Kapitel 10

D er nächste Schritt, wie sich herausstellte, war ein Treffen mit den drei Chefs von Moorfield & Associates für diesen Abend zu vereinbaren. Idina hatte immer noch Zugriff auf den Online-Firmenkalender. Aus welchem Grund auch immer hatte der Vorstand es noch nicht für nötig befunden, sie aus dem Benutzerverzeichnis der Firma zu entfernen.

Sie benutzte ihn gleich und wählte die perfekte Zeit für morgen – 18:15 Uhr.

Unter der Woche hörten die meisten Familienmitglieder erst auf zu arbeiten, wenn es schon fast Zeit war, für die obligatorischen sechs Stunden Schlaf ins Bett zu gehen, nur um am nächsten Tag wieder aufzustehen und alles zu wiederholen. Idina kannte ihre Eltern inzwischen gut genug – wenn auch nicht ihren Großvater – um zu wissen, dass sie von einem Treffen, das ihre Tochter zur passenden Zeit angesetzt hatte, fasziniert sein würden. Es würde die wichtigsten Stunden ihrer Arbeitszeit nicht beeinträchtigen und sie hätten am Ende des Tages etwas, worauf sie sich freuen könnten.

Als Idina in ihrem Zimmer auf ihrem Laptop auf die Schaltfläche ›Senden‹ im Kalender drückte, schnaubte sie.

Klar. Sie freuen sich schon darauf zu sehen, was für einen verrückten Plan ich dieses Mal aus dem Hut zaubere. Sie denken wahrscheinlich, dass ich versuche, mich zu rehabilitieren. Ich schätze, ich kann ihnen die gleiche Chance geben.

Sie ging an diesem Abend ins Bett, ohne mit einem einzigen Familienmitglied zu sprechen – und das war ein tolles Gefühl. Niemand fragte sie, wo sie gewesen war, oder versuchte, sie zu einem Geständnis zu drängen. Der Gedanke, morgen endlich loslegen zu können, ließ sie in einen tiefen, zufriedenen Schlaf fallen.

* * *

Der nächste Tag war eine Übung in Geduld, wenn auch sonst nichts. Idina prüfte wie besessen ihre E-Mails, während sie über das Anwesen des Herrenhauses schlenderte. Das Kalendersystem würde ihr alles zeigen, was sie wissen musste. Erstens, dass sowohl ihre Eltern als auch ihr Großvater die Anfrage für das Treffen gestern Abend gesehen hatten. Sie spannten sie den ganzen Tag über auf die Folter, indem sie ihre Anfrage weder bestätigten noch ablehnten.

Es stand also noch nicht fest, ob das Treffen stattfand.

Sie versuchen, dich zu verarschen. Lass das nicht zu. Du wirst die E-Mail bekommen. Dann hast du es geschafft.

Es fiel ihr auf, wie seltsam es war, ein Treffen mit ihrer Familie außerhalb der Geschäftszeiten vereinbaren zu müssen, um mit ihnen über etwas zu sprechen, das ihr wichtig war. So arbeiteten die Moorfields und sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass der Versuch, das System zu umgehen, nichts bringen würde.

Als sie sich zu ihrem achten Geburtstag ein aufgemotztes Fahrrad wünschte, hatte sie das nicht weitergebracht. Nachdem sie eine vollständige Präsentation erstellt hatte, warum sie sich genau dieses Fahrrad wünschte und wie es ihre Kindheit verbessern würde, wenn sie es an diesem Geburtstag bekäme, öffneten sich die Türen. Sie hatte gelernt, wie man das unternehmerische Spiel in ihrer Familie spielte. Jetzt nutzte sie es für sich.

Das machte es nicht gerade leichter, auf eine Antwort der drei leitenden Angestellten von Moorfield & Associates zu warten.

Idina versuchte sich abzulenken, indem sie eine neue Skizze begann, aber das Licht war falsch, der Wind frischte zu stark auf und als er wieder abflaute, ließen die Mückenschwärme sie nicht in Ruhe. Außerdem ließ die Spannung, auf dieses verdammte Treffen zu warten, nicht zu, dass sie sich auf die Arbeit mit ihren künstlerischen, grünen Fäden konzentrierte, die nur sie sehen konnte. Vielleicht waren es aber auch nur ihre Medikamente, die beschlossen hatten, heute zu wirken.

Sie gab ihre Versuche auf, mindestens zehnmal über das gesamte Grundstück zu schlendern, um die blühenden Blumen, die knospenden Apfelbäume und die üppig gewachsenen Ahornbäume zu bewundern. Als sie sich überlegte, ob sie sich mit einer weiteren Schachpartie gegen einen der Gärtner ablenken sollte, waren Edgar und Mason schon wieder bei der Arbeit.

Sie bemerkte erst, dass sie das Abendessen ganz ausgelassen hatte, als sie ihre E-Mails noch einmal überprüfte und sah, dass ihre Eltern und Harold Senior ihre Anfrage tatsächlich angenommen hatten. Um 17:55 Uhr.

»Ja! Mist, es ist schon fast sechs.«

Idina schob ihr Handy zurück in die Tasche und rannte ins Herrenhaus. Ihre Füße stampften über den Marmorboden und die große, geschwungene Treppe hinauf, die sie deshalb nahm, weil sie näher war.

Hätte sie auf die Zeit geachtet, hätte sie sich die Aufnahmeformulare der Armee schon früher geschnappt und sich genug Zeit gelassen, um zurück ins Arbeitszimmer im ersten Stock zu kommen, ohne zeitlich so knapp dran zu sein. Der Zeitdruck spielte kaum eine Rolle. Ihr schweres Atmen, ihre von den vielen Treppen geschundenen Beine und ihr vor Vorfreude pochendes Herz störten sie auch kaum, als sie den Flur im ersten Stock des Nordflügels erreichte und endlich langsamer wurde.

Das ist es. Sie wollen, dass ich Verantwortung für meine Zukunft übernehme? Super. Sie werden mich auf keinen Fall zur Armee gehen lassen, nur weil sie eine Moorfield nicht auf die Kunsthochschule schicken wollen.

Die Siebzehnjährige blieb stehen, strich sich die schwarzen Locken aus dem Gesicht und holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Ein letzter Blick auf ihr Handy zeigte ihr, dass sie noch eine Minute Luft hatte. Genau pünktlich.

Ihr strammes Klopfen an der Tür klang wie der Ruf nach ihrer Zukunft. Der Zukunft, die sie wollte und nicht die, die ihre Familie für sie in Stein gemeißelt hatte, weil sie in ihre Familie hineingeboren worden war – eine Familie, von der sie manchmal nicht glaubte, dass es die ihre war.

»Herein«, rief Harold Senior vom anderen Ende des Arbeitszimmers.

Idina wischte sich das Grinsen aus dem Gesicht, drehte den Griff von einer der beiden Flügeltüren und öffnete sie zügig, um einzutreten. Ihre Eltern standen neben dem imposanten Schreibtisch ihres Großvaters, hinter dem natürlich Harold Senior saß, die Hände auf der geölten Oberfläche vor sich gefaltet und die Augen vor Neugierde leicht geweitet.

Idina nickte allen zu, zog die Tür hinter sich zu und ging dann ruhig durchs Arbeitszimmer, um mit der Besprechung zu beginnen. In einer Hand hielt sie eine Mappe mit Formularen für die Armee, die ihr Selbstvertrauen steigerte und sie darin bestärkte, die Sache hinter sich zu bringen, so oder so. »Zunächst möchte ich mich für die Gelegenheit bedanken, …«

Sie stoppte, als ihr Vater seine Hände hinter seinem Rücken hervorholte. Denn in einer von ihnen befand sich der weiße Ringbuchordner, in dem sie ihren gesamten Antrag für das Studium an der Universität von Dartmouth zusammengestellt hatte. Sie hatte ihn in den Müll geworfen, nachdem sie gehört hatte, wie sehr sie Onkel Richard ähnelte und wie sehr ihre Familie das nicht ertrug.

Okay, sie wissen wahrscheinlich, worum es bei diesem Treffen geht. Zumindest die Bedingungen werden sie aus heiterem Himmel treffen.

»Was sagtest du?«, forderte sie ihr Großvater auf.

»Für die Gelegenheit, mit euch allen darüber zu sprechen«, beendete sie und nickte ihrem Großvater zu. »Ich werde nicht zu viel von eurer Zeit in Anspruch nehmen.«

»Ich schätze, das ist es, worüber du heute Abend sprechen willst.« Harry hob die Mappe in seiner Hand hoch und tippte mit einem Finger auf den Deckel. »Richtig?«

»Ja.« Idina starrte auf den leicht verbeulten Deckel, den sie am vorigen Wochenende fast mit ihren bloßen Händen zerrissen hatte. »Als ich hier weg bin, war ich nicht in der richtigen Verfassung, um mich mit den Details zu beschäftigen.«

Ihre Mutter stieß ein leises, brummendes Kichern durch die Nase aus, während sie einen wissenden Blick mit ihrem Mann austauschte.

»Ich hoffe, du hast eine Sicherungskopie«, fügte Harry hinzu und seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln.

Wow! Sie nehmen das viel besser auf, als ich erwartet habe.

Idina beobachtete ihre Eltern, die mehr amüsiert als frustriert dreinschauten, und konnte nicht anders, als dasselbe kleine Lächeln zu erwidern – eines, das sie nicht wagte, viel größer werden zu lassen, in Anerkennung der Umstände. »Natürlich habe ich Kopien.«

»Das ist gut.«

Nachdem er kurz zwischen seinem Sohn und seiner Enkelin hin und her geschaut hatte, räusperte sich Harold Senior. »Nun, worum geht es?«

Idina schaute ihren finster drein blickenden Großvater überrascht an. Sie haben es ihm nicht gesagt. Ich hätte nicht gedacht, dass jemand Geheimnisse vor dem Oberboss bewahren kann. Heiliger Strohsack, sie sind tatsächlich auf meiner Seite.

»Idina«, bellte Harold.

»Richtig.« Sie nickte und verschränkte ihre Hände hinter ihrem Rücken. »Es ist …«

»Eine ziemlich beeindruckende Mappe.« Harry schlug den Ordner auf und durchblätterte sie. Seine Augen wanderten hin und her und nahmen die Informationen, die sie gesammelt hatte, mit fast unmenschlicher Geschwindigkeit auf. Unmenschlich zumindest für jeden, der kein Moorfield war. Moorfields waren darauf trainiert, jegliche Art der Information auf den ersten Blick vollständig aufzunehmen.

»Die Finanzaufstellungen sind enthalten und effizient organisiert. Prognosen für die nächsten vier Jahre. Eine machbare Aufteilung der bereitgestellten Mittel auf all die notwendigen …«

»Ich habe gefragt, worum es geht, Harry«, schnauzte Harold. »Nicht das, was ich in einer Mappe finden würde. Ich weiß bereits, wie die funktionieren.«

Idinas Vater sah sie mit einer hochgezogenen Augenbraue an, dann beugte er sich über den Schreibtisch und legte die Mappe ab, bevor er sie seinem Vater zuschob. »Es ist ein Vorschlag für ein College. Ein traditionelles, vierjähriges Studienprogramm, das Idina zusätzlich zu ihrem Associates Degree, den sie bereits Ende ihres letzten Semesters erhalten hat, absolvieren würde.«

Harold Senior stieß ein überrascht klingendes Grunzen aus und begegnete Idinas Blick, ohne auf den Ordner zu schauen. »Du hast dich also endlich entschlossen, zu uns zu kommen. Nun, ich kann nicht sagen, dass ich nicht erfreut über den Vorschlag bin. Alle Moorfields der letzten fünf Generationen haben ihren Abschluss an der Harvard-Universität gemacht.«

»Dartmouth«, korrigierte sie.

»Wie bitte?«

Idina schaute ihre Eltern an und erhielt von ihrer Mutter ein subtiles, aber völlig unerwartetes, zustimmendes Nicken. »Das ist kein Antrag für Harvard, Großvater. Der Antrag ist für Dartmouth. In Hanover, New Hamphshire.«

Harold kniff die Augen zusammen, dann lachte er und drehte sich zu seinem Sohn um. »Dartmouth. Hast du das gehört? Warum zum Teufel sollte sie einen Antrag für eine Wischiwaschi-Bildungseinrichtung einreichen, die sich als bedeutende Universität ausgibt?«

»Ich vermute, das hat zum Teil damit zu tun, dass Dartmouth schon seit einiger Zeit eine bedeutende Universität ist«, murmelte Harry. Annette lächelte nicht, obwohl ihre Hand, die sie vorsichtig an die Lippen führte, deutlich zeigte, dass sie kurz davor war, zu lächeln.

Harold Senior hatte nichts weiter zu diesem Thema zu sagen, aber er überraschte alle, indem er die Mappe näher heranholte, um sie so zu studieren, wie Idina es nicht zu hoffen gewagt hatte. Er blätterte die Seiten unter seinen schrumpeligen Fingern durch und als Idina ihre Eltern wieder ansah, bemerkte sie, wie ihr Vater den Kopf leicht in Richtung des Geschäftsführers von Moorfield & Associates neigte, der hinter dem Schreibtisch saß.

Er will, dass ich weitermache. Weil er mich in meinem Vorhaben unterstützt oder weil er mir eine Lektion erteilen will? Das ist das seltsamste Treffen, das ich je mit ihnen hatte, und das will schon etwas heißen .

Idina räusperte sich. »Ich erhielt meinen Zulassungsbescheid bereits letzten Monat. Der Aufsatz zur Zulassung, den ich eingereicht habe, kommt gleich hinter den Finanzberichten und Kostenvoranschlägen für jedes Semester. Seite dreizehn. Und Fotokopien der Musterstücke, die als Teil der Bewerbung verlangt wurden.«

Ihr Großvater grunzte wieder und blätterte weiter.

Meine Güte, jetzt klinge ich wirklich wie eine richtige Moorfield. Ich kann gar nicht sagen, wie aufgeregt ich bin. Ich muss hier stehen und wie ein trockener, langweiliger Zahlenjongleur bei einer vierteljährlichen Beurteilung klingen.

Sie konnte jetzt nicht aufhören, falls etwas, das sie sagte, die Aufmerksamkeit ihres Großvaters erregte und ihn zum Zuhören brachte.

»Sie haben mir auch ein beträchtliches Stipendium angeboten«, fügte sie hinzu und konnte den Blick nicht mehr von ihrem Großvater abwenden, der fleißig alles in der Mappe überflog. Jeden Moment würde er zum Portfolio mit ihren Werken kommen. »Natürlich aufgrund der Leistungen. Es ist fast ein Vollstipendium.«

»Fast ein Vollstipendium ist kein Vollstipendium, Idina.« Er sah nicht ein einziges Mal zu ihr hoch.

»Ich verstehe. Wenn du dir die Hochrechnungen ansiehst, wirst du sehen, dass durch die Art, wie ich die angebotenen Mittel auf insgesamt acht Semester verteilt habe, die Kosten auf nur fünftausend pro Semester reduziert werden.«

»Ich nehme an, du erwartest von uns , dass wir in diesen vier Jahren vierzigtausend Dollar aus unserer eigenen Tasche an diese bedeutende Universität zahlen.«

Idina schluckte heftig. »Ich erwarte nichts, Sir. Ich glaube , dieser Vorschlag zeigt, wie gut mein Plan ist, nach Dartmouth zu gehen, und welche Vorteile eine solche Investition mit sich bringt …«

»Vorteile? Für wen?« Ihr Großvater sah schließlich zu ihr hoch und wandte dann den Kopf seinem Sohn zu, der direkt neben dem Schreibtisch stand. »Harry, erwartest du eine nennenswerte Rendite für eine solche Investition?«

»Vielleicht nicht finanziell«, antwortete Harry langsam. »Aber das trifft nicht auf alle Erträge zu.«

»Blödsinn.«

»Idina hat schon einige ihrer Werke verkauft«, fügte Annette hinzu. »Ich glaube, zwei bei der Wohltätigkeitsgala im letzten Herbst. Ein weiteres bei der stillen Auktion während der jährlichen …«

»Einnahmen und Wohltätigkeitsgalas sind zwei Paar sehr unterschiedliche Schuhe.«

»Ihre Arbeiten verkaufen sich gut«, fügte Harry hinzu.

»Nicht gut genug.« Harold Senior lehnte sich in seinem Stuhl zurück und neigte den Kopf seiner Enkelin zu. »Wo sind die Hochrechnungen dafür?«

Idina presste die Lippen zusammen, entschlossen, ihren Frust während des Treffens, das sie selbst einberufen hatte, nicht zu zeigen. Ich habe mir das selbst eingebrockt. Jetzt muss ich es zu Ende bringen. »Die Stücke, die letztes Jahr auf der Wohltätigkeitsgala gekauft wurden, wurden für jeweils etwas mehr als fünftausend Dollar verkauft.«

»Und?«

»Und die Zulassungsstelle in Dartmouth war beeindruckt. Wenn du auf Seite siebzehn blätterst, sind die ersten beiden Fotos von diesen Kunstwerken.« Sie zeigte auf die Mappe. »Sieh es dir an.«

Harold saß wieder mit gefalteten Händen auf dem Schreibtisch und blinzelte sie an.

Gut, er kann zwar Van Gogh nicht von Andy Warhol unterscheiden, aber er sollte sich die Kunstwerke zumindest ansehen.

»Ich kann daraus eine erfolgreiche Karriere machen, Großvater. Ich weiß, dass ich erfolgreich sein werde. Dartmouth glaubt, dass ich das kann, und hat mir deshalb das Stipendium angeboten. Das ist es, was ich will.«

»Was du willst .« Er spottete. »Was du willst, hat sehr wenig damit zu tun. Was du hingegen brauchst, ist eine tadellose Ausbildung und etwas, das du am Ende vorzeigen kannst.«

»Ja, Sir.« Sie nickte und riskierte schließlich noch einen Blick auf ihre Eltern.

»Ihr Zulassungsaufsatz war besonders aufschlussreich«, fügte ihr Vater hinzu. »Manche würden ihn sicher sogar als bewegend bezeichnen. Ihre Mappe mit den bisherigen Arbeiten hat ein gewisses je ne sais pas

»Harry, du weißt, was ich von der französischen Sprache halte.«

Ihr Vater legte den Kopf schief, ließ aber nicht erkennen, dass ihn die exzentrische Zurechtweisung seines Vaters sonderlich interessierte. »Ich glaube, das hier ist eine Chance für uns alle.«

Idinas Herz blieb stehen und als sie es das nächste Mal in ihrem Kopf pochen hörte, klang es, als würden sich alle anderen Türen in ihrer Nähe schließen, damit sich die einzige, die sie wollte, endlich öffnen konnte. Er nannte es eine Chance. Es ist soweit !

Harold Senior sagte nichts.

»Wir sind uns alle einig, dass Idinas weitere Ausbildung an einer Universität für sie von Vorteil sein wird«, fuhr Harry fort, »egal, welchen Weg sie einschlagen will. Da wir erfahren haben, dass eine Stelle bei Moorfield & Associates vielleicht nicht der richtige Weg für sie ist, bin ich bereit, weitere Optionen in Betracht zu ziehen.«

»Weitere Optionen.« Harold presste seine Lippen so fest aufeinander, dass sie fast verschwanden. »Sie hat keinen Job, Harry. Kein Einkommen. Sie hat kein eigenes Vermögen, zumindest nicht für die nächsten Monate. Wer wird den Rest der Ausbildung finanzieren?«

»Das werden wir«, sagte Annette. »Vorausgesetzt natürlich, dass es bestimmte Vereinbarungen gibt.«

»Moorfield & Associates investiert seit Generationen in die höhere Bildung der jungen Moorfields.« Harry hob sein Kinn und sah seine Tochter mit seinem strengen Blick an, der sie ihr ganzes Leben lang vorwarnte, dass seine nächste Aussage etwas sein würde, von dem er wusste, dass Idina es nicht hören wollte. »Solange Idina zustimmen kann …«

»Nein.«

Harry zwinkerte rasch und drehte sich dann zu seinem Vater um. »Nein was , Vater?«

Harold Senior biss die Zähne zusammen, schob eine Hand unter den Deckel von Idinas weißem Ordner und schlug ihn zu, bevor er ihn mit einer Bewegung seiner Hand über den Schreibtisch schob. »Auf gar keinen Fall.«

Ihre Eltern hatten sie mit ihrer Unterstützung für diese Entscheidung überrascht – jede Entscheidung, die von ihr kam und nicht zuerst der Vorschlag eines anderen war – aber Idina hatte erwartet, dass ihr Großvater so reagieren würde. Der Patriarch war starr in seinen Überzeugungen. Er hatte von seinem Vater ein Imperium geerbt, das er seitdem in schwindelerregende Höhen geführt hatte.

Was sie nicht erwartet hatte, war ihre heftige Reaktion auf die Art und Weise, wie er ihre Bitte abgelehnt hatte.

»Wir werden Idina ganz sicher nicht den Besuch von Dartmouth finanzieren«, fuhr ihr Großvater fort. »Alle deine anderen Kinder, meine Enkelkinder, haben Harvard besucht. Du hast dort deinen Abschluss gemacht, Harry, genauso wie ich, mein Vater und seine Brüder. Ihre Väter.«

Idina starrte auf den weißen Ordner.

Er schnippte ihn weg wie einen Brotkrümel …

»Das ist die Art, wie sich die Moorfields in diesem Land, in diesem Jahrhundert, verbessern, um ein Teil der Familie zu werden.« Harold tippte mit einem Finger auf den Schreibtisch. »Idina ist keine Ausnahme.«

Harry räusperte sich. »Vater, ich glaube nicht, dass …«

Der Moorfield-Patriarch knallte seine knorrige Hand auf den Schreibtisch. »Ich werde nicht zulassen, dass Gelder von Moorfield & Associates in diese Art einer sogenannten College-Ausbildung investiert werden, damit Idina den ganzen Tag auf diesem Anwesen mit ihren … Kritzeleien herumsitzen kann! Das ist mein letztes Wort.«

Für Harold Moorfield Senior war es vielleicht endgültig, aber es war auch der Anstoß, der das Fass zum Überlaufen brachte und Idinas Selbstbeherrschung zerstörte.