8.

 

Rhodan und seine Begleiter durchquerten eine Landschaft, die ein wunderschöner Park hätte sein sollen. Beeindruckende Findlinge setzten wuchtige Akzente. Die gläsernen Bäume hatten sie hinter sich gelassen, nun war das sanft gewellte Gelände bedeckt mit knöchelhohem, schillerndem Gras. Oft sah man brusthohe Büsche und sporadisch große Flecken voll kleiner blauer oder violetter Blüten.

Das Ganze wäre ein Idyll gewesen, hätten sie nicht alle naselang alte Wurzelstränge oder menschengroße, fest verwurzelte Riesenorchideen passiert. Für Ahnungslose hätten sie das Gesamtbild eines unberührten Gartens Eden nur vervollständigt. Für Rhodan war es ein Memento mori. Sie durchquerten einen riesigen Friedhof, und jeder Tod ging letztlich auf Tolcai zurück.

Die Arkoniden schwiegen bedrückt auf dem Marsch. Geektor neigte ohnehin nicht zur Redseligkeit. Der Einzige, der fröhlich plauderte, war Glorborth. Für den Schierlingssporn war der Weg durch die makabre Landschaft nicht bemerkenswert, er kannte seine Welt nicht anders. Die Toten wurden zu Erde und nährten die Lebenden. Ein ewiger und wichtiger Kreislauf.

»Oh. Das ist nicht gut«, sagte Glorborth, als sie eine Hügelkuppe erreichten. Mittlerweile hatte Geektors Armband genug Bruchstücke der Sprache der Mächtigen aufgefangen, dass der Translator funktionierte. Rhodan musste nicht mehr dolmetschen.

Glorborth wies mit seinen Ranken den Abhang hinunter. Das Tal vor ihnen war voll mit winzigen, blauen Blümchen. »Wir müssen einen Umweg machen.«

Rhodan näherte sich vorsichtig und erkannte die charakteristische Form der Blüten wieder. »Sind das junge Dorrkelche?«, fragte er.

Glorborth bejahte.

»Warum dann der Umweg?«, wollte Geektor wissen. »Sie haben die Chance, eine Nachwuchsbasis des Feindes zu roden.«

Glorborths Augenknollen vollführten einen wilden Tanz, wohl Ausdruck seiner Fassungslosigkeit. »Junges Leben ist heilig!«, verkündete er. Eine Weltsicht, der sich Rhodan guten Gewissens anschließen konnte.

»Außerdem«, plapperte Glorborth weiter, »ist der Frieden griffbereit!« Fröhlich führte er die Gruppe am Rand des Dorrkelch-Feldes entlang Richtung Osten. »Wenn Tuglans Haut der Heilung nur endlich aus dieser Welt verschwunden ist!«

Da war Rhodan sich nicht ganz sicher. Auch wenn sie das Schlachten für einige Zeit verhinderten: Dauerhaft lösen würde man das Problem dieses Habitats und aller anderen nur, wenn es gelang, Tolcai das Handwerk zu legen.

Nach und nach reifte in ihm ein Plan: Er würde Gespräche zur Übergabe des Talagons vorschieben, um dabei zu erfahren, mit wem er es zu tun hatte. Um Schwachstellen des Gegners auszuloten oder Bedürfnisse zu entdecken, über die man dann ernsthafte Verhandlungen führen konnte. Es musste irgendeine Möglichkeit geben, die fortwährenden Grausamkeiten an Bord der STRAHLKRAFT zu beenden.

»Nicht mehr weit«, verkündete Glorborth, als sie wieder Richtung Norden schwenkten. »Schauen Sie!«

Mit mehreren Ranken wies er auf einige goldene Funken, die wie Glühwürmchen über das Feld tanzten. Sie strebten ebenfalls nordwärts. »Das ist schön«, befand Rhodan. »Aber was ist das?«

»Samen!«, antwortete die Riesenorchidee überrascht. »Sie treiben zum Portal. Das bedeutet, es ist im Moment geöffnet! Also schnell!«

Im Laufschritt überquerten sie die Erhebung, die das Tal nach Norden hin begrenzte. Von dort sah Rhodan schon das erwähnte Portal: einen etwa fünf Meter durchmessenden Halbkreis, der zwischen zwei mannshohen, zerklüfteten Felsen senkrecht in der Luft stand. Er glänzte und glitzerte bläulich, wie mit feinem Diamantstaub bedeckt.

Die goldenen Punkte flogen hinein. Kurz leuchtete die Fläche in derselben Farbe auf, dann verdunkelte sie sich merklich. Nur in Bodennähe blieb der Blauschimmer noch erhalten.

»Jetzt fix!«, rief Atlan. »Es schließt sich!«

Alle rannten nun, doch Glorborth rief: »Nein!« Er deutete auf eine Wiese voll kleiner, violetter Blumen in ihrem Weg – ein Nachwuchsfeld der Schierlingssporne.

Natürlich war es einer der Eisjunker, der keinen Respekt vor den Gesetzen des Habitats und jungem Leben zeigte. Motyra da Pert rannte weiter, als habe sie nur eine simple Wiese vor sich.

Glorborth schleuderte seinen Bronzespeer und traf die Arkonidin in den Rücken, bevor sie nur eine einzige Blume zertreten konnte.

Argin da Marfur wirbelte herum, zog seinen Strahler und zielte auf Glorborth. Atlan rief ihn mit einer schallenden Ohrfeige zur Ordnung. Rhodan war überrascht. Er hatte nicht gewusst, dass es beim arkonidischen Militär dieser Epoche körperliche Maßreglungen gegeben hatte. Vielleicht war das aber auch gar nicht der Fall, und der Kristallprinz entdeckte nur allmählich sein Gewissen.

Da Pert war schwer verwundet und litt starke Schmerzen – so stark, dass sie immer wieder kurzzeitig das Bewusstsein verlor. Die Wunde war tief. Der Anzug verschloss sie, so gut es ging, und versteifte sich zur Ruhigstellung. Geektor legte sie ab, um überflüssige Bewegungen der verletzten Zone zu vermeiden. Auch das half, aber ohne angemessene medizinische Versorgung würde da Pert in einigen Stunden verbluten.

Ein Grund mehr, schnell die Zentrale zu erreichen. Von dort aus gab es bestimmt auch einen direkten Weg zu einer Medostation.

Geektor trug die Verwundete. Es verlangsamte ihn nicht spürbar. Die Gruppe umging das violette Feld, rannte auf das Portal zu – und erreichte es doch zu spät. Nur noch wenige Meter trennten sie vom Ziel, als der letzte Rest des blauen Schimmers erlosch.

»Und jetzt?«, fragte Atlan.

Vorsichtig berührte Rhodan das Portal, das nun grau und stumpf in der Luft hing. Er wusste nicht genau, was er erwartet hatte, aber das Ergebnis überraschte ihn: Die Fläche fühlte sich an wie eine straff gespannte Gummiplane. Er konnte sie sogar ein wenig eindrücken. Nur half ihm das nicht – er musste hindurch. »Wie können wir es aktivieren?«, fragte er Glorborth.

»Sehr einfach«, antwortete die Pflanze. »Ich schlage Wurzeln und öffne meine Kapseln. Wenn sie in die Zentrale schweben, folgen Sie ihnen.«

»Nein!«, rief Rhodan, bevor irgendein Arkonide Zustimmung signalisieren konnte. Der Freitod schien dieser Spezies nicht besonders viel auszumachen, aber nach den beiden Generälen wollte er nicht am Verlöschen einer weiteren Intelligenz schuld sein.

»Es wäre angemessen«, beharrte Glorborth. »Sie haben unseren Nachwuchs geschont, auf meine Veranlassung hin.«

Rhodan verkniff sich den Hinweis, dass dies eine eher verharmlosende Beschreibung dafür war, dass der Schierlingssporn jemanden lebensgefährlich verletzt hatte.

»Sie haben also meinetwegen den Zugang verpasst«, fuhr Glorborth fort, »und wir wissen nicht, wann der Nächste meines Volkes seine Kapseln öffnet. Also ist es nur recht und billig, wenn ich dies selbst tue. Allein, um sie zu retten.« Eine seiner langen Ranken wies auf da Pert.

»Das hat etwas für sich«, entgegnete Atlan hart. »Irgendjemand wird sterben, und ich wüsste nicht, warum es diese junge Offizierin treffen sollte. Insbesondere, wenn der Täter diese Sühne von sich aus anbietet.«

»So schlecht geht es ihr noch nicht!«, rief Rhodan zornig. »Wir haben noch Zeit, einen anderen Weg zu suchen!«

Atlan war also dafür. Da Marfur wollte seine Kameradin ohnehin rächen und Glorborth töten. Geektor würde pragmatisch für das stimmen, was ihn seinem Ziel, der Zentrale, näher brachte. Ohne Rowena fand Rhodan sich genauso isoliert, wie er es schon beim Aufbruch befürchtet hatte. Ein neuer und heftiger Streit bahnte sich an, nur wenige Meter von ihrem Ziel entfernt. Das konnte doch nicht wahr sein!

»Das Portal.« Da Marfur zeigte auf den schwebenden Kreis in Rhodans Rücken.

»Ja?«, sagte der Terraner barsch.

»Es aktiviert sich.«

Rhodan fuhr herum. Tatsächlich, das blaue Glitzern kehrte zurück! Aber warum? Wie hatten sie das geschafft? Es waren keine goldenen Samenkörner in der Nähe, die Durchlass begehrten. Andere übliche Erklärungen für solche Phänomene fielen aus: Er trug keine Ritteraura mehr, die ihn einst als Schützling der Kosmokraten ausgewiesen hatte. Atlan würde seine erst in 12.000 Jahren erhalten. Es gab keinen Grund, warum die STRAHLKRAFT so auf ihre Anwesenheit reagieren sollte.

Dann sah er die Silhouetten. Jemand kam von der anderen Seite und hatte das Portal aktiviert. Kleine Gestalten, keine ganze Armee, aber doch zehn und damit eine Überzahl.

»Deckung!«, rief Rhodan. »Zwergandroiden!«

Er verfluchte sich still, weil er im Eifer des Gefechts wieder etwas preisgegeben hatte, das Atlan nicht hatte erfahren sollen. Aber darüber konnte er sich sorgen, wenn sie die bevorstehende Auseinandersetzung überlebt hatten.

Viel Auswahl an Verstecken hatten sie nicht. Nur die zwei Felsen, die das Portal begrenzten, boten einen Sichtschutz. Rhodan, Atlan und Glorborth hetzten zum linken, die anderen zum rechten.

Rhodan lugte aus der Deckung und fluchte. Ihr Team war wirklich noch nicht eingespielt. Geektor hatte die verletzte da Pert nicht wieder hochgehoben. Stattdessen versuchte da Marfur, sie in Sicherheit zu zerren, kam aber viel zu langsam vom Fleck. Als die Androiden das Portal verließen und auf die Szene traten, ließ er seine Kollegin einfach fallen und rannte die letzten Meter zu Geektor.

Das konnte Rhodan ihm nicht einmal zum Vorwurf machen. Den Fehler hatte der Maahk begangen. Der Wasserstoffatmer hatte sich bereits in einer sicheren Position eingerichtet, um die Feinde ins Kreuzfeuer zu nehmen. Aber hätte er stattdessen die verletzte Begleiterin in Sicherheit gebracht, hätten sie das Gefecht vielleicht sogar ganz vermeiden können. Möglicherweise hätten die Zwergandroiden sie in ihren Verstecken gar nicht bemerkt. Vielleicht waren sie gar nicht hier, um ihre Gruppe zu jagen ...

Er verwarf den Gedanken, als die Neuankömmlinge vollständig versammelt waren. Der letzte Zwergandroid, der aus dem Portal trat, trug ein großes, grünes Stück Stoff. Eine völlig identische Kopie der Haut der Heilung, die Rowena auf die BEST HOPE gebracht hatte.

Die Implikationen lagen auf der Hand. Tolcai, oder wer immer diese zehn Gestalten losgeschickt hatte, wusste, was Rhodan und seine Begleiter getan hatten. Sie war nicht bereit, auf ihr großes Sterben zu verzichten, und hatte prompt für Ersatz gesorgt.

Womöglich waren sie durchgängig beobachtet worden. Und ganz sicher würden die Felsen ihnen kein Schutz vor Entdeckung bieten. »Feuer!«, befahl Rhodan. Vielleicht konnten sie den Feind wenigstens überrumpeln, bevor er sich orientiert hatte.

Von beiden Seiten zischten die Impulsstrahlen auf die Zwergandroiden zu – und gingen durch sie hindurch, ohne den geringsten Schaden auszulösen. Die Gegner waren sichtbar, aber offenbar nicht materiell. Verfluchte Kosmokratenschiffe mit ihren technischen Übermöglichkeiten.

»Feuer einstellen!«, befahl Rhodan, bevor seine Leute sich gegenseitig die Deckung wegschossen. Dem Feind war so nicht beizukommen. Die Lage war also noch vertrackter, als er angenommen hatte.

Voll und ganz erfolglos waren sie aber nicht gewesen, wie Rhodan feststellte. Zwar hatten sie den Zwergen nichts anhaben können, dafür war die Zweitausfertigung von Tuglans Haut der Heilung nur noch ein Häufchen rauchender Asche. Doch er gab sich keinen Illusionen hin. Das war ein Zeitgewinn, aber Tolcai würde problemlos eine dritte, vierte, zwölfte und fünftausendste Haut fertigen können, wenn es nötig war. Genauso, wie es nichts brachte, ihr das Talagon vorzuenthalten, wenn sie beliebig viele andere im Arsenal hatte. Sie mussten das Problem an der Wurzel beseitigen.

Die Zwergandroiden versammelten sich im Kreis um die Reste der zerstörten Haut. Sie wirkten ratlos. Zu Rhodans Überraschung verzichteten sie auf jede Form von Aggressivität. Das Gefecht, vor dem er sich angesichts seiner lausigen Ausrüstung fürchtete, blieb aus.

Einer der Zwerge löste sich aus der Gruppe und ging zur verletzten da Pert, über deren flach ausgestreckten Körper eben noch die Schüsse hinweggezischt waren. Er sprach mit ihr, zu leise, als dass Rhodan etwas hätte verstehen können, und drückte ihr irgendetwas in die Hand. Dann kehrte er in den Kreis zurück.

Die Androiden verschwanden, aber nicht durch das Portal, das sich bereits wieder geschlossen hatte. Sie verblassten einfach vor Rhodans Augen, wie bei einer gemächlichen Teleportation. Wenn sie das konnten, warum hatten sie dann bei der Ankunft das Portal verwendet? Wegen ihrer nun zerstörten Fracht?

Die Frage hatte Zeit. Rhodan löste sich aus der Deckung und lief zu der verletzten Arkonidin. »Was hat er Ihnen gegeben?«, fragte er da Pert.

»Eine Pille.« Verwirrt und sichtlich unter Schmerzen präsentierte die Eisjunkerin ein winziges, hellblaues Kügelchen. »Er hat gesagt, sie wird meine Wunden schließen und mich zu Kräften bringen.«

»Geben Sie das her«, verlangte Atlan. »Sie werden nichts einnehmen, dessen Ursprung oder Wirkung wir nicht kennen.«

»Mit Verlaub, Kristallprinz«, keuchte da Pert, »das ist leichter gesagt, wenn man keine lebensgefährliche Verletzung hat.« Ein kleiner Blutfaden lief aus ihrem Mundwinkel. »Gibt es einen Plan zu meiner Rettung?«

Den gab es nicht, zumindest keinen besseren als zuvor: das Portal öffnen, ohne dass Glorborth dafür sterben musste, und dann darauf zu hoffen, dass man eine Medostation fand, die zur Behandlung der Gegner bereit war.

»Geben Sie das her!«, forderte Atlan statt einer Antwort erneut.

Da Pert warf sich die Pille in den Hals und schluckte.

»Ich werde Sie ...«, begann Atlan zornesrot. Er unterbrach sich, als da Pert sich aufbäumte. Ihr Körper schüttelte sich in heftigen Spasmen, als hebe eine riesige, unsichtbare Hand sie vom Boden. Sie schrie auf, stürzte und kam auf der Seite zu liegen, in Embryonalhaltung zusammengekauert.

Die Spannung ihres Rückens hätte die Speerwunde eigentlich weiter aufreißen und den Blutfluss verstärken müssen. Das Gegenteil war der Fall. Die verhärtete Anzugregion brach auf, aber kein Tropfen Flüssigkeit trat aus, und Rhodan konnte dabei zusehen, wie die Haut heilte. Er machte Atlan darauf aufmerksam.

Der Arkonide entspannte sich, aber nur ein wenig. »Warum sollten diese Zwergandroiden uns helfen?« Das Wort war ihm also nicht entgangen. »Nachdem wir auf sie geschossen haben?«

Motyra da Pert war das augenscheinlich völlig egal. Sie stand gut gelaunt auf, probierte Arme und Schultern aus. Sie konnte sich ohne jede Einschränkung bewegen.

»Er hat die Wahrheit gesagt!« Sie strahlte. »Ich könnte Bäume ausreißen!« Sie sprang in die Luft, aus dem Stand fast anderthalb Meter.

»Ho!«, rief sie, als sie wieder landete. »Was war das?«

Rhodan sah Atlan warnend an und machte einen Schritt rückwärts. Der verstand, zog sich ebenfalls zurück und signalisierte Geektor und da Marfur stumm, dasselbe zu tun.

»Was soll das?«, fragte da Pert. »Wieso gehen Sie ... Au!« Der Schrei kam völlig überraschend. Ihr Brustkorb und die angrenzenden Knochen wuchsen rasant in die Breite. Die Arkonidin war schmal gebaut gewesen, nun auf einmal waren ihre Schultern anderthalb Meter breit. Die Arme sahen aus, als betreibe sie seit 20 Jahren mehrere Stunden am Tag Krafttraining.

»Was passiert mit mir?« Angst lag in da Perts Stimme, auf der Grenze zur Panik. Während ihre Arme gewachsen waren, wurden ihre Beine immer dünner. Die Füße zogen sich in die Länge. Sie ging in den Zehenspitzenstand. Die Fußknochen waren nun so lang wie ihr Unterschenkel, sodass ihre Sprunggelenke ein zweites, nach hinten geknicktes Paar Knie nachahmten.

»Hilfe!«, schrie sie, taumelte rückwärts, stürzte beinah, fing sich jedoch mit ihren neu geformten Beinen geschickt wieder ab. Ihr Blick wurde starr. Sie versuchte, etwas zu sagen, doch ihre Kiefer rührten sich nicht mehr.

Da brach das zusätzliche Paar Arme aus ihrer Brust hervor. Waffenarme, Strahler mit glosenden Mündungen.

»Weg!«, schrie Rhodan, doch die Zeit blieb nicht. Er ließ sich fallen, entkam dadurch nur knapp dem Impulsstrahl, den das da-Pert-Ding auf ihn abschoss.

Atlan schoss ihr ohne Warnung in den Rücken, mit einem Thermostrahl. Haut und Anzug verbrannten, aber da Pert reagierte nicht einmal. Ihre Haare standen in Flammen, die Gesichtshaut verschwand. Der Schädel darunter bestand nicht aus Knochen, sondern aus einem dunklen und offenbar massiv hitzeresistenten Metall.

Sie revanchierte sich für den Beschuss, indem sie sich umdrehte und in Richtung der Angreifer feuerte. Zuerst traf sie da Marfur, der sofort zusammenbrach.

Als Nächstes zielte sie auf Atlan. Von Geektor war nichts zu sehen. Vermutlich versuchte der Maahk, seine Haut zu retten.

Rhodan kam wieder auf die Beine und sprang das Wesen, nein, die Maschine an, die da Pert gewesen war. Er krallte sich auf ihrem Rücken fest und brachte sie ins Straucheln, sodass ihr Schuss den Kristallprinzen um Zentimeter verfehlte.

Da Pert ließ sich rückwärts fallen. Rhodan kam nicht rechtzeitig weg. Sie landete auf ihm. Der Sturz trieb ihm die Luft aus den Lungen. Das war definitiv keine Arkonidin mehr – sie musste Hunderte Kilogramm wiegen. Sie erhob sich und drehte sich. Rhodan konnte die neu gewonnene Freiheit nicht nutzen. Seine Schmerzen waren zu stark, um sich ebenfalls in bessere Position zu bringen. Während er nach Atem rang, sah er ihre Faust, die sich langsam von seinem Gesicht zurückzog. Sie holte Schwung, um ihn mit einem Schlag zu töten.

Ein wilder Kampfschrei ertönte. Atlan schoss auf die Kampfmaschine, rannte an ihr vorbei, winkte, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, verschwand dann hinter dem Felsen, hinter dem er schon zuvor mit Rhodan gekauert hatte.

Der nutzte die Gelegenheit, um endlich wieder auf die Beine zu kommen. Er stolperte auf Atlans Versteck zu, während das da-Pert-Ding seine Faust mehrere Zentimeter tief ins Erdreich rammte, genau dort, wo sich kurz zuvor noch Rhodans Kopf befunden hatte.

Rhodan warf sich in Deckung und zielte gemeinsam mit Atlan auf ihre ehemalige Verbündete und jetzige Gegnerin. In zwei fast parallelen Bahnen schlugen ihre Impulsstrahlen in den Brustkorb des Feinds, ohne aber den geringsten Schaden anzurichten.

»Verdammt«, fluchte Rhodan leise.

Zwei weitere Strahlbahnen von der anderen Seite kamen dazu. Nun endlich zeigte sich, wohin Geektor sich verzogen hatte. Er war nicht geflohen, sondern hatte sich eine optimal gedeckte Schussposition gesucht. Und er schoss mit zwei Waffen: seiner eigenen und dem Strahler, den da Pert während ihrer Metamorphose verloren hatte.

Allerdings reichte auch das nicht, um den organischen Kampfroboter in Verlegenheit zu bringen. Anzug und Haut waren völlig verbrannt, zwischen den metallenen Rippenknochen zuckten Überladungsblitze. Dennoch wandte er sich völlig ungerührt dem Standort des Maahks zu und jagte eine Impulssalve nach der anderen in den Felsen.

Rhodan wusste nicht, was sie noch tun sollten, da sah er eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Etwas Dünnes, Langes, Grünes bewegte sich über die freie Fläche zwischen den Steinen, auf den stöhnenden Marfur zu. Es schlang sich um den Strahler, den der Kadett verloren hatte ... Und riss diesen mit erstaunlicher Geschwindigkeit hinter den Felsen, hinter dem auch Geektor Deckung gefunden hatte.

Ein Augenfühler hob sich über den Rand. Glorborth! Er hatte sich die Waffe geholt! Zwei Ranken folgten. Eine stabilisierte den Strahler, die andere hatte sich auf den Auslöser gelegt. Die Orchidee, die da Pert zunächst mit einem Bronzespeer beworfen hatte, beschoss sie nun mit einem Impulsstrahler.

Dieser fünfte Waffenstrahl gab den Ausschlag. Da Perts Rippen begannen zu glühen, erst rot, dann weiß, bis sie schließlich barsten. Mit einem infernalischen Todesschrei krachte die Kampfmaschine in sich zusammen.

Rhodan wartete, bis er sicher war, dass es nicht nur ein Trick war. Dann kam er hoch und reichte Atlan die Hand. »Das hätte schiefgehen können«, sagte er.

»In der Tat«, bestätigte der Arkonide.

Rhodan sah wieder zu da Pert. Die Bewegung am Rand seines Gesichtsfelds nahm er erst im letzten Augenblick wahr. Er drehte den Kopf gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie der Kolben von Atlans Strahler auf seine Stirn zukam.

 

*

 

Rhodan erwachte mit bohrenden Kopfschmerzen und auf dem Rücken gefesselten Händen. Er lag am Rand des Kampfplatzes neben da Marfur. Der Arkonide atmete flach und wimmerte leise. Da Perts Treffer musste ihm erhebliche Schmerzen bereiten.

Einige Meter entfernt – Rhodan sah es zunächst doppelt, seine Augen hatten Mühe, sich zu fokussieren – standen Atlan, Geektor und Glorborth mitten vor dem Portal. Glorborth hatte sein weißes Wurzelbündel auf den Boden gesetzt.

»Nein!«, rief Rhodan sofort. Er versuchte, auf die Beine zu kommen und loszurennen, aber man hatte auch seine Füße gefesselt. Glorborth hatte dafür Ranken gestiftet, erkannte Rhodan. Er schlug lang hin und schaffte es gerade noch, sich auf die Seite zu drehen. Dank seiner ohnehin lädierten Rippen sah er kurz Sterne. »Tun Sie es nicht!«, rief er, als er wieder klar sah.

»Doch«, sagte Glorborth ruhig und gefasst. »Sie wollten eine neue Haut bringen. Und sie werden es wieder tun.«

»Das weiß ich«, sagte Rhodan durch zusammengebissene Zähne. »Aber daran ändert sich nichts, wenn Sie sich opfern!«

»Vielleicht«, sagte Glorborth. »Aber wenn es wieder Krieg gibt, sterbe ich ohnehin bald. Tue ich es jetzt, können Sie meinen Samen in die Zentrale folgen. Sie können Tolcai sagen, dass wir gar nicht kämpfen möchten. Wenn die Erhabenheit das weiß, dann weiß sie auch, dass sie keine neue Haut schicken muss.«

Rhodan wollte etwas antworten, um Glorborth von seinem naiven Wahnsinnsplan abzuhalten. Doch Geektor war zu ihm getreten und hielt ihm mit dem langen Tentakelarm einfach den Mund zu. Rhodan konnte nur zusehen, wie ihr Begleiter aus dem Clan der Schierlingssporne sich umdrehte und seine Fühler auf das violette Feld mit dem Nachwuchs seiner Familie richtete. Dann bohrte er die weißen Wurzeln mit einem Ruck in den Boden.

Seine Samenkapseln sprangen auf. Sein Kopf sank.

Eine Handvoll goldener Punkte schwebte auf das Portal zu. Es begann, metallisch blau zu schimmern.

Geektor hob da Marfur auf die Arme, genau, wie er zuvor da Pert getragen hatte.

Atlan trat heran und schnitt Rhodans Fesseln durch. »Sie sind zu weichherzig, Nadohr Yrrep«, sagte der Arkonide. »Sie werden es nie zu etwas bringen.«

Rhodan schwieg zornig.

Die Samen erreichten den Durchgang. Das Blau wurde golden.

Zu viert machten sie den Schritt ins Ungewisse.