11.

Das Verhör

 

Der »Grauzwerg« saß wie versteinert auf seinem Platz. Gewiss, er wurde von Fesselfeldern gehalten, aber das erklärte nicht seine völlige Reglosigkeit, die an eine Puppe erinnerte. Der schwarze Mantel verstärkte die mysteriöse Aura, die den Fremden umgab. Das Gesicht mit den seltsam kindlichen Augen hatte er Kors da Masgadan zugewandt, der ihm gegenüber am Tisch saß und langsam, aber sicher verzweifelte. Dieses Verhör entwickelte sich immer mehr zu einer Farce.

Kors beherrschte sich mühsam. Nach dem Anruf des irren da Quertamagin war er bereits mit einiger Wut im Bauch in den Verhörraum gekommen. Der Alte hatte es wieder einmal geschafft, den Gouverneur durch seine überhebliche Art bis aufs Blut zu reizen.

Gleichzeitig hatten seine Behauptungen Kors nicht kalt gelassen. Da er weder Atlan noch Rowena erreichen konnte, machte das die Sache nicht besser. Im Gegensatz zu da Quertamagin wusste Kors, dass Rowena nicht im Besitz des Talagons war, sondern sich um seine Wiederbeschaffung kümmerte – zumindest war das sein letzter Stand der Dinge. Aber was, wenn ihr das nicht gelungen war? Vielleicht war die Erhabenheit namens Tolcai tatsächlich bereits auf dem Weg ins Larsafsystem.

Der Gouverneur beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf dem Tisch ab. Er legte die Kuppen seiner langen Finger aneinander. »Versuchen wir es noch einmal. Ihr Name ist Logan Darc, richtig?«

»Diesen Namen habe ich Ihnen genannt.« Der Grauzwerg sprach mit monotoner Stimme, die ebenfalls irgendwie grau wirkte.

Kors war klar, dass das keine richtige Antwort auf seine Frage war, dennoch machte er weiter. »Wohin sind Ihre Leute verschwunden?«

»Ich verstehe die Frage nicht. Wer ist verschwunden?«

Kors atmete tief durch die Nase ein. »Ich meine Ihre Truppen, die Arkonis erobert hatten.«

»Arkonis war erobert? Ich dachte, es war eine Übung, die in der Stadt stattgefunden hat?«

Woher weiß er, welche Geschichte ich über Funk verbreiten lasse? Er saß währenddessen in Haft! Kors ließ sich seine Verblüffung nicht anmerken. »Was wollen Sie und Ihre Leute auf Atlantis?«

»Haben Sie nicht eben gesagt, meine Leute seien verschwunden?«

Kors ließ seine Hände klatschend auf die Tischplatte fallen. »Mit reicht es langsam mit Ihren ausweichenden Antworten. Ich will wissen, was Ihre Pläne sind!«

»Warum denken Sie, dass ich Pläne habe? Ich habe mich Ihnen gestellt und sitze in Ihrem Gefängnis. Ich vermute, dass es als Gefangener wenig sinnvoll ist, Pläne für eine ungewisse Zukunft zu schmieden.«

Diese unschuldig glotzenden Kulleraugen trieben Kors in den Wahnsinn. Er schaffte es einfach nicht, irgendeine sinnvolle Antwort aus Darc herauszuholen. In dieser Lage hätte er Rowena gut an seiner Seite gebrauchen können. Die Kralasenin wusste, wie man Leute zum Reden brachte – ihr hätte bestimmt auch dieser graue Zwerg wenig Probleme bereitet.

Doch noch war Kors nicht bereit, zu kapitulieren. Er beugte sich über den Tisch. »Wer ist Tolcai?«

»Mein Herr.«

Aha. Die Erhabenheit ist also männlich.

»Was hat er vor?«

»Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Mein Herr ist wankelmütig, und seine Ziele sind vielfältig.«

»Und seine Ziele für Atlantis?«

»Die Erhabenheit verrät nicht alles, was sie vorhat. Ich bezweifle, dass sie sich ein spezielles Ziel für diesen Kontinent gesteckt hat.«

Kors wagte einen Vorstoß und ließ dabei einen Grundsatz seiner Verhörtechnik außer Acht – niemals dem Gegner etwas verraten. »Ich habe gehört, Tolcai sei auf dem Weg hierher.«

Darc sah nicht besonders beeindruckt aus. »Ist er das? Früher oder später war das zu erwarten.«

»Was will er hier?«

»Da ich bis soeben keine Kenntnis davon hatte, dass er auf dem Weg ist, kann ich das nicht sagen.«

»Aber Sie wussten, dass er vorhatte, nach Atlantis zu kommen!«

»Dieses Vorhaben war von verschiedenen Faktoren abhängig. Ich kann nicht sagen, welche davon erfüllt sind.«

»Und welche Faktoren sind das?«

»Da ich nicht weiß, welche erfüllt wurden, kann ich dazu ebenfalls nichts sagen.«

Der Gouverneur spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Er konnte die beiden Wachsoldaten, die er neben der Tür postiert hatte, nicht sehen. Doch er hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie sich über das Wortgefecht amüsieren könnten. Er drehte rasch den Kopf. Die Arkoniden standen mit ernsten Gesichtern stramm. Gleichwohl fühlte sich Kors da Masgadan von dem Grauzwerg vorgeführt.

»Na schön«, sagte er leise. »Wenn Sie es nicht anders wollen, werde ich die Verhörspezialisten des Stützpunktes rufen. Ich garantiere Ihnen, dass diese hoch qualifizierten Fachleute Sie zum Reden bringen.«

Darc legte den Kopf schief. »Ich verstehe nicht. Ich rede doch mit Ihnen.«

Kors ballte die Hände. Er hob den Arm mit dem Kom-Armband an den Mund.

Das Gitter des Wartungsschachtes flog scheppernd in den Raum. Eine schwarze Kugel schoss herein, an deren Vorderseite ein riesiges, verstörend arkonidisch aussehendes Auge saß, und sie sprach mit der Stimme des verrückten Quartam da Quertamagin: »Halt! Lassen Sie mich mit Logan Darc reden!«

Die beiden Wachsoldaten reagierten sofort und legten ihre Strahler auf den Roboter an.

In diesem winzigen Raum werden sie Darc mitgrillen, wenn sie schießen – er trägt schließlich keinen Schutzanzug , dachte Kors panisch. Doch zum Glück gehörten die beiden Soldaten zu der Kategorie, die zuerst nachdachten, was in den gegenwärtigen Zeiten nicht selbstverständlich war.

»Nicht schießen!«, befahl er trotzdem.

Die Kugel, in der Kors den Roboterassistenten des Verrückten erkannte, verharrte schwebend über dem Tisch. Sie projizierte ein Holo vor sich, und mit aufsteigender Wut blickte Kors in da Quertamagins Gesicht.

»Sie schon wieder! Wie können Sie es wagen ...?«

»Ich bitte um Verzeihung!«, unterbrach da Quertamagin hastig. »Aber ich habe Ihr Verhör belauscht. Ja, ich weiß, damit habe ich gegen etwa hundert Vorschriften verstoßen, aber ich konnte einfach nicht anders! Bitte, lassen Sie mich helfen!«

»Sie sind wirklich vollkommen irre!« Kors schüttelte fassungslos den Kopf. »Sie schicken Ihre kleine Schrottmühle von Roboter als Spion in einen streng geheimen Militärtrakt und haben dann noch die Frechheit, sich einmischen zu wollen?«

Der Roboter gab ein Piepsen von sich, das in Kors' Ohren beleidigt klang. Quartam hatte den Anstand, zerknirscht zu wirken. »Ich weiß, wie das aussieht. Aber Sie scheinen nicht begriffen zu haben, welche Tragweite unsere Entdeckung hat. Wir müssen einfach einen Weg finden, um Tolcai aufzuhalten. Lassen Sie mich mit Darc reden. Er hat sich mir schon einmal anvertraut, auf der OMOTA. Ich habe einen Draht zu ihm, vielleicht bringe ich ihn dazu, mit uns zu kooperieren.«

Kors hob drohend die Hand. »Ich sage Ihnen was, da Quertamagin: Sie überschätzen sich wieder einmal! Von wegen, Logan Darc verhören: Ich werde dafür sorgen, dass Sie bald selbst im Gefängnistrakt sitzen, wegen Spionage!« Er wandte sich an die beiden Soldaten. »Fliegen Sie zum Raumhafen und verhaften Sie diesen Mann!«

Die Soldaten gehorchten umgehend und verließen eilig den Raum.

»Ich warne Sie: Versuchen Sie nicht, zu fliehen«, wandte sich Kors erneut an da Quertamagins Hologramm. »Atlantis ist nicht groß genug, dass wir Sie nicht finden würden.«.

Zu seiner Überraschung mischte sich Logan Darc ein. »Ja, lassen Sie ihn herbringen. Mit ihm will ich reden.«

Kors verschlug es den Atem. »Was sagen Sie da?«, fragte er ungläubig.

Der Grauzwerg blinzelte langsam. Bildete Kors es sich ein, oder zuckten seine Lippen, als ob er sich ein Lächeln verkniff?

Darc neigte den Kopf. »Mit Quartam da Quertamagin werde ich sprechen. Allein.«