblick, ehe er antwortete. »Deine Mutter wurde als Kind von ihrem Planeten fortgebracht, sobald sie Zeichen von Machtempfänglichkeit an den Tag legte. Sie wuchs im Tempel auf, ebenso wie du, und wurde zu einem unauffälligen Padawan, aber dann scheiterte sie an den Jedi-Prüfungen.« Er machte eine Pause, damit sie die Worte verarbeiten konnte. »Es war die Prüfung des Geistes, die ihr zum Verhängnis wurde. Sie konnte sich nicht ausreichend konzentrieren und ihre Gedanken kontrollieren. Genau wie du, Iskat. Aber wir waren zu nachsichtig mit ihr gewesen; wir hatten angenommen, dass ihre Spezies einfach nur länger braucht, um geistige Reife zu erlangen. Das war unser Fehler. Als sie den Orden verließ, stellte sie alles infrage, und sie zweifelte an sich selbst. Es war, als wäre ihr Geist gebrochen. Man bot ihr an, weiter im Jedi-Tempel zu arbeiten, aber sie wollte nicht bleiben. Also wurde sie zu ihrer Heimatwelt zurückeskortiert und sicher mit ihrer Familie wiedervereint.«

Iskats Traum huschte vor ihrem geistigen Auge vorbei, und sie sah den Schmerz auf dem Gesicht ihrer Mutter, als ihr Jedi-Dasein ein jähes Ende fand.

»Ein paar Jahre später stellte sich heraus, dass ihr Kind ebenfalls machtempfänglich war.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Daraufhin wurde eine von Feyras alten Freundinnen losgeschickt, um dich zu holen.«

»Meisterin Vey«, sagte Iskat.

Klefan nickte. »Ja. Feyra nahm Sember das Versprechen ab, dass sie dir helfen würde. Sie wusste, dein Platz ist bei den Jedi, und sie erhoffte sich Großes für dich. Sie wollte nicht, dass du ihr Schicksal teilst und scheiterst. Es fiel Feyra nicht leicht, sich an das Leben bei ihrem Volk zu gewöhnen, weißt du? Sie hoffte, dass ihre Träume durch dich weiterleben würden und du zu der großen Jedi heranwachsen würdest, die sie immer sein wollte. So kam es, dass Sember dich zu ihrem Padawan machte.«

Iskats Gedanken überschlugen sich. »Darum habe ich also nie eine Verbindung mit ihr gespürt. Es war nicht die Macht, die uns zusammenführte … sondern ein Versprechen. Ich hatte immer das Gefühl, ich wäre nur eine Last für sie – als würde sie mich nicht ausbilden wollen. Als könnte sie mich nicht mal leiden. Aber sie hielt ihr Versprechen meiner Mutter gegenüber und opferte ihre eigene Berufung, um mich zu zähmen. Ich … ich weiß, dass ich die Aufnahmeprüfung im Tempel nur gerade so bestanden habe. Und Sember wusste es ebenfalls.« Heiße Tränen strömten über ihre Wangen, als endlich alles Sinn ergab.

»Deine Meisterin wollte nicht, dass du diese Bürde trägst«, erklärte Klefan leise. »Darum schulterte sie sie selbst. Es war ihre Entscheidung. Sie glaubte an dich, an dein Potenzial und daran, dass du eine große Jedi werden würdest. Aber sie hatte selbst miterlebt, woran Feyra gescheitert war, darum drängte sie dich zu Ruhe und Konzentration, wo andere Meister dein Training in den Vordergrund gerückt hätten. Sember glaubte, dass es ihre Pflicht wäre, dich auf deinem Pfad zu leiten, damit du zu etwas Großem heranwachsen kannst. Sie hielt es für den Willen der Macht.«

Iskat schüttelte den Kopf, während Emotionen durch ihre Herzen rasten. »Selbst das war ein Verrat! Sember wählte mich aus den falschen Gründen, und Ihr habt es alle zugelassen! Ich empfand nie eine echte Verbindung mit meiner Meisterin, spürte nie eine richtige Berufung. Vielleicht wäre es besser gewesen, mich gleich nach der Aufnahmeprüfung aus dem Tempel fortzuschicken. Dann hätte ich zu meiner Familie zurückkehren können, zu Leuten, die mich lieben. Ich hätte umkehren können, bevor es zu spät war.«

»In der Macht gibt es keine Fehler, Kind«, sagte Klefan mit einem Anflug von Güte. »Man kann sich nicht durch die Prüfungen schummeln. Wenn du bestanden hast – ganz gleich, wie knapp es auch gewesen sein mag –, dann sollte es so sein. Deine Mutter war nicht stark genug, um eine Jedi zu werden. Sie war wie du, aber auch anders.«

Iskat blickte auf. »Warum sprecht Ihr die ganze Zeit in der Vergangenheit von ihr?«

Er streckte die Hand aus, um sie ihr auf die Schulter zu legen, und zu ihrer eigenen Überraschung ließ sie es zu. »Sie war nie wieder dieselbe, nachdem sie die Jedi gerufen hatte, um dich zu holen. Sie bettete dich auf Sembers Arme und ließ sie versprechen, dass wir dich beschützen und dir helfen würden, die Träume zu erfüllen, die sie selbst hatte aufgeben müssen. Aber Sember konnte sehen, dass es ihr nicht gut ging, dass ihr Herz schmerzte. Sobald du dich im Tempel eingelebt hattest, kehrte sie nach Pkori zurück, um Feyra bei der Bewältigung ihrer Trauer zu helfen, doch es gab nichts, was sie tun konnte. Feyra ließ sie nicht an sich heran, stieß alles und jeden von sich fort. Kurz darauf ging sie in die Wüste eures Heimatplaneten und … nahm sich das Leben. Sember und ich konnten es in der Macht spüren, als es passierte. Es tut mir leid, dass du nun eine weitere Bürde zu tragen hast, aber du wolltest die Wahrheit, und ich habe sie dir schon viel zu lange vorenthalten.«

Iskat wischte seine Hand von ihrer Schulter und trat zurück. Hass brandete in ihr auf. »Sie war gebrochen, und trotzdem habt Ihr ihr nicht geholfen. Stattdessen habt Ihr sie einfach sterben lassen. Lehren die Jedi nicht, dass jedes Leben wertvoll ist?«

»Sie entschied selbst über ihr Schicksal. Alles ist so, wie die Macht es will. Frohlocke, denn …«

»Nein! Damit ist es vorbei. Ich werde nie wieder über den Tod einer geliebten Person frohlocken.«

Die Welt schien sich zu überschlagen, als das letzte Teil des Puzzles an seinen Platz rückte.

Ihre Mutter war fort.

Sie hatte ihrem Leben ein Ende gemacht, weil sie alles verloren hatte: ihre Zukunft, ihr Lichtschwert, ihre Freunde, ihre Heimat, ihre Verbindung mit der Macht.

Ihre Tochter.

Und alles nur wegen der Jedi.

»Aber Iskat, du darfst nicht vergessen, dass deine Mutter in dir weiterlebt«, fuhr Klefan in sanftem Ton fort. Als könnte er nicht begreifen, dass Iskats Herzen gerade von einer Offenbarung seismischen Ausmaßes verwüstet worden waren. »Sie rief die Jedi, übergab dich Sember und vertraute darauf, dass wir dich auf einen besseren Pfad führen würden. Da, wo sie schwach gewesen war, versuchten wir, dich stark zu machen. Da, wo sie sich nicht kontrollieren konnte, lehrten wir dich Ruhe. Du hast ihre Zukunft geerbt. Du hast triumphiert, wo sie gescheitert ist. Alle ihre Hoffnungen bestehen in dir fort, und die Galaxis braucht dich. Sobald wir Charlin befreit und uns um diesen Jakadis gekümmert haben, werden wir untertauchen und …«

»Nein.«

Klefan erstarrte. »Nein?«

Iskat atmete ein und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. »Warum soll ich mich verstecken, da ich doch meine wahre Berufung gefunden habe? Wenn die Hoffnungen meiner Mutter in mir fortbestehen, wie könnte sie dann wollen, dass ich zum Orden zurückkehre, der uns beiden – und der Galaxis – nur Leid gebracht hat? Ich habe meine Herzen und meine Seele von den Fesseln befreit, die mich viel zu lange zurückhielten. Ich weigere mich, den Teil von mir zu begraben, den ich am meisten liebe. Meine Mutter war weder schwach noch zerbrechlich. Sie wollte nur nicht zulassen, dass Ihr sie knebelt und unterdrückt. Letztendlich wollte sie frei von den Jedi sein. Genau das hat sie gewählt: Freiheit. Ich habe so lange unter Euren strengen Regeln gelebt, habe meine wahren Fähigkeiten unterdrückt, um Eure Akzeptanz und Euer Wohlwollen zu gewinnen, und am Ende fühlte ich mich doch immer wie eine Außenseiterin.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe die ganze Zeit nur mein Leben verschwendet.«

»Iskat, die Dunkle Seite belügt dich. Du darfst deinem Zorn nicht nachgeben …«

»Ruhe!« Ihre Stimme hallte hungrig von dem schwarzen Fels wider, als hätte der alte Tempel schon viel zu lange darauf gewartet, sich an solch unheilvollen Emotionen zu laben. »Ich lasse mir keine Vorschriften von jemandem machen, der diesen Schmerz nie gefühlt hat. Ihr klammert Euch sklavisch an Eure Plattitüden, aber Ihr musstet nie ein echtes Opfer bringen. Ihr wurdet nie fortgeschickt, um zu sterben. Während die Jedi uns wie Figuren auf einem Holoschachbrett umherschoben, habt Ihr im Tempel gesessen und meditiert! Sie sorgten dafür, dass der Krieg sich endlos hinzieht, und nahmen den Tod von Millionen in Kauf. Sie ermordeten sogar ihre eigenen Ordensbrüder und -schwestern, nur um die Republik zu schwächen und ihre Machtergreifung vorzubereiten. Ihr wart vielleicht auf Geonosis, aber Ihr habt Euch von der Arena ferngehalten!«

»Wir hatten Befehle …«

Sie schnaubte abfällig. »Natürlich. Ihr hattet Eure Befehle. Ihr habt nur getan, was Euch aufgetragen wurde. Die Ausrede von Feiglingen! Leute wie Ihr töten durch Untätigkeit, sie zerstören durch falsche Hoffnungen und kraftlose Strategien. Ganze Völker wurden ausgelöscht, weil der Jedi-Orden lieber abwarten wollte. Weil Ihr Eure Krieger zu den Planeten mit den lautesten Senatoren geschickt habt, nicht zu denen, wo die Bevölkerung am lautesten schrie. Ihr wolltet die wenigen nicht opfern, um die vielen zu retten. Redet Euch ruhig ein, dass die Jedi die Verteidiger der Schwachen und die Hüter des Friedens waren, aber egal, wohin sie gingen, alles, was sie den Leuten brachten, waren Leid, Tod und Verrat.« Sie richtete einen langen, behandschuhten Finger auf ihn. »Hättet Ihr Euch bei meiner Mutter mehr Mühe gegeben, wäre sie noch hier. Vielleicht wäre sie ja die Meisterin gewesen, die ich verdient habe.«

»Iskat, das bist nicht du. Die Dunkle Seite spricht aus dir – die finsteren, grässlichen Energien dieses Ortes …«

Sie krümmte ihre Finger, und Klefan krächzte, als er keine Luft mehr bekam.

Diesmal war es schon viel leichter.

»Ihr habt mir das Gefühl gegeben, klein und unzulänglich zu sein«, flüsterte sie. »Aber Ihr werdet nie wieder Macht über mich haben.«

Sie drückte zu und grinste, während sich die unsichtbare Schlinge weiter um Klefans Kehle zusammenzog.

Doch dann streckte der Jedi-Meister seine eigene Hand vor, und Iskat wurde von einem Machtstoß nach hinten geschleudert. Das reichte, um ihren Würgegriff zu brechen.

»Ich will nicht gegen dich kämpfen, Kind«, sagte Klefan. Er aktivierte sein Lichtschwert. »Aber du lässt mir keine Wahl.«