Iskats Stimme hallte einen langen Moment vom Fels wider, dann senkte sich erneut die Stille von Äonen über diesen Ort – diesen Tempel. Er schien zufrieden mit ihr zu sein, so als hätte sie gerade ein längst vergessenes Ritual vollführt.
Irgendwo in der Dunkelheit ertönte ein Klatschen, gedämpft durch Handschuhe.
Iskat zückte und aktivierte ihre Lichtschwerter und rief: »Wer ist da?«
Eine kapuzenverhüllte Gestalt trat aus den Schatten. Als Iskat hinüberspähte, konnte sie hinter dem Neuankömmling eine Geheimtür ausmachen. Das Wesen war klein und drahtig, und es strahlte eine arrogante Selbstsicherheit aus. Nicht zu vergessen, dass es ein Dutzend Waffen am Körper trug. Seine Kleidung – eine goldglänzende Maske, ein pelzbesetzter Umhang, eine Kampfrüstung und kniehohe Stiefel – schien ganz darauf ausgelegt, den Fremden größer und bedrohlicher erscheinen zu lassen, als er eigentlich war.
Iskat war jedenfalls nicht beeindruckt.
»Ich beglückwünsche dich zu deinem Triumph. Das war ein exzellentes Duell. Und eine hervorragende Philosophie, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.« Seine Stimme war so kultiviert, so kriecherisch, dass sie nachgerade schmierig klang.
Sie richtete ihre rote Klinge auf den Fremden. »Ich nehme an, du bist Jakadis?«
Er verbeugte sich elegant. »Lord Jakadis, ganz richtig. Normalerweise zeige ich mich meinen Gästen nicht – dafür habe ich schließlich meine Protokolldroiden. Aber mit dir wollte ich persönlich sprechen. Vergiss die Jedi und die neue Organisation, der du gerade dienst. Die Galaxis hat so viel mehr zu bieten. Kopfgeldjäger haben keine Götter oder Meister. Du könntest frei sein von politischen oder religiösen Einflüssen – von jedweden Einflüssen oder Hierarchien. Und die Verdienstmöglichkeiten sind grenzenlos. Gemeinsam könnten wir …«
Iskat wollte gar nicht wissen, was sie gemeinsam tun könnten. Sie ließ ihre rote Klinge durch die Luft fliegen, und fügte der spartanischen Einrichtung des Raums eine zweite enthauptete Leiche hinzu. Sie war hergeschickt worden, um Jedi zu töten, aber der Großinquisitor hatte sicher nichts dagegen, dass sie die Galaxis auch von diesem aufgeblasenen Jedi-Sammler befreit hatte. Das Lichtschwert kehrte in ihre Hand zurück wie ein treuer Jagdhund.
Iskat konnte keine weiteren Regungen in der Macht spüren; es gab hier keine Lebewesen mehr – zumindest keine, die größer waren als die Salamander und Schnecken, die in den Rissen und Ritzen des Tempels lebten. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass sich ein erbärmlicher Wicht wie Jakadis unbemerkt an sie herangeschlichen hatte. Aber vermutlich war sie zu sehr auf Meister Klefan fokussiert gewesen, um den Kopfgeldjäger zu entdecken. Jenseits der Geheimtür, die er benutzt hatte, erstreckte sich ein gewaltiger Saal mit einem hochlehnigen, von Schnitzereien übersäten Thron, der in der Mitte eines pechschwarzen Beckens aufragte. Während Iskat den Raum durchquerte, hatte sie das Gefühl, Teil einer uralten Zeremonie zu sein. Vor langer Zeit waren Anhänger der Dunklen Seite hier entlanggeschritten, und ihre Reflexionen hatten sich ebenso in dem tintigen Wasser gespiegelt, wie es nun die ihre tat. Ein Wesen von gewaltiger Macht hatte damals auf dem Thron gesessen; das Echo seiner Autorität konnte man selbst jetzt noch spüren – der Fels hatte sich damit vollgesogen wie mit Blut. Iskat deaktivierte ihre Klinge und nahm auf dem pockennarbigen schwarzen Stuhl Platz, die Hände auf den Drachenköpfen, die man aus den Armlehnen herausgemeißelt hatte. Einen Moment lang war ihr, als könnte sie kapuzenvermummte Akolythen rings um das Becken sehen, die duftende Weihrauchfässer schwangen und einen Singsang in einer toten Sprache anstimmten, während ihre Königin den Thron bestieg.
Einen Moment lang war Iskat diese Königin.
Einen Moment lang war dies der Ort, wo sie hingehörte.
Ihr war kein Leben als Jedi bestimmt, auch keines auf ihrer Heimatwelt und erst recht keines als simple Kopfgeldjägerin.
Nein, ihr Schicksal wartete auf einem anderen Pfad, und die Dunkle Seite würde ihr Reisegefährte sein.
Iskat nahm einen Kelch mit tiefrotem Wein in die Hand – vermutlich hatte Jakadis ihn hier stehen lassen. Sie wusste nicht, wie lange der Kopfgeldjäger hier gewesen war; in jedem Fall hatte seine Zeit hier keine Spuren auf dem schwarzen Fels hinterlassen. Vielleicht hatte er sich für einen Herrscher gehalten, doch letztlich war er nur ein weiteres Blutopfer für diesen durstigen Thron gewesen. Iskat roch an dem Wein, dann nahm sie einen Schluck. Sie schmeckte würzige Früchte und uralte Asche.
Dies würde ihre neue Tradition sein, entschied sie. Wann immer sie Jagd auf einen Jedi machte und ihre Beute erlegte, würde sie das Ritual wiederholen, das sie in dieser lange vergessenen Sith-Festung entdeckt hatte: Sie würde etwas trinken – was immer die Einheimischen zu bieten hatten – und den Moment in sich aufsaugen. Lächelnd hob sie den Kelch und prostete dem leeren Thronsaal zu.
»Auf Charlin und Klefan«, sagte sie und nahm dann tiefe Schlucke, bis auch der letzte Tropfen Wein verschwunden war.
Es war das erste Mal, dass sie Alkohol kostete. Die süße Flüssigkeit sang in ihrem Blut und machte sie gleichzeitig hibbelig und müde. Sie hatte das Gefühl, als würden sich die Schatten bewegen, als könnte sie einmal mehr Reihe um Reihe von Machtbenutzern sehen, die wie Geister vor dem Becken dahinstapften.
Schließlich erhob sie sich und kehrte zufrieden in die Schatzkammer zurück. Sie konnte die Artefakte in der Truhe nicht auf den Armen tragen, also nahm sie Jakadis seinen Umhang ab und verknotete ihn zu einem behelfsmäßigen Sack. Wie klein und unbedeutend der Kopfgeldjäger ohne das Kleidungsstück aussah! Aber jetzt, da sie wirklich eins mit ihren Kräften war, erschienen Iskat die meisten Wesen klein und unbedeutend.
Sechs-Sieben wartete noch immer im Audienzsaal auf sie und schwenkte seinen Blaster hin und her. Er fragte nicht, wo sie gewesen war, und beschwerte sich auch nicht, weil er so lange hatte warten müssen, sondern folgte ihr wortlos durch den langen Korridor. Als sie sich dem Haupteingang näherten, spürte Iskat ganz in der Nähe eine weitere Präsenz in der Macht. Sie stellte ihren Kommlink auf den entsprechenden Kanal.
»Tualon, wo bist du?«
»Ich dachte, wir wollten nicht zusammenarbeiten?«
»Müssen wir auch nicht mehr. Ich habe meine Beute bereits gefunden. Und deine ebenfalls.«
Sie genoss sein fassungsloses Schweigen in vollen Zügen.
»Ich nehme mal an, du hast nicht vor, mir das Lichtschwert zu geben.«
Iskat lächelte in sich hinein. »Nein. Du hast dich zum letzten Mal mit meinen Erfolgen geschmückt. Aber du kannst gerne versuchen, mir das Lichtschwert abzunehmen, wenn du dich traust.« Es klang kokett, aber zum ersten Mal schämte sie sich nicht dafür.
Und was Tualon anging: Er schien ernsthaft darüber nachzudenken. »Ich will nicht gegen dich kämpfen. Aber vielleicht könnte ich dich ja auf andere Weise überzeugen.«
Die Art, wie er das sagte, ließ Iskats Herzen schneller schlagen. Hitze stieg ihr in die Wangen. Aber auch wenn ihre Hormone beeindruckt waren, verlor sie doch nicht ihre Ziele aus den Augen.
»Ich werde das nur einmal sagen, also hör gut zu: Wenn du mich willst, darf nie ein Auftrag oder eine Zielperson zwischen uns kommen. Ich spiele keine Spielchen mehr. Entweder es ist echt, oder es ist nichts. Aber ich werde mich nicht durch Gefühle um meinen Erfolg bringen lassen.«
Sie wartete einen langen Moment, während Tualon nachdachte.
»Du hast diese Runde fair gewonnen«, sagte er schließlich. »Vermutlich wäre es ohnehin keine gute Idee, den Großinquisitor anzulügen. Ich werde mich eben beim nächsten Mal beweisen.« Eine kurze Pause. »Und wir werden ja sehen, ob du meinem Charme doch noch erliegst.« Der Kommlink verstummte.
Während sie mit Sechs-Sieben zu ihrem Schiff zurückging, beobachtete sie, wie ein paar Kilometer entfernt ein Sternjäger abhob und in den Himmel emporraste.
Nun, das war eine Version von Tualon, an die sie sich gewöhnen könnte – ehrlich mit sich selbst und anderen, ehrgeizig, selbstbewusst. Iskat freute sich darauf, zu sehen, wie es mit ihnen weiterging. Während sie sich schon seit ihrer Kindheit zu ihm hingezogen gefühlt hatte, war er stets neutral geblieben und hatte ihr gegenüber nie Interesse gezeigt. Aber jetzt, da sie die strikten Regeln der Jedi abgeschüttelt hatten, sah er vielleicht endlich, was für eine mächtige Partnerin sie sein könnte.
Sie würden ein gutes Team abgeben – solange er nicht glaubte, dass er das Sagen hatte. Denn Iskat Akaris würde sich nie wieder von irgendjemandem beherrschen lassen.