25.

Larsaf III: Attava-Wüste

 

Das Flugaggregat funktionierte, das Funkgerät nicht. Quartam da Quertamagin versuchte immer wieder, Arkonis zu erreichen, aber er bekam keine Antwort.

Nachdem Logan Darc vor seinen Augen verschwunden war, hatte Quartam die OMOTA durchstreift und keine lebende Seele mehr vorgefunden. Schließlich hatte er eine intakte Luftschleuse passiert, war in seinem Fluganzug in die Nacht aufgestiegen und hatte sofort versucht, Funkkontakt mit der Silbernen Stadt an der Westküste aufzunehmen. Erfolglos. Hatte Darc das Funkgerät unbrauchbar gemacht, ohne dass Quartam etwas davon bemerkt hatte? Denkbar, sogar naheliegend. Die technischen Möglichkeiten der Grauzwerge entzogen sich jeder Prognose.

Warum hatte er es getan? Zeit zu gewinnen, konnte ja kaum sein Beweggrund sein, sagte sich Quartam mit grimmigem Lächeln. Das Zeitportal – das Temporale Superpositionstor – beseitigte gewiss solche Probleme. Und es stand nicht einmal im Mittelpunkt des Interesses. Eigentliches Ziel war das Talagon . Geöffnet werden sollte es. Quartam klang es nicht danach, als wäre die Öffnung besonders erstrebenswert für die Arkoniden und die anderen Bewohner von Larsaf III.

Er hatte das Talagon zu Gesicht bekommen. So hatte Rowena da Gonozal den schwarzen Anhänger genannt, den sie bei sich getragen hatte, als sie in seiner Station am Ondulon aufgetaucht war. Später hatten ihn die beiden Reisenden von der anderen Seite des Temporalen Superpositionstors – Rhodan und Dorksteiger – bei sich gehabt. Die Reisenden aus einer anderen Zeit, vermutlich aus der Zukunft.

Tolcai – wer immer das war – wollte es öffnen und damit den Tod über Larsaf III bringen. Anders ließ sich Darcs Aussage kaum interpretieren.

Tolcai musste folglich aufgehalten werden. Dass Quartam sich an den Tato wandte, war völlig unausweichlich. Er hatte versucht, sich die Gespräche der Grauzwerge, die er aufgezeichnet hatte, übersetzen zu lassen, um sie sich anzuhören. Der Speicher des Audiorekorders war jedoch ohne Inhalt gewesen.

Nun mussten das Logbuch der OMOTA und seine Erinnerungen als Beweis genügen. Was die Grauzwerge geredet hatten, wäre sicherlich von größerer Überzeugungskraft gewesen, wenn er in etwa einer Stunde vor Kors da Masgadan stünde.

Er presste die Lippen zusammen. Das konnte heiter werden.

 

*

 

Am Südrand der Attava-Wüste hob sich das Land zu einem kleinen Gebirgszug, an dessen Ende die Stadt Arkonis errichtet worden war. Er kam in Quartams Sicht, als die ersten Sonnenstrahlen über den Osthorizont stiegen. Der Wüstenboden unter ihm war zu Savanne geworden, und dort machte er Lichtquellen aus.

Er erhöhte die Vergrößerung auf seiner Helmscheibe. Die Lichtquellen waren Fackeln, mit denen Eingeborene ihren Weg beleuchteten. In ihrem Schein sah er Dutzende, nein, Hunderte der primitiven Arkonoiden. Sie beugten sich unter den Lasten auf ihren Schultern, einige hielten Säuglinge in den Armen oder ließen Kleinkinder auf ihrem Nacken reiten. Die meisten Kinder jedoch gingen allein oder an der Hand ihrer Eltern. Bei sich trugen alle jedoch, was sie tragen konnten: Decken, Haushaltsgegenstände und andere Habseligkeiten. Manche hatten Wagen und Karren, von Vieh gezogen, andere trieben wenigstens einen gehörnten Paarhufer mit sich. Je näher er kam, desto mehr Atlanter schienen es zu werden, bis er Tausende von ihnen vor sich sah. Was veranlasste sie zu diesem Zug?

Die Erkenntnis schnürte Quartam die Brust ein: Diese Atlanter erweckten den Eindruck, sie wären auf der Flucht.

Eine Massenflucht konnte nichts Gutes bedeuten.

Quartam änderte den Kurs, verringerte das Tempo und landete neben dem Flüchtlingszug.

Kaum sahen ihn die Atlanter, blieben sie stehen und sanken auf die Knie. Manche beugten sich vor, bis ihre Stirn den Boden berührte, andere warfen sich ganz in den Staub.

Quartam war die Situation unangenehm. Stand die Überlegenheit der Arkoniden gegenüber den Primitiven auch außer Frage, sich als Gott anbeten zu lassen, empfand er als vulgär und überflüssig.

An seinem Kombinationsarmband schaltete er den Translator auf die Sprache der Atlanter und fragte: »Was drängt euch zu eurer Flucht?«

Scheu wandten die Eingeborenen den Blick zu Boden, aber niemand antwortete, bis eine ältere Frau in einem federgeschmückten Gewand auf ihn zutrat. Im Gegensatz zu den anderen verbeugte sie sich nur; sie ging nicht auf die Knie.

»Sei gegrüßt, o Erhabener. Wie kann Iwelda dir helfen?«

Sie sprach von sich in der dritten Person. Na gut. Noch während er sie innerlich belächelte, trat ihm die Erinnerung an Logan Darc vor Augen. Der Grauzwerg betrachtete die Arkoniden ähnlich wie Quartam die Atlanter. Alles war relativ.

Er entschied sich, den Gruß der Frau, die wohl eine Schamanin war, höflicher zu erwidern, als es der Situation angemessen war.

»Sei gegrüßt, Weise Iwelda. Ich sah euch auf eurem Zug und frage mich, was euch in die Flucht getrieben hat.«

Iwelda senkte den Kopf. »Ein großes Unglück, Hochedler. Die Götter sind gefallen.« Sie schwieg.

Quartam verschwamm die Sicht. Am liebsten hätte er die Frau geschüttelt, damit sie konkreter wurde.

»Was ist geschehen?«

»Die Silberne Stadt ist ein Ort des Bösen geworden.«

Quartam öffnete den Mund, um die Schamanin schärfer aufzufordern, ihm zu schildern, was denn nun geschehen sei, als ein Grollen über die Savanne drang. Unwillkürlich sah er in die Richtung, aus der es kam, und die Eingeborenen taten es ihm gleich. In den Bergen an der Küste wetterleuchtete es. Aber das war kein Gewitter. Quartam sah grelle Leuchtschweife, die in den Himmel stiegen.

Eins, drei, acht, noch mehr – wenigstens ein Lakan, ein Geschwader aus zehn Schiffen, hob im Verband von Arkonis ab, leicht und anscheinend völlig mühelos. Auf blendend hellen Impulswellensäulen strebten die Einheiten ihrem eigentlichen Element, dem freien Raum, entgegen. Eine warme Druckwelle fegte über den Flüchtlingszug hinweg, zerrte an den Haaren, ließ Gewänder flattern, brachte Kinder zum Weinen.

Die Atlanter waren nicht die Einzigen, die das Weite suchten. Quartam aktivierte sein Flugaggregat und stieg wieder in die Höhe.

 

*

 

Mit Höchstgeschwindigkeit hielt er auf Arkonis zu. Hinter ihm ging die Sonne auf. Ihre Strahlen strichen über die Felskuppen des Küstengebirges, und als er über die Berggipfel hinwegsetzte, fielen sie in eine pilzartige Rauchwolke, die an der Stelle in die Höhe stieg, wo Arkonis lag.

War die Silberne Stadt von einem Atomschlag getroffen worden?

Übergangslos wurde ihm klar, weshalb der Absturz der OMOTA noch nicht untersucht worden war. Die Kolonisten hatten ganz andere Probleme. Er kam offensichtlich zu spät.

Arkonis stand in Flammen.