Für Braque war das Wohnheim der Geisteswissenschaftler wie ein Eiszapfen im Hintern. Sie hatte es als fünftes von fünf Wunschheimen angegeben. Erst als sie angekommen war, hatte sie erfahren, dass jeder hier landete, der es auch nur als irgendeine Wahl angegeben hatte. Für manche war es tatsächlich die erste Wahl. Jeder dieser Deppen war genauso ein Landei wie Katelyn, die heute eine bescheuerte Kombination aus einem pinkfarbenen Chicago-Bears-Shirt (sie kannte wahrscheinlich nicht einen einzigen Spieler von den Bears) und weißen High-Waist-Shorts trug. Sie lag auf ihrem Bett und las irgendeinen dämlichen viktorianischen Roman.
»Ich wollte dich nur vorwarnen«, sagte Katelyn und sah dabei nicht von ihrem Buch auf. »Meine Schwester Elodie kommt in zwei Tagen vorbei, und ich habe ihr gesagt, sie kann dein Bett haben.«
»Auf keinen Fall«, sagte Braque und warf ihre Notizen zu Mikro I in ihre alte JANSPORT-Tasche. »Deine Schwester schläft nicht in unserem Zimmer und erst recht nicht in meinem Bett, Ende der Diskussion.«
»Der Wohnheimaufseher hat gesagt, das geht, weil du mich aus dem Klo ausgesperrt hast.«
{106}Braque ließ ihre Tasche fallen. »Diese Aussage ist so dermaßen bescheuert, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Zuerst mal, Katelyn, bist du reich. Steck sie gefälligst in ein Hotel.« Das stimmte, Katelyns Dad war Wirtschaftsanwalt in Minnesota, und die Familie wohnte an einem See in Orono, damit gab sie vor den Jungs doch immer an.
»Ich bin nicht reich. Meine Familie hat vielleicht ein bisschen Geld, aber deswegen kann ich es mir noch lange nicht leisten, meinen Gästen ein Hotelzimmer zu bezahlen.«
»Dann soll sie’s eben selbst zahlen. Sie ist schließlich erwachsen.«
»Stell dich nicht so an! Nur weil ein Mal was nicht nach deinem Plan läuft.«
»Ich stell mich überhaupt nicht an«, sagte Braque in der offenen Zimmertür stehend. Sie war spät dran, was bedeutete, dass sie nicht so früh wie sonst in der Vorlesung sein würde. »Ich lass mich doch nicht mitten in der Prüfungswoche aus meinem eigenen Bett schmeißen! Dich will ich sehen, wenn ich das mit dir machen würde!«
»Du schuldest mir schon vier Nächte, allein für die vier, die ich draußen auf dem Flur schlafen musste, weil du hier drin irgendeinen Typen gebumst hast.«
»Darüber sprechen wir noch«, sagte Braque und ging. Diese überhebliche kleine Zicke hatte nicht ganz unrecht. Aber egal, was in der Vergangenheit passiert war, es gab absolut keinen Grund, warum Katelyns Schwester nicht in einem Hotel wohnen konnte. Wer kam überhaupt in Klausurphasen zu Besuch? Die Schwestern von reichen Mädchen, denen ihre Noten scheißegal waren, weil sie sich {107}in ihrem Leben sowieso niemals Sorgen um Geld machen mussten.
Die Mitbewohnerzuteilungspolitik an der Northwestern war sadistisch: Erstsemester, die staatliche Hilfe bekamen, wurden immer mit jemandem zusammengesteckt, der finanziell gut situiert war, und alles, was sie damit erreichten, war, Braque zu zeigen, wie geizig reiche Leute waren. Katelyn war über die Osterferien in Vail gewesen und nicht mal Ski gefahren, aber eine Woche später kam sie zurück und brauchte Braques komplettes Sportwaschmittel von Seventh Generation auf, ohne zu fragen. Und jetzt wollte sie auch noch über Braques Bett bestimmen, als hätte sie irgendein Recht dazu. Auf diese reichen Kids konnte man echt nur scheißen.