Aus Tagen wurden Wochen, in denen sich Iskat auf ihr Training konzentrierte und versuchte, ihren Geist zu beruhigen, indem sie ihren Körper beschäftigte. Sie setzte ihre Meditationen fort, trainierte ihre Ausdauer so intensiv wie nie zuvor und übte zu den seltsamsten Stunden ihre Lichtschwertkampfformen. Nach den letzten Trainingsduellen und der Schlacht auf Geonosis hielt sie sich von den anderen Jünglingen fern, da sie kein Verlangen danach hatte, die Beklommenheit und die Zweifel der übrigen Padawane zu spüren, wenn sie ihr Trainingsschwert aktivierte. Sie wollte nicht riskieren, erneut die Kontrolle zu verlieren.
Obwohl der Tempel merklich weniger bevölkert war als sonst, herrschte nach wie vor reges Treiben. Die Flure waren voll von Jedi, die zu Einsätzen aufbrachen oder von welchen zurückkehrten. Hin und wieder fanden Beisetzungen statt, glücklicherweise jedoch von niemandem, den Iskat kannte. Was als Rettungsmission begonnen hatte, war längst zu einem echten Krieg geworden. Täglich trafen neue Berichte darüber ein, wie die Jedi und die Republik mit Unterstützung ihrer neuen Klontruppler gegen die Separatisten und ihre Droidenarmee kämpften. Iskat hatte der Politik bislang nie viel Aufmerksamkeit geschenkt, da ihre Reisen mit Meisterin Vey dies nur selten erfordert hatten. Jetzt jedoch war es ihre Pflicht, bereit zu sein, wenn man sie rief, und sie wartete ungeduldig darauf, dass es endlich so weit war.
Doch zu ihrer großen Verärgerung wandte sich niemand an sie.
Kein Meister suchte sie auf, um ihre Ausbildung fortzusetzen. Niemand schickte sie auf irgendwelche Missionen.
Sie war frustriert, aber andererseits war es auch nicht so, dass sie aktiv nach Möglichkeiten suchte, mehr Verantwortung zu übernehmen, oder? Vielleicht musste sie mehr Eigeninitiative zeigen. Als sie eines Tages zufällig Meister Klefan begegnete, schloss sie zu ihm auf und ging neben ihm her. Seine Hautsäcke waren einmal mehr angeschwollen vor Wasser, was ihm ein Gewicht und eine Schwerfälligkeit verlieh, die seine natürliche Agilität und Stärke Lügen straften.
»Ah, Iskat. Hast du weiter meditiert?«
»Ja, Meister.« Sie hielt inne und überlegte, was genau sie sagen sollte. »Ich habe mich an den Plan gehalten, den Meisterin Vey mir vorgegeben hat, aber ich frage mich, wie es jetzt weitergeht. Was ich als Nächstes tun soll. Wäre irgendein Meister bereit, mich anzunehmen, damit ich meine Ausbildung effektiver fortsetzen kann? Ich hoffe immer noch, dass mir eine Mission zugeteilt wird, damit ich meinen Beitrag in diesem Krieg leisten kann …« Sie brach ab und blickte erwartungsvoll zu ihm auf.
Klefan zog ernst die Augenbrauen zusammen, ohne seine Schritte zu verlangsamen. »Gegenwärtig haben wir einen akuten Mangel an Zeit und an Meistern, meine Liebe. Ich fürchte, angesichts der aktuellen Umstände ist die formale Ausbildung vielfach auf der Strecke geblieben.« Iskat bemerkte, wie sich ein Anflug von Frustration in Klefans Stimme schlich, während er sprach; vielleicht war es aber auch einfach bloß Müdigkeit.
Sie räusperte sich. »Ich weiß, dass Sember einst Euer Padawan war …«
Er unterbrach sie so schnell, dass es ihr fast wie eine Zurechtweisung vorkam. »Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, Iskat. Unter anderen Umständen wäre es mir fraglos eine Ehre, dich auszubilden. Doch meine gegenwärtigen Verpflichtungen lassen mir bedauerlicherweise nicht die Zeit, einen Padawan unter meine Fittiche zu nehmen. Vielleicht solltest du dich in dieser Hinsicht an Jocasta und Noxi in den Archiven wenden? Ich weiß, dass Sember die Hoffnung hegte, deine Zukunft würde dich dorthin führen.«
Iskat versuchte, sich ihre Verachtung nicht anmerken zu lassen, doch ihr Lächeln fühlte sich trotzdem wie eine Lüge an. »Eine interessante Option. Kennt Ihr noch andere Jedi-Meister, die derzeit ohne Padawan sind?«
Klefan seufzte. »Lass dich einfach von der Macht leiten. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest? Ich bin unterwegs zur Ratskammer. Ich werde den Rat wissen lassen, dass du es kaum erwarten kannst, deinen Beitrag zu leisten. Aber vergiss nicht: Alles zu seiner Zeit.«
Er begann, schneller zu gehen, doch sie hielt unbeirrt mit ihm Schritt. »Eine letzte Frage noch, wenn Ihr erlaubt? Als Meisterin Sember … im Sterben lag … sagte sie etwas. Einen Namen. Feyra. Wisst Ihr, wer das ist?«
Meister Klefan schwieg einen Moment, während sie neben ihm hereilte. Dann sagte er: »Ich fürchte, da kann ich dir nicht helfen. Wahrscheinlich ist es am besten, die Vergangenheit einfach ruhen zu lassen. Hab noch einen schönen Tag, und möge die Macht mit dir sein!«
Mittlerweile hatten sie die Turbolifte erreicht, die hoch zur Ratskammer fuhren, und mit perfektem Timing trat Meister Klefan durch die offenen Türen, unmittelbar bevor sie sich schlossen, und Iskat war wieder allein. Sie spürte ein vages Aufflackern von … nicht wirklich Wut. Jedi empfanden keine Wut.
Verärgerung.
Denn sie wusste, dass Meister Klefan jede Menge Zeit hatte. Erst kürzlich hatte sie ihn bei einem Nickerchen im Garten gesehen, und er streifte regelmäßig durch die Tempelflure, um mit Meister Uumay eine Tasse Tee zu trinken. Was bedeutete, dass er andere Gründe hatte, Iskat nicht zum Padawan zu nehmen. Fand er, sie war es nicht wert, zur Jedi ausgebildet zu werden? Hatte sich Meisterin Sember bei ihm vielleicht einmal zu oft darüber beklagt, wie schwierig Iskat war, auch wenn Iskat selbst sich für eine pflichtbewusste, fleißige Schülerin hielt? So oder so, es war zutiefst enttäuschend, ausgerechnet von dem Jedi-Meister abgelehnt zu werden, dem sie sich – abgesehen von Sember – stets am meisten verbunden gefühlt hatte.
Und was sollte das mit Feyra, von wegen, dass sie die Vergangenheit ruhen lassen solle? Klefan wusste etwas – etwas, von dem er nicht wollte, dass Iskat davon erfuhr. Wenn Sember die Unterlagen manipuliert hatte und Klefan das Thema mied, konnte das nur bedeuten, dass es in Zusammenhang mit dieser Feyra irgendetwas gab, das absichtlich geheim gehalten werden sollte.
Es war unendlich frustrierend für Iskat, zu wissen, dass eine Antwort auf ihre Fragen so nah und doch so unerreichbar fern war.
Und es ärgerte sie maßlos, dass Meister Klefan bei vielen Themen schlüpfriger war als ein Rishi-Aal.
Aber gut.
Wenn Meister Klefan nicht mit ihr arbeiten wollte, dann wollte sie auch nicht mit ihm arbeiten, und was sie definitiv genauso wenig wollte, war, sich dem gestrengen Schweigen und der erzwungenen Stille des Archivs zu unterwerfen. Iskat war keine Gelehrte, keine Händlerin und keine Archivarin. Sie wollte in den Krieg ziehen, auf echte Missionen gehen und wahrhaftig etwas bewirken. Sie brauchte bloß jemanden, der sie führte. Jemanden, der ihr dabei half, ihren eigenen Weg zu finden. Selbst wenn sie gegenwärtig nicht alle verfügbar waren, gab es noch viele andere Meister. Vielleicht würde sie sich dieses Mal einen aussuchen, einen, den sie wirklich mochte, anstatt den, der sich aus Bequemlichkeit am ehesten anbot.
Iskat war es leid, sich so verlassen zu fühlen. Sie war es leid, sich zurückgewiesen zu fühlen. Es wurde Zeit, dass sie sich nahm, was sie wollte. Mit neuer Entschlossenheit machte sie sich auf den Weg, um Tualons Meister Ansho einen Besuch abzustatten, von dem sie wusste, dass er zwischen zwei Missionen gerade daheim im Tempel weilte. Sie fand ihren alten Freund und seinen nautolanischen Mentor in einer der kleineren Trainingshallen beim lockeren Sparring; dabei zogen sie einander mit einer Kameradschaft auf, die Iskat schwer um ihre Herzen werden ließ. Als die beiden sie in der Tür stehen sahen, deaktivierten sie ihre Lichtschwerter. Tualon winkte ihr kurz zu. Sie erwiderte die Geste.
»Guten Morgen, Iskat«, sagte Ansho; seine großen schwarzen Augen blinzelten freundlich. »Können wir dir irgendwie helfen?«
Sie neigte ihr Haupt. »Jetzt, da meine Meisterin fort ist, weiß ich nicht so recht, was ich tun soll. Um ehrlich zu sein, könnte ich wirklich etwas Führung gebrauchen.«
»Hast du schon mit Meister Klefan gesprochen? Ich weiß, dass er dich schon früher unterwiesen hat.«
Sie musste jetzt sehr vorsichtig sein.
»Das hat er. Aber seine anderen Verpflichtungen lassen gegenwärtig leider keinen Einzelunterricht zu. Er gab mir den Rat, mir neue Mentoren zu suchen, und da fiel mir ein, dass Ihr Tualon einige neue Lichtschwerttechniken gelehrt habt. Würde es Euch etwas ausmachen, wenn ich bei Eurem Training zuschaue?«
Ansho schüttelte glucksend seine bläulich grauen Kopftentakel. »Ich denke, für heute Morgen haben wir genug getan. Aber du kannst dich uns gern anschließen, wenn wir zur nächsten Lektion übergehen. Muss dein Lichtschwert gewartet werden? Ich sage Tualon immer, dass es nach jedem Kampf wichtig ist, seine Waffe auseinanderzunehmen und wieder zusammenzusetzen, um genau zu wissen, wie es darum bestellt ist. Dieser geonosianische Sand kann sehr lästig sein. Der kommt überall rein!«
Iskat lächelte und hielt ihr Lichtschwert in die Höhe. Natürlich hatte sie längst getan, was er ihr nahelegte, aber wenn sie die Chance hatte, sich ein bisschen weniger einsam zu fühlen, wenn sie sich ihnen anschloss, hatte sie kein Problem damit, ihr Schwert auch zwanzigmal am Stück auseinander- und wieder zusammenzubauen. Ansho und Tualon gingen zu einer Werkbank hinüber, und sie gesellte sich zu ihnen, um neben Tualon zu stehen, während Meister Ansho ein in Leder gewickeltes Werkzeugset ausrollte.
Doch bevor Iskat einen Schraubenschlüssel auswählen konnte, begann eine Glocke feierlich zu läuten – die Glocke, die etwas von großer Bedeutung ankündigte. Diese Glocke hatte kurz vor der Mission zur Petranaki-Arena auf Geonosis geläutet und die Jedi später in die Bestattungskammer gerufen, um der Gefallenen zu gedenken. In letzter Zeit war sie ziemlich häufig zu hören gewesen, um weitere Bestattungen zu verkünden, aber jeweils immer nur einmal. Jetzt läutete sie ununterbrochen.
»Was ist los, Meister?«, fragte Tualon.
Anshos Kopftentakeln zuckten unbehaglich. »Ich weiß es nicht. Finden wir es raus.«
Iskat folgte Tualon, der wiederum Ansho folgte. In den Fluren wimmelte es nur so von Jedi jeden Alters, von den jüngsten Jünglingen bis zu den ältesten Meistern. Sogar Yoda humpelte mit seinem Stock einher, eine Schar Novizen hinter sich herziehend, die noch ihre riesigen Schutzhelme trugen, weil sie gerade mit Trainingsschwertern geübt hatten, als die Glocke erscholl. Als sie kurz darauf im Hof im Schatten des Großen Baums standen, suchte Iskat in der Menge instinktiv nach Sember, bevor ihr wieder einfiel, dass sie nicht da war. Nicht mehr.
Das also ist Verlust, dachte sie. Immer auf der Suche nach jemandem, der niemals da ist.
Während das Gemurmel der Jedi den Hof erfüllte, ließen einige Angehörige des Hohen Rats der Jedi, die im Zentrum der Fläche standen, mit ernsten Mienen und verschränkten Händen ihre Blicke über die Versammelten schweifen. Die übrigen Jedi standen in kleinen Grüppchen zusammen: Jedi-Meister mit ihren Padawanen, Scharen von Initianden und Jünglingen mit ihren Ausbildern, kampferprobte Ritter, die aber offenbar auch nicht wussten, warum man sie hier zusammengerufen hatte. Obi-Wan Kenobi war da, zusammen mit seinem Padawan, Anakin Skywalker. Wenn man bedachte, dass die beiden vor nicht allzu langer Zeit auf Geonosis nur knapp ihrer Hinrichtung entgangen waren, machten sie einen ausgesprochen guten Eindruck.
Vor ein paar Wochen hatte Iskat gesehen, wie viele dieser Jedi in jener ersten Schlacht des Krieges um ihr Leben kämpften, wie ihre Lichtschwerter schwirrten, während sie von Kampfdroiden und Geonosianern überrannt wurden und Dutzende ihrer Freunde fielen. Jetzt trugen sie frische, saubere Roben und hatten die Hände friedvoll gefaltet, ohne dass ihre Waffen offen zu sehen waren.
Schließlich trat Mace Windu vor, und seine Stimme erfüllte den runden Innenhof bis in den hintersten Winkel. »Meine verehrten Jedi. Die Schlacht von Geonosis war eine große Tragödie für den Jedi-Orden. Wir schickten Hunderte Jedi in die Petranaki-Arena.« Mace schaute sich mit grimmigem Blick im Hof um. »Doch nur neunundzwanzig kehrten zurück.« Er hielt einen Moment mit gesenktem Kopf inne, bevor er fortfuhr: »Viele von euch waren dort. Noch mehr von euch verloren auf Geonosis einen Meister, einen Padawan oder einen Freund. Wir müssen uns daran erinnern, dass sie jetzt eins mit der Macht sind. Sie starben so, wie sie gelebt haben: tapfer und mit wahrer Hingabe.« Mace’ Hände ballten sich flüchtig zu Fäusten. »Fast wäre es uns gelungen, Count Dooku gefangen zu nehmen. Doch um dieses Problem kümmern wir uns ein andermal.«
»Für viele Padawane Geonosis ihr erstes Gefecht war. Ihr alle euch bewundernswert geschlagen habt.« Meister Yoda stützte sich auf seinen Gehstock und nickte ernst. »Eure Lehren aus diesem Tag ziehen ihr müsst. Der beste Lehrmeister häufig unsere eigenen Erfahrungen sind.«
»Das ist der Weg eines jeden Jedi«, fuhr Mace fort. »Zuerst werdet ihr im Tempel in der Gruppe ausgebildet, alle zusammen, großgezogen unter euresgleichen. Dann werdet ihr individuell ausgewählt, um von einem Meister unterwiesen zu werden, den die Macht euch zuweist. Doch der nächste Schritt eurer Ausbildung …« Er lachte grimmig. »Normalerweise würdet ihr euch zu gegebener Zeit den Prüfungen stellen und zu Jedi-Rittern werden. Doch wir stehen am Beginn einer neuen Ära, denn wir befinden uns im Krieg. Die Zeit für Geduld ist vorüber! Im Rahmen einer Dringlichkeitssitzung des Hohen Rats der Jedi sind wir zu dem Schluss gelangt, dass wir Jedi-Ritter dringender brauchen als noch ein weiteres Ritual. In der Folge haben wir uns mit denen beraten, die euch am besten kennen, und werden nun die Namen der Padawane verlesen, die fortan als Jedi-Ritter dienen werden.«
Iskat drehte sich um, noch immer halb in der Erwartung, Sember zu sehen. Stattdessen stand da Tualon.
»Keine Prüfungen?«, fragte er mit großen, orangefarbenen Augen.
»Die größte Prüfung von allen habt ihr bereits bestanden«, sagte Ansho neben ihm und legte seinem Padawan eine Hand auf die Schulter. »Geonosis hat euch vor große Herausforderungen gestellt, und ihr zwei habt euch gut geschlagen.«
Einen Moment lang war Iskat verblüfft, einen Meister so offen sprechen zu hören; Sember war mit solchem Lob wesentlich geiziger gewesen. Ja, Iskats Meisterin hatte Freunde gehabt, jene Jedi, mit denen sie in der Vergangenheit Zeit verbracht hatte, doch wenn Iskat ehrlich war, wusste sie nur sehr wenig über Sember als Person. Nachdem sie das Lichtschwert unter den Habseligkeiten ihrer Meisterin gefunden und mit Jocasta Nu gesprochen hatte, war ihr bewusst geworden, dass Sember abseits ihrer Tätigkeit als Iskats Lehrmeisterin noch ein anderes Leben gehabt hatte, wohingegen ihre Meisterin für Iskat im Grunde ihr Leben gewesen war. Kein Wunder, dass sie sich so verloren fühlte.
»Iskat Akaris«, rief Mace Windu, und Iskat blickte zum Podium hinüber.
»Ich?«
Meister Ansho schob sie sanft vorwärts und lächelte ermutigend. »Meister Windu macht keine Fehler. Nur zu, Jedi-Ritterin. Geh zu ihm.«
Die Menge wich zurück, um ihr Platz zu machen, sodass sie in die Mitte des Hofes treten konnte. Die meisten Padawane und Jünglinge standen dicht beieinander und tuschelten überrascht miteinander. Iskat drückte ihre Schultern durch, hob das Kinn und tat ihr Bestes, um stark, selbstbewusst und unerschütterlich zu wirken. Sie war heilfroh darüber, dass sie heute Morgen ein frisches Gewand angelegt und ihr Haar gekämmt hatte.
Schließlich stand Iskat vor Meister Windu und den anderen anwesenden Mitgliedern des Rats die sie allesamt mit einem warmen Lächeln begrüßten. Iskat achtete darauf, dass ihre Hände in den Ärmeln ihrer Robe verborgen blieben, damit niemand sah, wie sie zitterten. Sie hatte ihr ganzes Leben darauf gewartet, zur Ritterin ernannt zu werden, und jetzt stand sie hier, vor den versammelten Jedi, dazu auserkoren, den entscheidenden Schritt in eine größere Welt zu tun. Ihre Herzen pochten vor Stolz, und es kostete sie große Mühe, ihre Miene neutral zu halten, anstatt sich ihre Freude und Aufregung anmerken zu lassen. Am liebsten wäre sie auf- und abgehüpft und hätte ihre Begeisterung lauthals hinausgeschrien, aber sie zwang sich, sich zu beherrschen. Jedi sollten bescheiden sein.
Iskat mochte die erste neue Ritterin sein, aber sie war nicht die einzige. Weitere Namen wurden verlesen, und nach und nach gesellten sich viele der Padawane, mit denen Iskat aufgewachsen war – darunter Onielle, Zeeth, Charlin und Tualon –, zu ihr in die Mitte des Hofes, wo sie in einer Reihe nebeneinanderstanden. Als Anakin Skywalker aufgerufen wurde, ging ein verblüfftes Raunen durch die Menge. Iskat kannte Skywalker nicht besonders gut, aber wann immer sie in seiner Nähe war, spürte sie eine gewisse Unruhe, die von ihm ausging, als würde eine dunkle Gewitterwolke über seinem Kopf hängen, die nur darauf wartete, Blitz und Donner zu entfesseln. Gleichwohl, sie hatte ihn auf Geonosis kämpfen sehen, und wenn sie so weit war, in den Ritterstand erhoben zu werden, dann war er es auch. Er hatte seine Fähigkeiten als Jedi beim Kampf in der Arena mehr als bewiesen.
Iskat musterte jeden Einzelnen, der sich neben ihnen einreihte, und verstand, warum der Jedi-Rat sie für würdig befand. Während die Padawane, die noch in der Menge standen, darauf warteten, dass ihre Namen aufgerufen wurden, bloß um dann übergangen zu werden, sah sie, wie Schultern nach unten sackten und Augen vor Kummer feucht wurden – winzige Hinweise darauf, dass einige von ihnen nach wie vor mit ihren Gefühlen zu kämpfen hatten, wie flüchtig auch immer. In diesem Moment kam ihr ein Gedanke: Warum gehörte ausgerechnet sie zu denen, die zu Rittern erkoren wurden?
Iskat galt nicht als herausragender Padawan. Sie war keine natürliche Anführerin wie Tualon und auch nicht mit einer ungewöhnlich starken Affinität zu Tieren gesegnet, so wie Onielle. Sie war nicht die vermeintlich Auserwählte, die das Gleichgewicht der Macht wiederherstellen würde, so wie Anakin. Tatsächlich war Iskat sich bis Geonosis erschreckend bewusst gewesen, dass sie keine besonderen Stärken besaß, nichts, wodurch sie sich von den anderen Jedi abhob. Es war ihr ja kaum vergönnt gewesen, überhaupt Padawan zu werden. Sie wusste, dass Bescheidenheit ein wichtiger Teil des Jedi-Seins war, und hatte schon vor langer Zeit akzeptiert, dass sie ungeachtet ihrer persönlichen Interessen eher Sembers Arbeit bei der Akquirierung von Artefakten und dem Aufspüren von Jedi-Wissen fortsetzen würde, als im Rang aufzusteigen und eines Tages dem Hohen Rat zu dienen.
Und doch war sie hier, Seite an Seite mit den besten Padawanen des Tempels, und stand vor einem Großteil des versammelten Jedi-Ordens. Vor Geonosis wäre es im Innenhof unangenehm voll gewesen, aber heute war da viel zu viel Platz. Iskat wünschte sich nichts sehnlicher, als Sember in der Menge zu erblicken, den Stolz in den Augen ihrer Meisterin zu sehen.
Aber Sember war tot. Sie war nie stolz auf Iskat gewesen, und jetzt würde sie es auch niemals mehr sein.
Das Brummen eines Lichtschwerts riss Iskat aus ihren Grübeleien. Meister Windu hatte seine violette Klinge aktiviert. Yoda aktivierte seine grüne, und dann hielten alle Meister ihre leuchtenden Lichtschwerter in die Höhe.
»Im Namen des Rats und dem Willen der Macht gehorchend, ernenne ich euch hiermit zu Rittern des Jedi-Ordens!«, erklärte Mace feierlich und mit nachhallender Stimme.
Er trat vor Iskat hin. Ihre Herzen pochten im Einklang. Sie war Meister Windu noch nie zuvor so nah gewesen, hatte noch nie in seine unergründlichen Augen geblickt, die so hart wie Stein waren. Sie wusste nicht, ob sie niederknien oder sich verbeugen oder die Augen schließen oder irgendetwas Bestimmtes sagen sollte, das Sember ihr nicht beigebracht hatte, weil sie nie gedacht hatte, dass dieser Tag wahrhaftig kommen würde.
Dann senkte sich Mace’ Lichtschwertklinge, und im nächsten Moment fiel Iskats Padawan-Zopf zu Boden. Mace neigte den Kopf und trat vor Onielle, um auch ihren Zopf abzuschneiden.
Iskat kam ein verrückter Gedanke: Was, wenn der Jedi-Meister versehentlich einen von Charlins Lekku kappte, anstatt die Perlenkette zu durchtrennen, die sie anstelle eines Padawan-Zopfs trug? Sie musste sich zusammenreißen, um nicht laut aufzulachen. Schließlich war ein Lekku ein hochsensibler Körperteil, nicht im Mindesten wie ein Padawan-Zopf. Wie kam sie nur auf eine so seltsame, verdrehte Idee?
Was passierte mit ihr?
Iskat hatte so viel Zeit damit zugebracht, ihr Bewusstsein und ihre irrlichternden Gedanken zu kontrollieren, dass sie sich nicht sicher war, wie ihr ein solch grässlicher Gedanke in den Sinn kommen konnte. Sie musste wachsamer sein. Sie musste sich an ihre Mantras erinnern.
Einmal hatte Iskat sich bei Sember über Charlin beschwert. Nur einmal. Sember hatte darauf entgegnet, dass es unter den Jedi keine Schikane gebe, dass Charlin die Dinge grundsätzlich sehr wörtlich nahm und erpicht darauf war, sich an die Regeln zu halten, und dass Iskat ihr einen Vertrauensvorschuss gewähren solle. »Du tätest gut daran, Charlin nachzueifern«, sagte Sember zu ihr. »Sie ist eine disziplinierte, talentierte Padawan-Schülerin mit einer großen Zukunft bei den Jedi. Es gibt kein Chaos – nur Harmonie. Versuch, kein Chaos zu verursachen, Iskat, auch wenn dir das offenbar im Blut liegt.«
Doch anstatt ihr Verhalten gegenüber Charlin zu ändern, hatte sie anschließend einfach ihr Bestes getan, ihr künftig aus dem Weg zu gehen. Und jetzt standen sie hier, in derselben Reihe, und wurden Jedi-Ritter.
Als Tualon zum Ritter ernannt wurde und Mace die Kette durchtrennt hatte, die er zwischen seinen Lekku trug, hielt der Hohe Rat der Jedi von Neuem die Lichtschwerter in die Höhe.
»Ihr seid nun Jedi-Ritter«, verkündete Meister Windu mit lauter Stimme. »Verantwortung. Frieden. Disziplin. Ihr seid die Vorbilder, auf die die Galaxis schaut. Eure Errungenschaften und Erfolge werden in der Republik und weit darüber hinaus bekannt sein. Genau wie eure Fehler. Eure Entscheidungen werden Gewicht haben und den Jedi dabei helfen, in Zeiten der Zwietracht den Frieden zu bewahren.« Er hielt inne, die Lippen in Gedanken geschürzt. »Die Jünglinge blicken zu euch auf. Was immer ihr tut, ist für sie von großer Bedeutung. Einige von euch werden selbst einen Padawan erwählen. Und auch für eure Schüler werden eure Entscheidungen von elementarer Wichtigkeit sein.«
Iskat ließ ihren Blick über die versammelten Jünglinge schweifen. War es tatsächlich möglich, dass ihr eins dieser Kinder zugewiesen wurde? Würde sie die Chance bekommen, einen jungen Geist zu fördern, einem künftigen Jedi die Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, nach der sie sich selbst immer so gesehnt hatte?
Diese Hoffnung starb schnell.
Angesichts ihrer Vergangenheit war es ziemlich unwahrscheinlich, dass die Meister ihr eine so wichtige Aufgabe anvertrauen würden.
»Wir befinden uns im Krieg«, fuhr Mace fort. »Etwas Derartiges hat es zu unseren Lebzeiten noch nicht gegeben. Und ihr gehört zu den Ersten, die in diesen Zeiten in den Ritterstand erhoben wurden. Vergesst nicht: Krieg ist wie ein Feuer, das in der Galaxis brennt. Es breitet sich aus und verschlingt alles, was ihm in die Quere kommt. Wir müssen stark sein im Angesicht dieses Feuers. Wir sind Hüter des Friedens. Wir sind Jedi. Die Republik braucht uns heute mehr denn je, deshalb darf unser Vertrauen in die Macht, unsere Verbindung zur Macht niemals ins Wanken geraten.«
Meister Windu sah Iskat an, und für einen flüchtigen Moment trafen sich ihre Blicke. Dann spürte Iskat ein seltsames Schaudern in der Macht, als wäre der große Mace Windu … besorgt. Über mehr als über den Krieg. Über etwas, das tiefer ging. Über etwas noch Dunkleres, wenn das überhaupt möglich war. Doch dann verschwand das Gefühl so schnell wieder, wie es aufgetaucht war.
»Eure Zeit ist gekommen, der Galaxis und der Republik zu dienen«, sagte er mit Nachdruck. »Möge die Macht mit euch sein.«
Alle im Hof verneigten sich, als Mace sich zu Yoda und den anderen Ratsmitgliedern gesellte. Die Padawane – nein, die Jedi-Ritter – um Iskat herum flüsterten aufgeregt und beglückwünschten einander, während die Meister sich zusammenfanden, um sich mit gedämpften Stimmen zu unterhalten.
In diesem Moment unterbrach ein elektronisches Surren die allgemeine Aufregung, und im Zentrum des Innenhofes erschien ein lebensgroßes Hologramm von Kanzler Palpatine. Die versammelten Jedi verstummten.
»Meister Yoda, Meister Windu!«, sagte der Kanzler mit grimmiger Miene. »Ich fürchte, ich überbringe drängende Neuigkeiten, die schwerwiegende Folgen für unsere Kriegsanstrengungen haben werden: Cato Neimoidia wurde bombardiert!«
Iskat sah, wie sich Yoda zu den übrigen Anwesenden umdrehte. »Dieses Gespräch nicht für Padawane und Jünglinge bestimmt ist. Gehen sie sollten, um fortzusetzen ihre Studien.« Dann wandte er sich wieder an Mace, und die beiden Jedi-Meister tauschten einen ernsten Blick.
Ohne sich davon beeindrucken zu lassen, machte Obi-Wan Kenobi sich daran, die Jünglinge um sich zu scharen. »Du da«, sagte er zu Iskat, die am nächsten bei ihnen stand. »Kann ich dir die Aufgabe anvertrauen, die Kleinen zum Unterricht zu Meister Beq im Hort zu bringen?«
Iskat schaute nach links und nach rechts, überzeugt davon, dass er nicht mit ihr sprach. »Ich?«
Sein Lächeln war sanft; seine Augen blitzten. »Du bist jetzt eine Jedi-Ritterin. Und wie es aussieht, wird deine erste Mission darin bestehen, eine Schar verängstigter Kinder zu beruhigen – eine ziemliche Herausforderung, wenn du mich fragst.« Sie nickte, und Obi-Wan fügte hinzu: »Übrigens, das mit deiner Meisterin tut mir sehr leid. Sember sprach stets mit großem Enthusiasmus über dein Potenzial.«
Iskat wurde von seinen Worten dermaßen überrumpelt, dass sie beinahe stotterte: »Meine Meisterin? Sember Vey?«
Er nickte. »Sie wäre heute sehr stolz auf dich.«
Iskat konnte bloß nicken und ihren Dank murmeln. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sember mit »großem Enthusiasmus« von ihrem Potenzial gesprochen hatte. Soweit es Iskat betraf, hatte Sember, abgesehen davon, Artefakte für den Orden aufzuspüren, nichts mit großem Enthusiasmus getan. Dennoch musste Sember sie Obi-Wan gegenüber positiv erwähnt haben, denn Iskat spürte instinktiv, dass der Jedi-Meister die Wahrheit sagte.
Obi-Wan winkte ihr zum Abschied zu und kehrte zu den übrigen Meistern zurück, um sie umringt von einer Gruppe von Jünglingen zurückzulassen, die erwartungsvoll zu ihr aufschauten.
»Wie heißt du?«, fragte der kleine Junge, der ihr am nächsten war.
»Iskat Akaris.«
»Ithkat, wann werde ich ein Jedi-Ritter?«, fragte er lispelnd. Seine Augen leuchteten, als er zu der Gruppe der frisch ernannten Jedi-Ritter hinüberschaute, die nervös zwischen den Meistern standen.
»Dann, wenn die Macht es will, nehme ich an«, entgegnete sie. Sie war sich immer noch nicht sicher, warum sie auserwählt worden war, aber zumindest hatte sie jetzt eine Aufgabe. »Kommt mit. Was habt ihr denn gerade gelernt, als die Glocke läutete?«
Iskat begleitete die Kleinen zurück zum Kinderhort, und als Meister Kelleran Beq dort nicht aufzufinden war, gab sie ihnen ein paar Tipps beim Kampf gegen die Trainingssonden. Die Kinder schienen ihr mit einer gewissen Ehrfurcht zu begegnen, und es war angenehm, unter Wesen zu sein, die keine vorgefasste Meinung über ihre Fähigkeiten hatten. Tatsächlich war sie überrascht, wie wohl sie sich dabei fühlte, die Jünglinge zu unterweisen und freundlich, aber bestimmt ihre Fehler zu korrigieren. Als Meister Beq schließlich zurückkehrte, um die Lektion zu Ende zu bringen, die sie vor dem Läuten der Glocke begonnen hatten, begab sich Iskat zur Trainingshalle, in der sie vorhin auf Tualon und Ansho gestoßen war, aber sie waren nicht da. Sie war gerade auf dem Rückweg zu ihrer Kammer, als plötzlich die feinen Härchen in ihren Ohren kitzelten, und sie schlüpfte gerade noch rechtzeitig in einen Seitengang, bevor Charlin und Onielle vorbeigingen.
»Aber warum sie?«, flüsterte Charlin.
»Vermutlich wegen Geonosis«, erwiderte Onielle im selben Flüsterton. »Sie hat Zeeth und Meister Klefan gerettet.«
»Trotzdem kommt es mir nicht richtig vor, so viele Leben auszulöschen.«
»Genauso wenig war es richtig, dass die Geonosianer so viele Jedi getötet haben«, sagte Iskat und trat aus dem Seitengang, um den beiden den Weg zu versperren; der Ausdruck peinlicher Überraschung auf ihren Gesichtern erfüllte Iskat mit unglaublicher Genugtuung. »Und es war auch nicht richtig, dass sie zwei Jedi und eine Senatorin hinrichten wollten. Oder wäre es euch lieber, ebenfalls zu denen zu gehören, die heute nicht zugegen waren?«
»Ich wäre schon allein zurechtgekommen«, entgegnete Charlin schnippisch.
Iskats Lippen zuckten. »Wie viele Geonosianer hast du getötet?«
Charlin warf ihre Kopftentakel nach hinten. »Ich habe geholfen, ein Geschütz zu neutralisieren, was unsere eigentliche Mission war, falls du dich erinnerst. Ich brauchte niemanden zu töten. Ich ziehe es vor, Leute zu retten.«
»Dann ist der Hohe Rat offenbar der Ansicht, dass wir beide unseren Beitrag zum Erfolg dieser Mission geleistet haben, da wir jetzt beide Jedi-Ritterinnen sind.« Iskat bedachte sie mit einem spöttischen Grinsen, drehte sich um und spazierte in entgegengesetzter Richtung den Flur entlang.
Gewiss, das war nicht sonderlich höflich von ihr gewesen, doch andererseits hatte sie auch keine Meisterin mehr, die ihr Verhalten missbilligen konnte. Sie würde nie wieder eine Meisterin haben. Iskat war jetzt eine Jedi-Ritterin und damit über Charlins Meinung erhaben. Vielleicht gingen mit dem Rittertum ja noch weitere Privilegien einher, vielleicht sogar die Möglichkeit, mehr über Feyra und das Lichtschwert in Erfahrung zu …
»Iskat Akaris?«, rief jemand und riss sie damit aus ihren Gedanken. Als Iskat sich umdrehte, sah sie sich Noxi Kell gegenüber, der jungen Bibliotheksassistentin, die mit einem eifrigen Lächeln erklärte: »Meisterin Jocasta würde gern mit dir reden.«