Der Anblick, der sich ihnen bot, als sie sich im Gleiter dem Berg näherten, verschlug Joshiron den Atem. In einen neuen Einsatzanzug gehüllt, saß er an den Kontrollen des Gleiters, denn sein Vater war nicht dazu in der Lage, die Maschine zu steuern. Joshiron war froh, seine Pilotenkünste schulen zu können, und wenn auch nur mit einem ereignislosen Flug nach Talanis.
Der spitze Berg reckte sich in die Höhe wie an dem Tag vor drei Lotronjahren, an dem Joshiron ihn zum letzten Mal auf dem Display über seinem Medobett beobachtet hatte. Ein Detail jedoch war hinzugekommen, eine tiefblaue Walze, die über dem Gipfel schwebte. Und dieses Walzenraumschiff war genauso lang wie der Tradracu hoch. Seine Länge betrug folglich dreieinhalb Kilometer, sein Durchmesser maß etwa die Hälfte davon. Der Anblick verschlug Joshiron beinahe den Atem. Dieser Walzenraumer war größer als jedes Schiff der Cappins.
Ein wenig bekam er es mit der Angst zu tun. Ein solch gewaltiges Schiff voll insektenhafter Laboris? Allerdings passte die Farbe der Außenhaut nicht zur ZIBORAL. Natürlich konnten sie in einer Million Jahren das Rumpfmaterial geändert haben. Andererseits konnte das Schiff sehr gut einem anderen Volk gehören. Vielleicht waren die Laboris sogar ausgestorben.
All das schoss Joshiron ungeordnet durch den Kopf, während er den Fuß des Bergs ansteuerte. Er wollte nicht weit von der Stelle landen, an der sie vor drei Jahren ihr Lager aufgeschlagen hatten.
Doch sie waren keineswegs die ersten Ankömmlinge.
Flugpanzer und Truppentransporter standen in ordentlichen Reihen. Soldaten und Kampfroboter hatten sich aufgestellt. Mehrere Kommandoschweber bildeten das Zentrum der Formation.
Joshiron setzte ihren Gleiter am Rand der Truppen ab. Sie stiegen aus und identifizierten sich bei einem uniformierten Golamo-Mann, der ihnen entgegengetreten war, ein Strahlengewehr in der Armbeuge.
Wortlos führte er sie zu seinem Kommandeur, der über ihre Ankunft erfreut war. »Ich hätte nicht gedacht, dass die Wissenschaftler aus der Hauptstadt so schnell eintreffen. Matronis braucht für solche Dinge meist sehr lang.«
Toshik erklärte ihm, dass sie zu den Entdeckern der ZIBORAL gehörten und aus eigenem Antrieb gekommen seien.
»Vielleicht können wir dann anfangen, ohne auf die offizielle Delegation zu warten.« Das Wort »Delegation« kam mit beißendem Spott. »Kommen Sie.« Der Offizier führte sie zu einem der Kommandoschweber.
»Warum ist er denn so sauer?«, fragte Joshiron unterwegs leise seinen Vater.
»Er gehört zu der Sorte, die wohldurchdachte Vorbereitung mit bürokratischer Gängelung verwechselt.« Toshik grinste matt. »Allerdings kann Erstere leicht zu Letzterer werden, ohne dass die Verantwortlichen sich dessen bewusst sind.«
Während Joshiron noch über diesem Satz brütete, traten sie in den Kommandoschweber, in dem Tasterergebnisse der Satelliten in der Umlaufbahn Lotrons und der Sonden und Drohnen, die das fremde Schiff umschwirrten, ausgewertet wurden. »Wir haben festgestellt, dass ...«
Ein untergebener Offizier sprang von seinem Platz auf, machte eine Ehrenbezeigung vor dem Kommandeur und meldete hastig: »Eine Sextadim-Emission vom Invasor. Wie es aussieht, muss es eine Art Transportfeld ...«
Er verstummte, als mitten in dem Schweber eine Gestalt materialisierte.
*
Das Wesen war cappinoid und dennoch fremd. Seine Haut schimmerte smaragdgrün, und es war feingliedriger gebaut und kleiner als ein durchschnittlicher Takerer. Es trug dichte weißliche, nein, eher silberfarbene Gesichtsbehaarung, die sich fortsetzte, bis sie unter der weinroten, völlig glatten Kombination verschwand.
Das Wesen hielt nicht inne, sondern trat Joshiron entgegen und sah ihn an. »Du hast das Schiff des Garbeschianers betreten und die Proto-Nekrophore berührt«, sagte es mit einer überraschend tiefen Stimme. Joshiron hatte damit gerechnet, dass der zierliche Neuankömmling mit einer Fistelstimme sprach. »Du bist tendenziell kontaminiert«, fuhr der Fremde fort. »Begleite mich, oder stirb sofort.«
»Wer sind Sie?«, herrschte Toshik ihn an. »Wie können Sie es wagen, meinen Sohn zu bedrohen?«
Der Fremde sah ihn nicht einmal an. Seine Augen fixierten Joshiron. Mit einer geschmeidig anmutenden Bewegung legte er den Kopf auf die Seite. »Wie lautet deine Entscheidung?«
Joshiron schluckte, wandte zögernd den Blick von dem Fremden ab und sah seinen Vater an. »Was soll ich tun?«
Ehe Toshik antworten konnte, befahl der Kommandeur: »Schocken!«
Mehrere Waffenstrahlen zuckten zu dem Fremden, ohne ihn zu erreichen oder zu beeinträchtigen.
»Ich werde eure Waffen weder vernichten noch euch schaden«, sagte der Fremde seelenruhig, »aber ich würde es begrüßen, wenn ihr nicht weiter mit Stöcken und Steinen nach mir werfen würdet.«
»Lass dich nicht darauf ein«, sagte Toshik. »Er soll uns zuerst einmal erklären, wer er ist und was er beabsichtigt.«
»Du hast doch gehört, was er beabsichtigt. Er hat mich vor eine Wahl gestellt.« Joshiron war sich völlig gewiss, dass der Fremde sein in ruhigem Ton vorgebrachtes Ultimatum ernst meinte. Er hätte es niemals zugegeben, aber er empfand furchtbare Angst.
Als die Soldaten auf Befehl ihres Kommandeurs mit Thermowaffen schossen, bewirkte ihr Feuer genauso wenig, aber sie brachen zusammen und blieben zuckend auf dem Boden liegen.
Der Kommandeur zerfloss vor Joshirons Augen und sackte zu einer unförmigen, blasigen Gallertmasse zusammen. Joshiron wusste, was vor sich ging: Der Offizier versuchte einen Pedotransfer in den Fremden, um ihn geistig zu übernehmen. Sein eigener Leib war zu einem Tzlaaf geworden, einem Pseudokörper, der rasch erstarren würde, bis der Mann wieder in ihn zurückwechselte.
Doch dazu kam es nicht. Der Pseudokörper begann zu wallen, verfärbte sich schwarz und schien rasch auszutrocknen, bis er zu einem dunklen Staub zerfiel, der verwehte, obwohl in dem Kommandoschweber kein Luftzug ging.
Ein entsetzlicher Schrei gellte Joshiron in den Ohren, aber er war sich nicht sicher, ob er ihn wirklich akustisch hörte oder vielleicht doch mental. Langsam verklang der klagende Laut, und der Fremde sah ihn an.
»Ich wiederhole meine Forderung nur einmal: Begleite mich, oder stirb sofort.«
»Was bleibt mir für eine Wahl?«, fragte Joshiron.
Er sah seinen Vater an und entdeckte in dessen Gesicht das gleiche Grauen, die gleiche kreatürliche Angst, die ihn schon dazu getrieben hatten, eine Resistenz gegen das Talagon züchten zu wollen. Wenn die Machtmittel des Fremden ein Hinweis waren, auf welchem technischen Standard die Konflikte ausgetragen wurden, die es führte, hatte Toshik nie auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg besessen.
»Ich werde ihn begleiten«, sagte Joshiron. »Vielleicht kann ich dadurch Schlimmeres verhindern.«
*
Der Fremde nahm ihn nicht etwa mit in sein Schiff, sondern erschuf mit einer Handbewegung einen kreisrunden energetischen Tunnel, dessen Wände in allen Farben des Spektrums leuchteten. Er bedeutete Joshiron, dort hineinzutreten. Der Fremde folgte ihm.
Toshik machte Anstalten, sich ihnen anzuschließen. In diesem Augenblick bewunderte Joshiron, wie sein Vater die Angst beiseiteschob, die ihn seit drei Jahren beherrschte. Toshik konnte den Tunnel jedoch genauso wenig betreten wie die Soldaten, die es unter Führung eines anderen Offiziers versuchten. Im nächsten Moment verlor Joshiron sie aus dem Blick, und er war mit dem geheimnisvollen zierlichen Wesen allein.
»Wer bist du?«, fragte Joshiron zaghaft. »Und was willst du hier?«
»Wer ich bin? Das ist eine bessere Frage, als du ahnst. Mein Name ist Tuun Yomorikon, und ich gehe im Auftrag der Kosmokraten gegen die Machenschaften von Seth-Apophis vor. Vor einer Million Jahre hat sie diese Galaxis mithilfe der Horden von Garbesch angegriffen.«
»Eine Million Jahre ist es her, das wussten wir – aber du sollst das Talagon erst jetzt unschädlich machen?«
»Mit Talagon meint ihr die Proto-Nekrophore. Das ist richtig.«
»Was ist Seth-Apophis?«, fragte Joshiron. »Und was sind die Kosmokraten?«
»Das sind sehr große Fragen, die du stellst.«
Joshiron empfand Wut. Jetzt behandelte ihn schon ein Nichtcappin – den er ganz selbstverständlich duzte, obwohl es ein Erwachsener war – wie sein Vater.
»Ich habe gelernt, dass man auch große Fragen kurz und bündig beantworten kann, wenn man sich Mühe gibt.«
»Und die Kunst des Weglassens beherrscht. Versuchen wir es: Die Kosmokraten sind eine Ordnungsmacht des Universums. Seth-Apophis ist eine Agentin ihrer Gegenspieler, der Chaotarchen, die sie mit dem Machtmittel der Proto-Nekrophore ausgestattet haben. Ich bin ein Agent der Kosmokraten, die mir das Machtmittel einer kobaltblauen Walze anvertraut haben. Mit diesem Schiff durchstreife ich das Universum seit Jahrmillionen.«
»Jahrmillionen ... Dann bist du unsterblich?«
»Solange ich mit der STRAHLKRAFT, meinem Schiff, in Verbindung bleibe.«
»Das ist ja unfasslich toll!«
»Findest du?«
Der Tunnel endete vor einer Wand aus Felsbrocken. Thun Yomorikon trat neben Joshiron, vollführte eine Geste mit der Hand, und die Steine vergingen in einer grünlichen Leuchterscheinung, die sich von ihnen fort ausbreitete. In kürzester Zeit hatte sie etwas freigelegt, das Joshiron erkannte. Er war vor drei Jahren schon einmal hier gewesen: in der Höhle mit der ZIBORAL.
*
»Soll ich da hineingehen?«, fragte Joshiron.
»Versuch es!«, antwortete der Beauftragte der Kosmokraten. »Wir werden sehen, ob das garbeschianische Schiff es zulässt.«
Joshiron machte einige Schritte auf die ZIBORAL zu, und nichts geschah. Tuun Yomorikon folgte ihm, und mit einem Mal flirrte es leicht vor Joshirons Augen.
»Ein Schutzschirm!«, rief er. »Pass auf, das Schirmfeld ist sehr gefährlich.« Um es zu untermalen, hob er seine Roboterhand. »Eine Pfote hat mich das schon gekostet.«
Yomorikon ging nicht auf seine Worte ein, und Joshiron fühlte sich unvermittelt albern. Natürlich kannte sich ein Beauftragter der Kosmokraten , wer immer sie waren, mit den Schutzschirmen seiner Gegner aus. Er musste darauf vertrauen, dass Yomorikon wusste, was er tat, und sich damit abfinden, dass er kaum den Rat eines jungen Takerers benötigte.
Yomorikon hantierte mit einem scheibenförmigen Gerät, das halb aus buntem Metall und halb aus schimmernden Energiefeldern bestand. Wie es in seine Hände gelangt war, konnte Joshiron nicht sagen. Der glatten Kombination des Kosmokratenbeauftragten schienen Taschen zu fehlen, aber da trog wohl der Schein.
Mit tiefer Stimme dröhnte Tuun vor sich hin. »Der Schutzschirm ist erstaunlich stark, viel leistungsfähiger, als man bei einem Kurierboot erwarten sollte. Andererseits schützt er natürlich eine wichtige Chaotarchenwaffe.« Er nahm Einstellungen vor, die Joshiron unverständlich blieben.
Der Junge hielt sich zurück, während bläuliche Blitze über den Schutzschirm der ZIBORAL zuckten, auf Yomorikon zurückschlugen, um den sich seinerseits ein Energiefeld legte, das sie abwies. Aus dem Stahlblau der Blitzerscheinungen wurde erst ein saftiges Grün und dann ein kränkliches Gelb, bis die Blitze gezackten schwarzen Hyperaufrisslinien wichen, die über unterschiedlich gefärbte Schirmfelder liefen.
Er war drauf und dran, auf dem Kombinationsarmband seines Einsatzanzuges ein kleines Simuspiel zu starten, als er wieder Tuun Yomorikons Stimme hörte: »Los! Beeil dich!«
Joshiron hob den Kopf. Der Energieschirm der ZIBORAL flackerte ein letztes Mal giftgrün auf und brach mit einem peitschenden Knall zusammen. Joshiron wusste, was er zu tun hatte. Er sprintete los und erreichte in wenigen Sekunden die Luftschleuse des garbeschianischen Kurierschiffs. Noch während er lief, wunderte er sich über das bedingungslose Vertrauen, dass er in den Beauftragten der Kosmokraten setzte. Toshik hatte ihn nie zur Arglosigkeit erzogen.
Yomorikon eilte Joshiron nach, und hinter ihm baute sich der Energieschirm wieder auf. An der Luftschleuse bemerkte Joshiron, dass von Tuun ein starker, scharfer Geruch ausging, der an eine lotronische Gewürzpflanze erinnerte, die auch die Takerer schätzten. Yomorikon gab noch einen unartikulierten Warnlaut von sich, und Joshiron warf sich unter die Rampe, dann feuerten die Nahbereichsstrahler.
*
Die Energien, die auf Yomorikon einschlugen, hätten ein kleines Raumschiff verglühen lassen. Tuuns Energieschirm lief auf vollen Touren und leitete die Energien in den Hyperraum ab, aber die Aufrisslinien wurden immer breiter und vereinigten sich, während der Beauftragte der Kosmokraten sein halbstoffliches Gerät bediente. Am Rumpf der ZIBORAL detonierten Waffenkuppeln, kurz bevor die breiten Aufrissbahnen in Tuuns Schirm zu einer Hülle wurden. Einzelne schwarze Bänder teilten sich wieder in diskrete Linien, die immer schmaler wurden. Knisternd implodierte der Schutzschirm des Kurierschiffs. Die Energien fluteten auf die ZIBORAL zurück und wurden vor Joshirons staunenden Augen von Yomorikons Schutzschirm aufgesaugt.
Wieder verschmolzen Aufrisslinien miteinander. Joshiron kannte den Ablauf und kam aus seiner Deckung hervor. Das halbenergetische Gerät, mit dem Yomorikon die Abwehrsysteme der ZIBORAL überwunden hatte, glühte auf und zerbarst. Der Schirm um Tuun brach zusammen, und er wurde gegen den Schiffsrumpf geschleudert. Blitze schlugen von ihm auf die hellblaue Außenhaut über.
Ein letztes Krachen, und es wurde still. An der ZIBORAL gab es keine Aktivität mehr, und Joshiron kam es vor, als hätte sich der Farbton der Außenhaut leicht verändert.
Zögernd kam er aus seiner Deckung hervor. Tuun lag reglos am Boden. Joshiron eilte zu ihm und kniete neben ihm nieder. Die rote Kombination war größtenteils weggebrannt, aber Joshiron konnte zusehen, wie neu gebildetes Material aus den Rändern wuchs und Lücken schloss. Bald wäre Yomorikons Kleidung wiederhergestellt.
Die Kombination heilte sich selbst, und Joshiron konnte nur hoffen, dass dem Kosmokratenbeauftragten ein ähnliches Glanzstück gelang. Tuun war entstellt. Seine Gesichtsbehaarung war verschwunden, und an allen Stellen seines Körpers, die sichtbar waren, sah Joshiron schwerste Verbrennungen bis hin zur Verkohlung. Er vermutete, dass die Kombination ihren Träger behandeln konnte, aber sie machte den Eindruck, dass sie gerade ganz mit sich selbst beschäftigt sei.
Tuun erblickte Joshiron mit dem einen Auge, das ihm verblieb. »Du musst ...«, krächzte er. Seine Lippen waren geschwärzt und platzten auf, als er sie bewegte. »... sie rausholen ...«
»Die Proto-Nekrophore?«, fragte Joshiron.
»Ja ...« Yomorikon sackte zusammen und lag still da.
Joshiron hoffte, dass er nur bewusstlos geworden war. Konnte er etwas für den Schwerstverletzten tun? Die Medikamente seines Einsatzanzugs konnten einer fremden Physiologie mehr schaden als nutzen, so viel wusste er aus seinen Biochemie-Lektionen.
Und sie waren noch nicht in Sicherheit. Gut möglich, dass er die Wirkstoffe selbst noch brauchen würde.
Joshiron richtete sich auf und eilte zur Rampe der ZIBORAL.
*
Auf dem Weg zum Cockpit des Kurierschiffs ging kein Licht mehr an, und das Schott musste Joshiron von Hand beiseiteschieben. Auch in dem Kontrollraum arbeitete keine einzige Konsole.
Er wandte sich dem Kommandosessel zu. Hlixtras' Leiche thronte darauf wie vor drei Jahren – wieso sollte sich auch etwas geändert haben, wenn er seit einer Million Jahren dort saß?
Wichtig war nur, dass sein Schutzschirm nicht mehr aktiv war.
Joshiron trat auf den Sessel zu, als das Schirmfeld flackernd vor ihm wieder erschien. Eine Handbreit weiter, und er wäre hineingeraten; das hätte ihn nicht nur eine Hand gekostet, sondern wäre sein Tod gewesen.
Er zog sich ein Stück zurück und beobachtete, obwohl er keine Zeit zu verlieren hatte. Wie lange Tuun Yomorikon noch lebte, ließ sich nicht sagen. Aber wenn er nun ebenfalls starb, nutzte es dem Kosmokratenbeauftragten auch nichts.
Der Schirm flackerte wieder, erlosch kurz, baute sich wieder auf, geriet ins Flackern, erlosch ganz. Einige Sekunden dauerte es, und er flackerte erneut auf, stabilisierte sich und stand über Hlixtras. Aber nur eine halbe Minute lang, dann geriet er ins Flackern, erlosch kurz ...
Joshiron kniff die Augen zusammen. War es nur ein Zufall, oder wiederholte sich die Abfolge?
Der Schirm baute sich wieder auf und geriet gleich ins Flackern. Er brach zusammen, einige Sekunden verstrichen, der Schirm erschien flackernd wieder, stabilisierte sich für eine halbe Minute, geriet ins Flackern und war fort.
Joshiron grinste. Das war wie im Simuspiel. Er musste nur die Intervallabfolge lernen und im richtigen Moment zugreifen.
Als der Schild nach kurzem Flackern wieder zusammenbrach, griff er nach dem Talagon. Das Amulett hing an einem Kettchen, das er nicht abreißen konnte, sondern Hlixtras über den Kopf streifen musste. Er hatte es schon fast geschafft, als sich das Kettchen am Gebiss verfing. Joshiron schüttelte daran, um es zu lösen. Ihm blieb nicht viel Zeit. Als er es nicht freibekam, riss er mit aller Kraft. Das Kettchen löste sich, und er stolperte einen Schritt zurück.
Deshalb verbrannte ihm der Schutzschirm, der sich flackernd wieder aufbaute, nicht den Kopf, sondern nur die Brust.
Rasender Schmerz marterte Joshiron. Torkelnd und wie im Traum verließ er das Cockpit. Benommen setzte er einen Fuß vor den anderen, nur von dem Gedanken beseelt, die ZIBORAL zu verlassen, zu Tuun Yomorikon zu gelangen und ihm das Talagon zu übergeben – die Proto-Nekrophore –, damit seine Rolle in diesem Geschehen beendet war.
Er wusste nicht, wie lange er gebraucht hatte, um den Beauftragten der Kosmokraten zu erreichen, aber zu seiner Erleichterung lebte Yomorikon noch. Mit dem Talagon in der Hand brach Joshiron neben ihm zusammen. Tuun griff nach ihm und tat irgendetwas an seinem Anzug.
Die Höhle mit der ZIBORAL verschwand. Sie waren in einem hohen kuppelförmigen Saal, von Licht durchflutet, den auf mehreren Ebenen Galerien wie aus erstarrtem Quecksilber durchzogen.
Tuun schien aus dem Anblick Kraft zu schöpfen. Er lächelte matt. »Willkommen an Bord des Raumschiffs STRAHLKRAFT«, sagte er, dann erstarrte seine Miene.
Larsa – 17. April 8005 v. Chr.
Administrator Mascaren da Thorn wurde so schnell dahingerafft, dass er nicht sah, wie seine Untertanen starben. Er brach in seinem Büro zusammen, seine Untertanen lagen tot in den Straßen der Hauptstadt. In der großen Bodenstation hatte noch jemand Alarm gegeben, bevor ihn oder sie das Leben verließ. Schrille, dissonante Tonfolgen hallten durch die Korridore und Flure, in denen schon kein Soldat mehr lebte, der sich auf seiner Gefechtsstation melden konnte. So blieb auch diese nutzlose Geste aus.
In den weiten Sumpflandschaften schnürten Wucherungen den Sauropoden die langen Hälse zu, und die riesigen Geschöpfe sanken in die Teiche, in denen sie ihr Leben verbracht hatten, und verendeten, bevor ihre trägen Gehirne erfassten, was ihnen widerfuhr. In den artenreichen Feuchtbiotopen starb in Sekundenschnelle alles von Echse und Insekt über Alge und Hydrophyte bis hin zu den Bakterien an rasanten Zellveränderungen.
Auf dem Südkontinent spürten die Gara-Shaly'du, robbenartige Halbintelligenzen, was ihnen bevorstand, und flohen in einen Tümpel. Sie tanzten einen Reigen und stimmten ihren Gesang an, eine polyfone Melodie. Verstummte eine Kehle, fiel eine andere in den Chor ein. Beim Singen rieben sich die Singenden mit dem Schleim ein, den sie mit ihrem Tanz erzeugten, getrieben von der vergeblichen Hoffnung, den blitzartig zuschlagenden Tod damit aufzuhalten. Der Gesang steigerte sich zu einem panischen Diskant, der Chor zerfiel, bis jede Stimme für sich sang – und für sich starb.
Auch das Fono-Shi hatte die Gara-Shaly'du nicht retten können.
Aus dem von Leben strotzenden Planeten Larsa, wie die Arkoniden die Venus nannten, wurde ein Mausoleum, und mit unverminderter Wucht breitete sich die Welle des Todes aus.