8.

 

Perry Rhodan glitt im Raumanzug durch die Unendlichkeit. Das Wrack des Maahkraumers, auf das er zustürzte, war nur ein kleiner Punkt in der Ferne. Ein weiterer heller Stern in der dunklen Nacht. Nur eine kleine Fehlfunktion der Steuerdüsen des Anzugs, dann würde er am Stern vorbei in den Abgrund stürzen.

Aber das war keine Option. Rhodan vertraute dem Raumanzug, so wie er dreitausend Jahre lang sein Leben Raketen und anderem technischen Gerät anvertraut hatte. Er genoss sogar den Fall durch die ewige Nacht.

Da waren die Sterne, von denen er so viele aus der Nähe gesehen hatte und von denen es noch so viele zu entdecken galt. Sie markierten Orte, an denen im Universum Leben entstehen konnte.

Die Sterne, so schien es, standen da, wo sie immer standen. Majestätisch still und ewig ruhend.

In Wahrheit fielen sie mitsamt ihrer Planeten in wirbelndem Kurs durch den Weltraum. Die Galaxis drehte sich in sich selbst und raste auf ihre Nachbargalaxis zu, Andromeda. Alles verschob und veränderte sich.

Doch die pure Entfernung zwischen den Sternen brachte den rasenden Flug zum Stillstand. Und die 13.000 Jahre, die es sie in die Vergangenheit verschlagen hatte, waren nur ein Wimpernschlag in der Geschichte des Kosmos. Nichts als ein flüchtiger Augenblick. Also erschien es Perry Rhodan, als ob die Sterne noch immer genau dort waren, wo sie hingehörten.

Rhodan atmete ein und wieder aus. Die Schwärze und die hellen Punkte – all das war ihm ein vertrauter Ort, trotz des Abgrunds und des Chaos, der Kriege, des Leids und der Zerstörung. Solange die Sterne dort waren, war in der Galaxis alles in Ordnung.

Er blinzelte. Der Maahkraumer kam näher. Rhodan konnte bereits die typische Walzenform erkennen. Eine Walze, die halb im Schatten lag und sich langsam drehte. Die andere Hälfte wurde vom Licht der blauen Sonne beleuchtet.

Die Walze wurde größer. Rhodan stürzte mit ausgebreiteten Armen darauf zu. Er erkannte mehr und mehr Details des vertrauten und doch fremdartigen Schiffs. Strukturen und sogar Aufbauten auf dem Schiffskörper wurden sichtbar, dann die furchtbaren Wunden, die die Raumschlacht dem Schiff zugefügt hatte. Der Stahl war längsseits mehrfach komplett aufgerissen. Die Löcher gaben den Blick ins Innere frei.

So wie die Lemurer, Arkoniden und Terraner seit Tausenden von Jahren die Kugelform zum Hauptstil ihrer Raumschiffe gemacht hatten, bevorzugten die Maahks riesige Walzen, mit denen sie durch den Weltraum zogen. Dennoch sah diese Maahkwalze anders aus als die Schiffe, denen Rhodan in seiner Zeit begegnet war. Sie wirkte wuchtiger und hatte gewiss andere Maße. Auch die Oberflächenstruktur sah völlig anders aus.

Der Bug war aufgerissen und ausgefranst. Dort musste die fest verbaute überschwere Impulskanone gesessen haben, so wie Rhodan es aus der Zukunft kannte. Maahks vertrauten vor allem auf die Frontalfeuerkraft ihrer Buggeschütze. Kleinere Geschütze am Walzenkörper und Geräte, die der Astronavigation dienen mochten, saßen an völlig anderen Stellen.

Rhodan drehte die Steuerdüsen, verlangsamte und flog eine leichte Kurve in Richtung Mittelsektor des Maahkschiffs.

Viele große Löcher an der Außenhaut boten Einstiegsmöglichkeiten in das Wrack. Instinktiv suchte Rhodan in der Nähe des Mittelpunkts, dort wo bei terranischen Schiffen die Hauptleitzentrale zu finden war. Diese jedoch hatte in Maahkschiffen nicht die Bedeutung wie bei den Terranern.

Stattdessen musste er den Einstieg in einen Teil des Schiffs suchen, der noch möglichst gut erhalten war. Es kam darauf an, ein noch intaktes Redundanzsystem zu finden, dem er Daten entreißen konnte.

Mit einem Blinzeln schaltete er den Helmfunk des prähistorischen Arkonidenanzugs an. »Einsamer Astronaut grüßt Frau aus Anthuresta. Habe den Luxuskreuzer der Maahks erreicht und checke gleich ein. Was macht die Ausbeute?«

Sichus Stimme kam hell und deutlich durch den Helmempfänger. Rhodan hörte sofort, dass seine Frau gereizt war: »Hier gibt es nicht so viele Schätze, wie wir gehofft haben, mein Risikopilot. Jemand war vor uns da und hat die wertvollsten Güter mitgehen lassen. Die haben praktisch alles ausgebaut, was noch vom Antrieb, den Antigravs und den Schutzschirmen zu gebrauchen war.«

»Das müssen die Burschen gewesen sein, die diesen Raumschiffsfriedhof angelegt haben«, sagte Rhodan ernst. »Die wussten genau, was sie getan haben. Sie sind gerade rechtzeitig verschwunden, bevor die Maahks oder die Arkoniden zurückkommen.«

»Die ja tatsächlich jeden Augenblick auftauchen und uns dabei erwischen könnten, wie wir in ihren Raumschiffen rumstöbern!«

»Auf die Maahks kann ich verzichten. Wenn Arkoniden kommen, sind wir Atlan einen Schritt näher.«

Rhodan wusste, dass es nicht so einfach war. Was, wenn Rowena oder Kors da Masgadan in den Schiffen saßen, die früher oder später ins Grxlirasystem einfliegen und den Raumschiffsfriedhof finden würden? Atlans vermeintlicher Tod gehörte zum Plan einer großen Verschwörung, so viel wusste er inzwischen, und diese beiden steckten irgendwie mit drin. Und irgendwie hatte auch das Talagon damit zu tun.

Mit den Stiefeln voran landete er in der Nähe eines kleineren Aufrisses auf der Oberfläche der Maahkwalze. »Bin angekommen und gehe jetzt rein.«

»Verstanden«, bestätigte Sichu. »Ich gehe mit dem Roboter tiefer hinein ins Arkonidenschiff. Mal sehen, ob ich nicht doch noch etwas Brauchbares finden kann. Melde dich, wenn du deine Chefwissenschaftlerin brauchst. Ende der Durchsage.«

Rhodan hielt sich aufrecht auf dem Maahkschiff, das aus der Nähe wie eine Kraterlandschaft aussah. Die Impulsschüsse der Arkoniden hatten tiefe Gräben gerissen. An den Kanten reckte sich verschmorter Stahl in die Höhe. Dort entstanden im Licht der fernen Sonne unheimliche Schatten, die in der langsamen Drehung der Walze über den Schiffskörper wanderten.

Längs der Walze konnte Rhodan in jeder Richtung etwa einen Kilometer weit sehen. Er wusste, dass das Schiff einen Durchmesser von etwa 500 Metern hatte. Aber voll aufgerichtet überblickte er nach beiden Seiten geschätzt nur etwa 30 Meter der Außenhaut. Dann verschwand die Schiffsrundung hinterm Horizont.

Er stand auf einem Schweren Schlachtschiff der Maahks aus archaischer Zeit. Es fühlte sich an wie die Landung auf einem fremden Planeten.

Der Einstieg, den er sich ausgesucht hatte, war ein Loch von der Größe eines kleinen Gleiters, das ein Streiftreffer der Arkoniden gerissen hatte. Es war an den Kanten zersplittert und aufgerissen. Um die Gefahr zu minimieren, den Raumanzug zu beschädigen, machte Rhodan einen Satz in die Höhe, schaltete dann die Steuerdüsen ein und schwebte in respektvollem Abstand in die Dunkelheit des Maahkschiffs.

Innen wie außen gab es keine spürbare Schwerkraft. Alle Geräte des Maahkwracks mussten ausgefallen sein. Daher waren weder Antigravs noch Radiatoren aktiv. Wären sie es gewesen, hätte an Bord eine Schwerkraft von etwa drei Gravos geherrscht und eine Temperatur von 100 Grad Celsius. Die Eigenmasse des Schiffskörpers und die durch die leichte Drehung erzeugte Zentrifugalkraft reichte nicht aus, einen der Schwerkraft eines Planeten ähnlichen Effekt zu erzielen.

Wie ein Taucher in einem versunkenen Schiff schwebte Rhodan durch eine Landschaft aus verbrannten Trümmern. Sein Helmscheinwerfer warf einen scharfen Lichtkegel voraus, in dem Staubteilchen aus Plastik und Metall wirbelten. Rhodan konnte nicht einmal erkennen, welchem Zweck der Raum, in den er einflog, einmal gedient haben mochte. An den Wänden hingen zerfetzte Apparaturen und Instrumententafeln, die meist vollkommen schwarz waren. Alle beweglichen und ein Großteil der fest installierten Geräte mussten nach dem Treffer ins All hinausgerissen worden sein.

Rhodan spürte seine Beklemmung an diesem Ort des Todes. Hier hatten Intelligenzwesen aufeinander geschossen. So wie sie es seit Jahrtausenden taten und auch in den nächsten Jahrtausenden immer wieder tun würden.

Am Ende des Raums entdeckte er an der Decke ein metallenes Schott, das tiefer ins Innere des Schiffs führen musste. Rhodan drehte sich um 180 Grad. Was er bisher für unten gehalten hatte, musste für die Maahks oben gewesen sein. Nach der Drehung waren die Verhältnisse wieder korrekt, und das Schott befand sich aus Rhodans Sicht am Boden. Eine Kleinigkeit für Leute, die im Weltraum arbeiteten.

Rhodan holte den Kombistrahler hervor, den sie von Rowena erbeutet hatten. Die Waffe konnte als Paralysator und als Desintegrator eingesetzt werden. Beide Funktionen hatten den Vorteil, dass sie keinen Rückstoß erzeugten. Rhodan konnte also feuern, während er sanft durch den Maahkraumer glitt, ohne in die entgegengesetzte Richtung geschleudert zu werden.

Rhodan legte auf das Schott an und drückte ab. Der Kegel des Desintegratorstrahls flackerte nur für einen kurzen Moment auf und tauchte den ganzen Raum in fahlgrünes Licht. Das Abbild tanzte noch für Sekunden auf Rhodans Netzhaut.

Der Strahl löste alle Molekülverbindungen in seinem Schussfeld zu atomarem Feinstaub auf und schnitt ein kreisrundes Loch in das Schott, gerade groß genug für Rhodan. Er schwebte, ohne abzubremsen, direkt hindurch.

Dahinter lag ein wuchtiger Korridor mit neuneckigem Querschnitt, der anscheinend einmal um das Innere der Walze herumführte. Rhodans Scheinwerferkegel warf sein bleiches Licht in den kalten, einsamen Flur.

Ein langer, hässlicher Riss klaffte im Boden, wanderte hinauf über die Wände zur Decke und verschwand dann in der Unendlichkeit, wie ein Spalt, der die ganze Welt entzweibrach. Das für Menschen tödliche Wasserstoff-Methan-Gemisch, das Maahks atmeten, war vollständig entwichen, das Innere des Schiffs kalt wie der Weltraum.

Rhodan folgte dem Spalt eine Weile, um zu sehen, ob er durch ihn weiter nach innen dringen konnte. Aber er war nur rund 30 Zentimeter breit.

Der Terraner dachte über die Architektur des Korridors nach. Sie erlaubte es den massigen Maahksoldaten, über jede der neun Grundflächen zu stürmen, je nachdem wie der Schwerkraftvektor des Schiffsantigravs gerade eingestellt war. Unten und Oben waren relativ und wurden nach Bedarf neu bestimmt. Er würde den Historikern seiner eigenen Zeit einige interessante Details berichten können.

Aber an diesem Ort, den er leibhaftig soeben erkundete, Jahrtausende vor seiner Geburt ... an diesem Ort gab es keinen Schwerkraftvektor und auch keine stürmenden Maahksoldaten. Rhodan war ein einsamer Taucher in einem verlassenen Geisterschiff.

Nach kurzer Zeit verharrte er vor einem der Schotte, die tiefer ins Innere führten, und brachte erneut den Desintegrator in Stellung. Er feuerte aus nächster Nähe genau auf das Schott und zerstrahlte es fast vollständig. Mit leichtem Schub der Steuerdüsen glitt er hindurch.

Ein schwerer Körper stürzte von oben auf ihn herab. Ein schwarzes Monster im Raumanzug, größer als Rhodan und viermal so breit. Bevor Rhodan den Arm hochriss, sah er in einer blitzartigen Momentaufnahme blassgraue Schuppen auf einem sichelförmigen Kopf, ein halb geöffnetes Raubtiergebiss und vier große Augen mit Schlitzpupillen, die ihn im Licht des Helmscheinwerfers vorwurfsvoll anstarrten.

Ein Maahk!, durchfuhr es Rhodan. Er schlug mit voller Kraft beide Arme gegen die Brust des Angreifers. In der Schwerelosigkeit wirbelte der mächtige Körper einfach von ihm weg. Die langen, röhrenartigen Arme wirbelten wie zappelnde Tentakel hilflos herum.

Tote Tentakel – tote Augen.

Rhodan schwebte näher an den Maahk heran. Da sah er, dass die vier Augen starr und tot waren. Der Raumanzug des Soldaten war verschlossen, der Helm unbeschädigt. Aber der Methanvorrat in seinem Tornister musste längst verbraucht sein. Der Tod war auf diesem Geisterschiff vor langer Zeit eingezogen.

 

*

 

Rhodan fand noch weitere tote Maahksoldaten, während er tiefer ins Schiff eindrang. Sie trieben mit herumwirbelnden Trümmerteilen mitten im Raum oder hingen in absurden Haltungen zwischen auseinandergebrochenen Apparaturen und zerrissenen Decksplatten. Einige Raumhelme waren zersplittert, andere im Thermalfeuer zerschmolzen. Ein Teil der Raumsoldaten hatte wohl angesichts des sicheren Endes den Freitod gewählt.

Rhodan drang in eine Subzentrale nach der anderen ein. Die neuneckigen Räume wirkten für Terraner zu groß, Maahks mochten sich hier wohlgefühlt haben. Jeder hatte genau neun Eingänge, die hinter Pulten und Maschinen in den eigentlichen Zentralbereich führten. Dort standen riesige Sessel, die Rücken an Rücken rund um den Mittelpunkt der Räume angeordnet waren. Hier waren die Maahks ihren Raumfahreraufgaben nachgegangen und hatten über ihre Tentakelarme mit den Positroniken kommuniziert.

Aber aus all diesen Räumen, die Rhodan fand, waren sämtliche Instrumente und Terminals herausgerissen und entfernt worden. Jemand hatte nach der Raumschlacht das Schlachtschiff der Maahks ausgeraubt. Er war gründlich und systematisch vorgegangen und verschwunden, bevor die Besitzer des Schiffs zurückkommen konnten.

Rhodan leuchtete in alle Ecken. Je mehr er ins Innere der Maahkwalze vordrang, desto sauberer waren die Geräte entfernt worden. Hier hatten die Ausbeuter jene hochwertige Technik vorgefunden, die den Angriff auf das Schiff am heilsten überstanden hatte.

Rhodan wandte sich wieder den Außenseiten der Walze zu. Er hoffte, dass die Ausbeuter hier weniger sorgfältig vorgegangen waren. Ein Schweres Schlachtschiff der Maahks war groß. Zu groß, um es innerhalb weniger Tage vollständig zu durchsuchen.

Wer immer ihr seid, dachte Rhodan grimmig, ihr habt doch bestimmt was übrig gelassen für einen freundlichen Besucher aus der Zukunft!

Noch niemals hatte er etwas von einer Raumschlacht im Grxlirasystem gehört. Nicht in Atlans Erzählungen und nicht in den Forschungsarbeiten zur Geschichte der Methankriege. Er musste mehr darüber herausfinden, wenn er erfahren wollte, was mit dem Kristallprinzen geschehen war.

Endlich entdeckte Rhodan eine Subzentrale nahe der Außenseite des Schiffs, deren Zugänge von Trümmerteilen versperrt war. Hier hatte niemand Beute herausgetragen.

Rhodan rückte ein paar verkantete Instrumententafeln zur Seite, arbeitete sich mit dem Desintegrator vor und kam in einen zerstörten neuneckigen Raum, in dem überall – schwerelos und schräg – Metallbalken, Riesenmaschinen und Trümmerteile hingen. Aber in der Mitte stand noch ein fest montiertes zentrales Terminal, um das herum die Maahks gesessen hatten. Einige der riesigen Sitze waren herausgerissen worden, andere standen noch da, wie eine Einladung für den Terraner. Die Sessel waren für einen Menschen zu tief. Maahks hatten kurze, kräftige Beine. Das glichen sie mit gewaltigen Sitzflächen aus.

Rhodan schwebte von oben heran und ignorierte die Sitzgelegenheiten. Der Lichtstrahl seines Scheinwerfers tastete neugierig über die wuchtige neuneckige Apparatur in der Mitte.

Das Gerät wirkte tot. Die Schaltflächen waren so angeordnet, dass die langen elastischen Arme der Maahks sie leicht erreichen konnten. An jedem dieser Arme hatten Maahks sechs biegsame Finger, davon je zwei gleich große Daumen.

Rhodan konzentrierte sich darauf, den uralten Maahkrechner in Betrieb zu setzen. Das Armbandgerät, das Sichu ihm überlassen hatte, half dabei.

Irgendwann begann ein Feldleiter zu brummen, pulsierende Energie schoss drahtlos ins Gerät, einzelne Lichter auf dem Kontrollpult flackerten auf.

Rhodan hatte schon Tausende Computer zum Laufen gebracht – solche, die ihm vertraut waren und solche aus völlig fremdartigen Kulturen. Er hatte Fluggeräte aller Art bedient, aus uralter Zeit und neueste ungetestete Prototypen. Er war auf einem Feuerstrahl zum Mond geritten und hatte fremde Galaxien erreicht. Er hatte Fahrzeuge bedient, die sich ins Innere eines Planeten gruben, einen Kontextsprung Millionen Jahre in die Vergangenheit machten oder ein Kosmonukleotid erkundeten.

Man konnte sagen, er war ein bisschen rumgekommen.

Doch diesmal brachte er außer blinkenden Kontrolllichtern kaum etwas zustande. Es gelang ihm, ein Holo einzuschalten, das wie ein grüner Nebel um seine Hände waberte. Anscheinend wartete es darauf, dass er etwas mit zwei Daumen an jeder Hand machte. Fluoreszierende Buchstaben einer fremden Schrift flammten auf. Maschinencode einer alten Maahk-Programmiersprache.

Rhodan gab in der Sprache der Maahks Befehle ein, an die er sich erinnerte. Er entdeckte Unterprogramme und Verzweigungen, die er verschieben konnte. Aber all das brachte nichts. Er bekam keinen Zugriff auf Daten und Inhalte.

Mit einem Blinzeln stellte er die Verbindung zu Sichu her. »Chefwissenschaftlerin, ich brauche dich.«

Sichu war sofort da. Rhodan spürte, dass sich ihre Laune nicht verbessert hatte. Im Arkonidenschiff hatte es wohl genauso wenig zu holen gegeben wie in der Maahkwalze. »Ich sehe, du dringst in ein dreizehntausend Jahre altes Programm ein.«

Rhodan übertrug das Bild seiner Helmoptik. Seine Frau sah, was er sah.

»Knifflig«, murmelte Sichu. »Du bist nur an der Oberfläche. Wir müssen ein paar Sicherheitssperren umgehen und die Positronik dazu bringen, dich als Maahkoffizier anzuerkennen. Dann kommst du tiefer ins Programm rein.«

»Brauchst du dafür den Daumenabdruck eines Maahksoldaten? Mir sind ein paar begegnet.«

Sichu überging die Bemerkung. »Maahks im Kriegseinsatz arbeiten in geschlossenen Raumanzügen. Die haben keine Zeit, sich zwischendurch die Handschuhe auszuziehen. Was du brauchst, ist ein Unterprogramm, das der Maschine vorgaukelt, du kennst den Zugangscode des Kommandanten. Ich hab's!«

Rhodan lächelte.

Sichu klang sogar ein wenig enthusiastisch, als sie ihm erklärte, was er tun musste. »Ich zeige dir, wie du mit dem Mehrzweckarmband ins Programm eindringst. Kelen da Masgadans Gerät ist ein besseres Kinderspielzeug. Aber es ist dreizehntausend Jahre weiter fortgeschrittene Technik als die Rechenmaschinen dieses Zeitalters. So einen alten Maahkcode zu knacken, ist eine Kleinigkeit für uns Zeitreisende.«

 

*

 

Fieberhaft arbeitete Rhodan sich durch die astrometrischen Dateien und Logbucheinträge der Maahkpositronik. Einige waren beschädigt, andere trotz Sichus Zauberkunst nicht zugänglich. Es musste daran liegen, dass es nur das Redundanzsystem einer Unterzentrale war, das er durchackerte. Möglicherweise waren besonders sensible Daten nur vom Platz des Schiffskommandanten aus abrufbar.

Ein Name war es, nach dem Rhodan mit brennendem Blick Ausschau hielt. Atlan da Gonozal. Er fand ihn nirgends. Keine einzige Notiz verwies auf den Kristallprinzen.

Rhodan versuchte es mit TOSOMA, Atlans Flaggschiff – negativ. Dann Gos'athor, der arkonidische Name für den Kristallprinzen – negativ. Has'athor und Keon'athor, die Bezeichnungen für Admirale und Flottenadmirale – ebenfalls negativ.

Auf gut Glück suchte er noch nach Larsaf, dem arkonidischen Namen für Sol, und Atlantis, dem Kontinent, der nach Atlan benannt war. Schließlich gab er noch Ildo da Remdor ein, den Namen des Kommandanten der LOK TAI, dessen verstümmelten Logbucheintrag Sichu auf der LT-IV wiederhergestellt hatte.

Rhodan kopierte Daten über maahksche Raumschiffe und Flottenbewegungen in die Speichereinheit seines Anzugs. Vielleicht konnten sie später noch nützlich sein.

Dann suchte er nach Informationen über arkonidische Kriegsgefangene in Zusammenhang mit maahkschen Flottenstützpunkten. Falls Atlan von den Maahks gefangen genommen worden war – womöglich würde Rhodan ihn dort finden?

Endlich tauchte ein Begriff auf – der Name eines Flottenstützpunkts der Maahks in der Nähe, der auch als Gefängnisplanet diente: Galkorrax. Rhodan benetzte die Lippen. Seine Hände strichen durch das Anzeigeholo. War Atlan dort? Auf Galkorrax?

Er versuchte, der Maahkpositronik mehr über diesen Planeten abzuringen.

Da war plötzlich etwas, das von außen in sein Bewusstsein drang. Eine winzige Bewegung im Hintergrund, die da nicht hingehörte. Ein Schatten, der zwischen zwei Aggregatblöcken vorbeihuschte.

Alarmiert hob Rhodan den Kopf. Der Scheinwerferkegel seiner Helmlampe irrte durch den Raum. Die zahlreichen Trümmer versperrten ihm den Blick.

Ein überlebender Maahksoldat? Das konnte nicht sein!

Wurden auf dem Geisterschiff die Gespenster der Toten lebendig? Unsinn!

Rhodan ging instinktiv hinter einem der umgestürzten Maahksessel in Deckung, aktivierte den Schutzschirm des Anzugs und zog den Kombistrahler hervor, der immer noch auf Desintegratorwirkung eingestellt war.

Gleichzeitig stellte er die Funkverbindung zu seiner Frau her. Er musste es riskieren, sie zu warnen, auch wenn die Gegner seine Nachricht abfingen. »Sichu, Vorsicht! Die Ausbeuter sind noch im System. Ich wiederhole: Die Ausbeuter sind noch im System.«

Doch es kam keine Antwort. Der Funkkontakt war abgerissen.

Die Sorge um Sichu ließ Rhodan unvorsichtig werden. Er lugte hinter dem Sessel hervor. Da war erneut der Schatten. Er schwebte von einem Trümmerteil hinter ein anderes.

Das Wesen wirkte plump, war aber viel zu klein für einen Maahk. Es kam hinter der Deckung hervor und zeigte sich Rhodan, in der Hand einen archaischen Thermostrahler.

Verblüfft erkannte Rhodan hinter dem Raumhelm ein graues Gesicht mit großen Augen und einem langen Rüssel. Das war ein Unither! Der Angehörige eines Volkes, das Rhodan in einer anderen Zeit kennengelernt hatte.

»Mein Name ist Mekkhur«, krächzte der Unither in gebrochenem Alt-Arkonidisch über Helmfunk. »Ergeben Sie sich, Erhabener! « Das letzte Wort sprach er voller Verachtung.

Dann eröffnete er das Feuer.