1. Kapitel
Hamburg, Sonnabend, 28. März 1925
Es ist, als sei ich von einer Welt in eine andere, ganz neue getreten. Und jeden Tag staune ich, was es hier für mich alles zu entdecken gibt.
Amala Hansen
Amala öffnete das Fenster, atmete die Frühlingsluft tief ein und schloss kurz die Augen. Es war in den letzten Tagen immer wärmer geworden und das satte Grün der austreibenden Pflanzen und die zunehmenden Blüten an den Büschen und Sträuchern boten einen immer bunteren Anblick, an dem Amala sich jeden Tag erfreute.
Sie ließ das Fenster weit geöffnet und setzte sich an den kleinen Tisch in ihrem Schlafzimmer, das sie nun schon seit über einem halben Jahr bewohnte. Es war dasselbe Zimmer, in dem ihre Mutter hier in der Villa gelebt und das sie sich mit ihrer Schwester Martha geteilt hatte, als die beiden noch Kinder waren. Es hingen sogar noch einige Kleider ihrer Mutter im Schrank, und zwei davon hatte Amala anprobiert, nur um zu sehen, ob sie ihr passten. Tatsächlich saßen sie wie angegossen, doch sie hatte sich nicht getraut, sie auch außerhalb des Schlafzimmers zu tragen. Aus welchem Grunde, wusste sie selbst nicht genau, vor allem weil Onkel Georg, der genau genommen ihr Großonkel war, es ihr ausdrücklich angeboten hatte. Aber da war eine Hemmschwelle, das Gefühl, dass sie mit dem Tragen des Kleides womöglich einen Schritt zu weit ginge, als wollte sie in die Fußstapfen ihrer Mutter treten. Doch daran lag ihr nichts, ganz im Gegenteil. Sie wollte ihren eigenen Weg finden, wollte als die wahrgenommen werden, die sie war, so wie ihre Eltern es ihr immer geraten hatten. Sie wollte Amala Hansen sein, nicht Luise. Schon deshalb, weil sie tief in ihrem Innern überzeugt war, ihrer Mutter nicht das Wasser reichen zu können.
Luise Hansen, ihre verstorbene Mutter, war den Menschen in Hamburg noch immer ein Begriff, obwohl sie bereits vor mehr als achtundzwanzig Jahren von hier aufgebrochen und bis zu ihrem Tod nie wieder nach Deutschland zurückgekehrt war. Doch etwas von ihr schien in dieser Stadt zurückgeblieben zu sein, wie ein Windhauch, der noch immer sanft durch die Straßen wehte. So stellte es sich Amala jedenfalls vor, und dieses Bild gefiel ihr über die Maßen. Hier in der Villa war ihre Mutter ohnehin noch immer zu spüren, nicht nur in diesem Zimmer, in dem Amala sogar noch ihren Duft wahrnehmen konnte, sondern auf dem gesamten Anwesen, und sei es auch nur in ihrer Einbildung. Doch der Gedanke hatte etwas Tröstliches, und so hielt Amala an ihm fest.
Sie hatte die tote Hülle ihrer Mutter auf Hawaii zurücklassen müssen. Doch hier in Hamburg schien es Amala, als sei sie noch immer bei ihr, direkt an ihrer Seite, und stehe ihr bei all den Herausforderungen, denen sie sich hier zu stellen hatte, bei. Dabei waren es vor allem zwei Dinge, die sie von ihrer Mutter mitbekommen hatte und die sie durchs Leben trugen: Liebe und Stärke. Und manchmal, wenn sie sich vergewissert hatte, dass niemand in ihrer Nähe war und sie hören konnte, sprach sie sogar mit ihrer Mutter, erzählte ihr davon, was sie erlebt und gedacht hatte, ganz so, wie sie es früher getan hatte, als die Mutter noch am Leben war. Ja, sie fehlte ihr, Tag für Tag. Vielleicht wurde es irgendwann besser, doch das konnte noch eine Weile dauern. Besonders schlimm war es am 3. Dezember des vergangenen Jahres gewesen. Da wäre ihre Mutter fünfzig Jahre alt geworden, doch diesen Jubeltag hatte sie nicht mehr erlebt. Es war der erste Geburtstag, an dem Amala der Mutter nicht hatte gratulieren können. Und so albern der Gedanke auch sein mochte, sie hatte an diesem Tag nicht nur der Mutter gedacht, sondern sich eigenartigerweise schuldig gefühlt, dass sie nicht auf Hawaii gewesen war, um dort mit Bruder und Vater zusammen zu sein. Sie wusste natürlich, dass es nicht im Geringsten geholfen hätte, sondern dass für sie alle die Trauer vermutlich kaum zu ertragen gewesen wäre. So hatte sie den 3. Dezember mit Onkel Georg verbracht und war gerührt gewesen, weil er vom Steinmetz einen kleinen Findling mit dem Schriftzug Luise hatte versehen lassen, den der Handwerker mit seinem Gehilfen dann unter der großen Eiche platziert hatte. Seitdem war Amala viele Male dort gewesen, hatte mit der Mutter geredet und gestern sogar lächeln müssen, als sie sah, dass rund um den Stein einige Gänseblümchen ausgetrieben hatten.
Nun nahm sie die silberne Schreibfeder zur Hand und griff nach einem Briefbogen. Sie hatte ihrem Bruder und ihrem Vater schon seit Tagen schreiben wollen, doch irgendwie hatte sie immer zu viel zu tun gehabt, und es war ihr erst wieder eingefallen, als sie bereits im Bett lag. Doch ab heute hatte sie für eine Weile frei, was sie einerseits freute, andererseits aber auch ein wenig unruhig machte, da man als Schauspielerin nie sicher sein konnte, wie es nach einem Engagement weiterging. Aber sie glaubte fest an sich und wusste auch um die Hilfe Jean-Paul Gerbers, der ihr neben dem Engagement in dem Theater seiner Familie nun schon seit einem halben Jahr mit Rat und Tat zur Seite stand und ihre Bemühungen, als Schauspielerin Fuß zu fassen, tatkräftig unterstützte. Jean-Paul war ein sehr guter Verhandlungspartner, der es verstand, Konditionen für sie herauszuholen, die weit über ihren eigenen Vorstellungen lagen. Dass er dann zehn Prozent ihrer Einnahmen für sich beanspruchen durfte, fand Amala vollkommen in Ordnung; am Ende blieb schließlich für sie noch immer eine hübsche Stange Geld übrig, die sie direkt auf ihr Bankkonto einzahlte, das sie mithilfe von Georg eingerichtet hatte. Bisher hatte sie noch nicht eine einzige Abhebung vorgenommen, einfach weil es nichts gab, was sie zu bezahlen hatte. Sie wohnte kostenfrei in der Villa, obwohl sie Onkel Georg mehrfach angeboten hatte, etwas beizusteuern. Doch das lehnte er rundweg ab. Auch für ihr Essen durfte sie nicht aufkommen, er hatte sogar recht harsch reagiert, als sie ihn zum wiederholten Mal darauf angesprochen hatte, sodass Amala das Thema schließlich nicht mehr erwähnte. Es war irgendwie rührend, wie sehr Onkel Georg sich um sie und ihr Wohl bemühte. Er hatte ihr auch schon mehrmals versichert, wie sehr er es genoss, dass sie nun bei ihm lebte. Mit ihr sei endlich das Leben in die Villa zurückgekehrt, meinte der Großonkel, und tatsächlich machte er auf Amala einen viel fröhlicheren Eindruck als im vergangenen September, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Sie hatten seither so viel zusammen unternommen, und ihr Großonkel war ihr nicht nur immer vertrauter geworden, sondern ihr richtiggehend ans Herz gewachsen. Er hatte sie zum Essen ausgeführt, war mit ihr in Museen gegangen, hatte sie auf besondere Bauwerke Hamburgs hingewiesen und war mit ihr durch die Straßen geschlendert, um ihr einerseits zu zeigen, wo ihre Mutter aufgewachsen war, und sie andererseits auch selbst für Hamburg zu begeistern. Und das war ihm gelungen. Zwar war Amala erst wenige Monate in Hamburg, doch sie hatte sich von Herzen in die Stadt, in der ihre Mutter geboren war, verliebt. Alles hier war anders als New York – kleiner, kompakter. Und doch war da dieses besondere Flair, die Weltoffenheit, der Anspruch auf Kultur und Geschichte und der offensichtliche Wunsch, beides zu vereinen. Amala konnte sich gut vorstellen, für eine sehr lange Zeit hierzubleiben. Genau genommen mochte sie gar nicht daran denken, Hamburg und die Menschen hier überhaupt wieder zu verlassen. Doch da war immer das schlechte Gewissen, ihren Vater und ihren Bruder in der Trauer allein zu lassen und sich nicht darum zu kümmern, wie die beiden mit dem Tod der geliebten Ehefrau und Mutter zurechtkamen. Amala hoffte, dass sie den richtigen Zeitpunkt erkennen würde, wenn ihre Anwesenheit auf Hawaii vonnöten war. Doch ebenso sehr hoffte sie, dass bis dahin noch viel Zeit verginge. Sie blickte auf die silberne Schreibfeder, die sie während ihrer Überlegungen in der Hand gehalten hatte, und setzte sie nun entschlossen aufs Papier.
Hamburg, 28. März 1925
Geliebter Vater,
lieber Robert!
Wie geht es Euch? Ich weiß, ich habe mich länger nicht gemeldet. Bitte seid mir nicht böse, es liegt nur daran, dass hier jeden Tag so unglaublich viel passiert. Selbst seit meinem letzten Brief, den ich Euch vor etwa sechs Wochen geschickt hatte, haben sich die Ereignisse schon wieder überschlagen. Meine Tage hier sind so voller Leben, so voller Ereignisse, dass ich mich jeden Abend nur fragen kann, wo die Stunden geblieben sind.
Bestimmt geht es Euch ähnlich, ich weiß ja schließlich, wie viel Ihr immer zu tun habt. Umso glücklicher war ich, als ich Euren Brief erhielt und darin lesen durfte, dass es Euch gut geht. Ich habe ihn auch Onkel Georg vorgelesen, und wir haben danach über Euch gesprochen. Ich habe ihm die Farm so ausführlich beschrieben, dass er sich hoffentlich ein Bild machen konnte. Zumindest ist er so neugierig geworden, dass er tatsächlich sagte, er würde am liebsten einmal dorthin reisen und Euch besuchen kommen. Gemeinsam haben wir dann besprochen, dass er mich begleiten will, wenn ich von hier aus eines Tages den Heimweg antrete. Bestimmt wundert Ihr Euch, schließlich ist er bereits sechsundsiebzig Jahre alt. Doch tatsächlich kann ich Euch versichern, dass man ihn zehn oder gar fünfzehn Jahre jünger schätzen würde, wenn man sein wahres Alter nicht kennt.
Wie schon in meinen letzten Briefen kann ich nur davon schwärmen, wie wohl ich mich hier fühle und wie sehr ich meine Zeit in Hamburg genieße. Heute ist ein besonders aufregender Tag für mich, der mir zu einem Karrieresprung verhelfen kann, allerdings wage ich kaum, die Möglichkeit tatsächlich zu Ende zu träumen. Wie ich Euch ja schon schrieb, war mein Engagement bis zum 27. März, und damit bis gestern, befristet. Es war ein schönes Gefühl, am gestrigen Abend, als der letzte Vorhang fiel, den anhaltenden Jubel der Zuschauer zu erleben. Der Intendant hat mir am Ende noch einen großen Blumenstrauß überreicht, mir gedankt und danach noch gesagt, was für ein großer Erfolg das Stück doch war. Und ich weiß, dass es nicht nur freundliche Worte waren, denn das Theater war jeden Abend ausgebucht. Alle wollten sie wohl Hamburgs schwarze Tochter, wie sie mich in den Zeitungen nennen, auf der Bühne sehen. Irgendwie gefällt mir, dass sie mich so nennen. Andererseits hatte ich aber auch manchmal das Gefühl, dass meine schauspielerische oder tänzerische Leistung nicht zählte, sondern es eher um mich als exotische Person ging. Aber ich denke, das ist Klagen auf hohem Niveau. Oder wie Jean-Paul sagt: »Es ist doch egal, ob sie kommen, um dich anzustarren oder dich tanzen zu sehen. Sie bezahlen, um sich fast zwei Stunden von dir unterhalten zu lassen. Nur das ist von Bedeutung.«
Irgendwie glaube ich, er hat recht. Seit die vielen Zeitungsartikel über mich erschienen sind, kamen die Angebote wie von selbst, und ich habe seit September so viel gespielt, gesungen und getanzt wie nie zuvor. Deshalb bin ich auch ein wenig erleichtert, dass gestern mein letzter Auftritt war und Jean-Paul nun zunächst die vorliegenden Angebote prüft, bevor ich einen neuen Vertrag schließe. Ich muss schon sagen, dass ich mir kaum noch vorstellen kann, wie ich zuvor ohne Jean-Paul ausgekommen bin. Versteht mich bitte nicht falsch – ich schwärme nicht für ihn. Doch ich finde es großartig, wie sehr er mir zur Seite steht und bei den Verhandlungen immer das Beste für mich herausholt. Durch ihn habe ich nach dem Engagement im Theater seiner Familie weitere Auftritte zugesagt bekommen, sodass ich durchgehend gebucht war. Auch Onkel Georg hält viel von ihm, wobei er immer wieder betont, dass ihm die Welt des Theaters und der Varietés vollkommen fremd ist. Aber er war bei jeder meiner Aufführungen. JEDER! Auch wenn ich ihm gesagt habe, dass es doch nicht notwendig ist, so hat er sich nicht davon abbringen lassen. Und ich gebe zu, dass ich mich wirklich von Herzen darüber gefreut habe.
Heute nun, und das ist es, was ich Euch unbedingt erzählen möchte, steht ein sehr wichtiger Termin für mich an. Für den späten Nachmittag hat Jean-Paul ein Treffen mit Arnold Fanck vereinbart, den ich gestern nach meiner Vorstellung kennenlernen durfte. Keine Sorge, Onkel Georg wird natürlich ebenfalls dabei sein. Sicher wird Euch der Name Arnold Fanck nichts sagen. Mir jedoch ist er sehr gut bekannt. Fanck ist der Regisseur des Films Der Berg des Schicksals mit Luis Trenker, einem hier sehr berühmten Schauspieler. Und eben dieser Arnold Fanck möchte nun einen Film machen, in dem es um eine junge Tänzerin geht, in die sich zwei Bergsteiger verlieben. Einer der beiden soll von Luis Trenker gespielt werden, der andere von Ernst Petersen. Und nun ratet, wen Herr Fanck sich in der Rolle der Tänzerin vorstellen kann? Genau: mich! Ist das nicht unglaublich? Herr Fanck war auf Einladung von Jean-Paul in dem Revuestück, in dem ich die Hauptrolle hatte. Er hat mich spielen und tanzen sehen und denkt, ich könnte die Richtige sein. Ich! Glaubt mir, ich habe mein Glück kaum fassen können. Das alles hat sich erst in den letzten Tagen ereignet, sodass ich Euch nicht früher davon erzählen konnte. Eigentlich würde ich Euch gern bitten, mir die Daumen zu drücken, doch natürlich wird das Treffen, wenn Euch dieser Brief erreicht, schon wieder Wochen her sein. Aber ich werde Euch sofort schreiben, wenn feststeht, ob ich die Rolle bekomme oder nicht, und Euch alles haarklein berichten. Ach – ich könnte die ganze Welt umarmen.
Doch erzählt mir bitte in Eurem nächsten Brief auch wieder von Euch, wie es Euch geht und was so alles passiert ist. Und auch wenn nichts weiter passiert ist, dann schreibt mir eben das. Denn ich bin immer so glücklich, wenn ich von Euch höre.
Nun schließe ich, denn bestimmt wartet Onkel Georg bereits unten im Esszimmer auf mich. Ich möchte Euch noch sagen, wie glücklich ich bin, auch wenn Ihr das vermutlich ohnehin aus meinen Zeilen herausgelesen habt.
Ich danke Dir, lieber Vater, dass Du mir die Reise hierher ermöglicht hast. Bitte meldet Euch, sobald es Euch möglich ist. Ich umarme Euch und sende Küsse.
In Liebe
Eure Amala
Sie legte die Schreibfeder zurück in die dafür vorgesehene Schale, stand auf und trat ans offene Fenster. Die beiden fehlten ihr, und das weit mehr als damals, als sie noch in New York gelebt hatte und auch von dort nur selten nach Hause gereist war. Was ihr zu schaffen machte, war nicht die Entfernung, sondern das Gefühl, ihren Bruder und Vater nach dem Tode der Mutter irgendwie im Stich gelassen zu haben. Auch wenn ihr klar war, dass sie gar nichts anderes hätte tun können, als auf der Farm herumzusitzen. Doch sie spürte, dass sie im Lauf der letzten Monate wieder ruhiger geworden war, ganz anders als in der Zeit kurz nach ihrer Ankunft hier in Hamburg. Da war ihr Nervenkostüm noch stark angegriffen gewesen, und sie hätte bei der kleinsten Schwierigkeit oder auch nur beim Gedanken an ihre verstorbene Mutter, an ihren Vater und Bruder oder auch an Hawaii und das Leben dort in Tränen ausbrechen mögen. Doch das war jetzt nicht mehr so. Es ging ihr besser, sie war wieder mehr sie selbst. Sie schlief die Nächte durch, lachte wieder, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Vor allem aber freute sie sich jeden Tag aufrichtig auf das, was vor ihr lag. Und es fühlte sich gut an, zu wissen, dass sie für ihren Großonkel Georg wichtig war und sie ihm durch ihre Anwesenheit ein Stück Lebensfreude zurückgegeben hatte, wie er immer beteuerte. Ja, es schien sich alles bestens zu entwickeln, und zwar jeden Tag noch ein wenig mehr.
Sie überlegte, ihrer Tante Elsa und ihrer Cousine Marie ebenfalls noch Briefe zu schreiben, weil auch sie eine wichtige Rolle in Amalas Leben spielten. Marie war sieben Jahre älter als sie, und zu den wenigen Gelegenheiten, als Tante Elsa, Onkel John und Marie zu Besuch nach Hawaii gekommen waren, hatten sie sich trotz des Altersunterschieds bestens verstanden. Für Amala war Marie fast wie eine große Schwester, und sie erinnerte sich noch genau, wie hübsch sie ihre Cousine gefunden hatte, als sie diese das erste Mal gesehen hatte. Amala fragte sich, wie alt sie selbst damals gewesen war. Ja, sie war acht gewesen, denn Claus Spreckels, der Tante Elsa und Marie damals mitgebracht und den Kontakt zu ihnen hergestellt hatte, verstarb wenige Monate später, im Dezember 1908. Da war Marie fünfzehn gewesen, und Amala wusste noch genau, dass sie nach ihrer ersten Begegnung geschwärmt hatte, sie wolle später genauso aussehen wie die Cousine. Natürlich war ihr schon damals klar gewesen, dass dies allein aufgrund der unterschiedlichen Hautfarbe ausgeschlossen war. Doch das hatte Amalas Wunsch nicht geschmälert.
Von dem Zeitpunkt, da Luise und Elsa den Kontakt wieder aufgenommen hatten, hatten die beiden Frauen ihn nie mehr abreißen lassen, wodurch Amala immer über Maries Leben auf dem Laufenden war. Als Amala schließlich erwachsen wurde, war Marie schon längst Mutter.
Tante Elsa, Onkel John und Marie waren auch dabei gewesen, als Amala zum ersten Mal auf der Bühne gestanden hatte. Es war ein wunderbarer Abend gewesen. Ihre Mutter, ihr Vater und ihr Bruder Robert waren ebenfalls im Publikum gewesen, und als am Ende des Stücks der Vorhang fiel und die Schauspieler danach für den Schlussapplaus noch einmal auf die Bühne kamen, um sich zu verbeugen, standen die sechs Schulter an Schulter in der ersten Reihe und jubelten ihr frenetisch zu. Wenn sie sich jetzt an dieses glückliche Ereignis erinnerte, traten Amala immer Tränen in die Augen. Ja, sie würde Tante Elsa und auch Marie schon bald wieder schreiben, denn sie waren so tief in ihrem Herzen verankert, dass sie die Verbindung auch über den großen Ozean hinweg spürte.
Doch nicht jetzt sofort. Dafür fehlte ihr in diesem Moment die Ruhe, also schloss sie das Fenster, warf noch einen Blick in den Spiegel und verließ dann das Schlafzimmer. Heute wartete ein aufregender Tag auf sie, und Amala schwankte zwischen überbordender Freude und dem bangen Gefühl, ob ihre Erwartungen, Wünsche und Träume womöglich enttäuscht würden.
Sie trat auf den Flur und lief dann die Treppe hinab. Unten kam gerade Bertha, die Haushälterin, aus der Küche. Die Tage nach ihrer Ankunft in der Villa war sie Amala noch mit einer gewissen Distanz begegnet. Doch das hatte sich rasch gelegt. Inzwischen war das Verhältnis zwischen ihnen überaus freundlich, ja sogar herzlich, und Amala war froh, dass von den anfänglichen Spannungen nichts mehr zu spüren war.
»Guten Morgen, Bertha«, flötete sie nun, als sie fast unten angekommen war.
Die Haushälterin lächelte sie an. »Guten Morgen, Fräulein Hansen.« Sie blieb stehen.
»Bertha«, tadelte Amala sie mit gespielter Strenge. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich einfach Amala nennen sollst?«
Amala gefiel es nicht, wenn sie Fräulein Hansen genannt wurde, während sie das Personal duzte und mit Vornamen ansprach.
»Verzeihen Sie mir, Fräulein … ich meine … Amala. Der Kaffee ist ganz frisch.« Amala nickte zufrieden.
»Das ist nett von dir, Bertha, danke schön. Ist mein Onkel im Esszimmer?«
Bertha nickte. »Ja, er erwartet dich schon.« Sie trat noch einen Schritt an Amala heran. »Er hat die Morgenzeitung bereits aufgeschlagen und hingelegt. Es ist ein Artikel über die Vorstellung von gestern drin.«
Amala wurde ein wenig bange. »Ein guter?«
Bertha nickte mit breitem Lächeln. »Ich gebe zu, ich habe ihn schon gelesen. Er ist voll des Lobes.«
Amala entfuhr ein Jubelschrei. Denn bestimmt würde Arnold Fanck den Artikel auch lesen. Eine gute Werbung für sie und die beste Voraussetzung für das Gespräch heute. Sie strahlte die Haushälterin an. »Ich hatte darauf gehofft.«
»Wenn ich das schon vorwegnehmen darf«, sagte Bertha. »Der Redakteur hat sich dahingehend geäußert, dass er es als Verlust für das kulturelle Leben der Stadt ansehen würde, wenn du nicht schon bald wieder in Hamburg auf der Bühne stehst.«
»Wirklich? Das hat er geschrieben?« Amala fasste Bertha an den Schultern und drückte sie kurz an sich. Dann lief sie die wenigen Schritte bis zum Esszimmer und stürmte in den Raum.
»Guten Morgen, Onkel Georg.« Sie eilte zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann griff sie nach der Zeitung, die er aufgeschlagen neben ihren Teller gelegt hatte.
»Guten Morgen, Amala.« Georg lächelte sie an. »Lass mich raten, Bertha hat bereits geplaudert.«
Die Haushälterin betrat in diesem Augenblick den Raum.
»Ich konnte meine Freude nicht zurückhalten«, verteidigte sie sich mit einem Grinsen, das Georg erwiderte, während Amala sich setzte und dabei bereits den Zeitungsartikel verschlang.
»Eine Vollblutschauspielerin der Extraklasse«, las sie nun laut vor, überflog die nächsten Sätze und fuhr dann fort: »… und es bleibt zu hoffen, dass Amala Hansen möglichst rasch wieder auf einer Hamburger Bühne zu sehen sein wird .« Wieder murmelte sie etwas und las dann: »… eine Bereicherung für die Kulturlandschaft und aus Hamburg nicht mehr wegzudenken ist.« Amala strahlte ihren Großonkel an. »Ich bin wirklich erleichtert«, sagte sie. »Ein bisschen hatte ich schon gefürchtet, dass nach dem letzten Vorhang womöglich gar nicht oder eher verhalten berichtet würde.«
»Die Hamburger mögen erst einmal recht kühl wirken und womöglich sogar abweisend. Doch wenn sie etwas oder jemanden in ihr Herz geschlossen haben, sind sie treue Seelen«, erklärte Georg.
Bertha schenkte den beiden Kaffee ein, und Georg trank einen Schluck. Dann fragte er: »Und? Bist du schon aufgeregt wegen nachher?«
»Aufgeregt ist nicht einmal im Ansatz der richtige Ausdruck.« Sie sah ihn aus ihren großen blauen Augen an. »Mir ist richtiggehend übel, so nervös bin ich.«
Georg lachte auf und legte seine Hand auf ihre. »Mach dir keine Sorgen. Dieser Arnold Fanck wird von dir genauso hingerissen sein wie alle anderen auch, die das Glück haben, dir begegnen zu dürfen. Du wirst schon sehen. Außerdem«, er lächelte sie an und wirkte dabei geradezu väterlich, »hast du zwei Dinge von deiner Mutter mitbekommen: den Liebreiz, jeden für dich zu gewinnen, der auch nur kurz mit dir zu tun hat, und die Durchsetzungsfähigkeit, das zu bekommen, was du willst.« Er schmunzelte. »Selbst wenn dieser Fanck gerade noch überlegen sollte, ob du wirklich die Richtige für die Rolle bist, wird dieser Gedanke schon in dem Moment überholt sein, wenn ihr euch kennenlernt.«
»Es ist lieb von dir, dass du das sagst. Aber er ist immerhin der Arnold Fanck. Alle wollen mit ihm arbeiten. Ein Film, den er macht, wird zum Erfolg. Er kann sich die Schauspieler nach Belieben aussuchen.«
»Das habe ich schon verstanden«, entgegnete Georg. »Und genau deshalb bin ich mir ja auch so sicher, dass er dich auswählen wird. Er ist erfolgreich in dem, was er tut. Er scheint ein Mensch zu sein, der Talent erkennt und es wertschätzt.«
Amala lächelte und atmete dann tief durch. »Ich danke dir. Und zwar für alles, was du schon für mich getan hast und auch weiterhin für mich tust.«
»Ich bin so froh, dass du hier bei mir bist«, erwiderte Georg. »Und das nicht, wie du annehmen könntest, damit ich nicht allein bin. Glaub mir, ich bin weit lieber allein, als meine Zeit mit irgendwelchen Menschen, die mir nicht behagen, zu verbringen. Beispielsweise hat Martha schon einige Male nebenbei bemerkt, dass es im Grunde doch einfacher und von Vorteil wäre, wenn sie wieder hier ins Haus zieht.« Georg verzog das Gesicht. »Ich habe dankend abgelehnt, wie du dir vorstellen kannst.«
Amala lachte auf. Sie wusste nur zu gut, wie ihr Großonkel über seine Nichte dachte. Und sie selbst konnte ihn sehr gut verstehen. Egal, wie man es drehte und wendete, Martha war ein schrecklicher Mensch. Nie zuvor war sie jemandem begegnet, der so boshaft war und dem nichts wichtiger war als die eigene Person. Martha schimpfte und meckerte an allem und jedem herum und ließ an niemandem ein gutes Haar. Als Amala vor einem halben Jahr einen Antrittsbesuch bei ihr gemacht hatte, war sie bereits nach wenigen Minuten in Versuchung gewesen, einfach kehrtzumachen und wieder zu gehen. Ihre Tante hatte ihr üble Dinge an den Kopf geworfen, beispielsweise dass sie gehofft hätte, Amala sähe trotz ihrer Eltern normal aus, und Ähnliches mehr. Das war starker Tobak gewesen, und Amala hatte nicht gewusst, wie sie auf derartige Anfeindungen reagieren sollte. Es war bei Weitem nicht das erste Mal, dass sie abfällige Äußerungen ertragen musste, doch normalerweise tuschelten die Leute nur hinter ihrem Rücken. Doch dass ausgerechnet ein Mitglied der eigenen Familie sie so direkt konfrontieren würde, damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Am Ende hatte ihr Cousin Eduard, Marthas Sohn, die Situation gerettet und Amala zum Bleiben bewogen. Dass ihr Großonkel nicht mit Martha unter einem Dach leben wollte, verstand sie nur zu gut.
»Ja, das kann ich mir sogar sehr gut vorstellen«, meinte sie. »Und ich bin auch wirklich glücklich, hier bei dir zu sein. Eigentlich hatte ich ja nur vor, einige Tage, höchstens ein paar Wochen in Hamburg zu verbringen und dann weiterzureisen.« Sie lächelte ihn herzlich an. »Doch jetzt möchte ich am liebsten noch bleiben.«
»Noch bleiben?«, echote Georg. »Wenn es nach mir ginge, würde ich dich gar nicht wieder hergeben.« Er legte kurz seine Hand auf ihre. »Wirklich, Amala, es ist nicht nur das Gerede eines alten Mannes. Für mich ist deine Anwesenheit hier wie ein Geschenk des Himmels. Und wenn eines Tages das Gefühl in dir wächst, dass du aufbrechen willst, dann wird es mir schwerfallen, dich ziehen zu lassen. Doch das kann ich ruhigen Herzens tun, weil ich weiß, dass du selbst es dann für richtig hältst. Aber bitte geh nicht, nur weil du ursprünglich andere Pläne hattest.« Er lächelte und zog die Hand zurück. »Ich will ja nicht ständig deine Mutter als Vorbild bemühen, aber es ist eben so, dass Luise es meines Erachtens nach genau richtig gemacht hat. Sie ist ihrer Intuition und ihrem Herzen gefolgt. Und ich glaube, du wärst gut beraten, ebenso zu handeln.«
Amala nickte. »Das werde ich. Und vielleicht …« Sie zögerte, den Satz zu Ende zu bringen.
»Und vielleicht was ?«, hakte Georg nach.
Amala blickte auf die Tasse in ihren Händen, dann sah sie auf. »Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich die Villa gern als meinen festen Wohnsitz hier in Deutschland betrachten, an den ich zurückkehren kann, selbst wenn ich mal eine Weile fortmuss. Ich meine, wenn ich die Rolle wirklich bekomme und den Film mit Arnold Fanck mache, dann werde ich ja auch an die Drehorte reisen müssen. Aber wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich danach gern hierher zurückkehren.« Sie sah ihren Großonkel etwas scheu an, weil sie nicht sicher war, ob er es womöglich als unverschämt oder aufdringlich auffassen könnte, was sie vorschlug.
Ein Lächeln erhellte Georgs Gesicht. »Zurückkommen in dein Zuhause hier in Deutschland«, sagte er. »Das ist ein ganz wunderbarer Gedanke, Amala. Schließlich ist diese Villa der Stammsitz der Hansens. Bisher war es so, dass du hier zu Besuch warst. So jedoch wird daraus das Gefühl, dass du hier lebst und die Villa auch dein Lebensmittelpunkt hier in Deutschland ist.«
Amala gab das Lächeln zurück. »Ja«, sagte sie und nickte. »Genauso fühlt es sich auch für mich an.«
Es klopfte laut an der Eingangstür, und die beiden hörten Bertha vom Flur aus rufen, dass sie an die Tür ginge. Dann wurde geöffnet, und sofort war Eduards Stimme zu vernehmen.
»Guten Morgen, Bertha. Sind mein Onkel und meine Cousine da?«
»Guten Morgen, Herr Ahrendsen«, grüßte Bertha. »Ja, die beiden sind im Esszimmer.«
»Gut. Könntest du mir auch eine Tasse Kaffee bringen?«, bat der Besucher und betrat kurz darauf das Zimmer.
»Guten Morgen.« Eduard war wie so häufig sehr schick gekleidet. Er trug einen hellbeigen Anzug und einen der aktuell so beliebten Strohhüte, die man Kreissäge nannte. Den nahm er nun ab, sodass sein glänzendes Haar zum Vorschein kam. Er ging als Erstes zu Amala, beugte sich herunter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Cousinchen.« Dann trat er auf Georg zu, der sich kurz erhob und ihm die Rechte schüttelte.
»Eduard. Du bist schon in Hamburg?«
»Ich bin bereits ganz früh in Berlin losgefahren«, sagte er. »Und als ich eben auf die Uhr sah, dachte ich, dass es genau die richtige Zeit sein müsste, um euch beim Frühstück zu erwischen.« Eduard setzte sich rechts neben Georg, und Bertha brachte ein frisches Gedeck für ihn. »Ich hoffe doch, ich störe euch nicht?«
»Unsinn«, stellte Georg fest. »Du weißt, dass wir uns immer freuen, dich zu sehen. Iss doch etwas mit.«
»Danke. Ehrlich gesagt, habe ich genau das hören wollen.« Eduard grinste breit. »Ich hätte ja auch drüben frühstücken können, doch eure Gesellschaft ist mir lieber.«
»Du warst also noch nicht daheim?«, fragte Georg, und ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen.
»Nein«, antwortete Eduard. »Ich brauche erst mindestens zwei starke Tassen Kaffee und vor allem etwas im Magen, bevor ich das unvermeidliche Gezeter ertragen kann.«
Amala lachte auf.
»Ich sollte jetzt wohl etwas dagegenhalten und dich für eine derart respektlose Bemerkung über deine Mutter zurechtweisen«, meinte Georg und wiegte den Kopf. »Aber ich finde einfach, dass du recht hast.« Er zuckte die Schultern und trank dann einen Schluck Kaffee.
Ganz selbstverständlich hatte Bertha ihm nun, ohne ihn zuvor danach zu fragen, Rührei zubereitet, weil sie wusste, dass Eduard das am liebsten morgens aß. Kaum, dass sie es vor ihm abgestellt hatte, dankte er und schob sich sogleich die erste aufgehäufte Gabel in den Mund.
»Und, Amala, bist du schon aufgeregt? Heute ist doch der große Tag, nicht wahr?«
»Wie lieb von dir, dass du daran gedacht hast«, sagte sie und lächelte den Cousin an. »Und ja, ich bin ganz schrecklich aufgeregt.«
»Wofür es jedoch nicht den geringsten Grund gibt«, stellte Georg fest. »Und das habe ich deiner Cousine auch bereits gesagt.«
»Ich schließe mich Onkel Georg an«, sagte Eduard. »Machen wir uns nichts vor. Du bist der Theaterstar hier in Hamburg und wirst bestimmt auch auf der Leinwand brillieren.« Er zwinkerte ihr zu. »Also ich werde mindestens zehn Mal in den Film gehen, sobald er im Kino kommt.«
Ein Gefühl des Glücks und tiefer Dankbarkeit, in ihrem Onkel und ihrem Cousin so wunderbare Menschen zur Seite zu haben, durchströmte Amala. »Du bist ein Schatz, Edu. Aber so weit sind wir noch längst nicht.«
Der Cousin winkte ab. »Ach, lass mal deinen Jean-Paul machen. Der hat ein gutes Händchen für Geschäfte.«
»Wie lange willst du bleiben, Eduard?«, fragte nun Georg.
» Ich fahre nachher wieder zurück nach Berlin.«
»Ganz schön anstrengend, die Fahrt heute in der Frühe und dann dieselbe Strecke nur wenige Stunden später noch mal«, gab Georg zu bedenken.
»Mir macht die Fahrerei nichts aus«, erklärte Eduard. »Und für meine Mutter und mich ist es auch besser, wenn wir uns nicht zu lange sehen.«
»Da würde sie dir vermutlich widersprechen«, befand Georg.
»Vermutlich«, stimmte Eduard zu. »Aber das ist mir einerlei. Sie meckert und jammert ohnehin. Der Unterschied für mich ist nur, ob ich ihr dabei zuzuhören habe oder nicht.« Er sah Amala an. »Wenn du Lust hast, wäre es schön, später noch telefonisch von dir zu hören, wie das Gespräch gelaufen ist.«
»Es ist wirklich lieb von dir, wie sehr du daran interessiert bist«, gab Amala voller Dankbarkeit zurück und wandte sich dann an ihren Onkel. »Wenn es dir nichts ausmacht, dass ich ein so teures Telefongespräch führe, nur um Eduard davon zu erzählen, dann sehr gern.« Amala wollte lieber nicht vorschlagen, Georg die Kosten für das Telefonat zu erstatten, weil er ein solches Angebot stets mit einer gewissen Verärgerung zurückwies.
»Aber ich bitte dich«, entrüstete sich Georg. »Natürlich sollst du Eduard darüber informieren. Ich muss schon sagen, ich finde es schön, wie verbunden ihr euch seid. Dafür, dass ihr euch erst ein gutes halbes Jahr kennt, seid ihr schon richtig zusammengewachsen. Man könnte fast meinen, ihr wärt zusammen groß geworden.«
»Dann hätte ich in meiner Kindheit bestimmt mehr Spaß gehabt«, seufzte Eduard. »Wo wird eigentlich ein solcher Film gedreht?«, fragte er nun.
Amala zuckte die Schultern. »Das weiß ich wirklich nicht. Ich weiß nur, dass der Film in den Bergen spielen soll. Ob dort jedoch nur die Landschaftsaufnahmen gedreht werden und die eigentliche Geschichte in einem Studio, kann ich nicht sagen. Vermutlich wird es so sein.« Sie zuckte die Schultern.
»Also ich finde das alles spannend«, sagte Eduard. »In unserer Familie hat es bisher immer nur Kaufleute gegeben, nicht wahr, Onkel Georg?«
»Das stimmt. Mit der Kunst hatten wir Hansens bisher nichts am Hut.«
»Dann wird es aber Zeit, dass sich das ändert, oder?«, entgegnete Amala mit einem verschmitzten Lächeln. Es machte ihr Freude, wenn sie mit Onkel Georg und auch Eduard zusammen sein konnte. Die beiden waren von ihrer ersten Begegnung an einfach nett und natürlich zu ihr, ganz so, als wären sie schon immer eine Familie gewesen. Ihnen gegenüber konnte Amala sich so geben, wie sie war, während sie sich sonst in der Öffentlichkeit stets ein wenig zurücknahm. Doch das musste sie hier nicht, nicht in Gegenwart dieser beiden Männer. Und dieses Gefühl der Vertrautheit zauberte ihr ein Lächeln ins Gesicht.