Fünfundfünfzig

»Hey, haben Sie dieses Mittagessen durchsickern lassen?«

Präsident Trump, in dunklem Anzug mit gelber Krawatte, grinste Kevin McCarthy an, den Oppositionsführer im Repräsentantenhaus, der ihn am 28. Januar in Mar-a-Lago besuchte.

»Nein«, antwortete McCarthy und kam an einer Vase voller gelber Rosen und goldenen Tüchern vorbei auf ihn zu. »Das muss jemand bei Ihnen gewesen sein. Ich habe meinen Mitarbeitern nie davon erzählt.«

»Sie glauben, dass es einer meiner Mitarbeiter war?«

»Nein. Ich glaube nicht, dass es einer Ihrer Mitarbeiter war.«

»Wer war es Ihrer Meinung nach dann?«

»Sie«, antwortete McCarthy.

McCarthys Besuch beim ehemaligen Präsidenten war in allen Nachrichten. Der ehemalige Präsident stritt nicht ab, dass er es hatte durchsickern lassen. Er schien begierig, wieder in die Schlagzeilen zu kommen, wieder aktiv zu werden. Wenn der oberste Republikaner im Repräsentantenhaus zu Besuch kam, dann behielt man das nicht für sich.

Die obere Riege der Republikanischen Partei kam immer noch zu ihm. Insbesondere McCarthy war nur schwer einschätzbar, nachdem er mit seiner Bemerkung am 13. Januar, Trump »trägt Verantwortung« für die Aufstände am Kapitol, Trump verärgert hatte. Jetzt besuchte McCarthy ihn, suchte seinen Rat.

»Melania sagt, darüber wird mehr berichtet als über mein Treffen mit Putin«, sagte Trump. Hubschrauber kreisten in der Nähe, sagte er, und es gibt ein großes Medienaufgebot.

»Ihnen ist klar, dass das für uns beide gut ist, oder?«

»Na schön«, antwortete McCarthy.

McCarthy hoffte, Trump für die GOP im Repräsentantenhaus halten zu können, damit er im Jahr 2022 die Mehrheit für sie zurückgewann. Dafür musst er Trump von aussichtslosen Vorwahlkämpfen weglenken und dazu bringen, dass er seinen Namen für Sitze hergab, die gewonnen werden konnten. Sie nahmen zum Mittagessen Platz.

»Wollen Sie einen Cheeseburger und Pommes?«

»Ich nehme einen Cheeseburger, aber ich bin fett geworden«, antwortete McCarthy. »Keine Pommes. Salat. Nehmen Sie das Brötchen weg.«

»Und das funktioniert wirklich?«, fragte Trump mit einem Blick auf McCarthys Teller. Er nahm das Brötchen auch von seinem Hamburger.

»Wollen Sie Eiscreme?«

»Ich nehme lieber Obst.«

Trump bestellte ein Eis für sich.

»Dass ich nicht mehr auf Twitter bin, hat mir geholfen.«

»Ach, wirklich?«

»Ja, eine Menge Leute haben mir gesagt, sie mögen meine Politik, aber nicht meine Tweets.«

»Ja, wie jeder.«

»Meine Zahlen sind hochgegangen.«

Trump erkundigte sich nach dem bevorstehenden Amtsenthebungsverfahren im Senat.

»Ich glaube nicht, dass sie damit weit kommen«, beruhigte McCarthy ihn.

Am 31. Januar, nur 11 Tage nachdem Biden den Amtseid abgelegt hatte, sprach Graham erneut mit Trump. Das Amtsenthebungsverfahren sollte Anfang Februar beginnen. Einen Tag zuvor hatte Trump sein Anwaltsteam für das Verfahren drastisch umgebaut, war von einer Gruppe kaum bekannter Anwälte zur nächsten gewechselt.

Trump rief planlos Anwälte und Mitarbeiter wegen des Verfahrens an. Er war verwirrt und wollte wegen der Wahl und seiner Betrugsvorwürfe erneut vor Gericht gehen. Bei jedem Anruf war es dieselbe laute, wütende Leier, die irgendwann sogar seine engsten Mitarbeiter erschöpfte.

Die meisten unserer Jungs, die Republikaner im Senat, werden zu Ihren Gunsten abstimmen, versicherte Graham Trump bei dem Telefonat, mit der Begründung, ein Amtsenthebungsverfahren gegen einen ehemaligen Präsidenten, der gar nicht mehr im Amt war, sei nicht verfassungsgemäß.

Trump jedoch schien sich mehr über die Unterstützung der erstmals gewählten Kongressabgeordneten Marjorie Taylor Greene aus Georgia zu freuen, die zum rechten Flügel der Republikaner gehörte und deren politisches Image auf ihrer extremistischen Politik basierte. Greene hatte Trump bei dessen Bemühungen, das Wahlergebnis anzufechten, unterstützt und einen Tag nach der Amtseinführung die Amtsenthebung Bidens beantragt.

Greene hatte außerdem QAnon-Verschwörungstheorien in den sozialen Medien verbreitet. »Q ist ein Patriot«, hatte sie in einem Videoposting geschrieben. »Wir haben das gleiche Ziel vor Augen, und er ist sehr pro-Trump.«1

»Seien Sie vorsichtig«, warnte Graham Trump. »Lassen Sie sich von ihr nicht auf Treibsand ziehen.«

»Sie sagt sehr nette Dinge über mich«, entgegnete Trump.

Graham seufzte. So würde es also in Trumps Welt nach dem Weißen Haus zugehen.

Er würde sein Bestes geben, um Trump zu lenken, wo er konnte. Er würde immer noch der Senator sein, den Trump anrufen konnte, um eine Einschätzung des Kongresses zu bekommen, oder wegen einer Runde Golf.

Aber man konnte ihn nicht ändern. Man hielt einfach das Gespräch in Gang.