Am 27. Februar verabschiedete das Repräsentantenhaus Bidens 1,9-Billionen-Dollar-Rettungspaket, einschließlich der Klausel, die den Mindestlohn ab 2025 auf 15 Dollar pro Stunde anhob. Es war ein knapper Sieg gewesen mit 219 zu 212 Stimmen, ohne ein einziges Ja von den Republikanern.
Sprecherin Pelosi beschrieb das, was die Demokraten in die Wege leiteten, mit biblischen Begriffen: »Ich sehe darin das Matthäusevangelium. Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen.«
Die Parlamentarierin des Senats Elizabeth MacDonough hatte Tage zuvor entschieden, dass ein Gesetz, das den Mindestlohn auf 15 Dollar pro Stunde anhob, gegen die Vorschriften für die Reconciliation verstieß und daher nicht mit dem Rettungspaket beschlossen werden könne.1
Biden hatte sich im Wahlkampf 2020 für einen Mindestlohn von 15 Dollar die Stunde ausgesprochen, aber er und seine Top-Berater waren nicht erpicht darauf, sich mit der Parlamentarierin anzulegen. Pelosi ließ die Klausel jedoch drin, weil sie wusste, dass ihre Parteikollegen sie wollten. Die demokratischen Senatoren würden sie abtrennen müssen.
Dass die Klausel drinblieb, war auch ein unverblümter Hinweis an die demokratischen Senatoren: Die demokratische Fraktion im Repräsentantenhaus ist liberaler als ihr. Vergesst das nicht. Wenn ihr das Gesetz aufweicht, könnte das die Zustimmung gefährden, wenn es wieder ins Repräsentantenhaus zur Abstimmung zurückkommt.
Ron Klain hatte immer kleine Notizkärtchen in der Jackentasche. Darauf stand alles in winziger Schrift. Der Zeitplan des Präsidenten, To-do-Listen, das Tagesprogramm für die Mitarbeiter des Weißen Hauses, zu erledigende Telefonanrufe.
Ende Februar stand auf dieser Liste ganz oben: Gemäßigte Demokraten im Senat von Bidens Rettungsplan überzeugen.
Klain führte jede Menge Gespräche mit diesen Senatoren. Erstaunt stellte er etwas fest, das er als »vollständige Inversion in der amerikanischen Politik« bezeichnete. Bernie Sanders und Verbündete vom linken Flügel wollten, dass auch Menschen, die sechsstellige Jahreseinkünfte — 100.000 Dollar — oder mehr hatten, die Hilfsschecks bekamen. Die Gemäßigten waren strikt dagegen und wollten, dass das Geld vor allem armen Menschen zugutekam.
Am Ende einigten sie sich auf einen Kompromiss: Paare, die 150.000 Dollar verdienten, bekamen den Scheck in voller Höhe, während an jene, die bis zu 200.000 Dollar verdienten, ein Teilbetrag ging, wobei dieser Teilbetrag mit zunehmendem Einkommen rasch kleiner wurde.2
Manchin und sieben weitere Demokraten waren mit Teilaspekten des Rettungsplans nicht einverstanden. Klain und der Stab des Weißen Hauses führten über ihre Einwände genau Buch, von großen Bedenken bis zu kleinen Beschwerden. In einem Senat mit ausgeglichener Stimmenverteilung war jeder Demokrat eine wichtige Stütze des Ganzen. Jeder wurde gebraucht.
Klain erinnerte sich, dass sie alle das Leben im Weißen Haus unter Obama schon schwierig gefunden hatten, als 58 Senatoren Demokraten gewesen waren. Jetzt fantasierte er davon, dass er als Stabschef nur drei Tage die Woche arbeiten müsste, wenn Biden 58 Demokraten auf seiner Seite hätte.
Während die Demokraten im Senat ihre Version von Bidens Plan verhandelten, forderten der demokratische Senator Mark Warner aus Virginia und andere mehr Geld, um die Breitbandversorgung in ländlichen Gebieten auszubauen, wo es nur eine mangelhafte Netzanbindung gab.3 Mehr als drei Milliarden Dollar waren bereits im Haushaltsplan vom Dezember für die Breitbandprogramme zur Verbesserung der Internetanbindung vorgesehen, eine enorme Summe.
Doch Warner und die anderen drängten auf mehr mit der Begründung, dass sich das Leben der Amerikaner durch die Pandemie verändert habe und Hochgeschwindigkeits-Internet unabdingbar für Gesundheitsversorgung, Fernunterricht und Arbeit im Homeoffice sei.
Das Weiße Haus Bidens erklärte sich bereit, die Gesamtsumme der Ausgaben für den Breitbandausbau im Haushaltsjahr 2021 auf 20 Milliarden Dollar zu erhöhen.4
Zunächst dachten Warner und die anderen, das bedeute, dass das Weiße Haus 20 Milliarden auf die 3 Milliarden Dollar, die Ende des vorigen Jahres bewilligt worden waren, draufpacken würde, sodass sich eine Gesamtsumme von 23 Milliarden Dollar ergab.
»Das ist aber weniger als angekündigt«, beschwerte sich Warner in einer Zoom-Konferenz kurz darauf. »Sie haben gesagt, Sie würden 20 Millionen draufpacken.« Aus dem Rettungspaket wurde offensichtlich ein Geschenkpaket für Demokraten.
Steve Ricchetti und Warner hatten deswegen einen kleinen Streit, und Ricchetti beharrte auf der Gesamtsumme von 20 Milliarden Dollar für das Jahr 2021. Am Ende stimmten Warner und seine Verbündeten zu und sicherten so zusätzliche 17 Milliarden Dollar für den Breitbandausbau.
Das war eine große Zusage, die größte Breitbandinvestition des Bundes aller Zeiten.5
Die internen Zänkereien bei den Demokraten waren ein Zeichen dafür, um wie viel Geld es ging und dass jeder das meiste für seine besonderen Anliegen herausholen wollte. Es war ein echter Fressrausch.
Beim Rettungspaket hatten McConnell und Graham nicht viel mitzureden, dennoch trafen sie sich regelmäßig. Das Hauptthema war nach wie vor Trump und die Rolle, die der Ex-Präsident bei der Vorbereitung der Partei auf einen Wahlsieg im Jahr 2022 spielen sollte.
Graham sagte, Trump sei immer noch der größte Machtfaktor in der Partei. Die 74 Millionen Wählerstimmen, die er bekommen hatte, hallten immer noch nach, und er hatte eine loyale und starke Gefolgschaft.
Für McConnell war Graham der »Trump-Flüsterer«. Die Rolle schien ihm zu Graham zu passen. Aber seine Strategie kaufte er ihm nicht ab. McConnell sah Trumps Stern sinken. Er war im Ruhestand. Ein Rennpferd, das seine beste Zeit hinter sich hat.
»Es gibt einen eindeutigen Trend«, sagte McConnell, hin zu einer republikanischen Partei, die nicht mehr von Trump dominiert wird. »Donald Trump zu hofieren ist keine sinnvolle Strategie.«
McConnell erinnerte Graham daran, dass er diese Dynamik schon einmal beobachtet hatte, im Jahr 2014. Damals hatten Republikaner aus dem Partei-Establishment ungestüme Herausforderer von der Tea Party wie Christine O’Donnell in Delaware geschlagen. Viele Republikaner hatten ihn damals gewarnt, die Tea Party werde die GOP schlucken und jedes Rennen gewinnen.
Stattdessen hatten die Republikaner die Kontrolle über das Repräsentantenhaus gehalten,6 sogar 13 Sitze dazugewonnen und so die größte Mehrheit seit 1929 errungen.7 Im Senat hatten sie die Kontrolle zurück- und neun Sitze dazugewonnen, die größte Zunahme seit Reagans Jahr 1980.
Das Jahr 2022 könne ein zweites 2014 werden, sagte McConnell. Die Republikaner könnten standhaft bleiben und das Normale unterstützen, nicht das Verrückte. Sie sollten sich auf Wählbarkeit konzentrieren und bei Vorwahlen einschreiten, wenn nötig.
McConnell war zuversichtlich, dass seine bevorzugten Kandidaten gegen jedes Mob-Netzwerk, das Trump aufbauen konnte, obsiegen würden. McConnell und sein Team würden besser organisieren, mehr Geldspenden sammeln und theatralische Zusammenstöße vermeiden.
»Trump und ich werden uns nur in die Haare geraten, wenn er sich hinter irgendeinen Clown stellt, der auf keinen Fall gewinnen kann«, sagte McConnell spitz. »Wenn wir den Senat zurückgewinnen wollen, müssen wir so wählbare Kandidaten wie möglich haben.«
Der Sieg musste das oberste Ziel sein. Wenn Trump dabei nützlich war, toll. Wenn nicht, würden sie sich gegen seine Kandidaten stellen. Das war nichts Persönliches, sagte McConnell.
McConnell war zuversichtlich, dass die Demokraten scheitern würden, falls sie versuchten, ihn gegen die Republikaner zu verwenden, selbst wenn sie auf seine Rede vom 13. Februar hinwiesen, in der er Trump eine moralische Verantwortung zugeschrieben hatte.
»Ich bin nicht genug Bösewicht, damit das funktioniert«, sagte er, zumindest nicht in der GOP.
Trump würde es trotzdem versuchen.