2.

STRAHLKRAFT

 

Na, mein Kleiner, willst du mein Spielgefährte sein?

Tolcai blickte auf den Dienstleistungsroboter, den ihm dieser »Arkonide« überlassen hatte und der am Boden vor ihm lag. Hätte dieser Wicht gewusst, dass er ihm damit das Talagon ausgehändigt hatte, hätte er sich wohl zu Recht entleibt.

Der arkonidische Arbeitsroboter RCO-3342/B, erbaut aus Arkonstahl, wies im Vergleich zu anderen Baureihen eine kleinere und kompaktere Bauweise auf. Mit der auffällig gestalteten Kopfpartie hatten die Arkoniden ihre übliche Arroganz gezeigt und ihn nach ihrem Ebenbild geformt. Das Gesicht bestand aus silbernem Metall und bildete andeutungsweise Konturen wie Nase, Augen, Stirn, Mund und Kinn nach. Im Inneren hatten sie ihn mit einer Positronik versehen, die sie KSOL nannten. Wie so oft im Universum hatten die humanoiden Erbauer den klassischen Aufbau gewählt: Prozessoren, Speicher und Eingabe/Ausgabe-Geräte. Im Prinzip war es eine stupide Maschine, die stur ihrem Programm gehorchte.

Dennoch war dieser Roboter durch das Talagon in seinem Körper für Tolcai etwas Besonderes, für den er sogar seinen ursprünglichen Plan aufschob. Der Reiz eines Spiels war größer als sein Wunsch, die Proto-Nekrophore zu öffnen.

Natürlich erkannte er die Ironie, dass er sich durch den Roboter und das Spiel wieder lebendig fühlte. Doch er wusste, dass dieser belebende Zustand nur begrenzt anhalten würde. Die Langeweile war programmiert.

Tolcai schob den lähmenden Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf RCO-3342/B. Er würde mit ihm und dem Universum um die Aushändigung des Talagons spielen und gab damit dem »Schicksal« eine Chance, einzugreifen – freilich war das nur ein gedankliches Konstrukt der niederen Lebewesen, aber es gefiel ihm.

Schicksal.

Es klang bedeutungsschwerer als jene Definition, die auf wissenschaftlichen Fakten und Gleichungen aufbaute. Das Wort »Schicksal« hatte einen runden, poetischen Nachhall. Und es implizierte, dass es eine losgelöste, unbeeinflussbare Macht war.

Doch um dem Schicksal eine Chance zu geben, griff er unbemerkt vom Arbeitsroboter in dessen subatomare Ebene ein und hinterließ dort einen Hauch seiner selbst. Dieser Hauch sollte die positronischen Denkprozesse so verändern, dass RCO über seine Programmierung hinauswachsen konnte.

Und dieses unscheinbare Wort konnte gab dem Spiel seinen Reiz.

Würde das Schicksal den Arbeitsroboter auf die nächste Ebene hieven? Und wie würde sich der Roboter entscheiden, wenn er zwischen Existenz und Vernichtung wählen musste? Und was bedeutete die Entscheidung am Ende für ihn und sein Vorhaben?

Tolcai rieb sich ob der Ungewissheit die Hände. So, mein Kleiner, wir spielen, bestimmte er.

Das Konzept des Spiels ist in meiner Programmierung nicht vorgesehen.

Abwarten! Sei doch in der Zwischenzeit so nett und gib mir das Talagon.

Das widerspricht meiner Programmierung.

Ich gebe zu bedenken, dass ich bei einer erneuten Weigerung andere zur Rechenschaft ziehen werde , sagte er im freundlichen Plauderton. Sieh!

Er projizierte ein Ortungsbild vor ihm, das die STRAHLKRAFT im erweiterten Orbit von Galkorrax zeigte. Noch ist nichts passiert. Weigerst du dich weiter, muss ich meine Beiboote ausschleusen. Daraufhin werden die Maahks angreifen und sterben. Und du, mein Kleiner, hast das zu verantworten.

Er spürte, wie der Roboter abwog, und sah, wie die Programmparameter die Antwort wie unzerstörbare Wände einzementierten.

Die Herausgabe widerspricht meiner Programmierung.

Es ist gut, mein Kleiner. Es ist gut. Gedanklich tätschelte er den Arbeitsroboter. Die Unvorhersagbarkeit des Schicksals war einfach nur herrlich. Sieh hin, mein Kleiner, was du zu verantworten hast.