Erica warf einen wehmütigen Blick auf den fernen Küstenstreifen, aber sie zweifelte nicht daran, dass Big Blue recht hatte. Wenn selbst er nicht so weit schwimmen konnte, gab es keinen Weg von der Insel. Und ihr Vorschlag, ein Boot zu bauen, war eher der Hoffnung entsprungen, als dass sie wirklich einen Plan gehabt hätte, wie sie das anstellen sollten. Ihre Enttäuschung wurde durch die Tatsache gemildert, dass sie auch dort drüben keine Zeichen von Zivilisation sehen konnte – keine Städte, keine Straßen, nicht einmal den Schimmer von Licht, der von einem Fenster reflektiert wurde.
Im Moment schien die Tatsache, dass sie überhaupt noch am Leben war, viel wichtiger zu sein. Der Versuch, diese Klippe hinaufzuklettern, war das Schwierigste gewesen, was sie jemals getan hatte. Als ihr Fuß abrutschte und sie gespürt hatte, wie sie zu fallen begann …
Sie erschauderte und rutschte einen Schritt näher an Big Blue heran. Gott sei Dank war er da gewesen.
Aber … warum war er da gewesen? Sie warf ihm einen spekulativen Blick zu und stellte fest, dass er sie anlächelte. Hitze stieg ihr in die Wangen, auch wenn sie nicht genau wusste, warum sie rot wurde. Sie tat ihr Bestes, um die plötzliche Verlegenheit zu ignorieren, und wandte sich wieder der Aussicht zu. Von hier oben konnte sie sehen, dass die Insel wie ein riesiges Ohr geformt war. Die Klippe setzte sich an der flacheren Seite fort und fiel in einer Reihe von immer steileren Felswänden ins Meer ab. Das Riff, das sie gestern entdeckt hatte, bildete die obere Krümmung des Ohrs, dann folgte eine Reihe kleinerer Buchten, die sich nach unten hin krümmten und auf die Klippenlinie trafen.
Das Innere der Insel war üppig grün – oder eher bewachsen, denn die meisten Pflanzen schimmerten in Gold- und Blautönen und nicht im typischen Grün –, aber sie konnte auch einen kleinen violetten See in der Mitte der Insel entdecken. Selbst von hier oben wirkte er kühl und erfrischend und schimmerte friedlich im Sonnenlicht. Sie warf einen wehmütigen Blick darauf. Nach der Nacht am Strand und ihrem Aufstieg fühlte sie sich schmutzig und zerlumpt. Ein Bad in einem schönen sicheren See erschien ihr im Moment wie der Himmel.
Aber sie wollte Big Blue nicht zurücklassen. Von dem Moment an, als er ihr zu Hilfe gekommen war, hatte die Tatsache, dass er ein Alien war, keine Rolle mehr gespielt. Und als sie ihn geküsst hatte …
Sie war vor Erleichterung und Dankbarkeit überwältigt gewesen und es schien nur natürlich, ihre Lippen auf seine zu pressen. Er hatte sich für eine kurze Sekunde versteift und sie dachte, sie hätte ihn beleidigt. Aber dann hatte er reagiert und sie hatte sich verloren – mitgerissen nicht nur von seiner Leidenschaft, sondern auch von ihrer eigenen Reaktion. Sie spürte die Erregung immer noch, die in ihrem Körper brodelte. Sie leckte sich instinktiv über die Lippen, als würde sie nach dem letzten anhaltenden Geschmack von ihm suchen …
Oh, um Himmels willen. Es war doch nur ein Kuss.
Zeit, sich auf praktischere Dinge zu konzentrieren und aufzuhören, sich wie das übermütige Schulmädchen zu benehmen, das sie nie gewesen war.
„Ich würde gern zu diesem See gehen“, sagte sie und warf ihm einen zögernden Blick unter ihren langen Wimpern zu. „Ich weiß, du magst den Dschungel nicht, aber ich dachte, du könntest vielleicht mitkommen …“
„Jaa“, unterbrach er sie sofort. „Ich komm.“
Erleichterung machte sich in ihr breit. Das war einfacher, als sie erwartet hatte. Oder vielleicht auch nicht …
„Bist du mir gefolgt?“ Die Worte entschlüpfen ihr, bevor sie darüber nachdenken konnte, aber er schaute sie nur amüsiert an.
„Jaa.“
„Warum?“
Seine Augen schimmerten silbern, als er ihren Körper musterte. Während des furchterregenden Aufstiegs war ihre Nacktheit ihre geringste Sorge gewesen und als sie sich geküsst hatten, hatte sie es sogar genossen, ihm nahe zu sein. Aber jetzt war sie sich der Tatsache plötzlich schmerzlich bewusst, dass sie bis auf die zerrissenen Reste ihres Rockes splitterfasernackt war.
Sein Blick verweilte auf ihren Brüsten. Sie spürte, wie sie daraufhin kribbelten, und wusste, dass ihre Brustwarzen hart sein würden, wenn sie nach unten schaute. Es schien ihn nicht im Geringsten zu stören, dass sie schmutzig und verschwitzt war. Und seine offensichtliche Wertschätzung verursachte eine pulsierende Sehnsucht in ihrem Magen.
Ihr Blick fiel auf seinen Schwanz, bevor sie sich zurückhalten konnte, und sie schluckte. Er wusste ihren halb nackten Zustand definitiv zu schätzen. Sein riesiger Schwanz regte sich und stellte sich mit den beängstigend wirkenden Stacheln auf. Aber sie war schon zweimal gegen seine Erektion gepresst worden. Zuerst auf der Klippe und dann während ihres Kusses. Nichts hatte sich in ihre Haut gebohrt. Ihr wurde klar, dass die Stacheln nicht so scharf sein konnten, wie sie aussahen.
Erica fragte sich, wie sie sich wohl anfühlen würden, und beugte sich näher zu ihm, bevor ihr bewusst wurde, was sie da tat.
Mach dich nicht lächerlich, schimpfte sie mit sich selbst, als sie stattdessen einen hastigen Schritt zurückwich. Du kennst ja noch nicht einmal der seinen Namen.
Zumindest gab es für dieses Problem eine einfache Lösung.
„Wie heißt du?“, fragte sie.
„A’rien.“ Der Name glitt mit demselben Akzent über seine Zunge, der alle seine Worte kennzeichnete. Seine Stimme war ein tiefes Grollen – wie Wasser, das über Felsen floss.
„A’rien“, wiederholte sie und sein Blick wurde heiß. „Und ich bin Erica“, fügte sie schnell hinzu.
„A’reka.“
Der Klang ihres Namens mit seiner tiefen, akzentuierten Stimme sandte einen weiteren Rausch des Verlangens durch ihren Körper. Aber sie tat ihr Bestes, um es zu ignorieren, während sie Peri herauszog.
Nur einige wenige der blauen Ranken waren in ihrer Tasche verblieben, und sie warf einen wehmütigen Blick darauf, als sie Peri wieder hineinsetzte. Die anderen Lianen hatte sie vor Beginn ihres Aufstiegs weggeworfen.
„Sieht so aus, als müsste ein halber Rock reichen“, murmelte sie, während sie sich den Beutel wieder über die Schulter hob.
„Find meer.“
A’riens tiefe Stimme kam von direkt hinter ihr und sie zuckte zusammen.
„Mehr, was finden?“
„Rakään.“
Ein plötzlicher Verdacht kam ihr in den Sinn. „Hast du die anderen gefunden? Und sie für mich dort hingelegt?“
„Jaa.“
„Und das Obst, das heute Morgen angespült wurde?“
Er nickte und sah wieder amüsiert aus, aber sie konnte es ihm nicht verdenken. Sie hatte ja auch nicht bemerkt, dass er ihr die ganze Zeit gefolgt war. Gestern wäre sie bei diesem Wissen noch entsetzt gewesen. Heute fand sie den Gedanken unerwartet tröstlich.
Auch wenn er ihre Frage, warum er sie verfolgte, nicht beantwortet hatte, war es doch offensichtlich, dass er sie wollte. Bis jetzt hatte er jedoch nichts anderes getan, als ihr zu helfen. Er hatte ganz sicher nicht versucht, sich ihr aufzudrängen – was ihm einen erheblichen Vorsprung gegenüber ihrer letzten desaströsen Verabredung verschaffte.
„Du hast gesagt, dass ich bei dir sicher bin, richtig? Du wirst mir nicht wehtun?“
„Nit weehtuhn“, wiederholte er ernst.
„Dann lass uns an diesen See gehen.“
Sie stellte bald fest, dass ihr Weg durch den Dschungel mit A’rien völlig anders war als allein. Sicher, dieses Mal floh sie nicht vor ihm, aber es war mehr als nur die Abwesenheit von Panik. Er hielt die Äste beiseite, schob Lianen weg, die sich um ihre Füße verschlungen hätten, und führte sie auf dem besten Weg. Das Innere der Insel schien ihn nicht im Geringsten zu beunruhigen.
Da sie darauf vertraute, dass er fähig war, sie zu führen, achtete sie mehr auf ihn als auf ihre Umgebung. Die Art, wie sich seine Muskeln anspannten, wenn er einen tief hängenden Ast zur Seite schob. Das Lächeln, das über sein Gesicht huschte, als sie sich über die duftenden Blumen freute, auf die er sie aufmerksam machte. Die Wärme seiner Hand auf ihrer Haut, als er ihr über einen umgefallenen Baumstamm half. Die Art und Weise, wie seine Finger zu verweilen schienen …
Als sie ihr Ziel erreichten, war sie nicht nur von der Anstrengung des Spaziergangs errötet. Erregung summte unter ihrer Haut, selbst als sie stehen blieb, um den Anblick zu genießen.
Der See lag eingebettet in einer kleinen Mulde. Üppig bewachsene Felswände bogen sich an einer Seite entlang und mehrere Bäche rannen an der Oberfläche ins Wasserbecken hinunter. An der anderen Seite ragten Bäume empor und gaben dem ganzen Ort ein Gefühl des Schutzes.
„Es ist wunderschön her.“
„Jaa“, stimmte er zu, aber seine Stimme klang ganz klar zurückhaltend. Als sie zu ihm aufschaute, runzelte er die Stirn.
„Es gefällt dir nicht?“
„Zuu umshloo-sen.“
„Vielleicht fühlt es sich deshalb so sicher an“, warf sie ein.
Er schaute auf sie herab und sein Gesicht entspannte sich.
„Siecha bi miir.“
„Ich weiß, dass ich das bin“, sagte sie leise und wandte sich dann wieder dem Wasser zu. „Meinst du, wir könnten in dem Wasser baden?“
Plötzlich erinnerte sie sich, wie wohl er sich im Meer fühlte. „Ich meine, wenn Süßwasser kein Problem ist.“
„Kien Proh-bläm“, sagte er entschlossen und legte seine Hand leicht auf ihren Rücken, während er sie zum Wasser führte.
Seine Hand erstreckte sich über den größten Teil ihres Rückens und ruhte nur knapp über der Wölbung ihrer Pobacken. Sie ertappte sich bei dem Wunsch, er würde tiefer gleiten, das weiche Fleisch packen und sie fest an seinen harten Körper ziehen. Schockiert von dem Gedanken – und erregt von der Vorstellung – trat sie einen Schritt von ihm weg, sobald sie das kleine, moosbewachsene Ufer erreichten. Sie beugte sich vor, um Peri aus ihrer Tasche zu ziehen, und versuchte, lässig zu wirken.
„Willst du dich umsehen, Peri?“
Er quietschte eifrig, sprang sofort ins Wasser und verschwand unter der Oberfläche. Sie hätte damit rechnen müssen, aber sie war nicht darauf vorbereitet gewesen, dass er sich so schnell bewegen würde.
„Glaubst du, dass das für ihn klar geht? Dort drin ist doch nichts, was ihm wehtun könnte, oder?“
A’rien lächelte sie an. „Is siecha. Füür bidde.“
Ein erleichterter Seufzer entsprang ihren Lippen gefolgt von einem Lächeln, als Peri wieder auftauchte. Sein kleiner Kopf wippte knapp über der Wasseroberfläche, als er in ihre Richtung schnatterte.
„Ich glaube, er will, dass ich reinkomme.“
„Nuhr zuu“, drängte A’rien.
Der moosbewachsene Boden führte zu einem sandigen Fleck, der abfiel, als sie tiefer hinein watete. Das kühle Wasser fühlte sich wunderbar an und beruhigte ihre gerötete Haut. Peri schwamm ein paar Minuten lang um sie herum und erkundete dann einige der größeren Felsen, die das Ufer säumten.
A’rien schwamm weiter auf den See hinaus. Sie kehrte jedoch in flacheres Wasser zurück, um den Schmutz abzuwaschen. Dabei wurden die vielen roten Flecken auf ihrer blassen Haut sichtbar. Die Klippe hinaufzuklettern, hatte den Kratzern, die sie sich bereits zugezogen hatte, weitere Schürfwunden zugefügt. Sie wusch die kleinen Wunden so vorsichtig wie möglich und versuchte, nicht zusammenzuzucken.
Ein leises Knurren ließ sie erschrecken und sie wirbelte herum. Sie entdeckte A’rien, der hinter ihr aus dem Wasser auftauchte. Seine Augen schimmerten silbern, als er sich auf ihre Verletzungen konzentrierte, die nun deutlich sichtbar waren. Ihr Magen zog sich zusammen, als er nach ihrer Hand griff, sie zu seinem Mund führte und mit der Zunge über die zerkratzte Handfläche leckte. Leckte er ihr Blut ab?
Entsetzt versuchte sie, ihre Hand zurückzureißen, aber sie hätte genauso gut versuchen können, einen Felsbrocken zu bewegen.
„Was machst du denn da?“, verlangte sie, aber ihre Stimme zitterte.
„Heil-är dih.“ Er hob den Kopf lange genug, um ihr zu antworten. Dann leckte er weiter.
Als sie seine Antwort verarbeitete, wurde ihr bewusst, dass ihre Handflächen nicht mehr schmerzten. Das langsame Streichen seiner Zunge fühlte sich stattdessen gut an. Sehr gut. Die Spitzen ihrer Brüste pulsierten und sie brauchte nicht nach unten zu schauen, um zu wissen, dass ihre Brustwarzen hart geworden waren.
Als er seinen Mund schließlich von ihrer Hand löste, hätte sie fast protestiert. Er suchte sie mit den Augen ab und hielt für einen Augenblick an ihren harten Brustwarzen inne. Ihr wurde bewusst, dass er nach weiteren Wunden suchte. Ihr Magen flatterte, als er ein ungeduldiges Grunzen von sich gab. Dann hob er sie in seine Arme und trug sie zurück ans Ufer.
Bevor sie sich dagegen wehren konnte, legte er sie ins weiche Moos und fing an, jede Wunde zu versorgen. Das anfängliche leichte Brennen wurde bald von einer wohltuenden Wärme abgelöst. Wohltuend – und sinnlich. Nachdem er mit ihren Armen fertig war und anfing, ihre Beine zu untersuchen, war ihr Körper feucht vor Verlangen.
Und als er ihre Hüfte erreichte, hielt er plötzlich inne. Die Muskeln in seinen breiten Schultern zuckten. Er hob den Kopf und schaute sie an. Er wusste es.