Der Morgen war öde und trostlos. Kein Wunder, schließlich waren die Höhle und alles darin in tintiges Schwarz getaucht, das jegliches Licht zu absorbieren schien. Da war es nicht einfach, heiter zu sein. Zwar mochte Iskat den Ort aus irgendeinem Grund, doch das änderte nichts daran, dass ihr Körper schmerzte, nachdem sie sich die ganze Zeit auf dem steinigen Boden hin- und hergewälzt hatte. Sie nahm einen Becher mit sehr starkem Kaff entgegen und gesellte sich zu Josk, Tualon und Captain Spider, die am Eingang der Höhle zusammenstanden. Der Himmel draußen schimmerte in matten Lavendel- und Pfirsichtönen, und auf dem schwarzen Fels glomm hellgrün das Moos.
»Captain Spider, haben Ihre Späher etwas entdeckt?«, fragte Josk.
»Geschütze«, sagte Spider und hielt ein Datenpad mit einer Landkarte hoch. »Insgesamt vier – zwei auf jeder Seite der Schlucht, oben auf dem Kamm, mit Blick auf die Fabrik. Sie scheinen funktionstüchtig zu sein. Bevor wir mit der Mission fortfahren, müssen wir sie unschädlich machen, da man damit sowohl Leute am Boden als auch Schiffe in der Luft unter Beschuss nehmen könnte.«
Josk nippte an seinem Kaff und schaute zum Rand der Schlucht hinauf, die sich weit über ihm befand. »Dann ist das unser erstes Einsatzziel. Wir können nicht hochfliegen, weil sie uns sonst sehen würden. Also müssen wir klettern. Glücklicherweise haben wir Kletterausrüstung dabei. Iskat, Tualon, seid ihr bereit?«
Ein Grinsen umspielte Iskats Lippen. Sie war gut im Klettern. Das war zwar keine Fertigkeit, die im Tempel sonderlich häufig trainiert wurde, aber sie hatte keine Höhenangst, und ihre langen Finger und ihre scharfen Nägel halfen ihr, sich beim Klettern festzuhalten.
»Unbedingt«, sagte sie, und Tualon nickte zustimmend.
»Iskat, du und ich, wir klettern auf dieser Seite der Schlucht nach oben. Tualon, du steigst auf der anderen Seite hoch. Captain Spider und seine Truppler bleiben hier unten am Boden und geben uns mit ihren Blastern Feuerschutz für den unwahrscheinlichen Fall, dass es Probleme gibt. Noch Fragen?«
Iskat und Tualon schüttelten die Köpfe.
»Gut. Nur um sicherzugehen, dass alle wissen, wie es ablaufen soll: Sobald die Geschütze erledigt sind, dringt Tualon mit drei Trupplern als Verstärkung in die Fabrik ein und lädt von der nächstbesten Datenkonsole die Pläne runter, die wir brauchen, während Iskat, ich und vierzehn von Captain Spiders Männern zum Energieverteiler vordringen. Captain Spider, ich will, dass der Rest Ihres Zugs das Lager abbricht und uns Rückendeckung gibt. Sobald Tualon die Anlage mit den Daten verlassen hat, überlasten wir die Energieversorgung und legen die Fabrik lahm. Anschließend holt das Schiff uns am Treffpunkt ab, und wir sind verschwunden, bevor irgendwelche Separatisten auftauchen, um der Sache nachzugehen. Tualon, hast du dir die Baupläne der Anlage eingeprägt?«
Tualon nickte. Er war ein hervorragender Hacker und auch ein guter Kletterer. Iskat wünschte, sie hätte mit ihm gehen können statt mit Josk, aber sie hatte nicht vor, das geplante Vorgehen infrage zu stellen. Eine Jedi zu sein bedeutete, denen zu vertrauen, die das Sagen hatten. Und obwohl sie kein großes Vertrauen in Josk hatte, musste sie auf sein Urteilsvermögen bauen.
Sie beendeten ihr Frühstück und legten ihre Kletterausrüstung an. Ihre sperrigen braunen Gewänder würden sie bloß langsamer machen und sich von den dunklen Felsen abheben, daher liehen sie sich drei der schwarzen Ganzkörperanzüge, die die Truppler unter ihren Rüstungen trugen. Josk gab Iskat einen Satz Kletterspikes, und sie hakte ihr Lichtschwert an ihren Allzweckgürtel, flocht ihr langes braunes Haar zu einem Zopf und stopfte ihn unter den eng anliegenden schwarzen Stoff, so wie Sember es ihr beigebracht hatte. Dann setzte sie sich auf eine der Kisten und studierte einmal mehr die Unterlagen auf ihrem Datenpad, um sich noch einmal die Pläne des Energieverteilers anzusehen. Gewiss, Josk würde bei ihr sein, aber sie wollte so gut vorbereitet sein wie irgend möglich und ihm keinerlei Anlass geben, ihre Kompetenz infrage zu stellen.
»Bereit?«, fragte er und zog die Kletterspikes an seinen Stiefeln fest.
Josk und Iskat gingen zur nahe gelegenen Seite der Schlucht, während Tualon zur anderen Seite hinüberlief. Iskat zwang sich, ihren Blick von ihm loszureißen, und verfolgte, wie Josk die beste Route für ihren Aufstieg auswählte. Iskat hätte sich für genau dieselbe entschieden: eine geschwungene Linie im Schatten der Felsen, die sie vor etwaigen Spähdroiden außerhalb des Fabrikgeländes verbergen würden. Die Klone gingen mit den Blastern im Anschlag unten am Boden in Position, während ein Truppler mit einem Fernglas den Kamm der Schlucht im Auge behielt. Josk hakte sich an der Wand ein und begann zu klettern. Iskat wartete noch einige Sekunden, um ihm genügend Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Dann klinkte sie einen Kletterhaken in den Fels und streckte die Hand nach dem ersten Griff aus. Der Stein war angenehm trocken und zerklüftet, mit vielen Spalten und Rissen, in die sie ihre Hände oder einen ihrer Füße klemmen konnte. Eigentlich hätte sie nicht einmal die Spikes an ihren Stiefeln gebraucht. Während sie sich immer weiter nach oben vorarbeitete und bewusst darauf verzichtete, Josk zu überholen, obwohl sie viel schneller vorankam als er, verspürte sie ein wahres Hochgefühl.
Das hier war das, wozu sie bestimmt war – nicht, meditierend im Tempel zu hocken oder um die Fetzen irgendeiner halb verfallenen Schriftrolle zu feilschen oder unter den wachsamen Augen von Jocasta Nu Datenbänder abzulegen. Nein, sie war dazu bestimmt, hier draußen aktiv für das Wohl der Galaxis zu kämpfen. Physische Herausforderungen zu meistern. Ähnlich wie bei der Schlacht auf Geonosis, stellte sie einmal mehr fest, dass sie außerhalb des Tempels, wenn wirklich etwas auf dem Spiel stand, eine Art angeborenes Selbstvertrauen besaß. Sie wusste genau, was sie konnte und wozu sie imstande war.
Ihr ganzes Leben hatte sie daran gezweifelt, eine gute Jedi zu sein, doch jetzt wurde ihr immer klarer, dass sie vielleicht einfach bloß eine schlechte Schülerin gewesen war. Sie war dazu bestimmt, aktiv zu sein, anstatt von anderen beurteilt zu werden. Zu handeln, anstatt zu trainieren. Zu kämpfen, anstatt zu meditieren. Vielleicht brauchte die Galaxis in Zeiten des Friedens Asketen und Archivare, aber Tualon hatte recht: Sie befanden sich im Krieg.
»Weißt du, warum ich wollte, dass du mich begleitest anstatt Tualon?«, fragte Josk.
Iskat hielt inne, ihre Nägel in die Felswand gegraben. »Nein.«
»Ich war damals nicht dabei, an dem Tag, als Tika verletzt wurde.« Er keuchte, als er sich zum nächsten Handgriff hinüberschwang. »Aber ich habe später die Säule gesehen, umgestürzt und fast zerschmettert. Eigentlich hätte ein Padawan zu so etwas überhaupt nicht imstande sein dürfen, und es gab viele, die ihre Zweifel hatten, ob es für dich im Orden eine Zukunft gibt. Und obwohl du dein Bestes getan und im Laufe der Jahre immer mehr Kontrolle über die Macht erlangt hast, weiß ich, was auf Geonosis passiert ist. Was du getan hast, war mutig, aber töricht, und noch immer zweifeln einige an deinen Fähigkeiten. Ich habe den Rat darum gebeten, dich unter meine Fittiche nehmen zu dürfen, besonders in Anbetracht des Umstands, dass deine Meisterin jetzt eins mit der Macht ist.«
Iskat fiel keine einzige Erwiderung darauf ein, die nicht unverschämt oder gelogen gewesen wäre, deshalb schwieg sie und kletterte einfach weiter. Doch in ihrem Innern brodelte es. Ja, sie hatte sich einen neuen Mentor gewünscht, aber jemanden, der reif und fähig und ihre Zeit wert war. Es gab nichts, was Josk Nivar ihr beibringen konnte, keine Gabe, die er besaß, die sie nicht längst beherrschte. Er hatte bereits einen Padawan verloren; Iskat würde nie imstande sein, ihm zu vertrauen. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass nichts, was sie tat, jemals gut genug für ihn sein würde, dass Josk einer von denen war, die immer mit einem vermeintlich hilfreichen kleinen Kommentar zur Stelle waren, der wie Kritik rüberkam. Sie sehnte sich nach dem, was Tualon mit Meister Ansho hatte: nach einem Mentor, der sie ermutigte und inspirierte, statt sie runterzuziehen.
»Der Jedi-Kodex legt größten Wert auf Mitgefühl und Harmonie, und nach deiner kürzlichen Ernennung zur Ritterin und dem Verlust von Sember ist mir, als wäre es meine Bestimmung, dir zu helfen«, fuhr er fort, ohne ihre Verachtung zu bemerken. »Ich weiß, wie viel Mühe sie sich gegeben hat, um dich auf dem rechten Pfad zu halten, und ich möchte, dass du weißt, dass ich hier bin, um dir während der nächsten Phase deiner Ausbildung zur Seite zu stehen.«
Iskat atmete tief durch und zwang sich, ruhig zu bleiben, doch das war leichter gesagt als getan. Ihre Brust war wie zugeschnürt. Ihr Gesicht brannte.
Sie hatte viel Zeit darauf verwendet, ihre Emotionen – und vor allem ihre Wut – zu unterdrücken, aber trotzdem wurde es nie einfacher. Sie wusste, dass es darauf ankam, ihre Gefühle hinter sich zu lassen und weiterzumachen, sobald sie den gewünschten Zustand von Balance und Kontrolle erreicht hatte. Aber dieses Gefühl, diese Wut, hatte sich in ihren Herzen eingenistet wie ein Sarlacc, monströs und tief in ihrem Innern vergraben.
Josk wartete darauf, dass sie etwas auf seine Worte erwiderte. Er meinte es absolut aufrichtig und wollte ihr wirklich nur helfen, das konnte sie in der Macht spüren. Sie biss die Zähne zusammen.
Ihr fiel in diesem Moment nur eins ein, was sie sagen konnte. »Danke, General.«
Sie durfte nicht zulassen, dass ihr Zorn die Oberhand gewann, konnte ihrer Wut nicht freien Lauf lassen, denn sie musste sich auf ihre Mission konzentrieren, Hunderte von Metern über dem Boden, an eine steile Felswand geklammert. Sie hatte sich ihre erste Mentorin nicht ausgesucht, und nun konnte sie sich auch ihren zweiten Mentor nicht aussuchen – der zu allem Überfluss nicht einmal ein Meister war, bloß ein Jedi-Ritter, der ihr dabei helfen wollte, ihre lebenslangen Mankos zu überwinden, als ob sie das nicht selbst in einem fort versuchen würde. Als wäre das so einfach, etwas ganz Natürliches. Ihre Finger krallten sich noch tiefer in das dunkle Gestein, und sie kletterte schneller weiter, mittlerweile ein Stück oberhalb von Josk.
Der Himmel leuchtete in einem Blau, das auf Thule als Tageslicht galt, auf anderen Planeten jedoch eher als Dämmerung durchgegangen wäre. Mittlerweile hatten sie die Felswand zur Hälfte erklommen, und Iskat konnte den Lauf des ersten Geschützes über sich erkennen, das beständig von einer Seite zur anderen schwang, um das Firmament zu scannen. Obwohl sie wusste, dass es unklug war, nach unten zu schauen, tat sie es dennoch. Die Truppler am Boden behielten den Himmel, die Geschütze und die Schlucht im Blick, bereit, jederzeit mit ihren Blastern das Feuer zu eröffnen, falls sie irgendwo Feindbewegungen entdeckten. Iskat warf einen Blick auf die andere Seite des Canyons und sah Tualon ein bisschen tiefer, fast unsichtbar im Schatten der Felswand und so weit entfernt, dass er sich bloß als vager Fleck abzeichnete. Sie fragte sich, ob er sich hier auch so zu Hause fühlte wie sie.
Dann erregte irgendetwas in der Nähe ihre Aufmerksamkeit, eine flüchtige Bewegung, und sie bemerkte eine Schnecke, so lang wie ihr Unterarm, die so perfekt an ihre Umgebung angepasst war, dass sie auf den Felsen praktisch unsichtbar war. Die kleinere Variante dieser Kreatur hatte sie gestern Abend in der Höhle gesehen, aber hier draußen, bei besserem Licht, war die Schnecke sogar noch interessanter. Mit ihren langen, fragenden Augenstielen und dem höckerigen Rücken in hundert verschiedenen Schwarz- und Grauschattierungen wirkte diese Spezies so, als wäre sie wie geschaffen für diese Umgebung. Als sich die Schnecke bewegte, kräuselten sich die Seiten ihres nackten Körpers, und ein karmesinroter Schimmer blitzte auf, der vermuten ließ, dass der Bauch dieses Wesens das einzig Farbige war, was ganz Thule zu bieten hatte. In der Stille, die bloß von Josks Keuchen und dem scharfen Knirschen seiner Spikes unterbrochen wurde, die in der Schluchtwand nach Halt suchten, konnte Iskat hören, wie die Kiefer der Schnecke leise den Felsen zermalmten.
Jetzt, da sie die erste Schnecke entdeckt hatte, erkannte sie, dass es immer mehr wurden, je höher sie kletterten, Hunderte davon, die hier grasten wie Schafe auf einem senkrechten Hügel. Sie schmiegten sich zwischen die Moosflecken und wanden ihre Leiber um eine Reihe symmetrisch runder Löcher, die sie ins Gestein gefressen hatten.
»Vorsicht mit den Schnecken«, sagte sie zu Josk. Soweit es sie betraf, hielt sie ihn für jemanden, der sich so sehr darauf konzentrierte, den nächsten Handgriff zu finden, dass er mit seinen Kletterhaken versehentlich eine von ihnen verletzte.
»Was für Schnecken?«, fragte er, und als er den nächsten Haken platzierte, durchbohrte er dabei tatsächlich eine der Kreaturen.
Die große, schwere Schnecke bäumte sich auf und wand sich wie von Sinnen, wodurch sich Josks Haken aus dem Felsen löste. Plötzlich hatte er keinen Halt mehr. Panisch grub er seine Finger in eins der Löcher, um nicht abzustürzen, während die Schnecke von dem Kletterhaken rutschte und in den Abgrund fiel. Iskat keuchte überrascht, als ein Schwarm kleiner schwarzer Vögel aus dem Loch in der Klippe hervorschoss, die in einer wütenden, kreischenden Wolke aufstiegen, mit ihren Flügeln Josks Kopf umflatterten und mit ihren leuchtend roten Schnäbeln nach seinen Wangen hackten. Josk schrie auf, und Iskat sah blutige Wunden in seinem Gesicht. Doch sie konnte ihm nicht helfen. Ihre Finger in Felsspalten, ihre Stiefelspitzen in Risse in der Feldwand geklemmt, umringt von Riesenschnecken und zornigen Vögeln, blieb ihr nichts anderes übrig, als tatenlos zuzusehen, wie Josk seine Griffe losließ, um seinen Kopf vor den Angreifern zu schützen.
Vielleicht gab es einen Moment, in dem Iskat ihre Machtsinne hätte ausstrecken können, um ihn festzuhalten, ihm dabei zu helfen, sein Gleichgewicht zurückzugewinnen. Doch stattdessen erstarrte sie und konnte nur beobachten, wie Josk wie in Zeitlupe nach hinten fiel, vollends den Halt verlor und in die Tiefe stürzte.