Epilog

Weltenschoß – 17. April 8005 v. Chr.

 

Wo sie war, wusste sie. Der Ort eignete sich nicht, ihr Zuversicht einzuflößen. Sie lag in der Hütte, in der Graema gestorben war. Ihr stand das gleiche Schicksal bevor, das ihre Schwester ereilt hatte. Trotz aller Versprechungen von Perry Rhodan und Sichu Dorksteiger, die sich größte Mühe gegeben hatten, trotz aller Anstrengungen der Mediker von Arkoniden und sogar Maahks, die Caysey längst nicht mehr mit Göttern verwechselte, entband sie nun ihr Kind und würde dabei ihr Leben verlieren. Der Totgebärer-Fluch schlug zu. Auch ihr Sohn würde ohne Chance auf Überleben zur Welt kommen.

Eine neue Welle des Schmerzes überfiel sie, und Caysey konnte kaum noch denken. Die Fruchtblase war geplatzt, und vage nahm sie Menschen ringsum wahr. Ututna, die Schamanin, und der Hebamm Nobmor kümmerten sich um sie.

»Ich kann den Kopf sehen«, sagte jemand, ohne dass Caysey sagen konnte, wer. »Komm, press noch einmal.«

Sie versuchte zu gehorchen und schrie vor Schmerz auf.

Die anderen fielen in ihren Schrei ein.

Wollten sie ihr einen Teil der Last abnehmen, indem sie mit ihr schrien?

Bei Graema hatten sie das nicht getan. Schon dass Caysey Ututna dazu bewegt hatte, ihr zum Sterben Unterschlupf zu gewähren, grenzte an ein Wunder. Die Alte hatte immer eine Schwäche für sie gehabt. Wie die Schamanin ihre Stammesgenossen überzeugt hatte, wusste Caysey nicht. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon ohne Kraft gewesen.

Die Wehe flaute ab, aber Ututna und Nobmor schrien weiter. Sie sanken neben Caysey auf die Knie. Der Tränenschleier vor ihren Augen verhinderte, dass sie beide deutlich sah. Sie blinzelte, ihre Sicht klärte sich, aber was sie sah, ließ sie wieder aufschreien, nur diesmal aus Entsetzen.

Lag das an dem Pflanzensud, den Ututna ihr eingeflößt hatte? Hatte sie Visionen, oder – halluzinierte sie, wie Sichu es genannt hätte?

Unwillkürlich presste Caysey, aber ihre Augen und ihre Aufmerksamkeit klebten an den Schreckensfratzen, die sie sah.

Von draußen hörte sie noch mehr Schreie. Das ganze Dorf brüllte.

Ututna und Nobmors Gesichter zerfielen , überzogen sich mit schwärzlichen, feucht glänzenden Knoten aus toter Haut. Sie sackten zusammen und gaben keinen Laut mehr von sich.

Trotz ihrer Schmerzen, trotz des unerträglichen Drucks, der qualvollen Spannung ihres Unterleibs begriff Caysey. Sie hatte genug mitbekommen, trotz ihres Zustands, trotz Fieber und Medikamenten. Tolcai hatte das Talagon geöffnet, und das Leben im Spiralarm , in diesem gewaltigen Sternenbogen, würde erlöschen.

Woran würde sie sterben? Am Totgebärer-Fluch oder an der übernatürlichen Krankheit?

Eine letzte Wehe und dann die wunderbare Erleichterung. Sie war so schwach, aber sie wollte ihren Sohn sehen, bevor sie verblutete oder an der Sternenpest starb. Ihre ganze Kraft brauchte sie, um sich aufzurichten, und es tat furchtbar weh. Die Anstrengung würde ihr vielleicht noch mehr schaden, aber was machte das schon. Sie starb ohnehin.

Caysey nahm das schleimige Ding auf, das zwischen ihren Beinen lag. Sie klopfte ihm auf den Rücken, und ihr kleiner Junge weinte. Tränen stiegen in ihr auf. Für sie war es das schönste Kind, das sie jemals gesehen hatte. Sie legte ihn an eine ihrer Brüste und wartete auf den Tod.

Doch der Tod blieb ihr fern.

Minuten verstrichen, in denen sie ihre Herzschläge zählte und die ihres Kindes. Der Schweiß klebte auf ihrer Stirn. Jeden Moment musste es so weit sein, würde entweder das große Sterben sie beide hinraffen oder der Fluch.

»Worauf wartest du, Tod?«, rief sie kampflustig, die Angst vertrieb die Erschöpfung. Graema hatte es nicht so lange geschafft. Sie hatte ihr Kind niemals kennengelernt.

Die Fäustchen des Säuglings fuhren suchend umher. Sie lenkte seinen Mund an die Brustwarze, er fand sie und begann zu nuckeln. Längst waren alle ihres Stamms gestorben, lagen als verschrumpelte Mumien umher, kaum mehr als Menschen zu erkennen. Widerlicher Gestank wogte durch das Dorf, nicht Verwesung, sondern etwas Fremdes.

Eine Ewigkeit verstrich, so kam es ihr wenigstens vor, bis ihr dämmerte, dass etwas nicht stimmte. Aber was? Benommen stemmte sie sich vom Lager hoch, kam schwankend auf die Beine. Ihr schwindelte, aber in der Hütte hielt sie es nicht mehr aus. Wieso lebte sie, wieso zappelte der Säugling in ihren Armen?

Sie machte einen Schritt über die ekelhafte Masse, die einmal Ututna gewesen war, und umrundete Nobmors Überreste. Oder war es umgekehrt? Egal. Zittrig trat sie nach draußen, dem Gestank entgegen. Beim Eingang war er übermächtig. Sie würgte.

Im Dorf herrschte Totenstille. Der Himmel war blau und wolkenlos, doch nicht einmal die Vögel zwitscherten.

Tote pflasterten den grasbewachsenen Dorfplatz, auf dem vor Wochen Sichu und Perry gegen Rowena gekämpft hatten. Färberbottiche standen umher, einer war umgestürzt, der Sud hatte sich auf den Trampelpfaden verteilt und tränkte die Robe des Toten, der das Gefäß im Todeskampf umgestoßen hatte.

»Tot«, hauchte sie, zwang sich, hinzusehen und den Eindruck in sich aufzunehmen. »Sie sind alle tot. Nur ... wir beide nicht!« Wie war das möglich? War der Totgebärer-Fluch gebrochen? Alle starben, nur sie und ihr Sohn nicht?

Schlaff sank sie auf die Knie. Ihre Unterschenkel pressten sich in den Matsch. Vom Tod umgeben drückte sie das Kind an sich.

Die Erkenntnis traf sie wie Vrouhtous Faust.

Es konnte nicht anders sein! Die Gottheit hatte ihr Gebet erhört. Der Fluch war von ihr genommen. Und sie begriff, was das hieß.

Ihr Sohn würde leben! Sie würde leben!

Als Einzige.

»Vrouhtou-Tam!«, rief Caysey.

 

ENDE

 

 

Die Vergangenheit ist komplizierter, als es sich Perry Rhodan und Sichu Dorksteiger haben vorstellen können. Sie haben Atlan getroffen, sie haben die Macht der STRAHLKRAFT kennengelernt, und sie haben erkannt, welche Rolle ein Teil der Maahks spielt. Und Rhodans Kampf um die Welt Galkorrax ist bei aller Taktik vergeblich ...

Immerhin gelingt es der Gruppe um Rhodan, sich bis zur Erde durchzuschlagen. Auf Atlantis kommt es zu einem Showdown auf der Arkonspitze. Tolcai erzählt seine Geschichte und vollendet seinen geheim gehaltenen Plan.

Doch was folgt darauf? Alles Leben geht zugrunde? Zumindest in dem Spiralarm der Milchstraße, in dem auch die Erde liegt? Alles Leben? Nicht ganz – denn Perry Rhodan ist noch nicht tot.

Welchen tollkühnen Plan er fasst, erfährt der Leser in Olaf Brills Roman. Band elf wird am 5. August 2022 erscheinen und trägt folgenden Titel:

 

ATLANTIS MUSS STERBEN!