Das Schlachtfest
Rhodan war klar, dass dieser Kampf verloren war, ehe er überhaupt begonnen hatte. Vier lächerliche Raumjäger, die kaum einsatzfähig waren, gegen eines der Beiboote der weit überlegenen STRAHLKRAFT – das war keine Raumschlacht, das würde ein Schlachtfest werden. Seine Staffel stand kurz vor der kampflosen Vernichtung, ebenso wie es den anderen Staffeln ergangen war.
Die Funkstille war sinnlos geworden: Rhodan brach sie, ohne zu zögern.
»Rückzug!«, rief er. »Sofort umkehren!«
Er riss seinen Raumjäger herum, was ihm angesichts der angeschlagenen Impulstriebwerke lächerlich langsam vorkam. Als er bereits ein paar Sekunden unterwegs war, stellte er fest, dass sich ihm die anderen Jäger nicht angeschlossen hatten. Stattdessen warfen sich zwei der Piloten in den Kampf.
»Verdammte arkonidische Sturheit!«, fluchte er. Natürlich waren diese Idioten bereit, ihr Leben sinnlos zu opfern, wegen der idealisierten Formel »Mein Leben für Arkon«.
Er lenkte seinen Jäger wieder in Richtung des Kampfs – oder eher des Spiels. Die Raumjäger hatten dem Beiboot nichts entgegenzusetzen, es war eine aussichtslose Aktion. So, wie diese ganze Mission aussichtslos gewesen ist. Wir haben es nur nicht wahrhaben wollen ...
Wenn die Kosmokratendiener gewollt hätten, wären bereits alle vier Jäger vernichtet gewesen. Stattdessen jedoch trieb das Rochenschiff die Jäger auseinander. Dann widmete sich seine Besatzung dem ersten Schiff, hüllten es in das grüne Leuchten des Desintegrators.
Das ist Partens Jäger. Die Besatzung des Kosmokratenbeiboots hat offenbar Tolcais sadistischen Spieltrieb geerbt!
Das Entsetzen, das Rhodan erfüllte, war ebenso stark wie eine wild aufkeimende Hoffnung. Vielleicht würde dieses Verhalten zumindest einem der Jäger die Flucht ermöglichen. Denn dass der zweite Raumjäger, an dessen Steuer Henchat saß, in wenigen Sekunden ebenso verloren sein würde wie der von Parten, war Rhodan absolut klar. Das Beiboot hatte sich bereits dem zweiten Raumjäger zugewandt. Die Besatzung machte sich einen Spaß daraus, das Schiff mit Strahlerschüssen zu flankieren, sodass der Pilot sich vorkommen musste wie die Assistentin eines durchgeknallten Messerwerfers.
Zwischenzeitlich bemerkte Rhodan, dass der dritte Pilot, Lubell, sich nicht am Kampf beteiligte. Auf Rhodans Befehl geflüchtet war er jedoch nicht. Sein Jäger hing bewegungslos im All.
»Was ist los, Lubell?«, funkte Rhodan ihn an. »Ich habe Rückzug befohlen!«
»Ich versuche es, Vere'athor!« Lubell klang panisch. »Aber die Kontrollen sind ausgefallen. Mein Jäger ist manövrierunfähig.«
Rhodan fluchte. Im Hintergrund ging Henchats Jäger in Flammen auf. Das Feuer erlosch fast sofort – viel Sauerstoff hatte sich nicht in dem Schiff befunden, um den Brand im All am Leben zu erhalten.
Das ist ein besseres Schießbudenspiel. Eine reine selbstherrliche Machtdemonstration. Anders kann ich mir nicht erklären, warum wir länger als eine Sekunde überlebt haben.
»Schleudersitz, Lubell!«, befahl Rhodan. »Schießen Sie sich aus der Schrottmühle raus, ehe diese Mistkerle Sie erwischen!«
Das Rochenboot kehrte in einer spielerischen Schleife zurück und nahm Lubells Jäger unter Beschuss. Rhodan mischte sich ein, indem er zwischen den Kosmokratendienern und seinem Staffelmitglied aufs Geratewohl hindurchpreschte. Nicht, dass das den unbekannten Schützen an Bord des Beibootes kümmerte. Es gelang Rhodan allerdings, den Feind kurzzeitig zu irritieren. Das Feuer wurde nur für einige Augenblicke unterbrochen. Das gab dem Piloten Zeit, den Schleudersitz zu betätigen. In der nächsten Sekunde explodierte das Schiff.
Rhodan hatte keine Zeit, sich über seine erfolgreiche Hilfsaktion zu freuen: Sein Boot war als Nächstes an der Reihe.
Das All leuchtete grünlich auf und konzentrierte sich um Rhodans Jäger – zumindest kam es Rhodan so vor. Es war kein Desintegratorstrahl, der ihn getroffen hatte, sondern ein Feld. Rhodan versuchte, es abzuschütteln, doch er entkam ihm nicht. Erste Schichten der Panzerung lösten sich. Rhodan versuchte es mit unterschiedlichen Manövern, doch er hatte keine Chance: Das selbstsuchende Desintegratorfeld wich nicht von ihm.
Stück für Stück verschwand der Jäger in grünem Leuchten ... und Rhodan würde ihm sehr bald folgen.
Rhodans Gedanken rasten. Kosmokraten bestehen auf Präzision – und somit Symmetrie. Vielleicht kann ich das für mich nutzen!
Er stellte die entsprechenden Berechnungen an und programmierte hastig. Als das Feld die Flügel zerlegt hatte, erfolgte ein Moment, in dem es sich rekonfigurierte. Das war nötig, um sich der Form des Rumpfes anzupassen. Es blieb nur etwa eine halbe Sekunde ausgeschaltet. Das hatte Rhodan vorausgesehen – na ja, eher gehofft –, in den Countdown des Schleudersitzes eingerechnet und im richtigen Moment die Treibladung gezündet. Der Schleudersitz katapultierte Rhodan hinaus ins All.
Das Beiboot der STRAHLKRAFT drehte ab. Die Aufgabe der Kosmokratendiener war erledigt. Rhodan war nicht einmal sicher, ob sie mitbekommen hatten, dass er und Lubell sich per Schleudersitz in Sicherheit gebracht hatten. Selbst wenn, kümmerten sie sich nicht um die beiden winzigen Lebewesen, die in der Leere zwischen den Sternen trieben.
Warum sollten sie auch? Unser Sauerstoffvorrat ist begrenzt, unsere Überlebenschancen gering und aus eigener Kraft werden wir es weder zurück ins Tunniumsystem noch auf die andere Seite der Vakuole schaffen.
Während der Rochenraumer verschwand, steuerte Rhodan mit den Manöverdüsen seines Raumanzugs auf Lubell zu. Der Arkonide war um einiges entfernt.
Vielleicht schaffen wir es zusammen. Rhodan wusste, wie unrealistisch dieser Gedanke war. Dennoch würde es angenehmer sein, gemeinsam durchs All zu treiben, als in schrecklicher Einsamkeit.
Er benötigte fast zehn Minuten, um Lubell zu erreichen. Der Arkonide trieb mit dem Rücken zu ihm. Rhodan streckte die Hand aus und drehte ihn um. Er sah in zwei leere, eisverkrustete Augen. Das Visier von Lubells Raumhelm war geborsten. Beim Auslösen des Schleudersitzes musste er mit einem Trümmerstück kollidiert sein.
Rhodan schluckte. Er ließ Lubell los. Er war allein.