Halt mich fester!

Das gesellschaftliche Event, zu dem wir am darauffolgenden Abend eingeladen waren, prägte sich nicht wirklich in meine Erinnerung. Es war eines von vielen, zu denen ich Santiago begleiten durfte, mit der einzigen Ausnahme, dass wir in jener Nacht zum ersten Mal ein blindes Mädchen an unserer Seite hatten. Schon am Nachmittag nahm ich mir speziell viel Zeit für Jana, denn sie war fast so nervös, als würde sie heiraten. Seit über zwei Monaten hatte sie sich nicht geschminkt gehabt und auch keine aufwändige Frisur getragen. Nun begriff ich erst, was Santiago mit seiner Andeutung gemeint hatte, sie wäre in vielen Dingen auf meine Hilfe angewiesen. Jana hatte ausgesprochen schöne, blonde Haare, mit denen man nicht viel anstellen musste, um gut auszusehen, aber für diesen Abend wünschte sie sich einfach etwas Besonderes. Mit ein paar riesigen Lockenwicklern, Fön, Glätteisen und viel Haarspray zauberte ich edle, große Wellen in ihre blonde Mähne, die mich selbst fast neidisch werden ließen. Danach gab sie mir eines ihrer Lieblingsfotos von sich selbst und genaue Anleitung, wie ich sie schminken sollte. Ich fand es ziemlich anspruchsvoll, aber meisterte es mit ganz viel Liebe und Geduld. Sie sollte unsere Königin werden ... heute Abend. Und letztendlich war ich von mir selbst überrascht und mit dem Kunstwerk sehr zufrieden.

Wir trugen teure Cocktailkleider, die von einem italienischen Designer extra für diesen Anlass angeliefert wurden, und bei einem abschließenden Blick in den Spiegel, war ich gerührt. Ich stand direkt neben Jana und fand es so endlos schade, dass sie nicht sehen konnte, was ich mit meinem hingebungsvollen Perfektionismus an ihr vollbracht hatte. Aber Jana war sehr feinfühlig und so reichte mein leises Seufzen und sie umarmte mich dankbar mit einem Lächeln auf ihren sinnlichen Lippen.

An diesem Abend war sie seine »First Lady«. Er führte sie stolz an seinem Arm. Sie trug eine leicht getönte moderne Sonnenbrille und kaum jemand merkte, dass sie nicht sehen konnte. Es war wie ein Spiel, sie musste sich auf Santiagos Führung verlassen und ihm ihr Vertrauen schenken, hätte allerdings maximal stolpern oder mit jemand anderem zusammenstoßen können. Und da wir weit härtere Spiele gewohnt waren, konnte sie relativ entspannt mit dieser Situation umgehen und die Veranstaltung ehrlich genießen.

***

Die darauffolgenden Tage versuchte ich unermüdlich, mich an das Leben mit Jana und Cheyenne zu gewöhnen. Was für Santiago eine perfekte Zusammenführung seiner favorisierten Sexualpartner auf engstem Raum bedeutete, stellte für mich eine wahre Herausforderung dar ... in doppelter Hinsicht.

Zum einen in der Gestalt von Cheyenne, weil ich meine Blicke kaum von ihm lassen konnte, er sich jedoch mir gegenüber sehr unbarmherzig verhielt und nicht über die kleinste meiner Entgleisungen hinwegsehen wollte. Jeden zweiten Abend bekam ich gnadenlos eine Zahl genannt, die von Amistad mit Hingabe vollstreckt wurde. Santiago war immer seltener anwesend, was jedoch Amistads Ehrgeiz kaum zügelte. Obwohl mich sein gekonnter Umgang mit der Peitsche auch regelmäßig erregte, blieb es unabwendbar eine Strafe für mich, da er mir danach keine Erlösung gestattete. Dafür genoss ich die Amnestie an den Wochenenden, wo Santiago mit Cheyenne die Insel verließ, um mit ihm den ganzen Tag lang Golf zu spielen. Seine Abwesenheit schlug sich umgehend in einer weit zu geringen Zahl meiner Vergehen nieder, offenbar nicht wert, Amistad zu bemühen.

Jana war jedoch meine mit Abstand größere Herausforderung. Ihr Privileg, Santiago berühren zu dürfen, quälte mich fast zu Tode. Er schlief im Durchschnitt jede zweite Nacht bei uns. Entweder mit Jana oder mit mir, während die andere jeweils direkt daneben lag. Im Gegensatz zu Jana konnte ich jedoch bei meiner passiven Rolle etwas sehen! Erfüllt von blankem Neid musste ich regelmäßig beobachteten, wie sie ihre Finger in den Haaren meines Geliebten vergrub, wie sie sich an seine kräftigen Schultern klammerte, während er sich an ihrem Körper leidenschaftlich verausgabte. Ich fragte mich oft, ob er es wohl gemerkt hätte, wenn meine Hand anstelle der ihren in seiner größten Ekstase in seine Haare gefasst hätte. Aber ich traute mich nie. Zu groß war mein Respekt vor seiner Phobie und den möglichen Konsequenzen für mich.

Und so vergingen drei Wochen, bis das nächste Event vor der Tür stand, zu dem ich ihn begleiten sollte ...

Allerdings hatte ich für selbigen Abend vierundzwanzig verbotene Blicke angesammelt und als Santiago und Amistad unser Schlafzimmer betraten, war ich mir etwas unsicher wegen meiner Bestrafung. Er wollte mich doch mitnehmen, und dafür sollten keine Striemen meinen Körper entstellen.

»Setzt dich aufs Bett!«, verlangte Amistad. Er kniete vor mir nieder und öffnete meine High Heels.

Santiago stolzierte gelangweilt vor der meterlangen Schrankwand auf und ab. Beiläufig strich er mit einer Hand über die neueste Kollektion Designerkleider, ohne ihnen wirklich Beachtung zu schenken. Er wirkte nachdenklich. Auch Jana schien die Anspannung zu fühlen, sie saß in dem für ihre Körpermaße viel zu großen, wuchtigen Ledersessel neben unserem Bett und umschlang schützend ihre angezogenen Beine.

Amistad erhob sich wieder, er warf mir einen strengen Blick zu und für mich war klar, ich würde ihn jetzt nichts fragen. Er wandte sich von mir ab und griff an Santiago vorbei in den Schrank. Neben mir flogen zwei schwarze Kleider aufs Bett, danach Unterwäsche. Er zog die schwere Schiebetür zur Seite und entnahm aus dem dahinter verborgenen Regal zwei Paar High Heels, schwarz, mit intensiv roten Sohlen. So schlecht gelaunt, wie er wirkte, machte ich mich darauf gefasst, dass er auch diese in meine Richtung schleudern würde, aber er blieb vor Santiago stehen und betrachtete die edlen Schuhe von allen Seiten. Ich sah ihm an, dass er nach Selbstbeherrschung suchte, bevor das erste Wort über seine Lippen kam. »Es ist keine gute Idee, sie mitzunehmen!«

Santiago verdrehte die Augen. »Das wirst du mir überlassen! Ich gehe nicht ohne Begleitung in diesen Club.«

»Das verlangt ja keiner ... aber Frauen sind ausdrücklich verboten!«

Santiago lächelte verächtlich. »Verbote sind etwas für arme Menschen!«

Es klopfte an der Tür. Damian trat ein und brachte Natalie. Sie war bereits auffallend stark geschminkt. Viel zu verrucht für ihr unschuldiges Wesen, ihre blasse Haut und ihre hellblonden Haare.

Amistad stellte die High Heels vor mir auf den Boden. »Du hast eine halbe Stunde Zeit«, erklärte er mir, »schmink dich wie sie und die Haare glatt zurück zu einem strengen Pferdeschwanz.«

Ich nickte und begab mich ins Badezimmer.

Als ich zurückkam, hatte Natalie bereits ihr schwarzes Kleid angezogen. Es war völlig anders geschnitten als die Kleider, die wir sonst trugen ... hochgeschlossen, aber ärmellos ... dafür so kurz, dass man fast ihren Slip sah. Das hauchdünne, feine Material schmiegte sich eng an ihre perfekten kleinen Rundungen und ganz in schwarz wirkte sie noch dünner, als sie ohnehin schon war. Ihre nackten Beine schienen von endloser Länge. Es war richtig ungewohnt, sie mal in anderen Schuhen zu sehen, wo kein Riemen um die Knöchel die fließende Schönheit ihrer Beine unterbrach. Sie sah wirklich steil aus.

Jana weinte.

»Kann Jana nicht mitkommen?«, fragte ich Santiago.

»Nein.«

»Ich kann mich um sie kümmern«, schlug ich vor, »es wird kaum auffallen, dass sie ...«

»Ich habe Nein gesagt!«, fauchte er und durchbohrte mich gleichzeitig mit seinem strengen Blick. »Zieh dich jetzt an!« Santiago verließ das Zimmer und wartete unten auf uns.

Mir war leicht mulmig zumute, als Damian uns an Bord der Symphonie half. Amistad und Cheyenne begleiteten uns unter Deck, während Marcus die Yacht steuerte und Santiago bei ihm an der frischen Luft blieb. Ich wusste, dass sie sich abwechselten, denn Santiago liebte es, selbst zu steuern.

Zu fünft saßen wir auf den weißen Lederbänken rund um die alte Seemannskiste.

Amistad griff plump auf meinen nackten Oberschenkel. »Sollten wir uns inzwischen die Zeit vertreiben?«, fragte er frivol die anderen Männer.

Ich wurde bleich vor Schreck.

Natalie wusste vermutlich nicht, wovon er sprach, zumindest war es ihrer Gesichtsfarbe nicht anzumerken. Damian zog missbilligend eine Augenbraue hoch und Cheyenne durfte ich nicht ansehen.

Aber dann lachte Amistad süffisant in meine Richtung ... und ich hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst. Er griff nach meinem Gesicht und tätschelte geringschätzig meine Wange. »Wir wollen dein Make-up nicht ruinieren. Vielleicht auf dem Heimweg, wenn du brav bist.« Er grinste hinterhältig.

Ich lehnte mich schweigend zurück ... neben Natalie ... während die Männer ein Gespräch begannen, dem ich nicht so richtig folgen konnte. Sie benutzten völlig fremde Namen und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass es größtenteils um Santiago ging. Sie sprachen von der Schweiz, von Cuba Libre, einem Jubiläum, irgendwelchen Vorbereitungen, Agenturen, Verträgen und zeitlich gestaffelten Transporten. Sie vereinbarten auch, dass Damian und Amistad sich mit einem gewissen Harry Mayor in Miami treffen würden, wenn Santiago mit Cheyenne das nächste Mal zum Golfen wollte.

»Kein Wort davon zu Santiago«, ermahnte uns Amistad, »es soll eine Überraschung werden.«

»Hat er Geburtstag?«, fragte Natalie.

»Jeder Mensch hat einen Geburtstag«, antwortete er zynisch.

»Und wann hat Santiago?«, unterstützte ich sie.

»Welches Datum haben wir denn heute?«, wollte Amistad von uns wissen.

Sofort begann ich in Gedanken zu rechnen. Wie viele Wochen war ich jetzt hier? Wann ging mein Flug von New York nach Miami? ... Natalie wusste so schnell erst recht keine Antwort.

»Seht ihr ... also, was soll ich mit euch über ein Datum diskutieren? Ihr werdet es früh genug erfahren, nämlich genau dann, wenn ich es für angebracht halte.«

Beleidigt hielt ich meinen Mund und hoffte, dass es ihn glücklich machte, dass er nun zum zweiten Mal seine Macht über uns demonstrieren konnte. Er war sichtlich noch schlecht gelaunt von der kleinen Meinungsverschiedenheit vorhin mit Santiago.

Wir hatten keinen Kalender auf Ivory. Wir besaßen überhaupt keine persönlichen Dinge, keine Handtasche, keinen Ausweis, kein Geld und schon gar kein Handy. Wenn wir ausgingen, so wie heute, hatte stets einer der Männer unsere Ausweise bei sich und in Santiagos Stretchlimousine gab es ein Beauty-Case, falls sich die Mädchen nachschminken oder frisieren mussten. Wir selbst waren, abgesehen von dem Kleid, High Heels und teuren Ohrringen, so gut wie mittellos. Wäre eine von uns bei einem Landgang verloren gegangen, sie hätte ernsthaft Probleme gehabt, sich durchzuschlagen. Aber vermutlich war genau das Sinn und Zweck dieser Regelung. Wir sollten uns abhängig fühlen, nackt und hilflos. Und Amistad war so nett und hatte uns unsere Position noch mal klar vor Augen geführt. Aber er war noch nicht fertig. Es gab noch einen kleinen Spielraum nach unten ...

»Ihr habt bestimmt die roten Sohlen an euren High Heels bemerkt.«

Zögerlich nickten Natalie und ich.

»Ich finde es direkt schade, dass man sie beim Gehen so schlecht sehen kann«, bedauerte er, »darum habe ich mir etwas einfallen lassen, eine kleine Choreografie, die, wie ich mir denke, Santiago sehr gefallen wird.«

Seiner vorsichtigen Wortwahl nach, ahnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass gerade diese »kleine Choreografie«, die er uns für diesen Abend lehrte, in den folgenden Wochen und Monaten bei sämtlichen Empfängen, Veranstaltungen und Auftritten Santiagos Lieblingsritual werden sollte, welches er mit Leidenschaft pflegte und nur selten entbehrte.

»Wenn wir heute diesen Club betreten, dann werdet ihr seine Schuhe binden. Dreimal.«

Mit großen Augen sahen wir ihn an. Mein Herz klopfte und ich spürte sofort, dass mir das gefiel.

»Ihr werdet an seiner Seite gehen, Natalie rechts, Zahira links. Santiago wird an einem gut übersehbaren Platz stehen bleiben, ihr werdet vor ihm auf den Boden gehen und dreimal die Schleife seiner Schuhbänder auflösen und wieder binden. Die ganze Zeit über kniet ihr mit einem Bein auf dem Boden, sodass man die rote Sohle sehen kann. Danach erhebt ihr euch, synchron, und stellt euch wieder an seine Seiten. Wenn San­tiago dann weitergeht, wird nur noch Cheyenne ihn begleiten. Zahria geht neben mir und Natalie neben Damian.«

Ich fühlte mich wie hypnotisiert von Amistads Augen, und nickte, ohne auf Natalie zu achten.

»Gut. Wir üben das jetzt. Cheyenne!« Er ersuchte ihn, aufzustehen.

Cheyenne stellte sich mit dem Rücken zur Tür und Amistad wies uns an seine Seiten. Ich achtete darauf, ihm nicht ins Gesicht zu sehen. Auf ein Zeichen hin knieten wir uns zu seinen Füßen, banden drei Schleifen und hatten danach kurz Augenkontakt, bevor wir uns synchron erhoben und wieder neben ihn stellten.

»Ja ... nur eine kleine Korrektur«, merkte Amistad an, »es sieht besser aus, wenn ihr das gleiche Bein auf den Boden legt. Einigen wir uns auf das rechte. Der Rest war okay.«

»Weiß Santiago, dass wir das machen?«, fragte ich.

»Ich sage es ihm kurz vor dem Eingang«, erklärte Amistad.

Am Hafen wartete bereits unsere Limousine inklusive Fahrer, also blieb Marcus auf der Yacht. Es verging kaum eine Viertelstunde und wir bogen in eine finstere Straße, der auf den ersten Blick kein Club anzusehen war. Es gab keine Leuchtreklame, kein prunkvolles Entré und keinen roten Teppich, wie ich es von anderen Auftritten mit Santiago gewohnt war. Dafür zeigte sich die Gasse fast gänzlich verstellt von den teuersten Limousinen: Rolls Royce, Benltey, Maybach, Mercedes und viele andere mehr.

Unser Fahrer öffnete die breite Schiebetür der Stretchlimousine. Als ich meine roten Sohlen auf den weichen Boden setzte, fiel mir dann doch ein Teppich auf, ein tief schwarzer, mit einem riesigen silbernen Wappen und der Aufschrift »Empire«. Er führte die wenigen Meter zu einer wuchtigen Eisentür. Zwei stattliche Männer bewachten den Eingang. Sie waren schwer bewaffnet und trugen verspiegelte Brillen.

Wir alle warteten beim Wagen, während Damian mit den beiden Männern eine kurze Diskussion begann. Inzwischen erklärte Amistad Santiago unsere kleine einstudierte Choreo­grafie. Ich sah ihn schmunzeln und sich fast etwas verlegen an die Stirn fassen. Und während Damian mit dem Türsteher noch immer zu keiner Einigung gekommen war, wandte sich Santiago Cheyenne zu. Er drängte ihn gegen eine Mauer und begann ihn leidenschaftlich zu küssen.

»Ihr seid das Problem ...«, erklärte uns Amistad leise, »in diesen Club dürfen keine Frauen.«

Aber dann, nachdem einer der beiden Männer einen Anruf erhalten hatte, öffnete man uns doch bereitwillig und übertrieben freundlich das Eisentor. Alle machten Platz für Santiago. Er trat als Erster ein, gefolgt von Natalie und mir. Damian gab eine Art Kreditkarte beim Empfang ab. Wir durchschritten eine überraschend prunkvolle kleine Halle, wie man sie hinter dieser Fassade nicht vermutet hätte, zwei weitere Türen und zum Schluss ein goldenes Tor. Dahinter eröffnete sich uns ein gediegener Table-Dance-Club, der sofort durch seine intime Atmosphäre bestach. Eine Handvoll langgezogener Stufen führte hinunter zu einer kleinen Bühne, an der linken Seite gab es vereinzelt noch freie Logen mit bequemen Sofas, Liegeflächen und niedrigen Glastischen. An der anderen Seite der Bühne erstreckte sich eine goldene Bar, die fast schon orientalisch anmutete. Aber das Besondere an diesem Club waren die Mädchen und die Art, wie man sie präsentierte. Durch das gesamte Lokal schlängelte sich ein schmales Fließband rund um die Bühne, über die Bar, in drei Etagen vorbei an den einzelnen Logen und wieder zurück zur Bühne. Unzählige blutjunge Schönheiten tanzten darauf in dichten Abständen hintereinander und überwanden dabei stets Berg- und Talfahrten, sodass sie sich im richtigen Moment auf den Rücken legen oder zumindest hinknien mussten, um das Gleichgewicht halten zu können. Sie hatten das in ihre Choreografien eingebaut und nach einer Weile war es für den Zuschauer völlig normal, dass dieses Förderband nicht geradlinig verlief. Einige von ihnen schafften es auch, ihren schlanken Körper entsprechend zu biegen und nahezu durchgehend auf den High Heels zu bleiben.

Amistad gab mir einen Anstoß von hinten und sofort erinnerte ich mich wieder daran, was wir einstudiert hatten. Ich warf einen Blick auf Natalie. Sie wartete bereits auf meinen und wir traten gemeinsam einen Schritt vor Santiago, um synchron vor ihm niederzuknien und zum Schein seine Schuhe zu binden. Im Augenwinkel beobachtete ich Natalie und stellte fest, dass auch sie keine Eile hatte. Mein Herz klopfte wie verrückt und mein Atem ging schwer. Es war etwas völlig anderes, vor Santiago zu knien, als vor Cheyenne. Und sie genoss es genauso wie ich. Santiago stand erhaben an einem wunderschön exponierten Platz. Etliche Blicke waren auf ihn gerichtet, da wir das Lokal eben erst betreten hatten und er offensichtlich in diesem Etablissement bekannt war. Fast wehmütig erhoben wir uns nach dieser kleinen Zeremonie. Santiago blickte uns beiden kurz in die Augen, bevor er seinen Arm um Cheyennes Taille legte, wir zurücktraten, und ihnen den Weg freigaben. Kurz darauf eilte ein älterer Herr Santiago entgegen. Mit einer innigen Umarmung begrüßte er ihn und wies eine Angestellte an, ein paar Gäste von der Bar an Tische zu bitten, damit wir zu sechst an der goldenen Theke Platz finden konnten. Ich beobachtete, wie die »Flüchtigen« als Entschädigung jeweils eine Flasche Champagner erhielten. Natalie und ich durften uns auf Barhocker setzen, während die Männer stehen blieben. Wir bestellten Cocktails, Santiago begann zu rauchen, äußerte nebenbei einen Musikwunsch, der auch prompt erfüllt wurde, und ich versuchte mich daran zu gewöhnen, dass neben meinem Ellenbogen auf dem Fließband reihenweise Mädchen vorbeizogen. Sie hatten ausnahmslos perfekte Körper, trugen sexy Dessous und bewegten sich lasziv bis obszön. Santiago schenkte ihnen nicht viel Beachtung, er unterhielt sich mit Cheyenne. Doch die Musik war laut und wir konnten nichts verstehen. Wenn man sich ernsthaft mit jemandem verständigen wollte, musste man entweder schreien oder einander verdammt nahe kommen.

Wie es aussah, war ich heute Abend Amistad zugeteilt worden. Er hatte ständig eine Hand auf meinen nackten Schenkeln oder in meinem Nacken ... und er war auch der Einzige, der mit mir sprach. »Könntest du dir vorstellen, hier zu arbeiten?«, fragte er mich und ich spürte dabei den Hauch seines Atems an meinem Ohr.

»Ich kann so ... nicht tanzen«, antwortete ich mit einem entschuldigenden Blick.

»Das kann man lernen.«

Ich schüttelte meinen Kopf. »Die warten doch alle nur auf einen Reichen, der sie hier rausholt. Also, ich denke, für mich wäre es ein Rückschritt.«

Amistad nickte. »Aber nicht jede von ihnen bekommt heute noch vierundzwanzig Peitschenhiebe ...«

Ich lächelte verlegen. »Trotzdem ... ich möchte nicht tauschen.«

Er legte seine Hand an meinen Hals und sah mir in die Augen. »Willst du vielleicht erhöhen?«

Plötzlich kam ein sehr attraktiver, etwas älterer Mann zu Santiago und sagte ihm etwas ins Ohr. Daraufhin entschuldigte sich Santiago bei Cheyenne, warf auch Amistad einen kurzen bedeutungsvollen Blick zu, bevor er mit diesem Herren ins Abseits wich. Sofort war unser Gespräch beendet und ich war dankbar dafür, denn ich hätte mir mit seiner letzten Frage bestimmt nur Schwierigkeiten eingehandelt. Es war faszinierend, mit anzusehen, wie die Aufmerksamkeit unserer Männer sich nun einzig auf einen Punkt in diesem Raum konzentrierte. Der fremde Herr unterhielt sich sehr angeregt mit Santiago. Er war auffallend schön ... dunkle kurze Haare, leicht ergraut, kantige männliche Gesichtszüge, schlank, und elitär gekleidet. Santiago hielt sein Glas Whisky gemeinsam mit einer Zigarette in der einen Hand und mit seiner anderen gestikulierte er offen. Sie lachten, kamen einander näher ... irgendwann berührte der Fremde Santiagos Unterarm. Er hielt ihn fest, sprach aus nächster Nähe in sein Ohr, sodass man hätte meinen können, er wollte ihn küssen. Dann lachten sie wieder und Santiago ließ jeden Annäherungsversuch bereitwillig zu. Amistad atmete schwer und ich sah, wie er sich Mühe gab, seinen Blick zwischendurch abzuwenden. Dann kam der Moment, wo der Fremde seine Hand zärtlich an Santiagos Nacken legte und er kam ihm nun tatsächlich näher, mit dem unübersehbaren Vorhaben, ihn zu küssen. Aber Santiago wich minimal zurück, er hob leicht abwehrend eine Hand, woraufhin der Schönling die Gelegenheit ergriff, nahm was er kriegen konnte, und demütig Santiagos Hand küsste ... und das ließ er sich wieder gern gefallen. Jetzt konnte ich nicht mehr anders, ich musste in Cheyennes Gesicht blicken, auch wenn es mir verboten war, und wie vermutet, kämpfte er mit den Tränen. Nach ein paar Sekunden sah er mich an, seine Augenbrauen zogen sich schmerzlich zusammen und dann kullerte eine Reihe dicker Tränen über seine Wangen. Er tat mir so leid, am liebsten hätte ich ihn in meine Arme genommen und ihm gesagt, dass er Santiago nicht verlieren würde. Mit Sicherheit war er der Letzte unter uns, der sich um Santiagos Liebe Sorgen machen musste.

Endlich kam Santiago zurück. Ich bemerkte, wie er eine Visitenkarte einsteckte. Er ging sofort auf Cheyenne zu, der wollte sich gekränkt wegdrehen, aber Santiago ließ es nicht zu. Er zwang ihn förmlich, ihn anzusehen, wirkte dabei sogar leicht brutal und gereizt, als er ihm etwas ins Ohr schrie. Dann drehte er sich zu uns. »Lasst uns hinaufgehen in eine Loge. Dort ist es ruhiger.«

Beim Aufstehen fasste Amistad meine Handgelenke und drückte so fest zusammen, dass ich vor Schmerzen augenblicklich vor ihm auf die Knie fallen musste.

»Was soll das?«, fuhr ihn Santiago an.

Amistad antwortete nicht und warf ihm nur einen finsteren Blick zu.

»Wenn du mir jetzt eine Szene machen willst«, fauchte Santiago, »dann kannst du auf der Stelle mit Cheyenne nach Hause fahren! Wir sind nicht im Kindergarten!«

Daraufhin ließ er mich los. Mit Sicherheit war er genauso aufgebracht wie Cheyenne. Aber er zeigte es anders. Amistad hätte nie geweint. Als ich mich wieder erhoben hatte, legte er seinen Arm gebieterisch um meine Taille und wir folgten den anderen in eine Loge. Santiago machte es sich auf einem Sofa gemütlich und legte die Beine auf den Tisch. Er nahm Cheyenne an seine rechte und Natalie an seine linke Seite. Mir blieb wieder Amistad. Ich fand meinen Platz zwischen ihm und Damian. Eine Kellnerin brachte unsere Getränke an den Tisch und fragte nach weiteren Wünschen. Santiago bestellte Brötchen, Lachs und Kaviar, zwei Flaschen Champagner und Früchte.

»Möchten die Herren ... äh ... oder Damen ... später vielleicht an einer Vorführung teilnehmen?«, fragte sie weiter.

Santiago lehnte mit einer leicht überheblichen Geste wortlos ab.

Keine zwei Meter vor uns zogen die halbnackten Mädchen vorüber. Amistad lehnte sich zurück, zum ersten Mal sah ich ihn eine Zigarette rauchen und ich hatte das Gefühl, dass sie ihm gut tat. Er wirkte danach merklich ruhiger. An den anderen Tischen beobachtete ich immer wieder Männer, die einem Mädchen vom Fließband herunterhalfen, um sie auf ihrem eigenen Tisch weitertanzen zu lassen. Das musste auch Amistad bemerkt haben. »Gefallen dir die Mädchen nicht?«, fragte er Santiago.

»Ich mag sie als Gesamtbild. Aber nicht einzeln. Sie sind mir nicht ergeben.« Er blies gelassen Rauch in die Luft.

Amistad lächelte. »Hast du etwas dagegen, wenn ich eine auswähle?«

»Wozu? Du darfst sie nicht anfassen, es sind keine Nutten.«

»Ich weiß, ich bin nicht zum ersten Mal hier. Sie soll einfach nur für uns tanzen.«

»Bitte. Wenn dir das etwas gibt.« Santiago legte seinen Arm um Natalie und zog sie näher an sich heran.

Amistad lehnte sich wieder zurück und musterte die jungen Tänzerinnen. Im Hintergrund beobachtete ich Männer, die auf der Bühne seltsame Geräte aufbauten.

»Was passiert auf der Bühne?«, fragte ich Santiago neugierig.

Er lächelte und streckte einen Arm nach mir aus. »Komm zu mir.« Er half mir über seine Beine und rutschte zur Seite, sodass ich neben ihm Platz fand. Glücklich kuschelte ich mich zwischen ihn und Cheyenne. Ich verstand zwar nicht wirklich, warum Santiago das plötzlich erlaubte, aber für mich gab es keinen schöneren Platz an diesem Abend. Santiago küsste mich und begann danach zu erklären: »Auf der Bühne findet später eine Vorführung statt. Das ist so eine klassische SM-Geschichte, ein Mädchen wird angebunden, von einigen Gästen gefoltert und alle anderen ergötzen sich daran.«

Ich nickte. »Eines von den Mädchen auf dem Fließband?«

»Ja. Man kann eine auswählen.«

Die Kellnerin brachte unsere Bestellung, wir tranken alle einen Schluck Champagner und jedes Mal, wenn ich mich zurücklehnte, fühlte ich Cheyennes Wärme an meinem Rücken. »Und die machen das freiwillig?«, fragte ich.

Er lachte. »Natürlich. Sie bekommen gut bezahlt dafür.«

Plötzlich drängte sich ein junger hübscher Mann an Amistad vorbei und reichte Santiago eine Visitenkarte. »Von dem Herren im weißen Anzug an Tisch vier. Ich soll Ihnen seine Verehrung ausrichten. Und er lässt fragen, ob Sie dieses Jahr im Sommer zur Concordia erscheinen werden.«

Santiago lächelte geschmeichelt. »Werden Sie dort sein?«

Der Junge erschrak. »Ich?«

»Ja, Sie.«

Farbe stieg ihm ins Gesicht. Aufgeregt kämmte er mit den Fingern durch seine blonden Locken und antwortete einsilbig. »Ja.«

»Gut. Dann richten sie ihm aus, ich werde auch dort sein.«

Der Junge lächelte verlegen. »Oh ... danke.« Eilig zog er sich wieder zurück.

Santiago überkreuzte seine Beine andersrum und konnte sich vor Grinsen kaum einkriegen.

»Warum nimmst du an keiner Vorführung teil?«, fragte ich ihn neugierig.

Santiago zischte verächtlich. »Ich habe es nicht nötig, eine Frau dafür zu bezahlen, dass sie sich mir hingibt.«

»Du kannst mich verwenden«, bot ich ihm leichtsinnig an.

Überrascht zog er eine Augenbraue hoch. »Das würdest du tun? Vor allen Leuten hier?«

»Ja. Für dich.«

Er streichelte liebevoll über meine Wange. »Ich rechne es dir hoch an, dass du das für mich tun würdest, aber ich prostituiere meine Mädchen nicht vor wildfremden Leuten.«

Ich nickte etwas enttäuscht. »Warum bist du hier? Um Männer kennenzulernen?«

Santiago lachte unmerklich in sich hinein, zögerte und überlegte offenbar, ob er mir auf diese dreiste Frage überhaupt antworten sollte. »Vielleicht ...« Jetzt erst dachte er daran, die Visitenkarte in sein Sakko zu stecken. »Vielleicht auch einfach nur, um zu sehen, wie sich meine zwei Raubtiere verhalten, wenn jemand in ihr Gehege kommt.« Mit einem Griff an mir vorbei – ich musste mich zurücklehnen – zog er Cheyenne an sich, um streng in seine Augen zu sehen ... und ihn anschließend langsam und innig zu küssen. Mein Herz raste. Cheyenne lehnte jetzt über mir, er hielt sich sogar mit einem Arm an mir fest und mir schien, dass er das absichtlich tat, während Santiago durch seinen Kuss abgelenkt war. Vielleicht war seine Berührung eine Art Rache, für Santiagos provokativen Flirt vorhin. Ich hatte auf jeden Fall nichts dagegen, Amistad war inzwischen mit einer persönlichen Tabledance-Vorführung beschäftigt und Cheyenne bereitete mir fast mehr Herzklopfen als Santiago. Der Reiz des Verbotenen. Er küsste Santiago noch immer und seine Hand streichelte nun ganz bewusst über meinen Körper. Ich atmete schwer, versuchte aber dennoch, mir im Gesicht nichts anmerken zu lassen. Seine Hand griff nach meinen Brüsten, er drückte mich gefühlvoll und dann konnte ich nicht mehr anders ... ich musste ihn ansehen ... und anfassen. Zum Glück hatte er seine Augen geschlossen, genau wie Santiago. Ich berührte ehrfürchtig die Hand, die so zärtlich zu mir war, seinen kräftigen Unterarm und seine hart trainierte, glatte Brust. Er hatte sein Hemd weit aufgeknöpft und gewährte mir freien Zugang zu seiner Hitze und seiner nackten Haut. Meine Finger konnten ihr Glück kaum fassen. Und obwohl ich mich fast schmerzhaft nach den Küssen verzehrte, die er Santiago schenkte, wünschte ich mir, dass dieser Moment nie zu Ende ginge. Für eine Sekunde spürte ich seine Finger zwischen meinen Beinen, aber plötzlich zuckte er zurück und nahm seine Hand von mir. Ich tat es ihm nach. Er öffnete langsam die Augen, löste sich von Santiagos Lippen und lehnte sich wieder zurück.

Cheyenne atmete schwer, seufzte und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Wir alle tranken wieder. Prickelnde Hitze stieg in mir auf. Ich konnte noch gar nicht glauben, dass das soeben niemand bemerkt hatte. Aber weder Damian noch Amistad straften mich mit bösen Blicken. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass Cheyenne Interesse an mir hatte. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, ihm ungesehen etwas zuflüstern zu können, ich hätte ihn angefleht, Santiago noch einmal zu küssen. Aber der Abend war ja noch jung.

Unsere Tabledancerin verabschiedete sich nach ein paar Minuten, dafür begann auf der Bühne die erste Vorführung. Ein dunkelhaariges Mädchen wurde auf ein goldenes Rad gebunden. Zuschauer stellten sich direkt auf der Bühne im Kreis rund um sie. Santiago lehnte sich etwas nach vorn, um besser zu sehen.

»Geh auf die Toilette und zieh dein Höschen aus«, flüsterte Cheyenne in mein Ohr.

Ich erschrak vor seinen Worten. War er jetzt völlig durchgeknallt? Das konnte er nicht wirklich wollen. Ich riskierte einen Blick und sah ihn betont skeptisch und fragend an, aber sein Antlitz war in gleichem Maße betont überzeugt.

Santiago lehnte sich wieder entspannt zurück. »Willst du nach unten gehen ... zusehen?«, fragte er mich.

Ich schluckte hart und wurde leicht nervös. Meine Vernunft kämpfte angestrengt gegen meine Begierde. Cheyenne ... er wollte zwischen meine Beine ... Er würde Santiago ein zweites Mal küssen ... für mich ... und ich schaffte es nicht, ihm zu widerstehen. »Ich ... nein ... ich muss mal«, stotterte ich, »weißt du, wo hier die Toilette ist?«

»Damian soll dich begleiten«, antwortete Santiago.

Auf dem Weg durch das Lokal bekam ich ernste Zweifel. Was, wenn das eine Falle war? Vielleicht war es mit Santiago abgesprochen oder sogar von ihm inszeniert. Er wollte mich testen. Meine Hände zitterten, mein Magen schmerzte, aber die Versuchung war zu groß. Die Gelegenheit bekäme ich so schnell nicht wieder ... Ivory war mit Überwachungskameras vermutlich besser ausgestattet als das FBI. Ich musste meine Chance nutzen. Aufgeregt schlüpfte ich auf der Toilette aus meinem Höschen und dann überfiel mich gleich das nächste Problem. Ich hielt es in meiner Hand und wusste nicht wohin damit. Ich konnte es mir ja schlecht in die Haare knüpfen. Die einzige Möglichkeit, die ich hatte, war mein BH ... schnell probierte ich es, aber mein Busen sah damit auffallend asymmetrisch aus, also verwarf ich diese Variante wieder und sonst gab es absolut kein Versteck an meinem Körper. Kurz überlegte ich, mein Höschen einfach wegzuwerfen, fand es dann aber doch zu riskant. Vielleicht brauchte ich es noch, vielleicht wollte ich es in zehn Minuten schon wieder anziehen. Ich seufzte verzweifelt. Schließlich behielt ich es klein zusammengerollt, fast unsichtbar, in meiner Hand und Damian brachte mich wieder auf meinen Platz.

»Wo ist Santiago?«, fragte ich Natalie, während ich mich neben Cheyenne setzte.

»Mit Amistad unten ... zusehen.«

Möglichst unauffällig zeigte ich Cheyenne meine verkrampfte Faust, aus der eine kleine schwarze Spitze hervorlugte. Dann ließ ich sie, für ihn fühlbar, hinter seinen Rücken gleiten und legte meine leeren Hände zurück in meinen Schoß. Er hatte mich verstanden, griff hinter sich und steckte mein kleines Dessous in seine Hosentasche. Jetzt war ich ihm ausgeliefert. Ich hatte ihm mein Höschen gegeben und er konnte mich jederzeit verraten. Gierig trank ich mein Glas Champagner leer, erfüllt von schlechtem Gewissen. Santiago kam zurück. Ich machte ihm etwas Platz und rutschte näher zu Cheyenne, sodass ich wieder seine Körperwärme spüren konnte und die Ruhe, die er ausstrahlte.

»Jetzt ist Pause«, erklärte Santiago, »wenn du möchtest, gehe ich später mit dir nach unten.«

Ich nickte.

Santiago zündete sich eine Zigarette an und schenkte mir damit ein wenig Zeit, mit meinem Gewissen klarzukommen.

Cheyenne atmete tief und regelmäßig, ich spürte die kräftigen Bewegungen seines Brustkorbes und fragte mich, ob er wohl meinen aufgeregten Herzschlag fühlen konnte. Ich selbst hörte ihn wie Trommelschläge in meinem Kopf und fürchtete direkt, dass Santiago es auch hören konnte. Nach fünf Minuten hatte er seine Zigarette fertig geraucht. Cheyenne lehnte sich nach vorn und griff nach einer Erdbeere. Ich blickte bewusst zu Boden, wollte gar nicht sehen, wie er sie bestimmt endlos lasziv an seine Lippen führte. Nur meine nervösen Finger verkrampften sich. Mit der zweiten Erdbeere zwischen seinen Zähnen fütterte er Santiago. Ich drehte mein Gesicht in die entgegengesetzte Richtung, aber nur ein paar Sekunden später wusste ich, dass sie einander wieder küssten. Cheyennes erhitzter Körper schmiegte sich an meinen, seine Hand fasste kurz an meinen Hals und drückte leicht zu. Es fühlte sich an, wie eine kleine Drohgebärde, als wollte er damit nur die Verhältnisse klarstellen ... ich sollte für ein paar Sekunden ihm gehören. Wehrlos. Dann rutschte sie über meine Brüste nach unten, tiefer über meinen Bauch, bis zwischen meine Beine. Sofort stellte ich sie einladend auseinander, damit er es leichter hatte. Ängstlich hielt ich mich an seinem Oberarm fest, dann glitten seine Finger zwischen meine Schenkel. Er fühlte meine glitschige Nässe und drang ohne zu zögern in mich ein. Wir wussten beide, dass wir nicht viel Zeit hatten. Ich behielt meinen Kopf bewusst von ihm abgewandt, hielt mir zusätzlich eine Hand vor meine Augen und verkrampfte mich unweigerlich. Seine Finger waren wundervoll, sie begannen einen hochsensiblen Punkt in meinem Inneren zu massieren. Im selben Augenblick hätte ich schreien können, wild um mich schlagen vor Lust. Aber nach außen hin blieb ich ruhig, nur in mir brodelte ein Vulkan. Cheyennes lange Finger begannen zu vibrieren und die einzige Bewegung, die ich zuließ, war die meiner intimsten Muskeln. Sie kommunizierten mit ihm angeregt und umklammerten seine Finger, als wollten sie ihnen nie wieder die Freiheit schenken. Dann legte sich jedoch sein Daumen an meine kleine empfindliche Knospe und ich bekam Angst. Er massierte mich beherzt, aber ich wollte keinen Orgasmus, denn ich war mir sicher, dass ich das nicht stillschweigend durchhalten würde. Ich versuchte ihn wegzudrücken, aber er ließ nicht von mir ab. In der nächsten Sekunde wollte ich es auch gar nicht mehr. Ich verkrampfte mich wieder. Er reizte meine kleine Perle, stimulierte sie mit seinem Daumennagel, ich fühlte einen zarten Schmerz, stechende Lust und eine weitere heftige Vibration, die in meinem Inneren schließlich meinen Ausbruch provoziere. Es traf mich wie eine Naturkatastrophe. Sofort stellte er sein Bein vor meine Knie, damit man das unkontrollierte Zittern nicht sehen konnte, meine Fingernägel bohrten sich in seinen Oberarm. Seine Hand in mir war gnadenlos. Bis zur letzten Zuckung hielt er an mir fest. Die ganze Zeit über atmete ich nicht, in kurzen Abständen wurde mir immer wieder schwarz vor Augen und der Druck in meinen Ohren schien fast unerträglich. Aber die Wellen der Erlösung, die durch meinen Körper strömten, waren es wert ... Ganz langsam zog Cheyenne seine Finger aus mir und er trennte sich auch von Santiago. Ich nahm meine Hand von den Augen und plötzlich liefen ganz unmotiviert unzählige Tränen über meine Wangen. Nein ... Ich wollte jetzt keinen Gefühlsausbruch! Ich erinnerte mich daran, zu atmen und musste feststellen, dass es nur mit hektischem Keuchen funktionierte.

»Was ist los?«, fragte Santiago besorgt. Er sah, dass ich weinte und völlig außer Atem war.

»Er ... er hat mich fast erdrückt«, schluchzte ich ängstlich.

Skeptisch zog Santiago eine Augenbraue hoch.

»Es geht schon wieder«, beruhigte ich ihn.

»Wie kann er dich erdrücken, wenn er sich nur über dich lehnt?« Sein Blick war jetzt verdammt ernst.

»Ich ...« Ich suchte nach Worten.

Aber Santiagos Geduld war schon am Ende. Er griff nach meinem Arm und riss mich zu Boden, er zwang mich zwischen seine Beine, überstreckte meinen Hals nach hinten und fauchte in mein Gesicht: »Ich höre? ... Die Wahrheit!«

Ich überlegte wie hoch mein Kleid in diesem Moment wohl gerutscht war und ob er meine Blöße sehen konnte. Aber selbst wenn dem so gewesen wäre, die Wahrheit konnte ich ihm nicht anvertrauen. »Ich war so neidisch ... wegen diesem Kuss. Mich wird Cheyenne NIE küssen! Ich ... hab ihm ... ins Gesicht gesehen ... und ich konnte meinen Blick nicht mehr abwenden, bis mir die Tränen kamen. Dann hatte ich nur noch Angst vor dir!«

Eigentlich hatte ich als Reaktion darauf eine Ohrfeige erwartet, aber ich erhielt eine Zahl. »Zwanzig!«

»Bitte nicht ...«, flehte ich ihn an, »es sind bereits vierundzwanzig! Und ... ich hab ihn nur von der Seite gesehen, er hatte seine Augen zu ...«

Plötzlich legte Cheyenne seine Hand auf mein Gesicht, vielleicht damit ich nicht in Versuchung geriet, ihn anzusehen, während er mit Santiago redete. »Warum willst du sie bestrafen? Sie hat sich doch nur selbst wehgetan. Zuerst setzt du sie zwischen uns, um sie mit meiner Nähe zu quälen, dann weint sie und es ist dir auch nicht recht.« Er nahm seine Hand wieder von mir.

Santiagos Miene schien skeptisch, aber nachgiebig. Er seufzte. »Okay, wir reden zu Hause weiter. Ich werde es davon abhängig machen, wie du dich den Rest des Abends verhältst.« Abschließend hielt er mir seinen Handrücken vor den Mund, sodass ich ihn zum Zeichen meiner Dankbarkeit küssen konnte. »Du tauschst mit Natalie den Platz!«, befahl er.

Ich nickte, stand auf und zog gleichzeitig mein Kleid lang. Wie sollte ich bloß jemals wieder an mein Höschen kommen?

»Möchtest du noch mal nach unten gehen?«, fragte Amistad Santiago.

»Nein, mich interessieren diese halbherzigen Inszenierungen nicht. Alles Fake! Schauspiel! Die Mädchen sind abgebrüht, genau wie deine!«

Jetzt war er endgültig schlecht gelaunt.

Amistad zog eine Augenbraue hoch. Wir alle wussten, er hätte jetzt allen Grund gehabt, beleidigt zu sein, aber er war es nicht. Amistad hatte sich sehr gut im Griff und erkannte gleichzeitig Santiagos schlechte Laune. »Du hast leicht reden mit zwei Prinzessinnen an deiner Seite«, schmeichelte er ihm, »ich glaube, da würden gern einige Männer hier mit dir tauschen ...«

Santiago lächelte wissend und lehnte sich zurück.

Die Wogen waren wieder geglättet. Natalie reichte Santiago ein Kaviarbrötchen. Alle tranken. Bald spürte ich jedoch die gefährliche Hitze des Alkohols in mir aufsteigen und beschloss für den Rest dieses Abends auf Champagner zu verzichten. Auch die Musik erschien mir nun wieder lauter als zuvor und ich fand, sie nahm langsam dramatische Züge an. Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter. Es war Cheyennes Hand, er hatte seinen Arm hinter Santiago über die Lehne gelegt ... und als ich mich das nächste Mal nach vorn beugte, ließ er etwas kleines Schwarzes hinter meinen Rücken fallen. Schnell griff ich nach meinem Höschen und ließ es in meiner Faust verschwinden. Ich ersuchte Santiago, noch mal zur Toilette zu dürfen, um meine verlaufene Schminke zu korrigieren und kurz darauf saß ich glücklich und anständig gekleidet wieder an seiner Seite.

Die Bühne war kaum zehn Meter entfernt und wenn die Sicht nicht von schaulustigen Gästen verstellt wurde, konnte man auch von unserer Loge aus recht gut sehen. Santiago zeigte nach wie vor kaum Interesse für das »Theaterspiel«, das dort aufgeführt wurde. Ich hingegen war fasziniert von jedem einzelnen Akt und langweilte mich nur in den Pausen, während Umbauarbeiten vorgenommen wurden. So wie jetzt gerade. Diesmal entfernten sie sogar gänzlich alle aufwändigen Geräte von der Bühne und brachten dafür nur ein einziges neues. Es hatte die Form eines leicht schrägen Pultes, war aus dunklem Holz, mit ein paar gepolsterten Auflagen und vielen Riemen. Dann vergaß ich eine Zeit lang, das Geschehen zu verfolgen und wurde erst wieder dadurch aufmerksam, dass plötzlich Santiagos Interesse geweckt war.

Er stand auf, um besser sehen zu können und machte sich danach allein auf den Weg nach unten. Gut zwanzig Leute standen auf der Bühne und man konnte wirklich kaum etwas erkennen, abgesehen von der Aufregung. Ein paar Männer bewegten sich hektisch und für eine Sekunde sah ich zwischen all den dunklen Anzügen lange blonde Haare durch die Luft fliegen. Mittlerweile war Santiago ganz vorn und ich starrte wie gebannt auf die Akteure. Die Musik wechselte in ein mystisch dramatisches Genre ... dunkle Männerchöre, sparsam durchzogen von einer einzelnen hellen Frauenstimme. Plötzlich entfernte sich ein Mann aus der ersten Reihe und gab für einen Moment die Sicht frei ... auf ein zierliches Mädchen ... gleichzeitig durchfuhr ein Schreck meinen Körper, denn im Unterschied zu allen anderen, die ich bisher gesehen hatte, wehrte sie sich. Ihre blonden Haare flogen noch immer durch die Luft und sie schien mit mehreren Männern gleichzeitig zu kämpfen. Dann war meine Sicht wieder verstellt.

Bewusst musste ich meinen Mund schließen und schluckte. Entsetzt blickte ich zu Amistad, ob er das auch mitbekommen hatte? Der stand jedoch gerade auf, weil Santiago schon wieder zurückkehrte. Auch Damian musste aufstehen. Meine Augen wurden immer größer.

Santiago besprach sich mit den beiden und zeigte einmal zwischendurch gezielt auf mich. Am liebsten hätte ich auf der Stelle zurückgenommen, was ich vorhin so leichtfertig angeboten hatte. Ich wollte doch nicht auf diese Bühne. Auch nicht für Santiago. Dieses Mädchen hatte bestimmt einen Grund, warum es sich so wehrte. Denn mit all den anderen war man zuvor auch nicht gerade zimperlich umgegangen und von denen hatte sich keine einzige gewehrt. Amistad streckte seine Hand nach mir aus und ich musste aufstehen. Wie gern hätte ich noch schnell ein Glas Champagner runtergekippt, aber dafür war es nun zu spät. Wir gingen gemeinsam nach unten und ließen Cheyenne allein mit Natalie zurück.

Damian erhielt wieder mal die undankbare Aufgabe, mit einem Verantwortlichen, in diesem Fall dem Besitzer des Clubs, der Santiago vorhin so herzlich begrüßt hatte, zu verhandeln. Daraufhin wandte der sich an einen Herren, der auf der Bühne im Zentrum des ganzen Geschehens direkt vor dem Mädchen stand. Der Betroffene wurde etwas ungehalten und aufbrausend. Durch die aufdringliche Musik konnte man sich ohnehin nur lautstark verständigen, aber dieser Herr unterstütze seine Stimme noch durch eindeutige Gesten, bis er sich gemeinsam mit sechs anderen Männern missmutig entfernte. Unser Gastgeber wies uns freundlich auf den freigewordenen Platz.

Santiago trat näher und ich blieb einen Schritt hinter ihm. In weiser Voraussicht hielt mich Amistad am Oberarm fest, denn bei dem Anblick, der sich mir bot, wurde mir kurz schwarz vor Augen. Wie aus einem Reflex heraus wandte ich mich sofort wieder ab und stieß dabei in meiner Umnachtung gegen Amistads Brust. »Mein Gott«, hauchte ich, ohne dass es jemand hören konnte, dann reckte ich mich hinauf zu Amistads Ohr. »Wie alt ist sie?«

»Achtzehn!«, erwiderte Amistad.

»Was passiert mit ihr? Warum hat sie solche Angst?«

»Sie ist Jungfrau.« Er drehte mich wieder um, sodass ich sie ansehen musste.

Das Bild tat mir im Herzen weh. Erstens sah sie nicht aus wie achtzehn, sondern weit jünger, klein und zierlich, und zweitens war sie erfüllt von unbändiger Angst, die schon fast an eine Panikattacke grenzte. Aber am schlimmsten schien mir die erniedrigende Position, in die sie sie gebracht hatten. Sie lag mit weit gespreizten und angewinkelten Beinen auf dem Pult, die Hände über den Kopf nach hinten gestreckt und gefesselt. Ihre Schenkel und Hüften waren mit eng anliegenden Riemen flach niedergespannt, sodass sie ihren gesamten Unterkörper kaum einen Zentimeter bewegen konnte. Wenigstens trug sie Unterwäsche, was jedoch ihre Aufregung kaum milderte ... reinweiße Spitzendessous mit abstehenden, kleinen, rosa Zierblümchen. Sie keuchte panisch und hielt ihren Kopf angespannt in die Höhe, um sehen zu können, was sich zwischen ihren Beinen tat. Hecktisch zuckten ihre Blicke zwischen den Männern hin und her. Vermutlich wusste sie nicht, wer es tun würde.

Mittlerweile stand Santiago bei ihr. Er beriet sich noch mit Amistad, während rund um das Pult Schaulustige gemächlich ihre bevorzugten Plätze einnahmen. Teure Maßanzüge reihten sich aneinander, abgebrühte, überhebliche Blicke. Es roch förmlich nach Geld. Das Mädchen war umstellt von Männern mittleren Alters, denen man den Reichtum bereits aus weiter Ferne ansehen konnte und die das Ambiente eines elitären Tabeldance-Clubs für die Auslebung ihrer zweifelhaften sexuellen Vorlieben missbrauchten. Sie suchten den besonderen Kick ...

Man gab Santiago eine Schere. Jetzt wusste das Mädchen vermutlich, dass er es war, der sie in Kürze zur Frau machen würde, und sie war nur noch fixiert auf ihn. Selbstbewusst, aber doch auch irgendwie nachdenklich, sah er nun zum ersten Mal etwas länger in ihr bildhübsches, herzförmiges Gesicht und in ihre feucht glänzenden Augen, als würde er überlegen, ob er das wirklich wollte. Rang er etwa mit seinem Gewissen? Oder störten ihn nur die anderen Leute? Ich wünschte mir, er hätte Mitleid gehabt.

Sie keuchte immer schneller. Es war sogar für mich die reinste Folter, wie lange er sich Zeit ließ. Und irgendwann überfiel mich der grausame Verdacht, er wollte ihre Angst genießen.

Dann legte er endlich eine Hand an ihren Hals. Ich sah sie schwerfällig schlucken. Sie zitterte am ganzen Körper, während er zärtlich über ihre blasse Haut streichelte, die Schere ansetzte und ihren BH zerschnitt ... gefolgt von ihrem Höschen. Er entblößte ihre Scham. Kein einziges blondes Härchen bedeckte ihre zarte Haut. Santiago wirkte ernst und konzentriert, fast etwas besorgt. Er ließ schützend seine Hand auf ihrem Venushügel liegen, damit nicht jeder sehen konnte, was er gesehen hatte und was ich gesehen hatte ... die kleinen rosa Schmetterlingsflügel, die sich durch die gespreizte Haltung ihrer Schenkel sofort bereitwillig für ihn geöffnet hatten, feucht glitzerten, und in ihrer Mitte noch kleinere blassrosa Flügel offenherzig zum Vorschein brachten.

Sie tat mir so leid, weil sie nicht wusste, wer er war. Wie gern hätte ich ihr erzählt, dass andere Mädchen sich ihm freiwillig hingaben, dass ich einst bereit gewesen wäre, alles zu tun, nur um das zu bekommen, was er jetzt mit ihr machen würde. Und ich wäre bereit gewesen, meine Seele zu verkaufen, für ein Leben mit ihm. Wie gern hätte ich ihr ein bisschen von meinem Stolz geschenkt, von meiner Dankbarkeit und meiner Ergebenheit. Warum konnte er sie vorweg nicht küssen und sie in den süßen Rausch seiner Ausstrahlung hüllen, um die Schmetterlinge in ihrem Bauch zu erwecken? Warum ließ er seine samtige Stimme nicht an ihrem Ohr vibrieren, um prickelnde Gänsehaut auf die unberührte Blässe ihres Körpers zu zaubern? Warum gewährte er ihr nicht seine Nähe, seinen Duft und einen Hauch seines Charmes?

Amistad griff in meine Haare. Er sah mir eindringlich in die Augen, dann auf Santiagos Hose, die er gerade im Begriff war zu öffnen, danach wieder in mein Gesicht. Ich hatte verstanden, kniete nieder, und Santiago gab mir seinen sanft erigierten Penis in den Mund. Anstelle des blonden Mädchens fiel nun ich in Trance. Ich verzehrte mich nach ihm, gierte so stark nach jedem Zentimeter seines Geschlechts, dass ich es kaum erwarten konnte, bis er meinen Mund zur Gänze ausfüllte. Ich brannte darauf, vor all den Leuten zu zeigen, wie sehr ich ihn liebte und begehrte, und genoss es mit Leib und Seele, vor ihm zu knien. Vielleicht wollte ich auch dem Mädchen beweisen, dass er anbetungswürdig war, und nicht allein sein edles Antlitz das Argument, ihm zu verfallen. Ich sah zu ihm auf und gleichzeitig ertrank ich im Hochwasser meiner eigenen Tränen. Noch nie hatte ich das vor Publikum für ihn tun dürfen. Ich fühlte unzählige Blicke auf mir. Meine Lippen umschlossen ihn dankbar, gewährten ihm geschmeidig feuchten Einlass bis tief in meine Kehle, während meine Zunge zwischendurch mit Hingabe seine empfindlichste Stelle reizte. Zärtlich legte er eine Hand in meine Haare und für die letzten paar Stöße nahm er sich selbst den Widerstand, den er brauchte. Ich hielt meine Hände verschränkt hinter dem Rücken und gab mich bereitwillig seinem Drängen hin, bis er sich mir abrupt entzog.

Mit seiner ganzen Hand verteilte er meine Spucke auf seiner nun stattlichen Erektion und wandte sich von mir ab. Ich zuckte kurz zurück, als ich bemerkte, dass ich mit meinem Gesicht fast zwischen den Beinen des Mädchens war. Amistad half mir hoch. Er wischte mit seinen Fingern über meinen Mund, als wäre ich schmutzig, und im selben Moment durchbrach ein heller Schrei den Triumphmarsch der Männerchöre aus den Lautsprechern. Erschrocken drehte ich mich um und sah, dass Santiago in das Mädchen eingedrungen war. Sie keuchte mit weit aufgerissenen Augen und verfolgte panisch jede seiner Bewegungen. Er hielt sich an ihrer schmalen Taille fest und versetzte ihr nur sanfte Stöße, aber trotzdem war sie außer sich – bestimmt würde ihr bald schwindelig werden, wenn sie weiter so hektisch atmete – ihre Wangen glühten förmlich vor Hitze und einzelne Schweißtropfen hatten sich bereits zwischen ihren Brüsten gebildet. Sie wimmerte ... und er machte noch immer keine Anzeichen, sie auf irgendeine Art und Weise beruhigen zu wollen.

Dann zog mich Amistad von ihr weg. »Geh wieder nach oben!«, befahl er mir.

Ich nickte etwas verstört, war aber fast dankbar, das hier nicht weiter beobachten zu müssen. Auf wackeligen Beinen stieg ich die paar Stufen hinauf zu unserer Loge, wo Cheyenne und Natalie warteten. Etwas abseits von den beiden setzte ich mich auf eine eigene Couch und nahm einen kräftigen Schluck Champagner, den ich jetzt wirklich brauchte, während ich nun ohne den Einfluss von Santiagos Aura – die mich stets manipulierte, wenn ich in seiner Nähe war, mir den Verstand raubte, gleichsam wie die Fähigkeit, Dinge objektiv zu betrachten – so langsam realisierte, was sich da unten abspielte. Ernüchtert lehnte ich mich zurück, hielt mir eine Hand vors Gesicht und fühlte mein innerliches Zittern. Ich wusste nicht, sollte ich von Santiago enttäuscht sein, weil er so etwas machte? Sollte ich es verwerflich finden? Zwangsläufig wandte sich mein Blick wieder der Bühne zu. Ich sah Santiago nur von hinten, aber mit jeder harten Hüftbewegung versetzte er meiner Seele einen schmerzhaften Stoß ...

Plötzlich sank die Couch neben mir sachte ein und ein Männerarm schlang sich um meine Taille. »Geht’s dir nicht gut?« fragte Cheyenne mitfühlend.

Sofort wehrte ich mich gegen seine Berührung. »Bitte nicht ... Ich will keinen Ärger bekommen.«

Er hielt mich dennoch fest. »Wir sind allein. Ich hab Natalie zur Toilette geschickt.«

Ich schüttelte meinen Kopf. »Weißt du eigentlich, was Santiago da unten tut?«, fragte ich ihn.

»Ja ... aber es interessiert mich nicht.«

»Bitte ... lass mich ... ich kann jetzt nicht ...«, flehte ich ihn an.

Er zog mich unbeeindruckt davon an sich, war fest entschlossen. Ich musste mich ihm zuwenden, behielt jedoch meinen Blick gesenkt. Seine Lippen berührten meine Stirn, er wollte mich eindeutig, und ich hätte vermutlich noch vor einer halben Stunde nichts lieber getan, als eine solche Gelegenheit zu nutzen ... Aber jetzt war alles anders. Ich war erfüllt mit Entsetzen, mir war schlecht und ich konnte nur an Santiago denken. »Bitte, küss mich jetzt nicht«, hauchte ich, »tu es ein anderes Mal, wenn ich dir gehöre ...«

Cheyenne legte seine Hand an mein Kinn und nun musste ich ihm doch in die Augen sehen. »Wir werden auf Ivory keine Gelegenheit dafür haben«, gab er mir zu bedenken.

Wie sollte ich es ihm bloß erklären ... Ich wollte ihn nicht beleidigen. »Cheyenne, ich träume seit ich dich das erste Mal gesehen habe davon, dich zu küssen, aber ... ich kann nicht ... mein Herz ist da unten auf dieser Bühne, bei diesem Mädchen.« Wehmütig löste ich mich von ihm und sah wieder zu Santiago.

Cheyenne nahm seine Hände von mir.

Wenig später setzte sich Natalie zwischen uns ... und auch Santiago kehrte zurück. Er griff sofort nach dem Päckchen Zigaretten, welches direkt vor mir auf dem Glastisch lag. Unweigerlich streifte mich dabei sein Blick und er merkte, dass etwas mit mir nicht stimmte. Es irritierte ihn kurz, aber er schien zu aufgewühlt, um dem weiter Beachtung schenken zu können. Stattdessen wandte er sich Amistad zu, sie blieben beide stehen, Santiago hielt ihn am Arm fest und zündete sich aufgeregt eine Zigarette an. Danach begann er ihm Wange an Wange ausführlich zu schildern. Seine Augen funkelten. Sein Gesicht bot eine Vielzahl an Mimiken, die ich vergebens zu deuten versuchte. Zwischendurch lächelte er manchmal und in den wenigen kurzen Redepausen blies er lässig weiße Wolken in die Luft. Erst als er ausgeraucht hatte, würdigte er mich wieder eines Blickes und verkündete kurz und bündig: »Wir gehen!«

Im Wagen saß ich ihm schräg gegenüber, ich lehnte nachdenklich meine Stirn an die Scheibe und konnte nicht verhindern, dass man mir den Missmut anmerkte. Ich beneidete Natalie. Sie hatte von all dem kaum etwas mitbekommen und konnte ihn unbeschwert lieben, als ob nichts geschehen wäre. Ich hingegen haderte mit den Bildern in meinem Kopf.

Am Hafen, kurz bevor wir die Yacht betraten, nahm mich Santiago schließlich recht ungehalten zur Seite. Er wirkte aufgebracht und sein erboster Blick stach in meine Augen. Aber er sagte nichts. Beherrscht presste er seine Lippen zusammen.

Ich war kurz davor, mein Entsetzten über seine Tat in Worte zu fassen. Jedoch, noch bevor ich meinen Mund öffnen konnte, nahm er mir den Wind aus den Segeln. »Es steht dir nicht zu, über mich zu urteilen! Vergiss das nicht!« Er wartete kurz, ob ich dem etwas zu entgegnen hatte. Als nichts kam, fügte er hinzu: »Warum fällt es dir so schwer, in meine Augen zu sehen?«

Ich zögerte noch einen Moment, aber dann brach es aus mir heraus: »Ich ... ich kann nicht vergessen, was du mit dem Mädchen gemacht hast!«

Fassungslos wandte er sich von mir ab, als hätte ich es nicht verdient, irgendetwas erklärt zu bekommen, wenn ich meine Grenzen nicht kannte.

Sein uneinsichtiges Verhalten ärgerte mich maßlos und machte mich gleichzeitig betroffen. »Du wirst nicht in den Himmel kommen!«, warnte ich ihn kleinlaut, und hoffte, er würde jetzt vielleicht verstehen, womit ich ein Problem hatte.

Er stieß einen verächtlichen Laut aus. »Kaum sind sie drei Wochen aus dem Keller, werden sie alle größenwahnsinnig! Wie kannst du es wagen?«

Nun war er wieder bei mir und hielt mich unsanft am Oberarm fest. »Entspricht mein Leben etwa nicht deinen Moralvorstellungen? Bin ich dir nicht gut genug?«, fauchte er mich an.

»Nein! Doch!«, widersprach ich ihm umgehend. Ich spürte, dass ich mich auf einem äußerst schmalen Grat bewegte und jedes falsche Wort von mir nun fatale Folgen haben könnte. Aber das wollte ich nicht. »Es tut mir leid«, beteuerte ich.

»Hast du vergessen, wo dein Platz ist?«

Zaghaft schüttelte ich meinen Kopf, denn jetzt war er wirklich sauer. Es entstand eine kurze Pause, die mich verunsicherte. Ich wusste sehr wohl, wo mein Platz war und wollte auf meine Knie sinken, aber ich kam nicht weit, denn im selben Moment fasste er so grob in meine Haare, dass ich sogar meine Spange verlor. »Nein! ... Sag es! Ich will es hören!«

»Bei deinen Füßen. Auf meinen Knien«, stöhnte ich schmerzgeplagt, »oder ... wenn du willst, dass ich mich hinlege, dann unter deinem Schuh.«

Ein kleines Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln. Noch bevor ich ausgesprochen hatte, fühlte ich prickelnde Erregung in mir aufsteigen. Sein fester Griff in meinem Nacken machte jeden Widerstand in mir zunichte.

»Ich vermisse den nötigen Respekt in deinen Augen!«, tadelte er mich.

Gefügig senkte ich meinen Blick.

Santiago fauchte mir ins Gesicht: »Mein Lebensstil geht dich nichts an. Ich möchte nicht mal, dass du darüber nachdenkst!«

»Ich auch nicht«, schluchzte ich und blickte ihn nun wieder aus treuherzigen Augen heraus an.

Seine Miene verlor etwas an Härte. »Was heißt das?«

»Ich will auch nicht darüber nachdenken, was du tust. Ich wollte nur dir gehören, mehr nicht.«

»Vielleicht bist du überfordert mit den Freiheiten, die ich dir lasse?«

»Ja«, hauchte ich.

Santiago nickte verstehend.

Sein Griff in meinem Nacken wurde sanfter, er streichelte über meine Wange und nahm schließlich seine Hand von mir. Ich stand auf wackeligen Beinen vor ihm und bereute plötzlich inständig mein Vergehen mit Cheyenne. Und ich hatte das starke Bedürfnis, mich selbst dafür zu bestrafen. »Ich möchte nicht bei Jana schlafen«, schluchzte ich, »und nicht mit anderen Männern ... Ich will nur dich. Ich liebe dich und ich will mich auf dich konzentrieren können ...« Mein Atem ging schwer und ich brachte die letzten paar Worte kaum über meine Lippen, »... ich möchte heute im Keller schlafen ... bitte.«

Er küsste mich auf die Stirn. »Verstehe ...« Er seufzte. »Aber wir machen das anders. Wenn du wirklich das willst, was ich vermute, dann wird eine Nacht im Keller dafür nicht ausreichen.«

Leicht verunsichert blickte ich in seine dunklen Augen. Er zelebrierte förmlich eine kurze Unterbrechung, indem er sich gemächlich eine Zigarette anzündete. Erst dann sprach er weiter: »Ich werde dir die freie Wahl nehmen ... Du brauchst dir nie wieder den Kopf zu zerbrechen, ob du bei mir bleiben möchtest oder nicht, ob ich der richtige Mann für dich bin oder nicht, ob ich in den Himmel komme oder in die HÖLLE! Denn ab sofort werde ich dich auf meiner Insel festhalten, nötigenfalls auch gegen deinen Willen!« Er blies mir absichtlich eine Schwade Rauch ins Gesicht. »Du darfst dich ab sofort von mir gefangen fühlen.«

Ohne dass ich es wollte, rauschte eine Welle der Erregung durch meinen Körper, die mir fast die Füße wegzog. Das Bild vor meinen Augen begann zu flimmern und ich rang um mein Gleichgewicht. Plötzlich spürte ich Santiagos Hand an meiner Taille. Sie zog mich an seinen Körper.

»Ist es das, was du willst?«, fragte er gebieterisch.

Ich nickte.

»Mit allen Konsequenzen?«

»Ja«, hauchte ich ergeben und schmiegte mein Gesicht an seinen Hals.

»Es gibt keine Exklusivität für dich, Zahira. Ich lasse mit dir schlafen, wen ich will!«

Ich schluckte.

»Und niemand ... «, fügte er hinzu, »niemand wird dir jemals helfen, von Ivory wegzukommen. Erst wenn ich deiner überdrüssig bin, werde ich dich gehen lassen. Und vertraue mir, es liegt nicht in deiner Macht, diesen Moment herbeizuführen. Egal, was du tust und wie du dich verhältst, nichts wird mich dazu bewegen, dich fortzuschicken! Für alles gibt es eine Form der Züchtigung. Du wirst lernen, dich angemessen zu verhalten. Und falls nicht, dann wirst du den Keller nicht mehr verlassen.«

Ein eisiger Schauer lief durch meinen Körper und ich schluckte hart. Etwas perplex wusste ich nicht sofort, was das zu bedeuten hatte oder was ich drauf hätte antworten sollen. Ich wusste nur, dass es sich gut anfühlte, so sehr von ihm begehrt zu werden. Er hatte meine Gedanken in enge Fesseln gelegt und exakt die richtige Entscheidung getroffen. Denn alles, wonach ich mich sehnte, war, mit Leib und Seele ihm zu gehören. Und dieses Gefühl hatte er mir nun unbestritten gegeben. Er hatte von mir Besitz ergriffen und mir gleichzeitig die Verantwortung genommen, meine Entscheidungsfreiheit ... Ich brauchte mich nicht mehr schuldig zu fühlen, einen Mann zu lieben, der unrechte Dinge tat, denn ich hatte keine Wahl. Und ich sehnte mich danach, es noch viel stärker zu spüren. Kurzatmig flehte ich ihn an: »Halt mich ... halt mich fester ... bitte, halt mich noch fester!«

Er lächelte geschmeichelt. »Baby, ich werde dich so fest halten, dass du deinen eigenen Namen nicht mehr weißt.«